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Die Bayerische Presse. Nr. 213. Würzburg, 5. September 1850.

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Die Bayerische Presse.

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Abonnement:
Ganzjährig 6 fl.
Halbjährig 3 fl.
Vierteljährig 1 fl. 30 kr.
Monatlich für die Stadt 30 kr.

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Eine constitutionell-monarchische Zeitung.

[Spaltenumbruch]

Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr.
Nr. 533.

Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-
titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

[Ende Spaltensatz]

Nr. 213.
Würzburg, Donnerstag den 5. September. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Amtliche Nachrichten.

Dem Schullehrer Adam Deeg von Hessenthal
ist die erste Schul= und Kirchendienersstelle zu
Sailauf k. Ldg. Aschaffenburg; dem Schullehrer
Joh. Martin Weth zu Halsheim die erste Schul-
und Kirchendienersstelle zu Wiesenfeld k. Ldg. Karl-
stadt; dem Schuldienstexspektanten und 2. Lehrer
zu Poppenhausen Andreas Blum die Schulstelle
zu Stellberg k. Ldg. Weihers; dem Schullehrer Ro-
chus Pfister zu Westheim die Schulstelle zu Rupp-
rechtshausen Ldg. Würzburg r. M.; dem Schul-
lehrer Kaspar Schnabel zu Schimborn die erste
Schul= und Kirchendienersstelle zu Groswallstadt
k. Ldg. Obernburg; dem Schullehrer Franz Joseph
Weber zu Neunkirchen die Schul= und Kirchen-
dienersstelle zu Euerfeld k. Ldg. Dettelbach übertra-
gen worden.

Ueber die Gleichheit der Staatsbürger.

