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Die Bayerische Presse. Nr. 230. Würzburg, 25. September 1850.

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[Spaltenumbruch] "Die Landesversammlung beschließt einen Antrag
an die Statthalterschaft dahin, daß die politischen
Vergehungen halber in Untersuchung gezogenen
oder bereits verurtheilten Personen, mit Ausnahme
der Spione, der Kriegs= oder Landesverräther,
amnestirt werden." Veranlassung und Hintergrund
dieses Antrags bildeten die harten Straferkennt-
nisse, welche in jüngster Zeit wegen Preß= und
politischer Vergehen gefällt worden sind, nament-
lich gegen Knölck, Otto Koch und Lerow. Der
Antragsteller motivirte nicht sehr glücklich. Er
sprach viel von politischer Verfolgungssucht, konnte
aber doch den Sitz dieser Verfolgungssucht nicht
recht nachweisen, da er einräumen mußte, daß
das Obergericht meistentheils ex officio einge-
schritten sei, und er andererseits den Gerichten
doch auch nicht vorwerfen wollte, als hätten sie
das Recht um ihrer politischen Ansichten willen
gebeugt. Am treffendsten schien uns das Wort,
was der Pastor Sierck mit Beziehung auf die
vom holst. Obergericht gefällten Straferkenntnisse
aussprach: "Daß man sich hüten müsse, durch zu
harte Strafen Leuten in den Augen des Volks
eine Märtyrerkrone zu verleihen, welche ohnedies
der verdienten Verachtung preisgegeben sein wür-
den." Gegen den Antrag wurde namentlich an-
geführt, daß zu einer so allgemeinen Maßregel,
wie eine Amnestie, gar kein Grund vorliege, da
überhaupt nur einige wenige Fälle angeführt seien,
in denen obendrein, soweit bekannt, noch gar kein
Ausspruch der letzten Jnstanz vorliege. Die Ver-
sammlung entschied sich für einen Ausschuß zur
Prüfung des Antrags.

   
Deutschland.

Karlsruhe, 23. Sept. 23. öffentliche Si-
tzung der zweiten Kammer. Die Tagesordnung
führt nun zur Jnterpellation von Seiten des Abg.
v. Soiron, die Verhältnisse in Kurhessen betref-
fend. Derselbe gibt zur Begründung derselben
zuerst eine kurze erzählende Darstellung der be-
kannten neuesten Ereignisse in Kurhessen. Er sieht
in der Wendung, welche diese Wirren jetzt ge-
nommen haben, nur das Streben des kurhessischen
Ministeriums, sich bei dem vorgenommenen Ver-
fassungsbruch auf die Versammlung zu Frankfurt
und auf die Waffengewalt zu stützen, und erklärt
sich besonders dagegen, daß man sich von Sei-
ten des kurhefsischen Ministeriums auf die durch
Bundesbeschluß vom Jahr 1848 aufgehobenen
Ausnahmsgesetze vom Jahr 1832 berufe. Er
fährt dann ungefähr in folgender Weise fort:
Bei diesen Wirren ist es Sache der Union, Ab-
hilfe zu gewähren. Kurhessen hat sich von der
Union nicht losgesagt und kann sich einseitig nicht
lossagen. Aufgabe der Union ist es aber, bei
inneren Zerwürfnissen in einem Unionsstaate durch
das gesetzliche Schiedsgericht und auf andere Weise
vermittelnd einzuschreiten. Jn dem vorliegenden
Falle ist das Einschreiten um so mehr nöthig,
weil es sich darum handelt, einen trefflichen deut-
schen Volksstamm gegen den Absolutismus und
gegen ein verhaßtes Ministerium zu schützen; weil
es sich handelt von Abwehr gegen Angriffe, bei
welchen man freilich glücklicher Weise nicht auf
die Mitwirkung des eigenen Heeres und der ei-
genen Beamten sich stützen konnte. An die Rück-
kehr des Absolutismus in Deutschland im Allge-
gemeinen wird zwar kein Vernünftiger glauben;
aber es ist nothwendig, diese hessischen Wirren so
bald als möglich zu beenden. Zugleich liegt hie-
rin eine Lebensfrage für die Union. Es handelt
sich um die Frage, ob die Sympathie für die
Union in Deutschland erkalten, oder ob die Union
durch ihr Auftreten in dieser Sache die Sympa-
pathie des ganzen konstitutionellen Deutschlands
für sich gewinnen soll. Jch stelle daher an den
Hrn. Minister des Auswärtigen die Anfrage: ob
und welche Verhandlungen bei dem provisorischen
Fürstenkollegium über die Schlichtung der Wirren
in Kurhessen eingeleitet sind, und besonders welche
Jnstruktionen der badische Bevollmächtigte in die-
sem Punkte erhalten hat. Staatsminister Klüber
erklärt hierauf: Der neueste Bericht des badischen
Grsandteo sei von dem 19. d. Mts. Bis dahin
[Spaltenumbruch] seien von keinem der beiden Theile, weder von
der kurhessischen Regierung, noch von den hessi-
schen Ständen Schritte bei dem Fürstenkollegium
geschehen. Man wisse, daß eine Note von Sei-
ten der königl. preußischen Regierung im vermit-
telnden Sinne an das kurfürstliche Ministerium
gerichtet worden sei. Das Verhältniß der frühern
hier einschlagenden Bundesgesetze, deren unbedingte
Aufhebung von dem Jnterpellanten angenommen
werde, sei nicht so einfach. Es seien durch Bun-
desbeschluß vom 2. April 1848 zwar die frühern
Ausnahmsgesetze aufgehoben worden, jedoch nur im
Allgemeinen; in manchen Fällen könne aber Zweifel
entstehen, welche Gesetze darunter begriffen seien.
-- Jm Allgemeinen ( fährt der Redner fort ) sind
drei Wege zur Schlichtung dieser Wirren denkbar
und zwar entweder durch die frühere Gefetzgebung
des Bundes, oder durch das Schiedsgericht der
Union, oder endlich durch eine friedliche Lösung
auf den Grund der hessischen Verfassung selbst,
in welcher die Mittel zur Lösung einer solchen
Kollission gegeben sind. Dieser dritte Weg ist
gewiß der wünschenswertheste und der beste. Wenn
er betreten wird, so ist das Einschreiten von an-
derer Seite her nicht nöthig, und zugleich werden
dadurch am besten andere Kollissionen, welche die
beiden ersten Wege erschweren könnten, vermieden.
Jn Rücksicht auf dieses Sachverhältniß wird man
zugeben müssen, daß der Zeitpunkt für das Ein-
schreiten von Seiten der Union noch nicht einge-
treten ist. Jn das Materielle der Streitfrage
finde ich mich nicht veranlaßt einzugehen, und muß
wünschen, daß dieser Theil der Frage der Erörte-
rung und Schlichtung derjenigen Behörde über-
lassen bleibe, welche diesen Streit zu schlichten be-
fugt ist. -- v. Soiron theilt nicht die Ansicht,
als sei der Zeitpunkt für das Einschreiten der
Union noch nicht gekommen. Es sei vielmehr
Pflicht des provisorischen Fürstenkollegiums, als
der Unionsregierung, solche Zustände wie sie im
Kurfürstenthum Hessen seien, nicht ferner zu dul-
den, sondern sie auf alle Weise zu beendigen.
Nicht minder sei es die Pflicht der Unionsregie-
rung jedes unbefugte Einschreiten von anderer
Seite zu hindern. Er stellt daher den Antrag:
Mittelst einer Erklärung zu Protokoll die großh.
Regierung zu ersuchen, allen ihren Einfluß bei
der provisorischen Regierung der Union dahin zu
verwenden, daß der verfassungsmäßige Zustand in
Kurhessen wieder hergestellt, und jeder Jnterven-
tion von deutschen Staaten, die sich dem Bündniß
vom 26. Mai nicht angeschlossen, oder nicht da-
bei beharren, vorgebeugt werden solle. -- Staats-
minister Klüber erinnert daran, daß dieser Gegen-
stand gewisse Rücksichten erfordere. Er wünscht
daher, daß die Verhandlung hier nicht weiter in
das Materielle der Sache eingehen möge. -- Es
sprechen darauf noch die Abgeordneten Zentner und
Junghaus für den Antrag des Abgeordneten v.
Soiron und der Abgeordnete Bader gegen den-
selben. Der Antrag wurde durch Stimmermehrheit
angenommen.

