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Die Bayerische Presse. Nr. 268. Würzburg, 8. November 1850.

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Die Bayerische Presse.

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Ganzjährig 6 fl.
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Eine constitutionell-monarchische Zeitung.

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Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr
Nr. 533.

Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-
titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

[Ende Spaltensatz]

Nr. 268.
Würzburg, Freitag den 8. November. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Amtliche Nachrichten.

Würzburg, 8. Nov. Durch allerhöchste Ent-
schließung vom 5. Nov. wurde der Dozent an
der k. Universität zu Prag, Dr. Friedrich Sean-
zoni, zum ordentlichen Professor der Geburtshilfe
an der medizinischen Fakultät an der Universität
Würzburg und zum Vorstande der Hebammenschule
und der Entbindungsanstalt zu Würzburg er-
nannt.



Die bayerische Armee.

Die norddeutsche Presse hat sich seit längerer
Zeit daran gewöhnt, Bayern zum allgemeinen
whipping-boy ( Prügeljungen ) zu machen. Wenn
im einzelnen partikularen Lande die Zustände un-
erfreulich sind, so muß Bayern meistens herhalten,
um als Sack zu dienen -- experientia fit in
vili corpore
. Jst doch blos schon seine Existenz
eine seiner Hauptsünden! "Napoleonisches König-
reich ".... "Nieder=Vertrag", das sind jetzt
die Worte, die täglich in gewissen Blättern wie-
derkehren, ohne daß der Norden irgend zu der
Einsicht gekommen wäre, was er an diesen Rei-
chen Deutschlands besitzt, oder sich die Frage be-
antwortet hätte, wer denn eigentlich Herr sein soll,
wenn der Berliner Arm positiv nicht so weit reicht,
und Oesterreich nicht mehr zu Deutschland zu zäh-
len ist? So lange nicht etwa die Main=Linie
oder das gothaische Vaterland ( "nicht so weit als
die deutsche Zunge klingt" ) zur Verwirklichung
kommt, so lange wird im Südwesten ein staat-
liches Drittes liegen -- mag dasselbe nun in
Baden, Würtemberg und Bayern zerfallen, oder
in Eins zusammengeschmolzen werden. Wer sich
einbildet, daß diese drei Staaten wirklich Nichts
als französische Schöpfungen sind, der pflegt sich
eine Politik zurecht, welche Alles, nur nicht ge-
fährlich ist. Ohne irgend wie den Vertheidiger
Bayerns oder seiner Politik abgeben zu wollen,
glaube ich Sie doch versichern zu dürfen, daß
das aus Hormayers "Fragmente" bekannte Wort
Friedrich Wilhelm des Dritten über seine Schwä-
gerin, die spätere Friederike von Hannover: "Nicht
schlechter sein, als alle Andern, die Andern um
Nichts besser sein," hier vollständig Platz greift.
Namentlich aber ist es ein großer Jrrthum, so-
bald man sich einbildet, das bayerische Heer mit
wohlfeilen Witzen vernichten zu können. Es mag
immerhin wahr sein, daß beim Losbruch der März-
Revolution das Kriegsmaterial in Baiern sich
nicht in dem Zustand befand, wie ihn ein augen-
blickliches nachdrückliches Auftreten erforderte; die-
sem Uebelstand ist binnen der zwei letzten Jahre
abgeholfen; man mag gleichfalls darin Recht ha-
ben, daß das bayerische Parade=Execitium dem
preußischen nachsteht, allein der bayerische Soldat
hat sich auf dem Schlachtfelde noch stets mit dem
größten Muthe geschlagen, und auf den Märschen
eine Ausdauer gezeigt, die sich mit jeder Truppe
zu messen im Stande ist. "Die "Neue preuß.
Zeitung" meinte vor einigen Tagen in Bezug