Gleichheit ist eines der Schlagwörter unserer
Zeit, das bei vielen, namentlich jugendlichen Ge-
müthern, im Geiste der modernen Demokratie auf-
gefaßt, den Schein der Wahrheit behauptet, und
ihnen als ein zu erstrebendes Ziel vorleuchtet; es
wird daher nicht überflüssig sein, das Urtheil,
welches ein ausgezeichneter Mann, der hochwür-
digste Herr Parisis, Bischof von Langres, Mit-
glied der französischen Nationalversammlung und
des Unterrichtsrathes, über diesen Gegenstand aus-
gesprochen, auch den Lesern dieses Blattes zur
Beherzigung vorzulegen. "Man sagt zuerst: je
mehr die Werke des Menschen sich den Werken
Gottes nähern, desto vollkommener sind sie. Die-
ses Prinzip ist unbestreitbar und vollständig über-
einstimmend mit dem Evangelium. Man setzt
aber hinzu: in der Ordnung Gottes sind alle
Menschen gleich. Hier ist es, wo der Jrrthum
sich an die Seite der Wahrheit schleicht und selbst
sich an ihre Stelle setzt. Die Menschen sind gleich
vor den Gesetzen Gottes, sie sind gleich vor sei-
nem Richterstuhle. Es gibt göttliche Gesetze, die
alle Menschen verpflichten und wonach alle gleich
gerichtet werden, doch auch diese so beschränkte
Gleichheit ist voll des Geheimnißvollen. Es ist
aber nicht wahr, daß in der nach der Ordnung
Gottes gestalteten Welt alle Menschen gleich sind,
und hier handelt es sich darum, ob in diesem
Sinne, sowohl in materieller als in geistiger Be-
ziehung nach der Ordnung Gottes, Alles gleich-
mäßig vertheilt sei. Es ist gewiß, es ist voll-
ständig klar, daß Alles ungleich ist in den Schick-
salen des Menschen, und das nicht nur in den
Punkten, die man, wie behauptet wird, zum Theile
wenigstens, den Fehlern der sozialen Gestaltung
zuschreiben könne, als in den Reichthümern und
in der Macht, sondern auch in den von der ge-
sellschaftlichen Einrichtung gänzlich unabhängigen
Punkten, als da sind die Gesundheit, die Schön-
heit, die Kraft, der Verstand, und alle Arten der
natürlichen Anlagen. Betrachtet das ganze Weltall
und saget, ob die Ungleichheit sich nicht überall
und immer in der Ordnung der Natur findet und
ob die Schönheit des Ganzen nicht grade auf die
Harmonie der unzähligen und beständigen Ungleich-
heiten gegründet ist. Ja noch mehr, sind die
[Spaltenumbruch] Menschen nicht selbst in der übernatürlichen Ord-
nung ungleich und zwar sehr ungleich behandelt?
Jst es nicht wahr, daß die Einen viele Gnaden
empfangen und mit mehr Leichtigkeit ihr Seelen-
heil fördern, während Andere wenig Hülfe finden
und mit größerer Schwierigkeit ihr Seelenheil wir-
ken müssen? Ohne allen Zweifel wird Alles am
jüngsten Tage vor dem Richterstuhle Gottes voll-
kommen ausgeglichen werden, aber jetzt in dieser
Welt ist es da nicht gewiß, daß auch von dieser
Seite volle Ungleichheit besteht und zwar eine Un-
gleichheit, wovor der Verstand sich beugen muß,
vor der selbst der hl. Paulus bei seiner Rückkehr
aus dem dritten Himmel sich niederwirft und aus-
ruft: "O welch eine Tiefe des Reichthums, der
Weisheit und der Erkenntniß Gottes! Wie unbe-
greiflich sind seine Gerichte, wie unerforschlich seine
Wege!" Welche Anwendung kann man nun nach
dem Vorhergehenden zu Gunsten des Systems,
das wir uns zu beurtheilen vorgesetzt haben, von
dem sonst vollkommen christlichen Prinzip machen,
daß die Werke des Menschen um so vollkommener
sind, je mehr sie den Werken Gottes ähneln? --
Die Werke Gottes, weit entfernt, die Ungleich-
heit zu vernichten, sehen sie ein, bestimmen sie.
-- Wollen wir etwa hieraus schließen, daß die
menschlichen Regierungen die Ungleichheiten ver-
mehren, sie übertreiben sollen? Durchaus nicht.
-- Aber wir folgern daraus, daß, wenn sie be-
stehen, man sie wenigstens bis zu einem gewissen
Grade erhalten kann und noch öfter erhalten muß;
wir folgern daraus, daß die Ungleichheit keine
Unordnung ist, und da Gott selbst sie überall
einrichtete, halten wir uns berechtigt, zu schließen,
daß sie entweder ein großes Glück oder eine Noth-
wendigkeit sei. -- Auf diese Weise wenden sich
alle Schlußfolgerungen der Demokraten in dieser
Sache gegen sie mit Ausnahme des Pnnktes, den
wir jetzt zu beurtheilen haben: die Gleichheit vor
dem Gesetz. -- Wir haben gesagt und es ist un-
bestreitbar, daß alle Menschen vor der göttlichen
Gerechtigkeit gleich sind. Jst es nicht erlaubt
daraus zu schließen, daß auch alle vor den mensch-
lichen Gesetzen durchaus gleich sein müssen? Man