Stuttgart, 21. Sept. Jn der Verurthei-
lung des Fürsten v. Waldburg=Zeil Trauchburg
muß man das Walten der Nemesis darin erken-
nen, daß gerade er, der einzige seiner würtem-
bergischen Standesgenossen, der ins demokratische
Lager desertirt ist, die Folgen der Errungenschaf-
ten praktisch zuerst zu fühlen bekommen sollte.
Er hat zwar eine Nichtigkeitsklage gegen den
Ausspruch des Gerichts eingelegt, weil zwei
Reutlinger Bürger eidlich zu bezeugen sich bereit
erklärt haben sollen, daß einer der Geschworenen
während der Verhandlung geschlafen habe; er
wird aber schwerlich Etwas dabei gewinnen, denn
die Zeugen können nur beschwören, daß der Ge-
schworene die Augen geschlossen gehabt, ob er
aber geschlafen, vermögen sie nicht zu beschwören.
Es möchte sogar ein solcher Eid gar nicht zu-
lässig sein. Der betreffende Geschworene wird
jedenfalls sich nicht schuldig bekennen; das Schlie-
ßen der Augen ist Niemand verboten, und es
kann sogar ein Geschworener einen sehr guten
Grund dazu haben, um sich weder durch die im-
ponirende Persönlichkeit des Angeklagten, wie in
[Spaltenumbruch] diesem Falle, bestechen, noch durch dessen widrige
Erscheinung gegen ihn einnehmen zu lassen. Noch
ein anderer Umstand verdient in dieser Geschichte
hervorgehoben zu werden. Hr. Schoder, der
Vertheidiger des Fürsten, hat seine erste Schlacht
verloren. Die Glorie der Unbesiegbarkeit ist
von seinem Haupte gerissen, und ein Einmal ge-
schlagener General wird auch noch öfters geschla-
gen. Man sagt zwar, er habe schon zuvor an
dem Gelingen gezweifelt, aber, seiner Schlauheit
vertrauend, hatte er wohl gehofft, durch eine
Kriegslist sich zum Siege zu verhelfen. Er rief
nämlich den Geschworenen zu: "Erklären Sie den
Angeklagten in sämmtlichen Punkten für schul-
dig,
aber ohne Vorbedacht. " Damit wäre
er gerettet gewesen; die Geschworenen gingen aber
nicht in die Falle. Daher mag sich auch die
Wuth der " Volksfreunde " schreiben, welche
die Geschworenen beim Austreten aus dem Saale
beschimpften und bedrohten. Reaktionäre waren
dies keine, und man erkennt also daraus die Ach-
tung jener Leute vor einer gesetzlichen Jnstitution,
die sie selbst als eines der theuersten Unterpfän-
der der Freiheit erklären. -- ( Die "Deutsche
Kronik" bemerkt in Bezug auf das skandalöse
Gebehren der Demokraten: Jst Das die Ach-
tung vor dem Gesetze und der Ordnung, welche
die Ochlokratie neuerdings in ihren Blättern er-
heuchelt? Jst Das der Dank für das gewiß de-
mokratische Jnstitut der Schwurgerichte, daß man
die Richter, die nach ihrem Gewissen und auf
ihre Ehre ein unverkennbar mild=gerechtes Urtheil
gefällt haben, verhöhnt und bedroht? Jst Das
der gesunde Sinn des Volks, daß es, dem Aus-
spruch der Jury zum Trotz, dem Manne, der
wegen gegründeter Schmähung gestraft wird,
eben darum, weil er schmähte und gestraft wurde,
ein Lebehoch bringt am Abend des Tages, der
denselben beschämen und zur Reue und Besserung
bewegen sollte? Ha! eine eiserne Zeit muß kom-
men! und Serenaden, wie die in Tübingen, sollte
man mit Kartätschen akkompagniren. )