auf die bayerischen Rüstungen: "man solle Bier-
fässer nicht für Pulverfässer ansehen," wenn
Sie jedoch einen Vergleich ziehen zwischen dem
[Spaltenumbruch] hiesigen kräftigen Menschenschlage vom Ge-
birge an bis nach Franken hinein, und dem
Rheinlander, dem Schlesier, dem Pommer, der
nur die Ebene kennt, so werden Sie, abgesehen
von aller geschichtlichen Erfahrung, schon von
vornherein dem Bayer als Soldaten den Vorzug
geben. Zu dieser körperlichen Kraft gesellt sich
dann ferner einmal eine echt deutsche bekannte
Lust, zu raufen, und eine durchgehende Sicherheit
im Gebrauche der Schießwaffe, wie Sie dieselbe
nur in Tirol und der Schweiz antreffen. Das
Scheibenschießen bildet eine der ersten Vergnü-
gungsarten der Süddeutschen; Privatmann oder
Soldat, ein Jeder versteht vortrefflich, mit der
Büchse umzugehen, und Sie finden hier in jedem
Stande, Alt und Jung, sehr viele Leute, welche
für persönliche Ausgleichungen sehr unangenehm
geübte Pistolenschützen sind. Diese durchgehende
Lust an der Waffe kennt der Norden nicht. Je
weiter Sie nach der Küste hinaus sehen, um so
seltener werden Sie im Volke den Einzelnen mit
dem Gewehre vertraut finden. Der norddeutsche
Soldat muß meistens als Rekrut das Schießen
erst lernen; der Süddeutsche tritt mit dem sicheren
Auge und der geübten Hand in der Regel ein.
Wollen Sie außerdem die ihm oft vom Norden
aus zum Vorwurf gemachte größere Bedürfniß-
losigkeit und Unempfindlichkeit gegen den feineren
Comfort bei dem Bayer in Anschlag bringen,
welche doch im Felde jedenfalls eine Tugend nur
mehr, so kommen Sie gewiß zu dem Resultate,
daß der Kern der bayerischen Armee so vortreff-
lich ist, als er nur sein kann. "Allein die höhere
Bildung der Preußen, der Kinder aus dem Staate
der Jntelligenz".... Ja freilich, wenn die
Schulkenntnisse der gemeinen Soldaten im Kriege
auch ein Gewicht in die Schale werfen, so dür-
fen die Russen gar keinen Anspruch darauf ma-
chen, ein brauchbares Heer zu haben. Wir wol-
len es zwar anerkennen, daß das preußische Of-
fizierkorps theoretisch vielleicht das bestgebildete ist,
welches Europa aufzuweisen hat, und in ihm ein
Corps=Geist herrscht, der kein persönliches Schwan-
ken des Einzelnen im Augenblicke der Gefahr
aufkommen läßt. Allein es fehlt ihm an Erfah-
rungen, ohne welche alle Theorie sehr leicht zu
einem äußerst gefährlichen Doktrinarismus umzu-
schlagen droht. Die preußische Armee befindet
sich in vieler Hinsicht in derselben Lage, wie am
Anfange unseres Jahrhunderts -- lange Unthä-
tigkeit, Garnison=Dienst, auf die Spitze getriebe-
nes Theoretisiren. Wie aber im Beamtenthum
kein eigentlich schöpferischer Staatsmann, so wächst
auch unter solchen Verhältnissen kein eigentlich ge-
nialer Feldherr auf. Der Umstand, daß eine
unbedeutende Anzahl bayerischer Offiziere seiner
Zeit in Griechenland war, darf dagegen freilich
in strategischer Beziehung nicht hoch angeschlagen
werden; aber rücksichtlich des "Sich anerkennen,"
wie man hier sagt, auf dem Marsche und über-
haupt im Kriegsleben, mag diese Excursion denn
doch immer ihre guten Früchte getragen haben,
und was an mathematischer Präcision vielleicht
abgeht, ersetzt individuelle Tüchtigkeit. Ob Preußen ge-
genwärtig noch Haudegen wie Blücher besitzt, ist
die Frage; die bayerische Natur ist zu solchen
Persönlichkeiten recht eigentlich angelegt, und ich
[Spaltenumbruch] sollte denken, auch heut zu Tag liefere man mit
Maschinen noch keine Schlachten.

   
Die Ereignisse in Kurhessen.