bemerke wohl, daß die Frage, so gestellt, durch-
aus verändert ist, und wir beeilen uns zu sagen,
daß in dieser beschränkten Weise Punkte der Ver-
ständigung liegen. Das menschliche Gesetz ist
sicher nichts oder soll doch nichts sein in seiner
Anwendung, als eine theilweise Anwendung der
göttlichen Gerechtigkeit. Eine der Vollkommen-
heiten der göttlichen Gerechtigkeit besteht in der
Nichtberücksichtigung des Ansehens der Person und
in der Anwendung auf Alle ohne Unterschied.
Eine der wesentlichsten Eigenschaften des mensch-
lichen Gesetzes ist die Unparteilichkeit, und in die-
ser Rücksicht muß vor ihm Alles vollständig gleich
sein. Man muß anerkennen, diese Folgerung läßt
keinen Einwurf zu, aber Jeder begreift auch, daß
das gleichmäßig auf alle Staatsformen Anwen-
dung findet und daß die Demokratie nichts zu
ihren Gusten daraus schließen kann. Doch folgt
daraus nicht auch, daß in demselben gesellschaft-
lichen Verbande die Gesetze dieselben sein müssen
für alle Bürger? Das ist, wie man sieht, eine
andere Art Gleichheit, gänzlich verschieden von
der früheren, und diese ist es, deren Eroberung
[Spaltenumbruch] sich die Demokratie durch Abschaffung der Privi-
legien rühmt. Doch wenn es wahr ist, daß diese
Ordnung der Dinge in der staatlichen Gesellschaft
durch den Beginn der ersten französischen Revo-
lution erworben wurde, ist es denn auch wahr,
daß sie bis dorthin nicht bestanden hat in der
christlichen Gesellschaft? War sie nicht in der
Kirche seit schon achtzehn Jahrhunderten ohne
irgend eine Unterbrechung in voller Kraft? --
Dasselbe Gesetz für Alle und Alle gleich vor
dem Gesetz. -- Wo hat man denn jemals dieses
Prinzip der Gleichheit in der ganzen Einfachheit
der Ausführung so beharrlich, so natürlich herr-
schen sehen, als in der kathol. Kirche? Diese hei-
lige Kirche übertreibt nichts, sie erkennt die von
ihrem göttlichen Meister bestimmten oder zugelas-
senen socialen Ungleichheiten an und läßt deshalb
gewisse Unterscheidungen in dem Aeußeren ihres
Cultus zu. Aber in ihren Gesetzen, welche be-
wunderungswürdige Einheit, welche ausgezeichnete
Gleichheit! Und wenn man noch zweifelt an die-
ser unvergleichlichen Gleichheit vor den Gesetzen
der Kirche, genügt es nicht, die Gläubigen einer
Pfarre, von dem demüthigsten Hirten bis zum
reichsten Herrn, von der einfachsten Frau bis zum
größten Gelehrten, von dem jüngsten Kinde im
Alter der Vernunft bis zum ehrwürdigsten Greise,
alle knien zu sehen an demselben Tische, dort em-
pfangend, auf dieselbe Weise, von derselben Hand,
in derselben Stellung, nach derselben Reihe, das-
selbe Brod des Lebens, ohne daß das Auge Got-
tes selbst einen anderen Unterschied entdecken kann,
als den der Verdienste jedes Einzelnen? -- Doch
in der Anwendung dieses Princips auf die staat-
liche Gesellschaft muß man da nicht einige Ein-
schränkung machen? -- Wenn es wahr ist, daß
die Einheit der Gesetzgebung an sich selbst aus
vielen Gründen vorzuziehen sei in der Regierung
eines Volkes, ist es dann auch gewiß, daß dieses
der Fall sei unter allen Verhältnissen? Muß man
nicht anerkennen, daß es Verhältnisse gibt, wo
diese Einheit weder besser noch möglich sein würde?
Finden sich nicht in derselben Nation oft derma-
ßige getrennte und verschiedene Verbindungen, daß
daß die einen und die anderen eigenthümliche Ge-
setze erfordern? Ohne unsere Beispiele weither zu
holen: haben wir nicht seit vielen Jahren der
neuesten Zeit Algier, eine Provinz Frankreichs, ge-
sehen und sehen wir nicht noch die anderen Colo-
nien einer ganz anderen Gesetzgebung unterworfen,
als das eigentliche Frankreich? -- Es gibt nichts
absolut Bindendes in diesem Prinzip, so gut es
auch an sich sein mag, sonst müßte man so weit
gehen, zu behaupten, das Gesetz müsse nach der
von Gott gesetzten Ordnung für alle Völker das-
selbe sein, und welche Thorheit wäre das! --
Die Gesetze sollen vor Allem den Sitten ange-
paßt sein; wenn unter derselben Regierung sich
entgegenstehende Sitten befinden, so ist es oft
nothwendig, verschiedene Gesetze zu haben. -- Jn
der Anwendung desselben Gesetzes darf es keine
Bevorzugung der Person geben, das ist die ein-
zige Gleichheit, die das Gesetz Gottes auf das
Entschiedenste fordert. -- Zwei sehr verschiedene
Mittel können angewendet werden, um die socia-
len Abstände auszugleichen. Das eine bewirkt
den Aufstand der unteren Klassen und führt den