   

Darmstadt, 22. Sept. Unsere Demokraten
haben endlich ihre beiden Haupttrümpfe zu glei-
cher Zeit ausgespielt: Steuerverweigerung und
ein Mißtrauensvotum gegen das abgetretene und
das gegenwärtige Ministerium. Welch ein Tri-
umph für die Demokratie, wenn unser Ministe-
rium und die wenigen Conservativen in der Kam-
mer sich auch nur auf eine Diskussion mit einer
Partei einlassen, welche in ihren Conciliabulen
alles im voraus beschließt, und die öffentliche Be-
rathung nur benutzt, um dem Volke ihre Sophis-
men aufzudringen; für das monarchische Prinzip,
wenn man die Sache ungestört und unbekümmert
in der Kammer ihren voraussichtlichen Weg gehen
läßt, dann aber mit Energie auftritt und den
Geist unserer Verfassung von all den Schlacken
kräftigst reinigt, die Halbdemagogie und Matt-
herzigkeit ihr seit dem März 1848 angeheftet
haben! Jndessen scheint es hier selbst in den
besseren Köpfen auch noch nicht ganz klar zu sein;
schwärmen ja noch hochgestellte Staatsmänner
für die schleswig=holsteinischen Wirren. --

   

Darmstadt, 23. Sept. Jn der heutigen
Sitzung der ersten Kammer brachte Abg. Jaup
einen Antrag wegen der öffentlichen Rechtszu-
stände in Kurhessen ein, welcher darauf gerichtet
war, die Stände möchten aussprechen, daß die
Haltung der dortigen Volksvertretung, besonders
des ständischen Ausschusses, volle Anerkennung
verdiene, auch weiter die Staatsregierung zu er-
suchen, sich bei dem Cabinet in Wilhelmsbad
dahin zu verwenden, daß der Conflikt zwischen
der Staatsregierung und der Ständeversammlung
auf dem von der Verfassungsurkunde vorgeschrie-
benen Wege des Compromisses beseitigt, darum
aber die Ständeversammlung wieder berufen werde.
Nachdem der Antragsteller seine begründete Mo-
tion verlesen, wollte sie der Präsident dem com-
petenten Ausschusse zuweisen, stieß aber auch Wi-
derspruch; es erhob sich eine kurze Berathung,
und bei der Abstimmung wurde diese Verweisung

[Spaltenumbruch] „Die Landesversammlung beschließt einen Antrag
an die Statthalterschaft dahin, daß die politischen
Vergehungen halber in Untersuchung gezogenen
oder bereits verurtheilten Personen, mit Ausnahme
der Spione, der Kriegs= oder Landesverräther,
amnestirt werden.“ Veranlassung und Hintergrund
dieses Antrags bildeten die harten Straferkennt-
nisse, welche in jüngster Zeit wegen Preß= und
politischer Vergehen gefällt worden sind, nament-
lich gegen Knölck, Otto Koch und Lerow. Der
Antragsteller motivirte nicht sehr glücklich. Er
sprach viel von politischer Verfolgungssucht, konnte
aber doch den Sitz dieser Verfolgungssucht nicht
recht nachweisen, da er einräumen mußte, daß
das Obergericht meistentheils ex officio einge-
schritten sei, und er andererseits den Gerichten
doch auch nicht vorwerfen wollte, als hätten sie
das Recht um ihrer politischen Ansichten willen
gebeugt. Am treffendsten schien uns das Wort,
was der Pastor Sierck mit Beziehung auf die
vom holst. Obergericht gefällten Straferkenntnisse
aussprach: „Daß man sich hüten müsse, durch zu
harte Strafen Leuten in den Augen des Volks
eine Märtyrerkrone zu verleihen, welche ohnedies
der verdienten Verachtung preisgegeben sein wür-
den.“ Gegen den Antrag wurde namentlich an-
geführt, daß zu einer so allgemeinen Maßregel,
wie eine Amnestie, gar kein Grund vorliege, da
überhaupt nur einige wenige Fälle angeführt seien,
in denen obendrein, soweit bekannt, noch gar kein
Ausspruch der letzten Jnstanz vorliege. Die Ver-
sammlung entschied sich für einen Ausschuß zur
Prüfung des Antrags.