Kassel, 5. Nov. Die Preußen behaupten sich
hier mit großer Gemächlichkeit. Sie halten auf
dem Friedrichsplatze täglich Parade mit Musik,
beziehen die gewöhnlichen Wachen und stellen so-
gar vor die kurfürstl. Gebäude, vor das Museum,
Ministerium ec. Posten hin. Hier und in einigen
Dörfern bei Kassel mogen wohl 7000 Mann ein-
quartiert sein. Es gibt Hausbesitzer, welche 20
Mann im Quartier haben. Für die Meisten ist
es eine drückende Last, da Viele, namentlich in
jetzigen Zeiten, kaum für sich Nahrung zu beschaf-
fen vermögen. Von einem Abmarsche der Trup-
pen verlautet nichts, wohl aber von einer Verstär-
kung derselben, sodaß man ernstlich beabsichtigt,
auch den Miethern Einquartierung zu geben. Man
ist hier über die nächste Gestaltung der Verhält-
nisse in gänzlicher Ungewißheit. Daß es die Neu-
hessen am Aussprengen lügenhafter Gerüchte nicht
fehlen lassen, kann sich Jeder denken, der diese
Sorte kennt. Widerwärtig ist es, mit anzusehen,
wie sie darauf ausgehen, die Preußen für sich ein-
zunehmen, ihnen wohlreden und dabei im Herzens-
grunde doch nicht trauen. -- Seit gestern sind
die Namen von achtzehn Offizieren, die den Ab-
schied erhalten haben sollen, in Vieler Munde.

   

Kassel, 6. Nov. Die Verfügung des Kurfür-
sten, den Einmarsch der Bundestruppen betreffend,
steht seit heute früh an den Straßenecken ange-
schlagen. Gegen 7 Uhr Uhr Morgens wurde
Generalmarsch geschlagen. Von der preußischen
Jnfanterie, welche sich sehr schnell auf dem Fried-
richsplatze versammelt hatte, rückten sofort 2 Ba-
taillone Füßeliere zur Eisenbahn, um auf dersel-
ben bis Bebra zu fahren und dann sofort den
Marsch nach Hünfeld fortzusetzen. Die Nachrich-
ten. daß die Bayern vorschreiten, daß Radowitz
abgetreten ist, daß 10 Offiziere entlassen sind,
haben die Gesichter der Neuhessen zu einer fabel-
haften Länge ausgedehnt.

   

Hanau, 6. Nov. Die beiden hiesigen Ju-
stizämter 1 und 2 verwenden bereits wieder den
bisher notirten Stempel, das hiesige Obergericht
dagegen fährt in seiner Renitenz gegen die An-
ordnungen der Bundesbehörde fort. Der Redak-
teur der "Hanauer Zeitung", F. A. Kittsteiner,
ist dem Hauptquartier der bayerischen Truppen
ins Fuldaische nachgereist, um von dem Bundes-
commissär die Entsiegelung seiner Pressen und
die Erlaubniß zum Wiederscheinen seine Zeitung
zu erwirken. Kommandant in hiesiger Stadt ist
der bayerische Oberst von Pfetten vom Regiment
König.

Nachschrift. Nach glaubwürdigen, wie-
wohl noch nicht verbürgten Nachrichten, welche
soeben von Fulda eintreffen, sind die Bayern ge-
stern, nachdem die Preußen sich zurückgezogen,
daselbst eingerückt und haben namentlich die Vor-
stadt Löherstraße besetzt. Gewiß ist jedenfalls,
daß die beiden Bundesdivisionen von Neuhof wie
von Motten her sich gestern früh um 8 Uhr ge-

Die Bayerische Presse.

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Ganzjährig 6 fl.
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Nr. 533.

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und Gelder frei.

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Würzburg, Freitag den 8. November. 1850.


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Amtliche Nachrichten.

Würzburg, 8. Nov. Durch allerhöchste Ent-
schließung vom 5. Nov. wurde der Dozent an
der k. Universität zu Prag, Dr. Friedrich Sean-
zoni, zum ordentlichen Professor der Geburtshilfe
an der medizinischen Fakultät an der Universität
Würzburg und zum Vorstande der Hebammenschule
und der Entbindungsanstalt zu Würzburg er-
nannt.



Die bayerische Armee.