Die Bayerische Presse.

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Abonnement:
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Nr. 213.
Würzburg, Donnerstag den 5. September. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Amtliche Nachrichten.

Dem Schullehrer Adam Deeg von Hessenthal
ist die erste Schul= und Kirchendienersstelle zu
Sailauf k. Ldg. Aschaffenburg; dem Schullehrer
Joh. Martin Weth zu Halsheim die erste Schul-
und Kirchendienersstelle zu Wiesenfeld k. Ldg. Karl-
stadt; dem Schuldienstexspektanten und 2. Lehrer
zu Poppenhausen Andreas Blum die Schulstelle
zu Stellberg k. Ldg. Weihers; dem Schullehrer Ro-
chus Pfister zu Westheim die Schulstelle zu Rupp-
rechtshausen Ldg. Würzburg r. M.; dem Schul-
lehrer Kaspar Schnabel zu Schimborn die erste
Schul= und Kirchendienersstelle zu Groswallstadt
k. Ldg. Obernburg; dem Schullehrer Franz Joseph
Weber zu Neunkirchen die Schul= und Kirchen-
dienersstelle zu Euerfeld k. Ldg. Dettelbach übertra-
gen worden.

Ueber die Gleichheit der Staatsbürger.

Gleichheit ist eines der Schlagwörter unserer
Zeit, das bei vielen, namentlich jugendlichen Ge-
müthern, im Geiste der modernen Demokratie auf-
gefaßt, den Schein der Wahrheit behauptet, und
ihnen als ein zu erstrebendes Ziel vorleuchtet; es
wird daher nicht überflüssig sein, das Urtheil,
welches ein ausgezeichneter Mann, der hochwür-
digste Herr Parisis, Bischof von Langres, Mit-
glied der französischen Nationalversammlung und
des Unterrichtsrathes, über diesen Gegenstand aus-
gesprochen, auch den Lesern dieses Blattes zur
Beherzigung vorzulegen. „Man sagt zuerst: je
mehr die Werke des Menschen sich den Werken
Gottes nähern, desto vollkommener sind sie. Die-
ses Prinzip ist unbestreitbar und vollständig über-
einstimmend mit dem Evangelium. Man setzt
aber hinzu: in der Ordnung Gottes sind alle
Menschen gleich. Hier ist es, wo der Jrrthum
sich an die Seite der Wahrheit schleicht und selbst
sich an ihre Stelle setzt. Die Menschen sind gleich
vor den Gesetzen Gottes, sie sind gleich vor sei-
nem Richterstuhle. Es gibt göttliche Gesetze, die
alle Menschen verpflichten und wonach alle gleich
gerichtet werden, doch auch diese so beschränkte
Gleichheit ist voll des Geheimnißvollen. Es ist
aber nicht wahr, daß in der nach der Ordnung
Gottes gestalteten Welt alle Menschen gleich sind,
und hier handelt es sich darum, ob in diesem
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ziehung nach der Ordnung Gottes, Alles gleich-
mäßig vertheilt sei. Es ist gewiß, es ist voll-
ständig klar, daß Alles ungleich ist in den Schick-
salen des Menschen, und das nicht nur in den
Punkten, die man, wie behauptet wird, zum Theile
wenigstens, den Fehlern der sozialen Gestaltung
zuschreiben könne, als in den Reichthümern und
in der Macht, sondern auch in den von der ge-
sellschaftlichen Einrichtung gänzlich unabhängigen
Punkten, als da sind die Gesundheit, die Schön-
heit, die Kraft, der Verstand, und alle Arten der
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und saget, ob die Ungleichheit sich nicht überall
und immer in der Ordnung der Natur findet und
ob die Schönheit des Ganzen nicht grade auf die
Harmonie der unzähligen und beständigen Ungleich-
heiten gegründet ist. Ja noch mehr, sind die