   
Deutschland.

Karlsruhe, 23. Sept. 23. öffentliche Si-
tzung der zweiten Kammer. Die Tagesordnung
führt nun zur Jnterpellation von Seiten des Abg.
v. Soiron, die Verhältnisse in Kurhessen betref-
fend. Derselbe gibt zur Begründung derselben
zuerst eine kurze erzählende Darstellung der be-
kannten neuesten Ereignisse in Kurhessen. Er sieht
in der Wendung, welche diese Wirren jetzt ge-
nommen haben, nur das Streben des kurhessischen
Ministeriums, sich bei dem vorgenommenen Ver-
fassungsbruch auf die Versammlung zu Frankfurt
und auf die Waffengewalt zu stützen, und erklärt
sich besonders dagegen, daß man sich von Sei-
ten des kurhefsischen Ministeriums auf die durch
Bundesbeschluß vom Jahr 1848 aufgehobenen
Ausnahmsgesetze vom Jahr 1832 berufe. Er
fährt dann ungefähr in folgender Weise fort:
Bei diesen Wirren ist es Sache der Union, Ab-
hilfe zu gewähren. Kurhessen hat sich von der
Union nicht losgesagt und kann sich einseitig nicht
lossagen. Aufgabe der Union ist es aber, bei
inneren Zerwürfnissen in einem Unionsstaate durch
das gesetzliche Schiedsgericht und auf andere Weise
vermittelnd einzuschreiten. Jn dem vorliegenden
Falle ist das Einschreiten um so mehr nöthig,
weil es sich darum handelt, einen trefflichen deut-
schen Volksstamm gegen den Absolutismus und
gegen ein verhaßtes Ministerium zu schützen; weil
es sich handelt von Abwehr gegen Angriffe, bei
welchen man freilich glücklicher Weise nicht auf
die Mitwirkung des eigenen Heeres und der ei-
genen Beamten sich stützen konnte. An die Rück-
kehr des Absolutismus in Deutschland im Allge-
gemeinen wird zwar kein Vernünftiger glauben;
aber es ist nothwendig, diese hessischen Wirren so
bald als möglich zu beenden. Zugleich liegt hie-
rin eine Lebensfrage für die Union. Es handelt
sich um die Frage, ob die Sympathie für die
Union in Deutschland erkalten, oder ob die Union
durch ihr Auftreten in dieser Sache die Sympa-
pathie des ganzen konstitutionellen Deutschlands
für sich gewinnen soll. Jch stelle daher an den
Hrn. Minister des Auswärtigen die Anfrage: ob
und welche Verhandlungen bei dem provisorischen
Fürstenkollegium über die Schlichtung der Wirren
in Kurhessen eingeleitet sind, und besonders welche
Jnstruktionen der badische Bevollmächtigte in die-
sem Punkte erhalten hat. Staatsminister Klüber
erklärt hierauf: Der neueste Bericht des badischen
Grsandteo sei von dem 19. d. Mts. Bis dahin
[Spaltenumbruch] seien von keinem der beiden Theile, weder von
der kurhessischen Regierung, noch von den hessi-
schen Ständen Schritte bei dem Fürstenkollegium
geschehen. Man wisse, daß eine Note von Sei-
ten der königl. preußischen Regierung im vermit-
telnden Sinne an das kurfürstliche Ministerium
gerichtet worden sei. Das Verhältniß der frühern
hier einschlagenden Bundesgesetze, deren unbedingte
Aufhebung von dem Jnterpellanten angenommen
werde, sei nicht so einfach. Es seien durch Bun-
desbeschluß vom 2. April 1848 zwar die frühern
Ausnahmsgesetze aufgehoben worden, jedoch nur im
Allgemeinen; in manchen Fällen könne aber Zweifel
entstehen, welche Gesetze darunter begriffen seien.
-- Jm Allgemeinen ( fährt der Redner fort ) sind
drei Wege zur Schlichtung dieser Wirren denkbar
und zwar entweder durch die frühere Gefetzgebung
des Bundes, oder durch das Schiedsgericht der
Union, oder endlich durch eine friedliche Lösung
auf den Grund der hessischen Verfassung selbst,
in welcher die Mittel zur Lösung einer solchen
Kollission gegeben sind. Dieser dritte Weg ist
gewiß der wünschenswertheste und der beste. Wenn
er betreten wird, so ist das Einschreiten von an-
derer Seite her nicht nöthig, und zugleich werden
dadurch am besten andere Kollissionen, welche die
beiden ersten Wege erschweren könnten, vermieden.
Jn Rücksicht auf dieses Sachverhältniß wird man
zugeben müssen, daß der Zeitpunkt für das Ein-
schreiten von Seiten der Union noch nicht einge-
treten ist. Jn das Materielle der Streitfrage
finde ich mich nicht veranlaßt einzugehen, und muß
wünschen, daß dieser Theil der Frage der Erörte-
rung und Schlichtung derjenigen Behörde über-
lassen bleibe, welche diesen Streit zu schlichten be-
fugt ist. -- v. Soiron theilt nicht die Ansicht,
als sei der Zeitpunkt für das Einschreiten der
Union noch nicht gekommen. Es sei vielmehr
Pflicht des provisorischen Fürstenkollegiums, als
der Unionsregierung, solche Zustände wie sie im
Kurfürstenthum Hessen seien, nicht ferner zu dul-
den, sondern sie auf alle Weise zu beendigen.
Nicht minder sei es die Pflicht der Unionsregie-
rung jedes unbefugte Einschreiten von anderer
Seite zu hindern. Er stellt daher den Antrag:
Mittelst einer Erklärung zu Protokoll die großh.
Regierung zu ersuchen, allen ihren Einfluß bei
der provisorischen Regierung der Union dahin zu
verwenden, daß der verfassungsmäßige Zustand in
Kurhessen wieder hergestellt, und jeder Jnterven-
tion von deutschen Staaten, die sich dem Bündniß
vom 26. Mai nicht angeschlossen, oder nicht da-
bei beharren, vorgebeugt werden solle. -- Staats-
minister Klüber erinnert daran, daß dieser Gegen-
stand gewisse Rücksichten erfordere. Er wünscht
daher, daß die Verhandlung hier nicht weiter in
das Materielle der Sache eingehen möge. -- Es
sprechen darauf noch die Abgeordneten Zentner und
Junghaus für den Antrag des Abgeordneten v.
Soiron und der Abgeordnete Bader gegen den-
selben. Der Antrag wurde durch Stimmermehrheit
angenommen.

