Badener Zeitung. Nr. 91, Baden (Niederösterreich), 14.11.1900. Nr 91. Mittwoch Badener Zeitung 14. November 1900 [Spaltenumbruch] lebhaften Protest hervorgerufen. Die Herren Indu- Local-Nachrichten. -- Kirchengesang. Donnerstag, den 15. d. M., -- Besuch der Gräfin Lonyay. Verflossenen -- Hochherzige Spende. Der Großindustrielle -- Personalnachricht. Der Statthalterei- -- Neuregelung der Sperrstunde in Weikersdorf. Der Bezirkshauptmann Graf Lippe -- Wählerversammlung. Die hiesige -- Vereinsversammlung. Der deutsch- -- Sechzigjähriges Jubiläum der Badener Kinderbewahranstalt. Anlässlich des heurigen -- Unterhaltungs-Abend. Für den -- Fremdenbuch-Humor. Es ist eine "Wem Gott will rechte Gunst erweisen, Den lässt er durch die Welten reisen, Doch -- ohne Bräutigam!" Dazu bemerkte ein Spottvogel: "O, liebe Clara und Helene, Ihr reist blos, weil ihr müsst, alleene." Der Mann dürfte vielleicht nicht so unrecht "Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, Der bleibt ein Narr sein Leben lang." Dies fordert einen geplagten Ehemann heraus; "Hättest du meinen Äpfelwein gekannt, Mein Weib auch dein Eigen genannt, Wär' dir ihr Lied in's Ohr gedrungen, Bei Gott, du hättest nicht so gesungen!" -- Rath'sches allg. öffentl. Kranken- haus in Baden. Kranken-Rapport für den Monat [Spaltenumbruch] Staatsanstellung nicht abwarten konnte. Ich gieng "Entsetzlich! Bei diesem Hundewetter!" "Aber ich habe es erreicht!" sagte der Dichter Er zog eine wachslederne Tasche aus seinem "Das --?" "Ja, es ist merkwürdig genug. Dafür hat sich "Was?" fuhr der Director auf, "ein zweites Wieder jenes bittere Lächeln. "Nach den Erfahrungen?" und Neumeister ent- "Geben Sie, geben Sie!" sagte der Director Als Theobald Neumeister am anderen Morgen Theobald setzte sich, um zu frühstücken. Kaum Nr 91. Mittwoch Badener Zeitung 14. November 1900 [Spaltenumbruch] lebhaften Proteſt hervorgerufen. Die Herren Indu- Local-Nachrichten. — Kirchengeſang. Donnerstag, den 15. d. M., — Beſuch der Gräfin Lonyay. Verfloſſenen — Hochherzige Spende. Der Großinduſtrielle — Perſonalnachricht. Der Statthalterei- — Neuregelung der Sperrſtunde in Weikersdorf. Der Bezirkshauptmann Graf Lippe — Wählerverſammlung. Die hieſige — Vereinsverſammlung. Der deutſch- — Sechzigjähriges Jubiläum der Badener Kinderbewahranſtalt. Anläſslich des heurigen — Unterhaltungs-Abend. Für den — Fremdenbuch-Humor. Es iſt eine „Wem Gott will rechte Gunſt erweiſen, Den läſst er durch die Welten reiſen, Doch — ohne Bräutigam!“ Dazu bemerkte ein Spottvogel: „O, liebe Clara und Helene, Ihr reist blos, weil ihr müſst, alleene.“ Der Mann dürfte vielleicht nicht ſo unrecht „Wer nicht liebt Wein, Weib und Geſang, Der bleibt ein Narr ſein Leben lang.“ Dies fordert einen geplagten Ehemann heraus; „Hätteſt du meinen Äpfelwein gekannt, Mein Weib auch dein Eigen genannt, Wär’ dir ihr Lied in’s Ohr gedrungen, Bei Gott, du hätteſt nicht ſo geſungen!“ — Rath’ſches allg. öffentl. Kranken- haus in Baden. Kranken-Rapport für den Monat [Spaltenumbruch] Staatsanſtellung nicht abwarten konnte. Ich gieng „Entſetzlich! Bei dieſem Hundewetter!“ „Aber ich habe es erreicht!“ ſagte der Dichter Er zog eine wachslederne Taſche aus ſeinem „Das —?“ „Ja, es iſt merkwürdig genug. Dafür hat ſich „Was?“ fuhr der Director auf, „ein zweites Wieder jenes bittere Lächeln. „Nach den Erfahrungen?“ und Neumeiſter ent- „Geben Sie, geben Sie!