Die norddeutsche Presse hat sich seit längerer
Zeit daran gewöhnt, Bayern zum allgemeinen
whipping-boy ( Prügeljungen ) zu machen. Wenn
im einzelnen partikularen Lande die Zustände un-
erfreulich sind, so muß Bayern meistens herhalten,
um als Sack zu dienen -- experientia fit in
vili corpore
. Jst doch blos schon seine Existenz
eine seiner Hauptsünden! „Napoleonisches König-
reich “.... „Nieder=Vertrag“, das sind jetzt
die Worte, die täglich in gewissen Blättern wie-
derkehren, ohne daß der Norden irgend zu der
Einsicht gekommen wäre, was er an diesen Rei-
chen Deutschlands besitzt, oder sich die Frage be-
antwortet hätte, wer denn eigentlich Herr sein soll,
wenn der Berliner Arm positiv nicht so weit reicht,
und Oesterreich nicht mehr zu Deutschland zu zäh-
len ist? So lange nicht etwa die Main=Linie
oder das gothaische Vaterland ( „nicht so weit als
die deutsche Zunge klingt“ ) zur Verwirklichung
kommt, so lange wird im Südwesten ein staat-
liches Drittes liegen -- mag dasselbe nun in
Baden, Würtemberg und Bayern zerfallen, oder
in Eins zusammengeschmolzen werden. Wer sich
einbildet, daß diese drei Staaten wirklich Nichts
als französische Schöpfungen sind, der pflegt sich
eine Politik zurecht, welche Alles, nur nicht ge-
fährlich ist. Ohne irgend wie den Vertheidiger
Bayerns oder seiner Politik abgeben zu wollen,
glaube ich Sie doch versichern zu dürfen, daß
das aus Hormayers „Fragmente“ bekannte Wort
Friedrich Wilhelm des Dritten über seine Schwä-
gerin, die spätere Friederike von Hannover: „Nicht
schlechter sein, als alle Andern, die Andern um
Nichts besser sein,“ hier vollständig Platz greift.
Namentlich aber ist es ein großer Jrrthum, so-
bald man sich einbildet, das bayerische Heer mit
wohlfeilen Witzen vernichten zu können. Es mag
immerhin wahr sein, daß beim Losbruch der März-
Revolution das Kriegsmaterial in Baiern sich
nicht in dem Zustand befand, wie ihn ein augen-
blickliches nachdrückliches Auftreten erforderte; die-
sem Uebelstand ist binnen der zwei letzten Jahre
abgeholfen; man mag gleichfalls darin Recht ha-
ben, daß das bayerische Parade=Execitium dem
preußischen nachsteht, allein der bayerische Soldat
hat sich auf dem Schlachtfelde noch stets mit dem
größten Muthe geschlagen, und auf den Märschen
eine Ausdauer gezeigt, die sich mit jeder Truppe
zu messen im Stande ist. „Die „Neue preuß.
Zeitung“ meinte vor einigen Tagen in Bezug
auf die bayerischen Rüstungen: „man solle Bier-
fässer nicht für Pulverfässer ansehen,“ wenn
Sie jedoch einen Vergleich ziehen zwischen dem
[Spaltenumbruch] hiesigen kräftigen Menschenschlage vom Ge-
birge an bis nach Franken hinein, und dem
Rheinlander, dem Schlesier, dem Pommer, der
nur die Ebene kennt, so werden Sie, abgesehen
von aller geschichtlichen Erfahrung, schon von
vornherein dem Bayer als Soldaten den Vorzug
geben. Zu dieser körperlichen Kraft gesellt sich
dann ferner einmal eine echt deutsche bekannte
Lust, zu raufen, und eine durchgehende Sicherheit
im Gebrauche der Schießwaffe, wie Sie dieselbe
nur in Tirol und der Schweiz antreffen. Das
Scheibenschießen bildet eine der ersten Vergnü-
gungsarten der Süddeutschen; Privatmann oder
Soldat, ein Jeder versteht vortrefflich, mit der
Büchse umzugehen, und Sie finden hier in jedem
Stande, Alt und Jung, sehr viele Leute, welche
für persönliche Ausgleichungen sehr unangenehm
geübte Pistolenschützen sind. Diese durchgehende
Lust an der Waffe kennt der Norden nicht. Je
weiter Sie nach der Küste hinaus sehen, um so
seltener werden Sie im Volke den Einzelnen mit
dem Gewehre vertraut finden. Der norddeutsche
Soldat muß meistens als Rekrut das Schießen
erst lernen; der Süddeutsche tritt mit dem sicheren
Auge und der geübten Hand in der Regel ein.
Wollen Sie außerdem die ihm oft vom Norden
aus zum Vorwurf gemachte größere Bedürfniß-
losigkeit und Unempfindlichkeit gegen den feineren
Comfort bei dem Bayer in Anschlag bringen,
welche doch im Felde jedenfalls eine Tugend nur
mehr, so kommen Sie gewiß zu dem Resultate,
daß der Kern der bayerischen Armee so vortreff-
lich ist, als er nur sein kann. „Allein die höhere
Bildung der Preußen, der Kinder aus dem Staate
der Jntelligenz“.... Ja freilich, wenn die
Schulkenntnisse der gemeinen Soldaten im Kriege
auch ein Gewicht in die Schale werfen, so dür-
fen die Russen gar keinen Anspruch darauf ma-
chen, ein brauchbares Heer zu haben. Wir wol-
len es zwar anerkennen, daß das preußische Of-
fizierkorps theoretisch vielleicht das bestgebildete ist,
welches Europa aufzuweisen hat, und in ihm ein
Corps=Geist herrscht, der kein persönliches Schwan-
ken des Einzelnen im Augenblicke der Gefahr
aufkommen läßt. Allein es fehlt ihm an Erfah-
rungen, ohne welche alle Theorie sehr leicht zu
einem äußerst gefährlichen Doktrinarismus umzu-
schlagen droht. Die preußische Armee befindet
sich in vieler Hinsicht in derselben Lage, wie am
Anfange unseres Jahrhunderts -- lange Unthä-
tigkeit, Garnison=Dienst, auf die Spitze getriebe-
nes Theoretisiren. Wie aber im Beamtenthum
kein eigentlich schöpferischer Staatsmann, so wächst
auch unter solchen Verhältnissen kein eigentlich ge-
nialer Feldherr auf. Der Umstand, daß eine
unbedeutende Anzahl bayerischer Offiziere seiner
Zeit in Griechenland war, darf dagegen freilich
in strategischer Beziehung nicht hoch angeschlagen
werden; aber rücksichtlich des „Sich anerkennen,“
wie man hier sagt, auf dem Marsche und über-
haupt im Kriegsleben, mag diese Excursion denn
doch immer ihre guten Früchte getragen haben,
und was an mathematischer Präcision vielleicht
abgeht, ersetzt individuelle Tüchtigkeit. Ob Preußen ge-
genwärtig noch Haudegen wie Blücher besitzt, ist
die Frage; die bayerische Natur ist zu solchen
Persönlichkeiten recht eigentlich angelegt, und ich
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Maschinen noch keine Schlachten.

