Die Bayerische Presse. Nr. 88. Würzburg, 12. April 1850.Die Bayerische Presse. [Beginn Spaltensatz]
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Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. [Spaltenumbruch] Erpedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- Nr. 88. Würzburg, Freitag den 12. April. 1850. [Beginn Spaltensatz]
Amtliche Nachrichten. Die Schulstelle zu Riedern k. Ldg. Milten- Verliehen wurden: 1 ) Die 1. Knabenschul- sym42 Ueber die Zustände Badens. I. Bei der Schilderung der Lage, in der wir Die Bayerische Presse. [Beginn Spaltensatz]
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Amtliche Nachrichten. Die Schulstelle zu Riedern k. Ldg. Milten- Verliehen wurden: 1 ) Die 1. Knabenschul- sym42 Ueber die Zustände Badens. I. Bei der Schilderung der Lage, in der wir <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001"/> <docTitle> <titlePart xml:id="tpm1" type="main" next="#tpm2"> <hi rendition="#c #fr">Die Bayerische Presse.</hi> </titlePart><lb/> <cb type="start"/> <titlePart type="price"><hi rendition="#c">Abonnement: </hi><lb/> Ganzjährig 6 fl.<lb/> Halbjährig 3 fl.<lb/> Vierteljährig 1 fl. 30 kr.<lb/> Monatlich für die Stadt 30 kr.</titlePart><lb/> <cb/> <titlePart type="sub"> <hi rendition="#c #fr">Eine constitutionell-monarchische Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle><lb/> <cb/> <p>Erpedition: Jm Schenkhofe 2. Distr.<lb/> Nr. 533.</p><lb/> <p>Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-<lb/> titzeile oder deren Raum 3 kr. 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Wie sehr<lb/> hatte man sie bisher verkannt. Und gewiß hat<lb/> es manchen Liberalen manchmal fast bis zur<lb/> Thräne gerührt, wenn sie von der Souveränität<lb/><cb/> der Nationalversammlung oder des Volkes, von<lb/> Jnstitutionen sprachen, wie sie nur das freieste Volk<lb/> der Welt haben mag. Jetzt freilich ist dies Alles<lb/> anders. Man sollte glauben, diese Partei würde<lb/> von der gewaltigen Revolution auch etwas ge-<lb/> lernt haben. So ist es aber nicht. Die ganze<lb/> Bewegung nur für eine Krankheit, für eine rein<lb/> negative Auflehnung ohne allen positiven Kern<lb/> haltend, thut sie wieder, als die volle alte Zeit<lb/> für sie wieder gekommen, als ob eigentlich gar<lb/> nichts geschehen wäre, und man die zwei letzt<lb/> vergangenen Jahre durch einen Cabinetsbefehl aus<lb/> der Weltgeschichte gänzlich ausstreichen könnte,<lb/> durch und durch materialistisch gesinnt, und me-<lb/> chanisch Alles anschauend, glaubt sie an keinen<lb/> Geist, an keine Jdee. Das ganze Geheimniß der<lb/> Staatsweisheit besteht im Militär, dem Gens-<lb/> darmeriekorps und dem Amtsbüttel; und wenn<lb/> nur diese drei Grundsäulen der menschlichen Ge-<lb/> sellschaft nicht wanken, dann wähnt sie ganz pro-<lb/> per regieren zu können. Und diese Partei ist jetzt<lb/> obenan. Wahrlich, man müßte an allem Fort-<lb/> schritte der Menschheit verzweifeln, und an unserm<lb/> Volke insbesonders, wenn man annehmen dürfte,<lb/> eine solche Partei hätte die Zukunft für sich, sie,<lb/> die wieder mit der alten starren Ausschließlichkeit<lb/> verfährt, und jede Versöhnung mit dem positiven<lb/> Gehalte der Neuzeit entschieden von sich abweist.