“ ſagte der Director Als Theobald Neumeiſter am anderen Morgen Theobald ſetzte ſich, um zu frühſtücken. Kaum <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="3"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Nr 91. Mittwoch Badener Zeitung 14. November 1900</hi> </hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="wahlbewegung2" prev="#wahlbewegung1" type="jArticle" n="2"> <p>lebhaften Proteſt hervorgerufen. Die Herren Indu-<lb/> ſtriellen lehnen nämlich dieſe Candidatur, die mit<lb/> einer gewiſſen Nonchalence, um kein härteres Wort<lb/> zu gebrauchen, von außen in den Bezirk getragen<lb/> wurde, einſtimmig ab. Wie aus obigem hervorgeht,<lb/> iſt es nicht unſere Schuld, daſs die Notiz in dieſer<lb/> Form erſchien; wir waren nur eben loyal genug,<lb/> auch die unſerem Manne entgegenſtehende Candidatur<lb/> den Leſern unſeres Blattes zur Kenntnis zu bringen,<lb/> ohne zu dieſer Zeit noch zu wiſſen, daſs damit ein<lb/> agitatoriſcher Zweck verfolgt wurde, darauf hinzielend,<lb/> die Wähler zu verwirren und vielleicht einerſeits<lb/> gegen die Induſtriellen aufzubringen, andererſeits<lb/> vielleicht doch für den genannten Herrn zu captivieren.<lb/> Es war aber vielleicht ganz gut, daſs die Anpreiſung<lb/> des Herrn Raunig in dieſer plumpen Form, von<lb/> der man ja in eingeweihten Kreiſen wiſſen muſste,<lb/> daſs ſie ſofort die ſchärfſte Zurückweiſung erfahren<lb/> werde, erfolgte. Wir kennen jetzt wenigſtens den<lb/> ſonderbaren Candidaten, ja noch mehr, wir wiſſen, weſs’<lb/> Protege er iſt. Das erhellte zu allererſt aus einer<lb/> Anpreiſung in der „Deutſchen Zeitung“, welche am<lb/> ſelben Tage erfolgte, als wir die Notiz über Herrn<lb/> Raunig brachten. Dieſes Blatt iſt bekanntlich das<lb/> Leiborgan des Herrn Dr. Lueger und damit iſt<lb/> eigentlich ſchon alles geſagt. Die „Oſtdeutſche Rund-<lb/> ſchau“ ſchreibt in ihrer Abendausgabe desſelben Tages<lb/> (10. November): „Die in chriſtlichſocialen und jüdi-<lb/> ſchen Zeitungen mitgetheilte Bewerbung des Ingenieurs<lb/> Raunig aus Wien, der über Betreiben der Groß-<lb/> induſtriellen, beſonders Krupp’s, im Städtebezirke<lb/> Baden—Mödling—Bruck aufgeſtellt wurde, haben<lb/> die Induſtriellen Mödlings <hi rendition="#g">einſtimmig</hi> abgelehnt;<lb/> dieſelben erklärten, nur für <hi rendition="#g">Marchet</hi> einzutreten.<lb/> Die „Deutſche Zeitung“, welche ſich für Raunig ſo ſtark<lb/> begeiſterte, hat dieſe einſtimmige Ablehnung Raunig’s<lb/> der übrigens von Dr. Lueger begünſtigt worden ſein<lb/> ſoll, auf ihrem Gewiſſen, denn ihre Lobeshymne auf<lb/> Raunig hat alle nicht chriſtlichſocialen Elemente ſofort<lb/> ſtutzig gemacht.“ Wir erfahren alſo, daſs beſonders<lb/> Herr Krupp aus Berndorf ſich für Herrn Raunig<lb/> einſetzt, und nachdem dieſer Herr bei ſeinen bisherigen<lb/> perſönlichen Vorſtellungen, welche ſtets unter der<lb/> treuen Begleitung eines in Baden wohl bekannten<lb/> Fabrikanten aus Hirtenberg erfolgen, mit einer<lb/> gewiſſen Abſicht auf den ihm zur Verfügung ſtehenden<lb/> Agitationsfond hinweist, — er ſcheut ſich auch gar<lb/> nicht, die Höhe des Betrages zu nennen, der hinreichen<lb/> würde, um ſich in Baden ſchon eine ganz annehm-<lb/> bare Villa zu kaufen, — ſo haben wir keine Urſache,<lb/> daran zu zweifeln, daſs Herr Krupp wirklich der<lb/> Protege dieſes Herrn iſt und die Wahl Raunig’s ſo<lb/> gewiſſermaßen als eine Sportſache betrachtet, die man<lb/> einfach mit Geld abthun kann. Es iſt recht eigen-<lb/> thümlich, daſs da mit ſolchen Waffen gekämpft wird<lb/> und wir hätten nicht geglaubt, daſs wir in einer<lb/> Zeit, wo alle Freunde der wirtſchaftlichen Entwicklung<lb/> einig zuſammenſtehen ſollten, auf ein ſolches Hinder-<lb/><cb/> nis ſtoßen. Geld iſt eine ſchöne Sache; aber es<lb/> iſt denn doch nicht ganz egal, ob man ſich ein Ab-<lb/> geordnetenmandat kaufen will oder ein Rennpferd<lb/> um 30.000 fl. Man wird ſich auch bald überzeugen,<lb/> daſs in dieſem Falle der Wille des Volkes ſtärker<lb/> iſt, als die Laune eines Einzelnen. Herr Raunig<lb/> dürfte ſich heute der Hoffnung, gewählt zu werden,<lb/> vielleicht ſchon langſam zu entſchlagen beginnen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jLocal" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Local-Nachrichten.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Kirchengeſang.