   
Die Ereignisse in Kurhessen.

Kassel, 5. Nov. Die Preußen behaupten sich
hier mit großer Gemächlichkeit. Sie halten auf
dem Friedrichsplatze täglich Parade mit Musik,
beziehen die gewöhnlichen Wachen und stellen so-
gar vor die kurfürstl. Gebäude, vor das Museum,
Ministerium ec. Posten hin. Hier und in einigen
Dörfern bei Kassel mogen wohl 7000 Mann ein-
quartiert sein. Es gibt Hausbesitzer, welche 20
Mann im Quartier haben. Für die Meisten ist
es eine drückende Last, da Viele, namentlich in
jetzigen Zeiten, kaum für sich Nahrung zu beschaf-
fen vermögen. Von einem Abmarsche der Trup-
pen verlautet nichts, wohl aber von einer Verstär-
kung derselben, sodaß man ernstlich beabsichtigt,
auch den Miethern Einquartierung zu geben. Man
ist hier über die nächste Gestaltung der Verhält-
nisse in gänzlicher Ungewißheit. Daß es die Neu-
hessen am Aussprengen lügenhafter Gerüchte nicht
fehlen lassen, kann sich Jeder denken, der diese
Sorte kennt. Widerwärtig ist es, mit anzusehen,
wie sie darauf ausgehen, die Preußen für sich ein-
zunehmen, ihnen wohlreden und dabei im Herzens-
grunde doch nicht trauen. -- Seit gestern sind
die Namen von achtzehn Offizieren, die den Ab-
schied erhalten haben sollen, in Vieler Munde.