Stuttgart, 21. Sept. Jn der Verurthei-
lung des Fürsten v. Waldburg=Zeil Trauchburg
muß man das Walten der Nemesis darin erken-
nen, daß gerade er, der einzige seiner würtem-
bergischen Standesgenossen, der ins demokratische
Lager desertirt ist, die Folgen der Errungenschaf-
ten praktisch zuerst zu fühlen bekommen sollte.
Er hat zwar eine Nichtigkeitsklage gegen den
Ausspruch des Gerichts eingelegt, weil zwei
Reutlinger Bürger eidlich zu bezeugen sich bereit
erklärt haben sollen, daß einer der Geschworenen
während der Verhandlung geschlafen habe; er
wird aber schwerlich Etwas dabei gewinnen, denn
die Zeugen können nur beschwören, daß der Ge-
schworene die Augen geschlossen gehabt, ob er
aber geschlafen, vermögen sie nicht zu beschwören.
Es möchte sogar ein solcher Eid gar nicht zu-
lässig sein. Der betreffende Geschworene wird
jedenfalls sich nicht schuldig bekennen; das Schlie-
ßen der Augen ist Niemand verboten, und es
kann sogar ein Geschworener einen sehr guten
Grund dazu haben, um sich weder durch die im-
ponirende Persönlichkeit des Angeklagten, wie in
[Spaltenumbruch] diesem Falle, bestechen, noch durch dessen widrige
Erscheinung gegen ihn einnehmen zu lassen. Noch
ein anderer Umstand verdient in dieser Geschichte
hervorgehoben zu werden. Hr. Schoder, der
Vertheidiger des Fürsten, hat seine erste Schlacht
verloren. Die Glorie der Unbesiegbarkeit ist
von seinem Haupte gerissen, und ein Einmal ge-
schlagener General wird auch noch öfters geschla-
gen. Man sagt zwar, er habe schon zuvor an
dem Gelingen gezweifelt, aber, seiner Schlauheit
vertrauend, hatte er wohl gehofft, durch eine
Kriegslist sich zum Siege zu verhelfen. Er rief
nämlich den Geschworenen zu: „Erklären Sie den
Angeklagten in sämmtlichen Punkten für schul-
dig,
aber ohne Vorbedacht. “ Damit wäre
er gerettet gewesen; die Geschworenen gingen aber
nicht in die Falle. Daher mag sich auch die
Wuth der „ Volksfreunde “ schreiben, welche
die Geschworenen beim Austreten aus dem Saale
beschimpften und bedrohten. Reaktionäre waren
dies keine, und man erkennt also daraus die Ach-
tung jener Leute vor einer gesetzlichen Jnstitution,
die sie selbst als eines der theuersten Unterpfän-
der der Freiheit erklären. -- ( Die „Deutsche
Kronik“ bemerkt in Bezug auf das skandalöse
Gebehren der Demokraten: Jst Das die Ach-
tung vor dem Gesetze und der Ordnung, welche
die Ochlokratie neuerdings in ihren Blättern er-
heuchelt? Jst Das der Dank für das gewiß de-
mokratische Jnstitut der Schwurgerichte, daß man
die Richter, die nach ihrem Gewissen und auf
ihre Ehre ein unverkennbar mild=gerechtes Urtheil
gefällt haben, verhöhnt und bedroht? Jst Das
der gesunde Sinn des Volks, daß es, dem Aus-
spruch der Jury zum Trotz, dem Manne, der
wegen gegründeter Schmähung gestraft wird,
eben darum, weil er schmähte und gestraft wurde,
ein Lebehoch bringt am Abend des Tages, der
denselben beschämen und zur Reue und Besserung
bewegen sollte? Ha! eine eiserne Zeit muß kom-
men! und Serenaden, wie die in Tübingen, sollte
man mit Kartätschen akkompagniren. )

   