</hi> </head> <p>Donnerstag, den 15. d. M.,<lb/> am Feſte des hl. Leopold, wird in der k. k. Hof-<lb/> kirche (Frauengaſſe) um 11 Uhr Fräulein Joſeſine<lb/> Matouſek das Offertorium <hi rendition="#aq">„O Deus, amo te“</hi> von<lb/> Heinrich Proch zum Vortrage bringen. Die Orgel ſpielt<lb/> Frau Ottilie Göllinger.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Beſuch der Gräfin Lonyay.</hi> </head> <p>Verfloſſenen<lb/> Sonntag iſt hier Ihre königliche Hoheit Frau<lb/> Gräfin Lonyay mit dem Poſtzuge aus Wien vormittag<lb/> angekommen und ſtattete dem Herrn Erzherzog<lb/> Rainer und deſſen Gemahlin einen Beſuch ab. —<lb/> Nachmittag um 2 Uhr 40 Minuten fuhr Frau<lb/> Gräfin Lonyay mit dem Localzuge nach Wien zurück.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Hochherzige Spende.</hi> </head> <p>Der Großinduſtrielle<lb/> Herr David Ritter von Gutmann hat anläſslich des<lb/> Ablebens ſeines einzigen hier verſtorbenen Sohnes<lb/> Dr. Ludwig von Gutmann den Betrag von 30.000<lb/> Kronen zum Tempelbau der israelitiſchen Cultus-<lb/> gemeinde in Baden geſpendet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Perſonalnachricht.</hi> </head> <p>Der Statthalterei-<lb/> Concepts-Praktikant Leo <hi rendition="#g">Gaſch</hi> wurde der hieſigen<lb/> Bezirkshauptmannſchaft zur Dienſtleiſtung zugewieſen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Neuregelung der Sperrſtunde in<lb/> Weikersdorf.</hi> </head> <p>Der Bezirkshauptmann Graf Lippe<lb/> hat auf Grund der Ermächtigung der n.-ö. Statt-<lb/> halterei vom 15. October l. J. die Sperrſtunde<lb/> für die in die Kategorie der Gaſthäuſer fallenden<lb/> Gaſt- und Schankgewerbebetriebe im Gemeindegebiete<lb/> Weikersdorf mit 1 Uhr morgens für das ganze Jahr<lb/> feſtgeſetzt. Die Verordnung tritt ſofort in Kraft.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Wählerverſammlung.</hi> </head> <p>Die hieſige<lb/> ſocial-demokratiſche Parteileitung beruft für Samstag,<lb/> den 17. November, in Kolbe’s Hotel (Waſſergaſſe 35)<lb/> eine öffentliche Wählerverſammlung ein, auf deren<lb/> Tagesordnung die Beſprechung der bevorſtehenden Reich-<lb/> rathswahlen ſteht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Vereinsverſammlung.</hi> </head> <p>Der deutſch-<lb/> fortſchrittliche Verein für Baden und Umgebung hält<lb/> Freitag, den 16. d. M., 8 Uhr abends, in Bruſatti’s<lb/> „Hotel Nagel“ eine Vereinsverſammlung ab, in<lb/> welcher über die bisherige Vereinsthätigkeit Bericht<lb/> erſtattet und die Stellungnahme zu den Reichsraths-<lb/> wahlen und zu den Candidaten überhaupt beſprochen<lb/> wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Sechzigjähriges Jubiläum der Badener<lb/> Kinderbewahranſtalt.</hi> </head> <p>Anläſslich des heurigen<lb/><cb/> 60 jährigen Gedenktages der Gründung der hieſigen<lb/> Kleinkinderbewahranſtalt hatte vorige Woche Bürger-<lb/> meiſter Zöllner als Vorſtand, Johann Schieſtl als<lb/> Verwalter der Anſtalt, die anläſslich des Jubiläums<lb/> herausgegebene Feſtſchrift und Jahresbericht der<lb/> hohen Protectorin der Anſtalt, der durchlauchtigſten<lb/> Frau Erzherzogin Maria Carolina, perſönlich über-<lb/> reicht. 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Wer hat ſich nicht ſchon an den, wenn auch<lb/> oft derben, aber doch ſo trefflichen Knütelverſen Zer-<lb/> ſtreuung verſchafft? Saß unlängſt eine hieſige Geſell-<lb/> ſchaft in einem Alpen-Gaſthof, in der unmittel-<lb/> baren Nähe der Bahnſtation, und vertrieb ſich die<lb/> Zeit bis zum Abgang des Zuges mit dem Durch-<lb/> blättern des Fremdenbuches. Meiſtens waren es poe-<lb/> tiſche Ergüſſe, welche die landſchaftliche Schönheit der<lb/> Gegend zum Gegenſtand hatten. Aber auch einige<lb/> luſtige fanden ſich darin. Zwei Scheſtern, Clara und<lb/> Helene, finden es wunderſchön ohne Bräutigam in<lb/> dieſer reizenden Gegend, denn ſie rufen:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Wem Gott will rechte Gunſt erweiſen,</l><lb/> <l>Den läſst er durch die Welten reiſen,</l><lb/> <l>Doch — ohne Bräutigam!