   

Kassel, 6. Nov. Die Verfügung des Kurfür-
sten, den Einmarsch der Bundestruppen betreffend,
steht seit heute früh an den Straßenecken ange-
schlagen. Gegen 7 Uhr Uhr Morgens wurde
Generalmarsch geschlagen. Von der preußischen
Jnfanterie, welche sich sehr schnell auf dem Fried-
richsplatze versammelt hatte, rückten sofort 2 Ba-
taillone Füßeliere zur Eisenbahn, um auf dersel-
ben bis Bebra zu fahren und dann sofort den
Marsch nach Hünfeld fortzusetzen. Die Nachrich-
ten. daß die Bayern vorschreiten, daß Radowitz
abgetreten ist, daß 10 Offiziere entlassen sind,
haben die Gesichter der Neuhessen zu einer fabel-
haften Länge ausgedehnt.

   

Hanau, 6. Nov. Die beiden hiesigen Ju-
stizämter 1 und 2 verwenden bereits wieder den
bisher notirten Stempel, das hiesige Obergericht
dagegen fährt in seiner Renitenz gegen die An-
ordnungen der Bundesbehörde fort. Der Redak-
teur der „Hanauer Zeitung“, F. A. Kittsteiner,
ist dem Hauptquartier der bayerischen Truppen
ins Fuldaische nachgereist, um von dem Bundes-
commissär die Entsiegelung seiner Pressen und
die Erlaubniß zum Wiederscheinen seine Zeitung
zu erwirken. Kommandant in hiesiger Stadt ist
der bayerische Oberst von Pfetten vom Regiment
König.

Nachschrift. Nach glaubwürdigen, wie-
wohl noch nicht verbürgten Nachrichten, welche
soeben von Fulda eintreffen, sind die Bayern ge-
stern, nachdem die Preußen sich zurückgezogen,
daselbst eingerückt und haben namentlich die Vor-
stadt Löherstraße besetzt. Gewiß ist jedenfalls,
daß die beiden Bundesdivisionen von Neuhof wie
von Motten her sich gestern früh um 8 Uhr ge-