[Spaltenumbruch] Menschen nicht selbst in der übernatürlichen Ord-
nung ungleich und zwar sehr ungleich behandelt?
Jst es nicht wahr, daß die Einen viele Gnaden
empfangen und mit mehr Leichtigkeit ihr Seelen-
heil fördern, während Andere wenig Hülfe finden
und mit größerer Schwierigkeit ihr Seelenheil wir-
ken müssen? Ohne allen Zweifel wird Alles am
jüngsten Tage vor dem Richterstuhle Gottes voll-
kommen ausgeglichen werden, aber jetzt in dieser
Welt ist es da nicht gewiß, daß auch von dieser
Seite volle Ungleichheit besteht und zwar eine Un-
gleichheit, wovor der Verstand sich beugen muß,
vor der selbst der hl. Paulus bei seiner Rückkehr
aus dem dritten Himmel sich niederwirft und aus-
ruft: „O welch eine Tiefe des Reichthums, der
Weisheit und der Erkenntniß Gottes! Wie unbe-
greiflich sind seine Gerichte, wie unerforschlich seine
Wege!“ Welche Anwendung kann man nun nach
dem Vorhergehenden zu Gunsten des Systems,
das wir uns zu beurtheilen vorgesetzt haben, von
dem sonst vollkommen christlichen Prinzip machen,
daß die Werke des Menschen um so vollkommener
sind, je mehr sie den Werken Gottes ähneln? --
Die Werke Gottes, weit entfernt, die Ungleich-
heit zu vernichten, sehen sie ein, bestimmen sie.
-- Wollen wir etwa hieraus schließen, daß die
menschlichen Regierungen die Ungleichheiten ver-
mehren, sie übertreiben sollen? Durchaus nicht.
-- Aber wir folgern daraus, daß, wenn sie be-
stehen, man sie wenigstens bis zu einem gewissen
Grade erhalten kann und noch öfter erhalten muß;
wir folgern daraus, daß die Ungleichheit keine
Unordnung ist, und da Gott selbst sie überall
einrichtete, halten wir uns berechtigt, zu schließen,
daß sie entweder ein großes Glück oder eine Noth-
wendigkeit sei. -- Auf diese Weise wenden sich
alle Schlußfolgerungen der Demokraten in dieser
Sache gegen sie mit Ausnahme des Pnnktes, den
wir jetzt zu beurtheilen haben: die Gleichheit vor
dem Gesetz. -- Wir haben gesagt und es ist un-
bestreitbar, daß alle Menschen vor der göttlichen
Gerechtigkeit gleich sind. Jst es nicht erlaubt
daraus zu schließen, daß auch alle vor den mensch-
lichen Gesetzen durchaus gleich sein müssen? Man
bemerke wohl, daß die Frage, so gestellt, durch-
aus verändert ist, und wir beeilen uns zu sagen,
daß in dieser beschränkten Weise Punkte der Ver-
ständigung liegen. Das menschliche Gesetz ist
sicher nichts oder soll doch nichts sein in seiner
Anwendung, als eine theilweise Anwendung der
göttlichen Gerechtigkeit. Eine der Vollkommen-
heiten der göttlichen Gerechtigkeit besteht in der
Nichtberücksichtigung des Ansehens der Person und
in der Anwendung auf Alle ohne Unterschied.
Eine der wesentlichsten Eigenschaften des mensch-
lichen Gesetzes ist die Unparteilichkeit, und in die-
ser Rücksicht muß vor ihm Alles vollständig gleich
sein. Man muß anerkennen, diese Folgerung läßt
keinen Einwurf zu, aber Jeder begreift auch, daß
das gleichmäßig auf alle Staatsformen Anwen-
dung findet und daß die Demokratie nichts zu
ihren Gusten daraus schließen kann. Doch folgt
daraus nicht auch, daß in demselben gesellschaft-
lichen Verbande die Gesetze dieselben sein müssen
für alle Bürger? Das ist, wie man sieht, eine
andere Art Gleichheit, gänzlich verschieden von
der früheren, und diese ist es, deren Eroberung