“</l> </lg><lb/> <p>Dazu bemerkte ein Spottvogel:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„O, liebe Clara und Helene,</l><lb/> <l>Ihr reist blos, <hi rendition="#g">weil ihr müſst,</hi> alleene.“</l> </lg><lb/> <p>Der Mann dürfte vielleicht nicht ſo unrecht<lb/> gehabt haben. Ein anderer wieder jubelt:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Wer nicht liebt Wein, Weib und Geſang,</l><lb/> <l>Der bleibt ein Narr ſein Leben lang.“</l> </lg><lb/> <p>Dies fordert einen geplagten Ehemann heraus;<lb/> er ſchrieb darunter:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Hätteſt du meinen Äpfelwein gekannt,</l><lb/> <l>Mein Weib auch dein Eigen genannt,</l><lb/> <l>Wär’ dir ihr Lied in’s Ohr gedrungen,</l><lb/> <l>Bei Gott, du hätteſt nicht ſo geſungen!“</l> </lg> </div><lb/> <div xml:id="rath1" next="#rath2" type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Rath’ſches allg. öffentl. Kranken-<lb/> haus in Baden.</hi> </head> <p>Kranken-Rapport für den Monat<lb/> October 1900. Vom Vormonate verblieben 110,<lb/> ſeither zugewachſen 103, zuſammen 213 Kranke.<lb/> Seither abgegangen 104, verbleiben Ende dieſes<lb/> Monats 109 Kranke. Die in Abgang gebrachten<lb/> 104 Kranken entfallen in folgende Gruppen: Geheilt<lb/> 65, gebeſſert 28, ungeheilt 0, geſtorben 11. In<lb/> unentgeltliche ambulatoriſche Behandlung kamen</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div next="#erreicht4" xml:id="erreicht3" prev="#erreicht2" type="jArticle" n="2"> <p>Staatsanſtellung nicht abwarten konnte. Ich gieng<lb/> nach Wien, um von der Feder zu leben. Für den<lb/> Journalismus mit ſeiner fieberhaften Haſt zu pro-<lb/> ducieren, fehlte mir nicht weniger als alles, und ich<lb/> ernährte mich kümmerlich von literariſchen Arbeiten.<lb/> Dabei ſchrieb ich die „Fredegundis“ und reichte ſie<lb/> Ihnen ein. Sie ſtellten mir in Ausſicht, daſs unge-<lb/> fähr innerhalb eines Jahres eine Aufführung erfolgen<lb/> könnte. So lange hoffte ich mich halten zu können.<lb/> Als aber ein zweites Jahr vergeblichen Harrens ver-<lb/> gangen war, nahm ich eine Stelle als Privatſecretär<lb/> und Reiſebegleiter bei einem angeblichen amerikaniſchen<lb/> Nabob an, der eine Reiſe nach Italien und dem<lb/> Orient antreten wollte. In Brindiſi, wo wir uns<lb/> nach Alexandrien einſchiffen wollten, ließ mich der<lb/> Kerl ſitzen. Ich nahm meine paar Sachen und meine<lb/> geringe Barſchaft und fuhr nach Neapel. Hier lebte<lb/> ich von dem geringen Ertrage kärglich bezahlten<lb/> Privatunterrichtes, brachte es aber unter äußerſten<lb/> Entbehrungen doch ſo weit, daſs ich nach anderthalb<lb/> Jahren das Reiſegeld nach Wien zuſammen hatte.<lb/> Die Anſtrengungen und Entbehrungen aber hatten<lb/> meine Geſundheit derart geſchwächt, daſs ich in<lb/> Graz am Typhus ſchwer erkrankte und acht<lb/> Wochen dort im Spitale liegen muſste. Das hatte<lb/> meine Barſchaft aufgezehrt. Auf meinen Wunſch<lb/> ſchaffte man mich darauf nach meiner Vaterſtadt, wo<lb/> ich bei einem Bekannten meiner längſt verſtorbenen<lb/> Eltern ganz geneſen wollte. Aber ich war unvor-<lb/> ſichtig, erkältete mich und ein furchtbarer Katarrh<lb/> war die Folge — es iſt aber noch etwas zurück-<lb/> geblieben und hier“, er legte die Hand auf die<lb/> Bruſt, „iſt was caput. Als ich im Hauſe herum-<lb/> gehen durfte, ſuchte ich nach etwas Lesbarem und<lb/> fand unter alten Gartenlauben und früheren Nummern<lb/><cb/> des Wochenblattes eine Zeitung mit Ihrem Aufruf,<lb/> den ſich der Alte aufbewahrt hatte. Nun hielt mich<lb/> nichts mehr. Noch ſehr ſchwach, ja noch ziemlich krank,<lb/> bat ich den Alten, mir ſofort das Reiſegeld nach<lb/> Wien zu leihen, denn ich ſelbſt beſaß ja keinen<lb/> Heller. Er gieng nach einigem Zögern darauf ein —<lb/> ich ſchrieb Ihnen die paar Zeilen, kaufte ein Billet<lb/> dritter Claſſe und fuhr los. In welcher Aufregung<lb/> ich mich befand, je näher ich der Reichshauptſtadt<lb/> kam, kann ich nicht ſchildern. — Da trat geſtern<lb/> Abend