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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 268. Würzburg, Freitag den 8. November. 1850. Amtliche Nachrichten. Würzburg, 8. Nov. Durch allerhöchste Ent- schließung vom 5. Nov. wurde der Dozent an der k. Universität zu Prag, Dr. Friedrich Sean- zoni, zum ordentlichen Professor der Geburtshilfe an der medizinischen Fakultät an der Universität Würzburg und zum Vorstande der Hebammenschule und der Entbindungsanstalt zu Würzburg er- nannt. Die bayerische Armee. Die norddeutsche Presse hat sich seit längerer Zeit daran gewöhnt, Bayern zum allgemeinen whipping-boy ( Prügeljungen ) zu machen. Wenn im einzelnen partikularen Lande die Zustände un- erfreulich sind, so muß Bayern meistens herhalten, um als Sack zu dienen -- experientia fit in vili corpore. Jst doch blos schon seine Existenz eine seiner Hauptsünden! „Napoleonisches König- reich “.... „Nieder=Vertrag“, das sind jetzt die Worte, die täglich in gewissen Blättern wie- derkehren, ohne daß der Norden irgend zu der Einsicht gekommen wäre, was er an diesen Rei- chen Deutschlands besitzt, oder sich die Frage be- antwortet hätte, wer denn eigentlich Herr sein soll, wenn der Berliner Arm positiv nicht so weit reicht, und Oesterreich nicht mehr zu Deutschland zu zäh- len ist? So lange nicht etwa die Main=Linie oder das gothaische Vaterland ( „nicht so weit als die deutsche Zunge klingt“ ) zur Verwirklichung kommt, so lange wird im Südwesten ein staat- liches Drittes liegen -- mag dasselbe nun in Baden, Würtemberg und Bayern zerfallen, oder in Eins zusammengeschmolzen werden. Wer sich einbildet, daß diese drei Staaten wirklich Nichts als französische Schöpfungen sind, der pflegt sich eine Politik zurecht, welche Alles, nur nicht ge- fährlich ist. Ohne irgend wie den Vertheidiger Bayerns oder seiner Politik abgeben zu wollen, glaube ich Sie doch versichern zu dürfen, daß das aus Hormayers „Fragmente“ bekannte Wort Friedrich Wilhelm des Dritten über seine Schwä- gerin, die spätere Friederike von Hannover: „Nicht schlechter sein, als alle Andern, die Andern um Nichts besser sein,“ hier vollständig Platz greift. Namentlich aber ist es ein großer Jrrthum, so- bald man sich einbildet, das bayerische Heer mit wohlfeilen Witzen vernichten zu können. Es mag immerhin wahr sein, daß beim Losbruch der März- Revolution das Kriegsmaterial in Baiern sich nicht in dem Zustand befand, wie ihn ein augen- blickliches nachdrückliches Auftreten erforderte; die- sem Uebelstand ist binnen der zwei letzten Jahre abgeholfen; man mag gleichfalls darin Recht ha- ben, daß das bayerische Parade=Execitium dem preußischen nachsteht, allein der bayerische Soldat hat sich auf dem Schlachtfelde noch stets mit dem größten Muthe geschlagen, und auf den Märschen eine Ausdauer gezeigt, die sich mit jeder Truppe zu messen im Stande ist. „Die „Neue preuß. Zeitung“ meinte vor einigen Tagen in Bezug auf die bayerischen Rüstungen: „man solle Bier- fässer nicht für Pulverfässer ansehen,“ wenn Sie jedoch einen Vergleich ziehen zwischen dem hiesigen kräftigen Menschenschlage vom Ge- birge an bis nach Franken hinein, und dem Rheinlander, dem Schlesier, dem Pommer, der nur die Ebene kennt, so werden Sie, abgesehen von aller geschichtlichen Erfahrung, schon von vornherein dem Bayer als Soldaten den Vorzug geben. Zu dieser körperlichen Kraft gesellt sich dann ferner einmal eine echt deutsche bekannte Lust, zu raufen, und eine durchgehende Sicherheit im Gebrauche der Schießwaffe, wie Sie dieselbe nur in Tirol und der Schweiz antreffen. Das Scheibenschießen bildet eine der ersten Vergnü- gungsarten der Süddeutschen; Privatmann oder Soldat, ein Jeder versteht vortrefflich, mit der Büchse umzugehen, und Sie finden hier in jedem Stande, Alt und Jung, sehr viele Leute, welche für persönliche Ausgleichungen sehr unangenehm geübte Pistolenschützen sind. Diese durchgehende Lust an der Waffe kennt der Norden nicht. Je weiter Sie nach der Küste hinaus sehen, um so seltener werden Sie im Volke den Einzelnen mit dem Gewehre vertraut finden. Der norddeutsche Soldat muß meistens als Rekrut das Schießen erst lernen; der Süddeutsche tritt mit dem sicheren Auge und der geübten Hand in der Regel ein. Wollen Sie außerdem die ihm oft vom Norden aus zum Vorwurf gemachte größere Bedürfniß- losigkeit und Unempfindlichkeit gegen den feineren Comfort bei dem Bayer in Anschlag bringen, welche doch im Felde jedenfalls eine Tugend nur mehr, so kommen Sie gewiß zu dem Resultate, daß der Kern der bayerischen Armee so vortreff- lich ist, als er nur sein kann. „Allein die höhere Bildung der Preußen, der Kinder aus dem Staate der Jntelligenz“.... Ja