[Spaltenumbruch] sich die Demokratie durch Abschaffung der Privi-
legien rühmt. Doch wenn es wahr ist, daß diese
Ordnung der Dinge in der staatlichen Gesellschaft
durch den Beginn der ersten französischen Revo-
lution erworben wurde, ist es denn auch wahr,
daß sie bis dorthin nicht bestanden hat in der
christlichen Gesellschaft? War sie nicht in der
Kirche seit schon achtzehn Jahrhunderten ohne
irgend eine Unterbrechung in voller Kraft? --
Dasselbe Gesetz für Alle und Alle gleich vor
dem Gesetz. -- Wo hat man denn jemals dieses
Prinzip der Gleichheit in der ganzen Einfachheit
der Ausführung so beharrlich, so natürlich herr-
schen sehen, als in der kathol. Kirche? Diese hei-
lige Kirche übertreibt nichts, sie erkennt die von
ihrem göttlichen Meister bestimmten oder zugelas-
senen socialen Ungleichheiten an und läßt deshalb
gewisse Unterscheidungen in dem Aeußeren ihres
Cultus zu. Aber in ihren Gesetzen, welche be-
wunderungswürdige Einheit, welche ausgezeichnete
Gleichheit! Und wenn man noch zweifelt an die-
ser unvergleichlichen Gleichheit vor den Gesetzen
der Kirche, genügt es nicht, die Gläubigen einer
Pfarre, von dem demüthigsten Hirten bis zum
reichsten Herrn, von der einfachsten Frau bis zum
größten Gelehrten, von dem jüngsten Kinde im
Alter der Vernunft bis zum ehrwürdigsten Greise,
alle knien zu sehen an demselben Tische, dort em-
pfangend, auf dieselbe Weise, von derselben Hand,
in derselben Stellung, nach derselben Reihe, das-
selbe Brod des Lebens, ohne daß das Auge Got-
tes selbst einen anderen Unterschied entdecken kann,
als den der Verdienste jedes Einzelnen? -- Doch
in der Anwendung dieses Princips auf die staat-
liche Gesellschaft muß man da nicht einige Ein-
schränkung machen? -- Wenn es wahr ist, daß
die Einheit der Gesetzgebung an sich selbst aus
vielen Gründen vorzuziehen sei in der Regierung
eines Volkes, ist es dann auch gewiß, daß dieses
der Fall sei unter allen Verhältnissen? Muß man
nicht anerkennen, daß es Verhältnisse gibt, wo
diese Einheit weder besser noch möglich sein würde?
Finden sich nicht in derselben Nation oft derma-
ßige getrennte und verschiedene Verbindungen, daß
daß die einen und die anderen eigenthümliche Ge-
setze erfordern? Ohne unsere Beispiele weither zu
holen: haben wir nicht seit vielen Jahren der
neuesten Zeit Algier, eine Provinz Frankreichs, ge-
sehen und sehen wir nicht noch die anderen Colo-
nien einer ganz anderen Gesetzgebung unterworfen,
als das eigentliche Frankreich? -- Es gibt nichts
absolut Bindendes in diesem Prinzip, so gut es
auch an sich sein mag, sonst müßte man so weit
gehen, zu behaupten, das Gesetz müsse nach der
von Gott gesetzten Ordnung für alle Völker das-
selbe sein, und welche Thorheit wäre das! --
Die Gesetze sollen vor Allem den Sitten ange-
paßt sein; wenn unter derselben Regierung sich
entgegenstehende Sitten befinden, so ist es oft
nothwendig, verschiedene Gesetze zu haben. -- Jn
der Anwendung desselben Gesetzes darf es keine
Bevorzugung der Person geben, das ist die ein-
zige Gleichheit, die das Gesetz Gottes auf das
Entschiedenste fordert. -- Zwei sehr verschiedene
Mittel können angewendet werden, um die socia-
len Abstände auszugleichen. Das eine bewirkt
den Aufstand der unteren Klassen und führt den