vor Mödling ein Controlor in den Wagen<lb/> und ließ ſich die Fahrkarten zeigen. Ich hatte die<lb/> meinige an meinen Hut geſteckt und dieſen neben mich<lb/> auf die Bank gelegt. Als ich ſie vorzeigen wollte,<lb/> war ſie fort — wohin ſie gekommen, wird wohl nie<lb/> aufgeklärt werden. Ich war bei Beginn der Fahrt<lb/> ein wenig eingenickt und neben mir ſaß ein ver-<lb/> dächtiges Individuum. Ich wurde ausgeſetzt und<lb/> muſste Strafe zahlen. Dadurch ſchmolz das geliehene<lb/> Geld auf achtundvierzig Heller zuſammen. Ich<lb/> kaufte mir ein Brötchen als Abendmahlzeit und<lb/> nächtigte auf einem Heuboden. Am andern Morgen<lb/> trat ich den Weg nach Wien zu Fuß an“.</p><lb/> <p>„Entſetzlich! Bei dieſem Hundewetter!“</p><lb/> <p>„Aber ich habe es erreicht!“ ſagte der Dichter<lb/> tief athmend. „Wenn auch faſt nackt und bloß, bin<lb/> ich doch ans Ufer gelangt — freilich — — nichts<lb/> habe ich gerettet als die mehr als fragwürdige<lb/> Kleidung und — das“.</p><lb/> <p>Er zog eine wachslederne Taſche aus ſeinem<lb/> Rocke und hielt ſie dem Director entgegen.</p><lb/> <p>„Das —?“</p><lb/> <p>„Ja, es iſt merkwürdig genug. Dafür hat ſich<lb/> kein Liebhaber gefunden! Es enthielt meine Legiti-<lb/> mationspapiere, meine letzten Viſitkarten und das<lb/><cb/> Manuſcript eines zweiten Dramas, das ich in den<lb/> Jahren der Noth und Kümmerniſſe in Wien und<lb/> Neapel ſchrieb“.</p><lb/> <p>„Was?“ fuhr der Director auf, „ein zweites<lb/> Stück von Ihnen? Warum haben Sie es nirgends<lb/> eingereicht?“</p><lb/> <p>Wieder jenes bittere Lächeln.</p><lb/> <p>„Nach <hi rendition="#g">den</hi> Erfahrungen?“ und Neumeiſter ent-<lb/> nahm ein blaues Heft der Ledertaſche.</p><lb/> <p>„Geben Sie, geben Sie!“ ſagte der Director<lb/> gierig, ihm das Manuſcript faſt aus der Hand<lb/> reißend. „Das leſe ich noch dieſe Nacht. Sie ſollen<lb/> nicht wieder auf einen Beſcheid warten. Und nun<lb/> kommen Sie, vielleicht nehmen Sie ein warmes Bad<lb/> und ſuchen dann Ihr Lager auf. Selbſtverſtändlich<lb/> ſind Sie hier für längere Zeit mein Gaſt“. —</p><lb/> <p>Als Theobald Neumeiſter am anderen Morgen<lb/> aus bleiernem Schlafe erwachte, fand er vor ſeinem<lb/> Bette reine Leibwäſche, ein Paar Morgenſchuhe und<lb/> einen zwar getragenen, aber noch immer eleganten<lb/> Anzug, vermuthlich aus dem Garderobeſchrank des<lb/> Directors vor. Er kleidete ſich an, klingelte, und<lb/> das Mädchen brachte ihm Kaffee und einen Pack<lb/> Zeitungen. Sie meldete, der Herr Director ſei im<lb/> Theater, käme aber bald zurück.</p><lb/> <p>Theobald ſetzte ſich, um zu frühſtücken. Kaum<lb/> hatte er einen Biſſen zu ſich genommen, als ſich der<lb/> qualvolle Huſten wieder einſtellte. Er fühlte ſich zum<lb/> Sterben elend. Die Glieder waren ihm bleiſchwer,<lb/> die Bruſt ſchmerzte, ein heftiger Kopfſchmerz marterte<lb/> ihn. Er griff zu den Zeitungen. In jeder war unter<lb/> „Theater und Muſik“ ein Artikel von ungefähr<lb/> 20 Zeilen blau angeſtrichen. Er begann zu leſen,<lb/> legte aber bald die Blätter hohnlachend beiſeite. Der<lb/> Artikel enthielt die Mittheilung, daſs der verſchollene</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [3/0003]
Nr 91. Mittwoch Badener Zeitung 14. November 1900
lebhaften Proteſt hervorgerufen. Die Herren Indu-
ſtriellen lehnen nämlich dieſe Candidatur, die mit
einer gewiſſen Nonchalence, um kein härteres Wort
zu gebrauchen, von außen in den Bezirk getragen
wurde, einſtimmig ab. Wie aus obigem hervorgeht,
iſt es nicht unſere Schuld, daſs die Notiz in dieſer
Form erſchien; wir waren nur eben loyal genug,
auch die unſerem Manne entgegenſtehende Candidatur
den Leſern unſeres Blattes zur Kenntnis zu bringen,
ohne zu dieſer Zeit noch zu wiſſen, daſs damit ein
agitatoriſcher Zweck verfolgt wurde, darauf hinzielend,
die Wähler zu verwirren und vielleicht einerſeits
gegen die Induſtriellen aufzubringen, andererſeits
vielleicht doch für den genannten Herrn zu captivieren.