<lb/> Weil die letzten Wahlen -- übrigens auf eine<lb/> ganz begreifliche Weise -- der großen Mehrheit<lb/> nach, in ihrem Sinne ausgefallen, so meint sie,<lb/> das Volk fühle wieder die lebhafte Sehnsucht,<lb/> nach ihrem Regiment, oder nach den alten vor-<lb/> märzlichen Zuständen. Sie dürfte jedoch bei nachster<lb/> Gelegenheit sehr leicht eines Bessern belehrt wer-<lb/> den, wenn sie je noch etwas lernen könnte. Diese<lb/> Partei ist gewiß nicht im Stande, eine con-<lb/> stitutionelle Regierung zu führen, oh, eine Regie-<lb/> rung, die sich wenigstens in den Hauptprinzipien<lb/> auf den klar ausgesprochenen Willen der Mehr-<lb/> heit des Volkes stützt. -- Aber ist es etwa die<lb/> andere Partei, die <hi rendition="#g">liberalkonservative,</hi> im<lb/> Stande? Man muß gestehen, diese Partei hat<lb/> ausgezeichnete Talente unter sich, ja entschieden<lb/> die größten politischen Kapacitäten, -- auch ist<lb/> sie nun gewöhnt, das Staatsleben mit etwas an-<lb/> dern Augen anzusehen, als vorher, sie ist viel po-<lb/> sitiver, viel praktischer geworden. Sie weiß nun<lb/> aus eigener Erfahrung, daß es leichter ist, zu op-<lb/> poniren, als es besser zu machen. Und während<lb/> sich die beiden extremen Parteien gleich stark an<lb/> dem Geiste der Geschichte versündigen, indem die<lb/> eine meint, mit dem Jahre 1848 fange eine ganz<lb/> neue Welt an, so daß man ohne Rücksicht auf<lb/> Verhältnisse und Menschen zu nehmen, Alles auf<lb/> den Kopf stellen, nach Jdealen konstruiren könne,<lb/> die andere dagegen der Ansicht ist, mit dem Ein-<lb/> zuge der Preußen sei auch die alte vormärzliche<lb/> Welt wieder eingezogen, und im Grunde genom-<lb/> men eigentlich gar nichts geschehen --; so möchte<lb/> allein die liberale Partei im Stande sein, den<lb/> Verhältnissen <hi rendition="#g">allseitig</hi> Rechnung zu tragen, und<lb/> das Neue, soweit es positiv und praktisch ausführ-<lb/> bar ist, mit dem Alten zu verbinden, und so ei-<lb/> nen gesunden organischen Uebergang zu gewinnen.<lb/> Allein auf der andern Seite ist nicht zu verken-<lb/> nen, daß diese Partei sowenig die Mehrheit des<lb/><cb/> Volkes für sich hat, als die altkonservative, da<lb/> die größte Zahl der frühern Bundesgenossen in's<lb/> Lager der Radikalen übergegangen ist, so daß<lb/> auch sie nicht eine wahrhaft konstitutionelle Regie-<lb/> rung im oben bezeichneten Sinne führen könnte.<lb/> Aber wie? Wenn sich diese beiden Parteien mit<lb/> einander verschmelzen würden auf der gemeinschaft-<lb/> lichen Grundlage der Ordnung und der gesetzlichen<lb/> Entwicklung, etwa so, wie es im gegenwärtigen<lb/> Augenblicke der Fall ist? Ließe sich auf diese<lb/> Weise nicht eine starke Partei zusammen bringen,<lb/> so daß eine aus ihr hervorgegangene Regierung<lb/> auf einer Basis stünde, die breit genug wäre,<lb/> um wenigstens annäherungsweise den Namen einer<lb/> konstitutionellen oder parlamentarischen zu verdie-<lb/> nen? Wir glauben nicht an eine solche Verschmel-<lb/> zung, indem die altkonservative Partei gar nicht<lb/> gewillt ist, den Liberalen genügende Concessionen<lb/> zu machen, in der Meinung, <hi rendition="#g">diese</hi> seien eigent-<lb/> lich an der ganzen Revolution schuld, und so am<lb/> Ende nicht viel besser als die Radikalen. Man<lb/> dürfte in dieser Hinsicht nur die Karlsruher Zei-<lb/> tung zur Zeit der letzten Wahlen lesen, um sich von<lb/> der Wahrheit dieser Behauptung zu überzeugen.<lb/> Man würde im Lager der Conservativen die Li-<lb/> beralen nur dann aufnehmen, wenn diese als reu-<lb/> ige Sünder im Bußgewande erschienen, um alle<lb/> ihre Principien und ihre ganze Vergangenheit ab-<lb/> zuschwören. Doch davon ist keine Rede. Wenn<lb/> die Liberalen sich jetzt auch ganz an das Mini-<lb/> sterium anschloßen, und als eine besondere Partei<lb/> gar nicht auftreten, so geschieht dieß eben nur für<lb/> den <hi rendition="#g">gegenwärtigen Moment,</hi> indem sie von<lb/> der Ansicht ausgehen, es handle sich <hi rendition="#g">jetzt</hi> um et-<lb/> was Anderes, als um etwas mehr