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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 213. Würzburg, Donnerstag den 5. September. 1850. Amtliche Nachrichten. Dem Schullehrer Adam Deeg von Hessenthal ist die erste Schul= und Kirchendienersstelle zu Sailauf k. Ldg. Aschaffenburg; dem Schullehrer Joh. Martin Weth zu Halsheim die erste Schul- und Kirchendienersstelle zu Wiesenfeld k. Ldg. Karl- stadt; dem Schuldienstexspektanten und 2. Lehrer zu Poppenhausen Andreas Blum die Schulstelle zu Stellberg k. Ldg. Weihers; dem Schullehrer Ro- chus Pfister zu Westheim die Schulstelle zu Rupp- rechtshausen Ldg. Würzburg r. M.; dem Schul- lehrer Kaspar Schnabel zu Schimborn die erste Schul= und Kirchendienersstelle zu Groswallstadt k. Ldg. Obernburg; dem Schullehrer Franz Joseph Weber zu Neunkirchen die Schul= und Kirchen- dienersstelle zu Euerfeld k. Ldg. Dettelbach übertra- gen worden. Ueber die Gleichheit der Staatsbürger. Gleichheit ist eines der Schlagwörter unserer Zeit, das bei vielen, namentlich jugendlichen Ge- müthern, im Geiste der modernen Demokratie auf- gefaßt, den Schein der Wahrheit behauptet, und ihnen als ein zu erstrebendes Ziel vorleuchtet; es wird daher nicht überflüssig sein, das Urtheil, welches ein ausgezeichneter Mann, der hochwür- digste Herr Parisis, Bischof von Langres, Mit- glied der französischen Nationalversammlung und des Unterrichtsrathes, über diesen Gegenstand aus- gesprochen, auch den Lesern dieses Blattes zur Beherzigung vorzulegen. „Man sagt zuerst: je mehr die Werke des Menschen sich den Werken Gottes nähern, desto vollkommener sind sie. Die- ses Prinzip ist unbestreitbar und vollständig über- einstimmend mit dem Evangelium. Man setzt aber hinzu: in der Ordnung Gottes sind alle Menschen gleich. Hier ist es, wo der Jrrthum sich an die Seite der Wahrheit schleicht und selbst sich an ihre Stelle setzt. Die Menschen sind gleich vor den Gesetzen Gottes, sie sind gleich vor sei- nem Richterstuhle. Es gibt göttliche Gesetze, die alle Menschen verpflichten und wonach alle gleich gerichtet werden, doch auch diese so beschränkte Gleichheit ist voll des Geheimnißvollen. Es ist aber nicht wahr, daß in der nach der Ordnung Gottes gestalteten Welt alle Menschen gleich sind, und hier handelt es sich darum, ob in diesem Sinne, sowohl in materieller als in geistiger Be- ziehung nach der Ordnung Gottes, Alles gleich- mäßig vertheilt sei. Es ist gewiß, es ist voll- ständig klar, daß Alles ungleich ist in den Schick- salen des Menschen, und das nicht nur in den Punkten, die man, wie behauptet wird, zum Theile wenigstens, den Fehlern der sozialen Gestaltung zuschreiben könne, als in den Reichthümern und in der Macht, sondern auch in den von der ge- sellschaftlichen Einrichtung gänzlich unabhängigen Punkten, als da sind die Gesundheit, die Schön- heit, die Kraft, der Verstand, und alle Arten der natürlichen Anlagen. Betrachtet das ganze Weltall und saget, ob die Ungleichheit sich nicht überall und immer in der Ordnung der Natur findet und ob die Schönheit des Ganzen nicht grade auf die Harmonie der unzähligen und beständigen Ungleich- heiten gegründet ist. Ja noch mehr, sind die Menschen nicht selbst in der übernatürlichen Ord- nung ungleich und zwar sehr ungleich behandelt? Jst es nicht wahr, daß die Einen viele Gnaden empfangen und mit mehr Leichtigkeit ihr Seelen- heil fördern, während Andere wenig Hülfe finden und mit größerer Schwierigkeit ihr Seelenheil wir- ken müssen? Ohne allen Zweifel wird Alles am jüngsten Tage vor dem Richterstuhle Gottes voll- kommen ausgeglichen werden, aber jetzt in dieser Welt ist es da nicht gewiß, daß auch von dieser Seite volle Ungleichheit besteht und zwar eine Un- gleichheit, wovor der Verstand sich beugen muß, vor der selbst der hl. Paulus bei seiner Rückkehr aus dem dritten Himmel sich niederwirft und aus- ruft: „O welch eine Tiefe des Reichthums, der Weisheit und der Erkenntniß Gottes! Wie unbe- greiflich sind seine Gerichte, wie unerforschlich seine Wege!“ Welche Anwendung kann man nun nach dem Vorhergehenden zu Gunsten des Systems, das wir uns zu beurtheilen vorgesetzt haben, von dem sonst vollkommen christlichen Prinzip machen, daß die Werke des Menschen um so vollkommener sind, je mehr sie den Werken Gottes ähneln? -- Die Werke Gottes, weit entfernt, die Ungleich- heit zu vernichten, sehen sie ein, bestimmen sie. -- Wollen wir etwa hieraus schließen, daß die menschlichen Regierungen die Ungleichheiten ver- mehren, sie übertreiben sollen? Durchaus nicht. -- Aber wir folgern daraus, daß, wenn sie be- stehen, man sie wenigstens bis zu einem gewissen Grade erhalten kann und noch öfter erhalten muß; wir folgern daraus, daß die Ungleichheit keine Unordnung ist, und da Gott selbst sie überall einrichtete, halten wir uns berechtigt, zu schließen, daß sie entweder ein großes Glück oder eine Noth- wendigkeit sei. -- Auf diese Weise wenden sich alle