Es war aber vielleicht ganz gut, daſs die Anpreiſung
des Herrn Raunig in dieſer plumpen Form, von
der man ja in eingeweihten Kreiſen wiſſen muſste,
daſs ſie ſofort die ſchärfſte Zurückweiſung erfahren
werde, erfolgte. Wir kennen jetzt wenigſtens den
ſonderbaren Candidaten, ja noch mehr, wir wiſſen, weſs’
Protege er iſt. Das erhellte zu allererſt aus einer
Anpreiſung in der „Deutſchen Zeitung“, welche am
ſelben Tage erfolgte, als wir die Notiz über Herrn
Raunig brachten. Dieſes Blatt iſt bekanntlich das
Leiborgan des Herrn Dr. Lueger und damit iſt
eigentlich ſchon alles geſagt. Die „Oſtdeutſche Rund-
ſchau“ ſchreibt in ihrer Abendausgabe desſelben Tages
(10. November): „Die in chriſtlichſocialen und jüdi-
ſchen Zeitungen mitgetheilte Bewerbung des Ingenieurs
Raunig aus Wien, der über Betreiben der Groß-
induſtriellen, beſonders Krupp’s, im Städtebezirke
Baden—Mödling—Bruck aufgeſtellt wurde, haben
die Induſtriellen Mödlings einſtimmig abgelehnt;
dieſelben erklärten, nur für Marchet einzutreten.
Die „Deutſche Zeitung“, welche ſich für Raunig ſo ſtark
begeiſterte, hat dieſe einſtimmige Ablehnung Raunig’s
der übrigens von Dr. Lueger begünſtigt worden ſein
ſoll, auf ihrem Gewiſſen, denn ihre Lobeshymne auf
Raunig hat alle nicht chriſtlichſocialen Elemente ſofort
ſtutzig gemacht.“ Wir erfahren alſo, daſs beſonders
Herr Krupp aus Berndorf ſich für Herrn Raunig
einſetzt, und nachdem dieſer Herr bei ſeinen bisherigen
perſönlichen Vorſtellungen, welche ſtets unter der
treuen Begleitung eines in Baden wohl bekannten
Fabrikanten aus Hirtenberg erfolgen, mit einer
gewiſſen Abſicht auf den ihm zur Verfügung ſtehenden
Agitationsfond hinweist, — er ſcheut ſich auch gar
nicht, die Höhe des Betrages zu nennen, der hinreichen
würde, um ſich in Baden ſchon eine ganz annehm-
bare Villa zu kaufen, — ſo haben wir keine Urſache,
daran zu zweifeln, daſs Herr Krupp wirklich der
Protege dieſes Herrn iſt und die Wahl Raunig’s ſo
gewiſſermaßen als eine Sportſache betrachtet, die man
einfach mit Geld abthun kann. Es iſt recht eigen-
thümlich, daſs da mit ſolchen Waffen gekämpft wird
und wir hätten nicht geglaubt, daſs wir in einer
Zeit, wo alle Freunde der wirtſchaftlichen Entwicklung
einig zuſammenſtehen ſollten, auf ein ſolches Hinder-
nis ſtoßen. Geld iſt eine ſchöne Sache; aber es
iſt denn doch nicht ganz egal, ob man ſich ein Ab-
geordnetenmandat kaufen will oder ein Rennpferd
um 30.000 fl. Man wird ſich auch bald überzeugen,
daſs in dieſem Falle der Wille des Volkes ſtärker
iſt, als die Laune eines Einzelnen. Herr Raunig
dürfte ſich heute der Hoffnung, gewählt zu werden,
vielleicht ſchon langſam zu entſchlagen beginnen.
Local-Nachrichten.
— Kirchengeſang. Donnerstag, den 15. d. M.,
am Feſte des hl. Leopold, wird in der k. k. Hof-
kirche (Frauengaſſe) um 11 Uhr Fräulein Joſeſine
Matouſek das Offertorium „O Deus, amo te“ von
Heinrich Proch zum Vortrage bringen. Die Orgel ſpielt
Frau Ottilie Göllinger.
— Beſuch der Gräfin Lonyay. Verfloſſenen
Sonntag iſt hier Ihre königliche Hoheit Frau
Gräfin Lonyay mit dem Poſtzuge aus Wien vormittag
angekommen und ſtattete dem Herrn Erzherzog
Rainer und deſſen Gemahlin einen Beſuch ab. —
Nachmittag um 2 Uhr 40 Minuten fuhr Frau
Gräfin Lonyay mit dem Localzuge nach Wien zurück.
— Hochherzige Spende. Der Großinduſtrielle
Herr David Ritter von Gutmann hat anläſslich des
Ablebens ſeines einzigen hier verſtorbenen Sohnes
Dr. Ludwig von Gutmann den Betrag von 30.000
Kronen zum Tempelbau der israelitiſchen Cultus-
gemeinde in Baden geſpendet.
— Perſonalnachricht. Der Statthalterei-
Concepts-Praktikant Leo Gaſch wurde der hieſigen
Bezirkshauptmannſchaft zur Dienſtleiſtung zugewieſen.
— Neuregelung der Sperrſtunde in
Weikersdorf. Der Bezirkshauptmann Graf Lippe
hat auf Grund der Ermächtigung der n.-ö. Statt-
halterei vom 15. October l. J. die Sperrſtunde
für die in die Kategorie der Gaſthäuſer fallenden
Gaſt- und Schankgewerbebetriebe im Gemeindegebiete
Weikersdorf mit 1 Uhr morgens für das ganze Jahr
feſtgeſetzt. Die Verordnung tritt ſofort in Kraft.
— Wählerverſammlung. Die hieſige
ſocial-demokratiſche Parteileitung beruft für Samstag,
den 17. November, in Kolbe’s Hotel (Waſſergaſſe 35)
eine öffentliche Wählerverſammlung ein, auf deren
Tagesordnung die Beſprechung der bevorſtehenden Reich-
rathswahlen ſteht.