oder weniger<lb/> Freiheit. Wenn aber die konservative Partei die<lb/> Ausnahme, in der wir uns zur Stunde befinden,<lb/> zur Regel zu machen, und etwa für immer wie-<lb/> der im Geiste der vormärzlichen Zeit zu re-<lb/> gieren versuchen sollte, dann würde man sehen,<lb/> daß die Liberalen ihre früheren Grundsätze wohl<lb/> etwas modifizirt aber nicht aufgegeben haben. Dann<lb/> erst würden sie wieder als eine gesonderte Partei<lb/> auftreten. An eine aufrichtige Verschmelzung die-<lb/> ser beiden Parteien ist also gar nicht zu denken,<lb/> dazu herrscht noch immer zu viel Mißtrauen zwi-<lb/> schen ihnen. Aber wie steht es denn mit der <hi rendition="#g">ra-<lb/> dikalen Partei?</hi> Diese ist zwar für den Au-<lb/> genblick gänzlich desorganisirt und daniedergewor-<lb/> fen; die hervorragendsten Leute sind theils im<lb/> Auslande, theils im Gefängniß; und was sehr zu<lb/> beachten ist: es fehlt ihr durchaus an Führern.<lb/> Man hat dieser Partei die Köpfe heruntergeschla-<lb/> gen, und nur die nackten Glieder sind noch da.<lb/> Und was ist denn die Masse ohne Leitung. Und<lb/> dieser Umstand ist um so mehr von Gewicht, als<lb/> die konstituirende Versammlung nur zu deutlich<lb/> zeigte, daß diese Partei nicht zu reich an Talen-<lb/> ten ist. Auf der andern Seite ist jedoch nicht in<lb/> Abrede zu stellen, daß unter Umständen die radi-<lb/> kale Partei wieder in einer Stärke hervortreten<lb/> könnte, die hinreichend genug wäre, <hi rendition="#g">um jede re-<lb/> gelmäßige constitutionelle Regierung ge-<lb/> radezu unmöglich zu machen.</hi> Doch wie<lb/> wenn sie bei späteren Wahlen wieder die Majo-<lb/> rität bekommen sollte? Oder glaubt man, dies<lb/> wäre so ganz unmöglich? Wahrlich! man kennt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0001]
Die Bayerische Presse.
Abonnement:
Ganzjährig 6 fl.
Halbjährig 3 fl.
Vierteljährig 1 fl. 30 kr.
Monatlich für die Stadt 30 kr.
Eine constitutionell-monarchische Zeitung.
Erpedition: Jm Schenkhofe 2. Distr.
Nr. 533.
Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-
titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.
Nr. 88. Würzburg, Freitag den 12. April. 1850.
Amtliche Nachrichten.
Die Schulstelle zu Riedern k. Ldg. Milten-
berg wurde dem 2. Lehrer Franz Anton Spieß
zu Eichenbühl verliehen.
Verliehen wurden: 1 ) Die 1. Knabenschul-
lehrerstelle zu Bischofsheim dem Taubstummenlehrer
Valentin Reitz dahier; 2 ) die Schulstelle zu Sulz-
heim dem Schullehrer Johann Amend zu Bühler;
3 ) die 1. Knabenschullehrerstelle zu Brückenau
dem Mädchenlehrer Valentin Sitzmann daselbst;
4 ) Die Schulstelle zu Köhler k. Ldg. Volkach
dem Schulverweser Adolph Sell zu Hemsbach;
5 ) die Schulstelle zu Werberg k. Ldg. Brücke-
nau dem zweiten Schullehrer Michael Franz zu
Kothen.
sym42 Ueber die Zustände Badens.
I.
Bei der Schilderung der Lage, in der wir
uns befinden, glauben wir zuerst von den ver-
schiedenen Parteien reden zu müssen. Nach einem
durchgreifenden Eintheilungsgrunde gibt es eigentlich
deren nur zwei: Die radikale Partei oder die
Partei der Revolution, und die Partei der Ord-
nung, die sich an das Bestehende anschließt, oder
die conservative Partei. Letztere zerfällt dann
wieder in die liberal conservative und in die altconser-
vative Partei; der That nach gehen zwar zur
Stunde diese Beiden in einander auf, da sie sich
aber vielleicht bald wieder von einander trennen
dürften, indem ihre Verschmelzung mehr nur eine
momentane, eine von dem Drange der Nothwen-
digkeit gebotene, als eine innere durch die Gleich-
heit der Prinzipien bedingte ist, so wollen wir
sie auch in dieser Darstellung besonders abhandeln.