Darmstadt, 22. Sept. Unsere Demokraten
haben endlich ihre beiden Haupttrümpfe zu glei-
cher Zeit ausgespielt: Steuerverweigerung und
ein Mißtrauensvotum gegen das abgetretene und
das gegenwärtige Ministerium. Welch ein Tri-
umph für die Demokratie, wenn unser Ministe-
rium und die wenigen Conservativen in der Kam-
mer sich auch nur auf eine Diskussion mit einer
Partei einlassen, welche in ihren Conciliabulen
alles im voraus beschließt, und die öffentliche Be-
rathung nur benutzt, um dem Volke ihre Sophis-
men aufzudringen; für das monarchische Prinzip,
wenn man die Sache ungestört und unbekümmert
in der Kammer ihren voraussichtlichen Weg gehen
läßt, dann aber mit Energie auftritt und den
Geist unserer Verfassung von all den Schlacken
kräftigst reinigt, die Halbdemagogie und Matt-
herzigkeit ihr seit dem März 1848 angeheftet
haben! Jndessen scheint es hier selbst in den
besseren Köpfen auch noch nicht ganz klar zu sein;
schwärmen ja noch hochgestellte Staatsmänner
für die schleswig=holsteinischen Wirren. --

   

Darmstadt, 23. Sept. Jn der heutigen
Sitzung der ersten Kammer brachte Abg. Jaup
einen Antrag wegen der öffentlichen Rechtszu-
stände in Kurhessen ein, welcher darauf gerichtet
war, die Stände möchten aussprechen, daß die
Haltung der dortigen Volksvertretung, besonders
des ständischen Ausschusses, volle Anerkennung
verdiene, auch weiter die Staatsregierung zu er-
suchen, sich bei dem Cabinet in Wilhelmsbad
dahin zu verwenden, daß der Conflikt zwischen
der Staatsregierung und der Ständeversammlung
auf dem von der Verfassungsurkunde vorgeschrie-
benen Wege des Compromisses beseitigt, darum
aber die Ständeversammlung wieder berufen werde.
Nachdem der Antragsteller seine begründete Mo-
tion verlesen, wollte sie der Präsident dem com-
petenten Ausschusse zuweisen, stieß aber auch Wi-
derspruch; es erhob sich eine kurze Berathung,
und bei der Abstimmung wurde diese Verweisung