— Vereinsverſammlung. Der deutſch-
fortſchrittliche Verein für Baden und Umgebung hält
Freitag, den 16. d. M., 8 Uhr abends, in Bruſatti’s
„Hotel Nagel“ eine Vereinsverſammlung ab, in
welcher über die bisherige Vereinsthätigkeit Bericht
erſtattet und die Stellungnahme zu den Reichsraths-
wahlen und zu den Candidaten überhaupt beſprochen
wird.
— Sechzigjähriges Jubiläum der Badener
Kinderbewahranſtalt. Anläſslich des heurigen
60 jährigen Gedenktages der Gründung der hieſigen
Kleinkinderbewahranſtalt hatte vorige Woche Bürger-
meiſter Zöllner als Vorſtand, Johann Schieſtl als
Verwalter der Anſtalt, die anläſslich des Jubiläums
herausgegebene Feſtſchrift und Jahresbericht der
hohen Protectorin der Anſtalt, der durchlauchtigſten
Frau Erzherzogin Maria Carolina, perſönlich über-
reicht. Die hohe Frau, welche ſich eingehend um die
Verhältniſſe der Anſtalt erkundigte, ſprach darüber
ihre Freude aus, das Jubiläum dieſer Anſtalt als
Protectorin ſelbſt mitfeiern zu können.
— Unterhaltungs-Abend. Für den
nächſten Samstag im Saale des Hotel Nagl-Bruſatti
ſtattfindenden Unterhaltungs-Abend gibt ſich bereits
das regſte Intereſſe kund und dürfte der Abend recht
animiert verlaufen. Das Comité erſucht uns, bekannt
zu geben, daſs ſpecielle Einladungen nicht verſandt
werden.
— Fremdenbuch-Humor. Es iſt eine
bekannte Thatſache, daſs der in den Fremdenbüchern
aufgeſtapelte Humor oft ſeine wunderlichſten Blüten
zeitigt. Wer hat ſich nicht ſchon an den, wenn auch
oft derben, aber doch ſo trefflichen Knütelverſen Zer-
ſtreuung verſchafft? Saß unlängſt eine hieſige Geſell-
ſchaft in einem Alpen-Gaſthof, in der unmittel-
baren Nähe der Bahnſtation, und vertrieb ſich die
Zeit bis zum Abgang des Zuges mit dem Durch-
blättern des Fremdenbuches. Meiſtens waren es poe-
tiſche Ergüſſe, welche die landſchaftliche Schönheit der
Gegend zum Gegenſtand hatten. Aber auch einige
luſtige fanden ſich darin. Zwei Scheſtern, Clara und
Helene, finden es wunderſchön ohne Bräutigam in
dieſer reizenden Gegend, denn ſie rufen:
„Wem Gott will rechte Gunſt erweiſen,
Den läſst er durch die Welten reiſen,
Doch — ohne Bräutigam!“
Dazu bemerkte ein Spottvogel:
„O, liebe Clara und Helene,
Ihr reist blos, weil ihr müſst, alleene.“
Der Mann dürfte vielleicht nicht ſo unrecht
gehabt haben. Ein anderer wieder jubelt:
„Wer nicht liebt Wein, Weib und Geſang,
Der bleibt ein Narr ſein Leben lang.“
Dies fordert einen geplagten Ehemann heraus;
er ſchrieb darunter:
„Hätteſt du meinen Äpfelwein gekannt,
Mein Weib auch dein Eigen genannt,
Wär’ dir ihr Lied in’s Ohr gedrungen,
Bei Gott, du hätteſt nicht ſo geſungen!“
— Rath’ſches allg. öffentl. Kranken-
haus in Baden. Kranken-Rapport für den Monat
October 1900. Vom Vormonate verblieben 110,
ſeither zugewachſen 103, zuſammen 213 Kranke.
Seither abgegangen 104, verbleiben Ende dieſes
Monats 109 Kranke. Die in Abgang gebrachten
104 Kranken entfallen in folgende Gruppen: Geheilt
65, gebeſſert 28, ungeheilt 0, geſtorben 11. In
unentgeltliche ambulatoriſche Behandlung kamen
Staatsanſtellung nicht abwarten konnte. Ich gieng
nach Wien, um von der Feder zu leben. Für den
Journalismus mit ſeiner fieberhaften Haſt zu pro-
ducieren, fehlte mir nicht weniger als alles, und ich
ernährte mich kümmerlich von literariſchen Arbeiten.
Dabei ſchrieb ich die „Fredegundis“ und reichte ſie
Ihnen ein. Sie ſtellten mir in Ausſicht, daſs unge-
fähr innerhalb eines Jahres eine Aufführung erfolgen
könnte. So lange hoffte ich mich halten zu können.
Als aber ein zweites Jahr vergeblichen Harrens ver-
gangen war, nahm ich eine Stelle als Privatſecretär
und Reiſebegleiter bei einem angeblichen amerikaniſchen
Nabob an, der eine Reiſe nach Italien und dem
Orient antreten wollte. In Brindiſi, wo wir uns
nach Alexandrien einſchiffen wollten, ließ mich der
Kerl ſitzen. Ich nahm meine paar Sachen und meine
geringe Barſchaft und fuhr nach Neapel. Hier lebte
ich von dem geringen Ertrage kärglich bezahlten
Privatunterrichtes, brachte es aber unter äußerſten
Entbehrungen doch ſo weit, daſs ich nach anderthalb
Jahren das Reiſegeld nach Wien zuſammen hatte.