Jch beginne mit der altconservativen Par-
tei -- Es ist bekannt, daß diese vor der Revo-
lution der damaligen liberalen Partei an Stärke
beinahe die Waage hielt; ihre politischen Princi-
pien waren so ziemlich absolutistisch, indem sie in
Herrn von Blittersdorf immer ihren eigentlichen
Chef anschaut, dabei aber gleichwohl mit jedem
Ministerium durch Dick und Dünn ging. Das
konstitutionelle Wesen gefiel ihr nie besonders;
was sie davon zulassen wollte, war höchstens so
ein Scheinbild. Man könnte diese Partei auch
die bureaukratische nennen, da sie in der Kammer
vorzüglich durch Staatsdiener vertreten war; und
in das eigentliche Wesen derselben werden wir
daher erst dann eine tiefere Einsicht bekommen,
wenn wir in einem folgenden Artikel die badische
Büreaukratie geschildert haben werden. Die Feb-
ruarrevolution hatte diese Partei scheinbar ganz
vernichtet, indem sie nicht nur in alle Forderungen,
welche die Liberalen im Namen eines wahren
Constitutionalismus damit an die Regierung stell-
ten, einwilligte, sondern auch nachher sich als
eine besondere Partei gar nicht mehr geltend
machte, und mit den Liberalen ebenso Hand in
Hand ging, wie jetzt diese mit jener. Wenn man
damals diese Altconservativen hörte, wie gebahr-
deten sie sich so liberal, so human! Wie sehr
hatte man sie bisher verkannt. Und gewiß hat
es manchen Liberalen manchmal fast bis zur
Thräne gerührt, wenn sie von der Souveränität
der Nationalversammlung oder des Volkes, von
Jnstitutionen sprachen, wie sie nur das freieste Volk
der Welt haben mag. Jetzt freilich ist dies Alles
anders. Man sollte glauben, diese Partei würde
von der gewaltigen Revolution auch etwas ge-
lernt haben. So ist es aber nicht. Die ganze
Bewegung nur für eine Krankheit, für eine rein
negative Auflehnung ohne allen positiven Kern
haltend, thut sie wieder, als die volle alte Zeit
für sie wieder gekommen, als ob eigentlich gar
nichts geschehen wäre, und man die zwei letzt
vergangenen Jahre durch einen Cabinetsbefehl aus
der Weltgeschichte gänzlich ausstreichen könnte,
durch und durch materialistisch gesinnt, und me-
chanisch Alles anschauend, glaubt sie an keinen
Geist, an keine Jdee. Das ganze Geheimniß der
Staatsweisheit besteht im Militär, dem Gens-
darmeriekorps und dem Amtsbüttel; und wenn
nur diese drei Grundsäulen der menschlichen Ge-
sellschaft nicht wanken, dann wähnt sie ganz pro-
per regieren zu können. Und diese Partei ist jetzt
obenan. Wahrlich, man müßte an allem Fort-
schritte der Menschheit verzweifeln, und an unserm
Volke insbesonders, wenn man annehmen dürfte,
eine solche Partei hätte die Zukunft für sich, sie,
die wieder mit der alten starren Ausschließlichkeit
verfährt, und jede Versöhnung mit dem positiven
Gehalte der Neuzeit entschieden von sich abweist.
Weil die letzten Wahlen -- übrigens auf eine
ganz begreifliche Weise -- der großen Mehrheit
nach, in ihrem Sinne ausgefallen, so meint sie,
das Volk fühle wieder die lebhafte Sehnsucht,
nach ihrem Regiment, oder nach den alten vor-
märzlichen Zuständen. Sie dürfte jedoch bei nachster
Gelegenheit sehr leicht eines Bessern belehrt wer-
den, wenn sie je noch etwas lernen könnte. Diese
Partei ist gewiß nicht im Stande, eine con-
stitutionelle Regierung zu führen, oh, eine Regie-
rung, die sich wenigstens in den Hauptprinzipien
auf den klar ausgesprochenen Willen der Mehr-
heit des Volkes stützt. -- Aber ist es etwa die
andere Partei, die liberalkonservative, im
Stande? Man muß gestehen, diese Partei hat
ausgezeichnete Talente unter sich, ja entschieden
die größten politischen Kapacitäten, -- auch ist
sie nun gewöhnt, das Staatsleben mit etwas an-
dern Augen anzusehen, als vorher, sie ist viel po-
sitiver, viel praktischer geworden. Sie weiß nun
aus eigener Erfahrung, daß es leichter ist, zu op-
poniren, als es besser zu machen. Und während
sich die beiden extremen Parteien gleich stark an
dem Geiste der Geschichte versündigen, indem die
eine meint, mit dem Jahre 1848 fange eine ganz
neue Welt an, so daß man ohne Rücksicht auf
Verhältnisse und Menschen zu nehmen, Alles auf
den Kopf stellen, nach Jdealen konstruiren könne,
die andere dagegen der Ansicht ist, mit dem Ein-
zuge der Preußen sei auch die alte vormärzliche
Welt wieder eingezogen, und im Grunde genom-
men eigentlich gar nichts geschehen --; so möchte
allein die liberale Partei im Stande sein, den
Verhältnissen allseitig Rechnung zu tragen, und
das Neue, soweit es positiv und praktisch ausführ-
bar ist, mit dem Alten zu verbinden, und so ei-
nen gesunden organischen Uebergang zu gewinnen.