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[0003] „Die Landesversammlung beschließt einen Antrag an die Statthalterschaft dahin, daß die politischen Vergehungen halber in Untersuchung gezogenen oder bereits verurtheilten Personen, mit Ausnahme der Spione, der Kriegs= oder Landesverräther, amnestirt werden.“ Veranlassung und Hintergrund dieses Antrags bildeten die harten Straferkennt- nisse, welche in jüngster Zeit wegen Preß= und politischer Vergehen gefällt worden sind, nament- lich gegen Knölck, Otto Koch und Lerow. Der Antragsteller motivirte nicht sehr glücklich. Er sprach viel von politischer Verfolgungssucht, konnte aber doch den Sitz dieser Verfolgungssucht nicht recht nachweisen, da er einräumen mußte, daß das Obergericht meistentheils ex officio einge- schritten sei, und er andererseits den Gerichten doch auch nicht vorwerfen wollte, als hätten sie das Recht um ihrer politischen Ansichten willen gebeugt. Am treffendsten schien uns das Wort, was der Pastor Sierck mit Beziehung auf die vom holst. Obergericht gefällten Straferkenntnisse aussprach: „Daß man sich hüten müsse, durch zu harte Strafen Leuten in den Augen des Volks eine Märtyrerkrone zu verleihen, welche ohnedies der verdienten Verachtung preisgegeben sein wür- den.“ Gegen den Antrag wurde namentlich an- geführt, daß zu einer so allgemeinen Maßregel, wie eine Amnestie, gar kein Grund vorliege, da überhaupt nur einige wenige Fälle angeführt seien, in denen obendrein, soweit bekannt, noch gar kein Ausspruch der letzten Jnstanz vorliege. Die Ver- sammlung entschied sich für einen Ausschuß zur Prüfung des Antrags. ( H. B.=H. ) Deutschland. Karlsruhe, 23. Sept. 23. öffentliche Si- tzung der zweiten Kammer. Die Tagesordnung führt nun zur Jnterpellation von Seiten des Abg. v. Soiron, die Verhältnisse in Kurhessen betref- fend. Derselbe gibt zur Begründung derselben zuerst eine kurze erzählende Darstellung der be- kannten neuesten Ereignisse in Kurhessen. Er sieht in der Wendung, welche diese Wirren jetzt ge- nommen haben, nur das Streben des kurhessischen Ministeriums, sich bei dem vorgenommenen Ver- fassungsbruch auf die Versammlung zu Frankfurt und auf die Waffengewalt zu stützen, und erklärt sich besonders dagegen, daß man sich von Sei- ten des kurhefsischen Ministeriums auf die durch Bundesbeschluß vom Jahr 1848 aufgehobenen Ausnahmsgesetze vom Jahr 1832 berufe. Er fährt dann ungefähr in folgender Weise fort: Bei diesen Wirren ist es Sache der Union, Ab- hilfe zu gewähren. Kurhessen hat sich von der Union nicht losgesagt und kann sich einseitig nicht lossagen. Aufgabe der Union ist es aber, bei inneren Zerwürfnissen in einem Unionsstaate durch das gesetzliche Schiedsgericht und auf andere Weise vermittelnd einzuschreiten. Jn dem vorliegenden Falle ist das Einschreiten um so mehr nöthig, weil es sich darum handelt, einen trefflichen deut- schen Volksstamm gegen den Absolutismus und gegen ein verhaßtes Ministerium zu schützen; weil es sich handelt von Abwehr gegen Angriffe, bei welchen man freilich glücklicher Weise nicht auf die Mitwirkung des eigenen Heeres und der ei- genen Beamten sich stützen konnte. An die Rück- kehr des Absolutismus in Deutschland im Allge- gemeinen wird zwar kein Vernünftiger glauben; aber es ist nothwendig, diese hessischen Wirren so bald als möglich zu beenden. Zugleich liegt hie- rin eine Lebensfrage für die Union. Es handelt sich um die Frage, ob die Sympathie für die Union in Deutschland erkalten, oder ob die Union durch ihr Auftreten in dieser Sache die Sympa- pathie des ganzen konstitutionellen Deutschlands für sich gewinnen soll. Jch stelle daher an den Hrn. Minister des Auswärtigen die Anfrage: ob und welche Verhandlungen bei dem provisorischen Fürstenkollegium über die Schlichtung der Wirren in Kurhessen eingeleitet sind, und besonders welche Jnstruktionen der badische Bevollmächtigte in die- sem Punkte erhalten hat. Staatsminister Klüber erklärt hierauf: Der neueste Bericht des badischen Grsandteo sei von dem 19. d. Mts. Bis dahin seien von keinem der beiden Theile, weder von der kurhessischen Regierung, noch von den hessi- schen Ständen Schritte bei dem Fürstenkollegium geschehen. Man wisse, daß eine Note von Sei- ten der königl. preußischen Regierung im vermit- telnden Sinne an das kurfürstliche Ministerium gerichtet worden sei. Das Verhältniß der frühern hier einschlagenden Bundesgesetze, deren unbedingte Aufhebung von dem Jnterpellanten angenommen werde, sei nicht so einfach. Es seien durch Bun- desbeschluß vom 2. April 1848 zwar die frühern Ausnahmsgesetze aufgehoben worden, jedoch nur im Allgemeinen; in manchen Fällen könne aber Zweifel entstehen, welche Gesetze darunter begriffen seien. -- Jm Allgemeinen ( fährt der Redner fort ) sind drei Wege zur Schlichtung dieser Wirren denkbar und zwar entweder durch die frühere Gefetzgebung des Bundes, oder durch das Schiedsgericht der Union, oder endlich durch eine friedliche Lösung auf den Grund der hessischen Verfassung selbst, in welcher die Mittel zur Lösung einer solchen Kollission gegeben sind. Dieser dritte Weg ist gewiß der wünschenswertheste und der beste. Wenn er betreten wird, so ist das Einschreiten von an- derer Seite her nicht nöthig, und zugleich werden dadurch am besten andere Kollissionen, welche die beiden ersten Wege erschweren könnten, vermieden. Jn Rücksicht auf dieses Sachverhältniß wird man zugeben müssen, daß der Zeitpunkt für das Ein- schreiten von Seiten der Union noch nicht einge- treten ist. Jn das Materielle der Streitfrage finde ich mich nicht veranlaßt einzugehen, und muß wünschen, daß dieser Theil der Frage der Erörte- rung und Schlichtung derjenigen Behörde über- lassen bleibe, welche diesen Streit zu schlichten be- fugt ist. -- v. Soiron theilt nicht die Ansicht, als sei der Zeitpunkt für das Einschreiten der Union noch nicht gekommen. Es sei vielmehr Pflicht des provisorischen Fürstenkollegiums, als der Unionsregierung, solche Zustände wie sie im Kurfürstenthum Hessen seien, nicht ferner zu dul- den, sondern sie auf alle Weise zu beendigen. Nicht