Die Anſtrengungen und Entbehrungen aber hatten
meine Geſundheit derart geſchwächt, daſs ich in
Graz am Typhus ſchwer erkrankte und acht
Wochen dort im Spitale liegen muſste. Das hatte
meine Barſchaft aufgezehrt. Auf meinen Wunſch
ſchaffte man mich darauf nach meiner Vaterſtadt, wo
ich bei einem Bekannten meiner längſt verſtorbenen
Eltern ganz geneſen wollte. Aber ich war unvor-
ſichtig, erkältete mich und ein furchtbarer Katarrh
war die Folge — es iſt aber noch etwas zurück-
geblieben und hier“, er legte die Hand auf die
Bruſt, „iſt was caput. Als ich im Hauſe herum-
gehen durfte, ſuchte ich nach etwas Lesbarem und
fand unter alten Gartenlauben und früheren Nummern
des Wochenblattes eine Zeitung mit Ihrem Aufruf,
den ſich der Alte aufbewahrt hatte. Nun hielt mich
nichts mehr. Noch ſehr ſchwach, ja noch ziemlich krank,
bat ich den Alten, mir ſofort das Reiſegeld nach
Wien zu leihen, denn ich ſelbſt beſaß ja keinen
Heller. Er gieng nach einigem Zögern darauf ein —
ich ſchrieb Ihnen die paar Zeilen, kaufte ein Billet
dritter Claſſe und fuhr los. In welcher Aufregung
ich mich befand, je näher ich der Reichshauptſtadt
kam, kann ich nicht ſchildern. — Da trat geſtern
Abend vor Mödling ein Controlor in den Wagen
und ließ ſich die Fahrkarten zeigen. Ich hatte die
meinige an meinen Hut geſteckt und dieſen neben mich
auf die Bank gelegt. Als ich ſie vorzeigen wollte,
war ſie fort — wohin ſie gekommen, wird wohl nie
aufgeklärt werden. Ich war bei Beginn der Fahrt
ein wenig eingenickt und neben mir ſaß ein ver-
dächtiges Individuum. Ich wurde ausgeſetzt und
muſste Strafe zahlen. Dadurch ſchmolz das geliehene
Geld auf achtundvierzig Heller zuſammen. Ich
kaufte mir ein Brötchen als Abendmahlzeit und
nächtigte auf einem Heuboden. Am andern Morgen
trat ich den Weg nach Wien zu Fuß an“.
„Entſetzlich! Bei dieſem Hundewetter!“
„Aber ich habe es erreicht!“ ſagte der Dichter
tief athmend. „Wenn auch faſt nackt und bloß, bin
ich doch ans Ufer gelangt — freilich — — nichts
habe ich gerettet als die mehr als fragwürdige
Kleidung und — das“.
Er zog eine wachslederne Taſche aus ſeinem
Rocke und hielt ſie dem Director entgegen.
„Das —?“
„Ja, es iſt merkwürdig genug. Dafür hat ſich
kein Liebhaber gefunden! Es enthielt meine Legiti-
mationspapiere, meine letzten Viſitkarten und das
Manuſcript eines zweiten Dramas, das ich in den
Jahren der Noth und Kümmerniſſe in Wien und
Neapel ſchrieb“.
„Was?“ fuhr der Director auf, „ein zweites
Stück von Ihnen? Warum haben Sie es nirgends
eingereicht?“
Wieder jenes bittere Lächeln.
„Nach den Erfahrungen?“ und Neumeiſter ent-
nahm ein blaues Heft der Ledertaſche.
„Geben Sie, geben Sie!“ ſagte der Director
gierig, ihm das Manuſcript faſt aus der Hand
reißend. „Das leſe ich noch dieſe Nacht. Sie ſollen
nicht wieder auf einen Beſcheid warten. Und nun
kommen Sie, vielleicht nehmen Sie ein warmes Bad
und ſuchen dann Ihr Lager auf. Selbſtverſtändlich
ſind Sie hier für längere Zeit mein Gaſt“. —
Als Theobald Neumeiſter am anderen Morgen
aus bleiernem Schlafe erwachte, fand er vor ſeinem
Bette reine Leibwäſche, ein Paar Morgenſchuhe und
einen zwar getragenen, aber noch immer eleganten
Anzug, vermuthlich aus dem Garderobeſchrank des
Directors vor. Er kleidete ſich an, klingelte, und
das Mädchen brachte ihm Kaffee und einen Pack
Zeitungen. Sie meldete, der Herr Director ſei im
Theater, käme aber bald zurück.
Theobald ſetzte ſich, um zu frühſtücken. Kaum
hatte er einen Biſſen zu ſich genommen, als ſich der
qualvolle Huſten wieder einſtellte. Er fühlte ſich zum
Sterben elend. Die Glieder waren ihm bleiſchwer,
die Bruſt ſchmerzte, ein heftiger Kopfſchmerz marterte
ihn. Er griff zu den Zeitungen. In jeder war unter
„Theater und Muſik“ ein Artikel von ungefähr
20 Zeilen blau angeſtrichen. Er begann zu leſen,
legte aber bald die Blätter hohnlachend beiſeite. Der
Artikel enthielt die Mittheilung, daſs der verſchollene
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