Schlußfolgerungen der Demokraten in dieser Sache gegen sie mit Ausnahme des Pnnktes, den wir jetzt zu beurtheilen haben: die Gleichheit vor dem Gesetz. -- Wir haben gesagt und es ist un- bestreitbar, daß alle Menschen vor der göttlichen Gerechtigkeit gleich sind. Jst es nicht erlaubt daraus zu schließen, daß auch alle vor den mensch- lichen Gesetzen durchaus gleich sein müssen? Man bemerke wohl, daß die Frage, so gestellt, durch- aus verändert ist, und wir beeilen uns zu sagen, daß in dieser beschränkten Weise Punkte der Ver- ständigung liegen. Das menschliche Gesetz ist sicher nichts oder soll doch nichts sein in seiner Anwendung, als eine theilweise Anwendung der göttlichen Gerechtigkeit. Eine der Vollkommen- heiten der göttlichen Gerechtigkeit besteht in der Nichtberücksichtigung des Ansehens der Person und in der Anwendung auf Alle ohne Unterschied. Eine der wesentlichsten Eigenschaften des mensch- lichen Gesetzes ist die Unparteilichkeit, und in die- ser Rücksicht muß vor ihm Alles vollständig gleich sein. Man muß anerkennen, diese Folgerung läßt keinen Einwurf zu, aber Jeder begreift auch, daß das gleichmäßig auf alle Staatsformen Anwen- dung findet und daß die Demokratie nichts zu ihren Gusten daraus schließen kann. Doch folgt daraus nicht auch, daß in demselben gesellschaft- lichen Verbande die Gesetze dieselben sein müssen für alle Bürger? Das ist, wie man sieht, eine andere Art Gleichheit, gänzlich verschieden von der früheren, und diese ist es, deren Eroberung sich die Demokratie durch Abschaffung der Privi- legien rühmt. Doch wenn es wahr ist, daß diese Ordnung der Dinge in der staatlichen Gesellschaft durch den Beginn der ersten französischen Revo- lution erworben wurde, ist es denn auch wahr, daß sie bis dorthin nicht bestanden hat in der christlichen Gesellschaft? War sie nicht in der Kirche seit schon achtzehn Jahrhunderten ohne irgend eine Unterbrechung in voller Kraft? -- Dasselbe Gesetz für Alle und Alle gleich vor dem Gesetz. -- Wo hat man denn jemals dieses Prinzip der Gleichheit in der ganzen Einfachheit der Ausführung so beharrlich, so natürlich herr- schen sehen, als in der kathol. Kirche? Diese hei- lige Kirche übertreibt nichts, sie erkennt die von ihrem göttlichen Meister bestimmten oder zugelas- senen socialen Ungleichheiten an und läßt deshalb gewisse Unterscheidungen in dem Aeußeren ihres Cultus zu. Aber in ihren Gesetzen, welche be- wunderungswürdige Einheit, welche ausgezeichnete Gleichheit! Und wenn man noch zweifelt an die- ser unvergleichlichen Gleichheit vor den Gesetzen der Kirche, genügt es nicht, die Gläubigen einer Pfarre, von dem demüthigsten Hirten bis zum reichsten Herrn, von der einfachsten Frau bis zum größten Gelehrten, von dem jüngsten Kinde im Alter der Vernunft bis zum ehrwürdigsten Greise, alle knien zu sehen an demselben Tische, dort em- pfangend, auf dieselbe Weise, von derselben Hand, in derselben Stellung, nach derselben Reihe, das- selbe Brod des Lebens, ohne daß das Auge Got- tes selbst einen anderen Unterschied entdecken kann, als den der Verdienste jedes Einzelnen? -- Doch in der Anwendung dieses Princips auf die staat- liche Gesellschaft muß man da nicht einige Ein- schränkung machen? -- Wenn es wahr ist, daß die Einheit der Gesetzgebung an sich selbst aus vielen Gründen vorzuziehen sei in der Regierung eines Volkes, ist es dann auch gewiß, daß dieses der Fall sei unter allen Verhältnissen? Muß man nicht anerkennen, daß es Verhältnisse gibt, wo diese Einheit weder besser noch möglich sein würde? Finden sich nicht in derselben Nation oft derma- ßige getrennte und verschiedene Verbindungen, daß daß die einen und die anderen eigenthümliche Ge- setze erfordern? Ohne unsere Beispiele weither zu holen: haben wir nicht seit vielen Jahren der neuesten Zeit Algier, eine Provinz Frankreichs, ge- sehen und sehen wir nicht noch die anderen Colo- nien einer ganz anderen Gesetzgebung unterworfen, als das eigentliche Frankreich? -- Es gibt nichts absolut Bindendes in diesem Prinzip, so gut es auch an sich sein mag, sonst müßte man so weit gehen, zu behaupten, das Gesetz müsse nach der von Gott gesetzten Ordnung für alle Völker das- selbe sein, und welche Thorheit wäre das! -- Die Gesetze sollen vor Allem den Sitten ange- paßt sein; wenn unter derselben Regierung sich entgegenstehende Sitten befinden, so ist es oft nothwendig, verschiedene Gesetze zu haben. -- Jn der Anwendung desselben Gesetzes darf es keine Bevorzugung der Person geben, das ist die ein- zige Gleichheit, die das Gesetz Gottes auf das Entschiedenste fordert. -- Zwei sehr verschiedene Mittel können angewendet werden, um die socia- len Abstände auszugleichen. Das eine bewirkt den Aufstand der unteren Klassen und führt den

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 213. Würzburg, 5. September 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische213_1850/1>, abgerufen am 19.04.2024.