minder sei es die Pflicht der Unionsregie- rung jedes unbefugte Einschreiten von anderer Seite zu hindern. Er stellt daher den Antrag: Mittelst einer Erklärung zu Protokoll die großh. Regierung zu ersuchen, allen ihren Einfluß bei der provisorischen Regierung der Union dahin zu verwenden, daß der verfassungsmäßige Zustand in Kurhessen wieder hergestellt, und jeder Jnterven- tion von deutschen Staaten, die sich dem Bündniß vom 26. Mai nicht angeschlossen, oder nicht da- bei beharren, vorgebeugt werden solle. -- Staats- minister Klüber erinnert daran, daß dieser Gegen- stand gewisse Rücksichten erfordere. Er wünscht daher, daß die Verhandlung hier nicht weiter in das Materielle der Sache eingehen möge. -- Es sprechen darauf noch die Abgeordneten Zentner und Junghaus für den Antrag des Abgeordneten v. Soiron und der Abgeordnete Bader gegen den- selben. Der Antrag wurde durch Stimmermehrheit angenommen. Stuttgart, 21. Sept. Jn der Verurthei- lung des Fürsten v. Waldburg=Zeil Trauchburg muß man das Walten der Nemesis darin erken- nen, daß gerade er, der einzige seiner würtem- bergischen Standesgenossen, der ins demokratische Lager desertirt ist, die Folgen der Errungenschaf- ten praktisch zuerst zu fühlen bekommen sollte. Er hat zwar eine Nichtigkeitsklage gegen den Ausspruch des Gerichts eingelegt, weil zwei Reutlinger Bürger eidlich zu bezeugen sich bereit erklärt haben sollen, daß einer der Geschworenen während der Verhandlung geschlafen habe; er wird aber schwerlich Etwas dabei gewinnen, denn die Zeugen können nur beschwören, daß der Ge- schworene die Augen geschlossen gehabt, ob er aber geschlafen, vermögen sie nicht zu beschwören. Es möchte sogar ein solcher Eid gar nicht zu- lässig sein. Der betreffende Geschworene wird jedenfalls sich nicht schuldig bekennen; das Schlie- ßen der Augen ist Niemand verboten, und es kann sogar ein Geschworener einen sehr guten Grund dazu haben, um sich weder durch die im- ponirende Persönlichkeit des Angeklagten, wie in diesem Falle, bestechen, noch durch dessen widrige Erscheinung gegen ihn einnehmen zu lassen. Noch ein anderer Umstand verdient in dieser Geschichte hervorgehoben zu werden. Hr. Schoder, der Vertheidiger des Fürsten, hat seine erste Schlacht verloren. Die Glorie der Unbesiegbarkeit ist von seinem Haupte gerissen, und ein Einmal ge- schlagener General wird auch noch öfters geschla- gen. Man sagt zwar, er habe schon zuvor an dem Gelingen gezweifelt, aber, seiner Schlauheit vertrauend, hatte er wohl gehofft, durch eine Kriegslist sich zum Siege zu verhelfen. Er rief nämlich den Geschworenen zu: „Erklären Sie den Angeklagten in sämmtlichen Punkten für schul- dig, aber ohne Vorbedacht. “ Damit wäre er gerettet gewesen; die Geschworenen gingen aber nicht in die Falle. Daher mag sich auch die Wuth der „ Volksfreunde “ schreiben, welche die Geschworenen beim Austreten aus dem Saale beschimpften und bedrohten. Reaktionäre waren dies keine, und man erkennt also daraus die Ach- tung jener Leute vor einer gesetzlichen Jnstitution, die sie selbst als eines der theuersten Unterpfän- der der Freiheit erklären. -- ( Die „Deutsche Kronik“ bemerkt in Bezug auf das skandalöse Gebehren der Demokraten: Jst Das die Ach- tung vor dem Gesetze und der Ordnung, welche die Ochlokratie neuerdings in ihren Blättern er- heuchelt? Jst Das der Dank für das gewiß de- mokratische Jnstitut der Schwurgerichte, daß man die Richter, die nach ihrem Gewissen und auf ihre Ehre ein unverkennbar mild=gerechtes Urtheil gefällt haben, verhöhnt und bedroht? Jst Das der gesunde Sinn des Volks, daß es, dem Aus- spruch der Jury zum Trotz, dem Manne, der wegen gegründeter Schmähung gestraft wird, eben darum, weil er schmähte und gestraft wurde, ein Lebehoch bringt am Abend des Tages, der denselben beschämen und zur Reue und Besserung bewegen sollte? Ha! eine eiserne Zeit muß kom- men! und Serenaden, wie die in Tübingen, sollte man mit Kartätschen akkompagniren. ) ( K. Z. ) Darmstadt, 22. Sept. Unsere Demokraten haben endlich ihre beiden Haupttrümpfe zu glei- cher Zeit ausgespielt: Steuerverweigerung und ein Mißtrauensvotum gegen das abgetretene und das gegenwärtige Ministerium. Welch ein Tri- umph für die Demokratie, wenn unser Ministe- rium und die wenigen Conservativen in der Kam- mer sich auch nur auf eine Diskussion mit einer Partei einlassen, welche in ihren Conciliabulen alles im voraus beschließt, und die öffentliche Be- rathung nur benutzt, um dem Volke ihre Sophis- men aufzudringen; für das monarchische Prinzip, wenn man die Sache ungestört und unbekümmert in der Kammer ihren voraussichtlichen Weg gehen läßt, dann aber mit Energie auftritt und den Geist unserer Verfassung von all den Schlacken kräftigst reinigt, die Halbdemagogie und Matt- herzigkeit ihr seit dem März 1848 angeheftet haben! Jndessen scheint es hier selbst in den besseren Köpfen auch noch nicht ganz klar zu sein; schwärmen ja noch hochgestellte Staatsmänner für die schleswig=holsteinischen Wirren. -- ( F. O.=P.=A.=Z. ) Darmstadt, 23. Sept. Jn der heutigen Sitzung der ersten Kammer brachte Abg. Jaup einen Antrag wegen der öffentlichen Rechtszu- stände in Kurhessen ein, welcher darauf gerichtet war, die Stände möchten aussprechen, daß die Haltung der dortigen Volksvertretung, besonders des ständischen Ausschusses, volle Anerkennung verdiene, auch weiter die Staatsregierung zu er- suchen, sich bei dem Cabinet in Wilhelmsbad dahin zu verwenden, daß der Conflikt zwischen der Staatsregierung und der Ständeversammlung auf dem von der Verfassungsurkunde vorgeschrie- benen Wege des Compromisses beseitigt, darum aber die Ständeversammlung wieder berufen werde. Nachdem der Antragsteller seine begründete Mo- tion verlesen, wollte sie der Präsident dem com- petenten Ausschusse zuweisen, stieß aber auch Wi- derspruch; es erhob sich eine kurze Berathung, und bei der Abstimmung wurde diese Verweisung

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 230. Würzburg, 25. September 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische230_1850/3>, abgerufen am 24.11.2024.