Allein auf der andern Seite ist nicht zu verken-
nen, daß diese Partei sowenig die Mehrheit des
Volkes für sich hat, als die altkonservative, da
die größte Zahl der frühern Bundesgenossen in's
Lager der Radikalen übergegangen ist, so daß
auch sie nicht eine wahrhaft konstitutionelle Regie-
rung im oben bezeichneten Sinne führen könnte.
Aber wie? Wenn sich diese beiden Parteien mit
einander verschmelzen würden auf der gemeinschaft-
lichen Grundlage der Ordnung und der gesetzlichen
Entwicklung, etwa so, wie es im gegenwärtigen
Augenblicke der Fall ist? Ließe sich auf diese
Weise nicht eine starke Partei zusammen bringen,
so daß eine aus ihr hervorgegangene Regierung
auf einer Basis stünde, die breit genug wäre,
um wenigstens annäherungsweise den Namen einer
konstitutionellen oder parlamentarischen zu verdie-
nen? Wir glauben nicht an eine solche Verschmel-
zung, indem die altkonservative Partei gar nicht
gewillt ist, den Liberalen genügende Concessionen
zu machen, in der Meinung, diese seien eigent-
lich an der ganzen Revolution schuld, und so am
Ende nicht viel besser als die Radikalen. Man
dürfte in dieser Hinsicht nur die Karlsruher Zei-
tung zur Zeit der letzten Wahlen lesen, um sich von
der Wahrheit dieser Behauptung zu überzeugen.
Man würde im Lager der Conservativen die Li-
beralen nur dann aufnehmen, wenn diese als reu-
ige Sünder im Bußgewande erschienen, um alle
ihre Principien und ihre ganze Vergangenheit ab-
zuschwören. Doch davon ist keine Rede. Wenn
die Liberalen sich jetzt auch ganz an das Mini-
sterium anschloßen, und als eine besondere Partei
gar nicht auftreten, so geschieht dieß eben nur für
den gegenwärtigen Moment, indem sie von
der Ansicht ausgehen, es handle sich jetzt um et-
was Anderes, als um etwas mehr oder weniger
Freiheit. Wenn aber die konservative Partei die
Ausnahme, in der wir uns zur Stunde befinden,
zur Regel zu machen, und etwa für immer wie-
der im Geiste der vormärzlichen Zeit zu re-
gieren versuchen sollte, dann würde man sehen,
daß die Liberalen ihre früheren Grundsätze wohl
etwas modifizirt aber nicht aufgegeben haben. Dann
erst würden sie wieder als eine gesonderte Partei
auftreten. An eine aufrichtige Verschmelzung die-
ser beiden Parteien ist also gar nicht zu denken,
dazu herrscht noch immer zu viel Mißtrauen zwi-
schen ihnen. Aber wie steht es denn mit der ra-
dikalen Partei? Diese ist zwar für den Au-
genblick gänzlich desorganisirt und daniedergewor-
fen; die hervorragendsten Leute sind theils im
Auslande, theils im Gefängniß; und was sehr zu
beachten ist: es fehlt ihr durchaus an Führern.
Man hat dieser Partei die Köpfe heruntergeschla-
gen, und nur die nackten Glieder sind noch da.
Und was ist denn die Masse ohne Leitung. Und
dieser Umstand ist um so mehr von Gewicht, als
die konstituirende Versammlung nur zu deutlich
zeigte, daß diese Partei nicht zu reich an Talen-
ten ist. Auf der andern Seite ist jedoch nicht in
Abrede zu stellen, daß unter Umständen die radi-
kale Partei wieder in einer Stärke hervortreten
könnte, die hinreichend genug wäre, um jede re-
gelmäßige constitutionelle Regierung ge-
radezu unmöglich zu machen. Doch wie
wenn sie bei späteren Wahlen wieder die Majo-
rität bekommen sollte? Oder glaubt man, dies
wäre so ganz unmöglich? Wahrlich! man kennt
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