freilich, wenn die Schulkenntnisse der gemeinen Soldaten im Kriege auch ein Gewicht in die Schale werfen, so dür- fen die Russen gar keinen Anspruch darauf ma- chen, ein brauchbares Heer zu haben. Wir wol- len es zwar anerkennen, daß das preußische Of- fizierkorps theoretisch vielleicht das bestgebildete ist, welches Europa aufzuweisen hat, und in ihm ein Corps=Geist herrscht, der kein persönliches Schwan- ken des Einzelnen im Augenblicke der Gefahr aufkommen läßt. Allein es fehlt ihm an Erfah- rungen, ohne welche alle Theorie sehr leicht zu einem äußerst gefährlichen Doktrinarismus umzu- schlagen droht. Die preußische Armee befindet sich in vieler Hinsicht in derselben Lage, wie am Anfange unseres Jahrhunderts -- lange Unthä- tigkeit, Garnison=Dienst, auf die Spitze getriebe- nes Theoretisiren. Wie aber im Beamtenthum kein eigentlich schöpferischer Staatsmann, so wächst auch unter solchen Verhältnissen kein eigentlich ge- nialer Feldherr auf. Der Umstand, daß eine unbedeutende Anzahl bayerischer Offiziere seiner Zeit in Griechenland war, darf dagegen freilich in strategischer Beziehung nicht hoch angeschlagen werden; aber rücksichtlich des „Sich anerkennen,“ wie man hier sagt, auf dem Marsche und über- haupt im Kriegsleben, mag diese Excursion denn doch immer ihre guten Früchte getragen haben, und was an mathematischer Präcision vielleicht abgeht, ersetzt individuelle Tüchtigkeit. Ob Preußen ge- genwärtig noch Haudegen wie Blücher besitzt, ist die Frage; die bayerische Natur ist zu solchen Persönlichkeiten recht eigentlich angelegt, und ich sollte denken, auch heut zu Tag liefere man mit Maschinen noch keine Schlachten. ( Ll. ) Die Ereignisse in Kurhessen. Kassel, 5. Nov. Die Preußen behaupten sich hier mit großer Gemächlichkeit. Sie halten auf dem Friedrichsplatze täglich Parade mit Musik, beziehen die gewöhnlichen Wachen und stellen so- gar vor die kurfürstl. Gebäude, vor das Museum, Ministerium ec. Posten hin. Hier und in einigen Dörfern bei Kassel mogen wohl 7000 Mann ein- quartiert sein. Es gibt Hausbesitzer, welche 20 Mann im Quartier haben. Für die Meisten ist es eine drückende Last, da Viele, namentlich in jetzigen Zeiten, kaum für sich Nahrung zu beschaf- fen vermögen. Von einem Abmarsche der Trup- pen verlautet nichts, wohl aber von einer Verstär- kung derselben, sodaß man ernstlich beabsichtigt, auch den Miethern Einquartierung zu geben. Man ist hier über die nächste Gestaltung der Verhält- nisse in gänzlicher Ungewißheit. Daß es die Neu- hessen am Aussprengen lügenhafter Gerüchte nicht fehlen lassen, kann sich Jeder denken, der diese Sorte kennt. Widerwärtig ist es, mit anzusehen, wie sie darauf ausgehen, die Preußen für sich ein- zunehmen, ihnen wohlreden und dabei im Herzens- grunde doch nicht trauen. -- Seit gestern sind die Namen von achtzehn Offizieren, die den Ab- schied erhalten haben sollen, in Vieler Munde. ( K. Z. ) Kassel, 6. Nov. Die Verfügung des Kurfür- sten, den Einmarsch der Bundestruppen betreffend, steht seit heute früh an den Straßenecken ange- schlagen. Gegen 7 Uhr Uhr Morgens wurde Generalmarsch geschlagen. Von der preußischen Jnfanterie, welche sich sehr schnell auf dem Fried- richsplatze versammelt hatte, rückten sofort 2 Ba- taillone Füßeliere zur Eisenbahn, um auf dersel- ben bis Bebra zu fahren und dann sofort den Marsch nach Hünfeld fortzusetzen. Die Nachrich- ten. daß die Bayern vorschreiten, daß Radowitz abgetreten ist, daß 10 Offiziere entlassen sind, haben die Gesichter der Neuhessen zu einer fabel- haften Länge ausgedehnt. ( K. Z. ) Hanau, 6. Nov. Die beiden hiesigen Ju- stizämter 1 und 2 verwenden bereits wieder den bisher notirten Stempel, das hiesige Obergericht dagegen fährt in seiner Renitenz gegen die An- ordnungen der Bundesbehörde fort. Der Redak- teur der „Hanauer Zeitung“, F. A. Kittsteiner, ist dem Hauptquartier der bayerischen Truppen ins Fuldaische nachgereist, um von dem Bundes- commissär die Entsiegelung seiner Pressen und die Erlaubniß zum Wiederscheinen seine Zeitung zu erwirken. Kommandant in hiesiger Stadt ist der bayerische Oberst von Pfetten vom Regiment König. Nachschrift. Nach glaubwürdigen, wie- wohl noch nicht verbürgten Nachrichten, welche soeben von Fulda eintreffen, sind die Bayern ge- stern, nachdem die Preußen sich zurückgezogen, daselbst eingerückt und haben namentlich die Vor- stadt Löherstraße besetzt. Gewiß ist jedenfalls, daß die beiden Bundesdivisionen von Neuhof wie von Motten her sich gestern früh um 8 Uhr ge-

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 268. Würzburg, 8. November 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische268_1850/1>, abgerufen am 28.03.2024.