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Die Bayerische Presse. Nr. 279. Würzburg, 21. November 1850.

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Die Bayerische Presse.
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Abonnement:
Ganzjährig 6 fl.
Halbjährig 3 fl.
Vierteljährig 1 fl. 30 kr.
Monatlich für die Stadt 30 kr.

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Eine constitutionell-monarchische Zeitung.
[Spaltenumbruch]

Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr.
Nr. 533.

Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-
titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

[Ende Spaltensatz]

Nr. 279.
Würzburg, Donnerstag den 21. November. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Amtliche Nachrichten.

München, 19. Nov. Se. Maj. der König
haben allergnädigst geruht, auf die eröffnete
Stelle eines I. Assessors des Landg. Karlstadt den
I. Assessor des Landgerichts Alzenau, Peter Jo-
seph Weigand, seiner Bitte gemäß, zu versetzen.

Die prinzipielle Feindschaft gegen
das Recht.

So lange die Welt steht, sind Rechte verletzt,
Verträge gebrochen und Gesetze übertreten. Völ-
ker und Jndividuen haben Betrug und Gewalt-
that an einander verübt, Unterthanen haben sich
gegen ihre Obrigkeit aufgelehnt, Obrigkeiten ha-
ben die ihnen übertragene Gewalt gemißbraucht
und unrechtmäßig zu erweitern gesucht; die Ge-
schichte ist reich an Beispielen. Aber keine Per-
iode hat die Weltgeschichte bis zu den Revolutio-
nen unseres Zeitalters aufzuweisen, in welcher das
Recht nicht im Grundsatz unumstößlich festgestan-
den, in der das Unrecht nicht als die Ausnahme
gegolten und eben darum das Recht als die Re-
gel bestätigt hätte. Keine Zeit hat sich je so
weit verirrt, daß sie das Unrecht als erlaubt, das
Verbrechen als lobenswerth proklamirt hätte. --
Unserer Zeit ist es vorbehalten geblieben, das
Recht im Prinzipe zu negiren und damit zugleich
die Möglichkeit jedes menschlichen Zusammenlebens
in Frage zu stellen. Nicht der Kampf gegen die
Monarchie oder das Eigenthum, nicht der Kampf
gegen ständische Gliederungen oder gegen die
Rechte der Kirche, mit einem Worte nicht die
feindliche Tendenz gegen bestimmte positive Rechte,
sondern die prinzipielle Feindschaft gegen das Recht
als solches ist die Signatur der revolutionären
Bewegung unserer Zeit. Die Majestät des Rech-
tes zu vernichten, und statt ihrer die Willkür,
das Belieben, die Zweckmäßigkeit, oder wie man
es nun sonst nennen mag, auf den Thron zu
setzen, das ist das Ziel und Wesen unserer Re-
volution. Es gibt darum eigentlich nur zwei po-
litische Parteien in dem gegenwärtigen großen
Kampfe, die Partei des Rechtes und die Partei
der Revolution. Wer nie und unter keiner Be-
dingung, aus keiner Rücksicht und in keinem Punkte
das Recht verlassen und verrathen will, der ge-
hört zur Partei des Rechts; zur Partei der Re-
volution dagegen gehören alle, die das Unrecht
gutheißen, sei es auch nur in einer einzigen Frage,
sei es auch nur um ein Jota, mögen im Uebri-
gen ihre Lebensstellungen noch so verschieden, mö-
gen ihre religiösen Bekenntnisse noch so auseinan-
dergehend, mögen ihre Ansichten über den mate-
riellen Werth bestehender Rechtsnormen noch so
abweichend sein. -- Wo es den Kampf um den
Grundsatz gilt, da ist die leiseste Concession und
das Aufgeben des ganzen Grundsatzes ein und
dasselbe. -- So leicht es nun auch ist, die Un-
terscheidungsmerkmale theoretisch festzustellen, so
schwierig ist es doch, im Leben die Parteien scharf
zu sondern. Der Erklärungsgrund liegt nahe.
Es gibt keinen Menschen, der ganz von allem
Positiven losgelöst wäre, dessen Seele nicht an
irgend einer positiven, durch das Recht geschützten
und gesicherten Beziehung hinge. Auch der äu-
[Spaltenumbruch] ßerste Radikale hat doch zuletzt sein Leben lieb.
Wenn die Revolution dies Recht in Frage stellen
sollte, so würde er es mit allen Kräften verthei-
digen. Je mehr es nun solcher Gegenstände der
Liebe und Anhänglichkeit für einen Menschen gibt,
je "conservativer" er in diesem Sinne ist, um so
später wird er mit der Partei des Rechts in äu-
ßern Widerspruch gerathen, um so länger wird er
mit ihr den Kampf gegen die Revolution gemein-
sam zu führen scheinen. Aber unsere Zeit hat
einmal den Beruf, Herzen und Nieren loszulegen
und die geheimsten Triebfedern offenbar zu ma-
chen. Kommen muß für jeden Menschen, dem
die innere Rechtsgesinnung fehlt, doch der Tag,
an dem es offenbar wird, daß er den Kampf ge-
gen die Revolution nicht um des Rechtes, nicht
um des Grundsatzes, nicht um Gottes willen
führte. -- Die Revolution bekämpfen, so lange
sie unsere Neigungen antastet, das kann jeder;
für das Recht, welches nur dann Recht bleibt,
wenn es über allem menschlichen Belieben steht,
auch da eintreten, wo es mit unsern Herzenswün-
schen nicht mehr übereinstimmt, das ist die schwie-
rige Aufgabe, das ist die Aufgabe, welche von
nicht gar vielen gelöst zu werden scheint.

Deutschland.

München, 19. Nov. Se. k. Hoh. Prinz
Luitpold werden morgen und Se. k. Hoh. Feld-
marschall Prinz Karl am nächsten Freitag zur
Main=Armee abgehen. Trifft nicht Gegenordre
ein, so marschirt das 1. und 2. Bataillon des
Jnfanterie=Leib=Regiments am nächsten Montag
dahin ab. -- Bereits sieht man dahier Offiziere
der neu gebildeten Samtäts=Kompagnien in ihrer
schönen Uniform. -- Das 3. Bataillon des Jn-
fanterie=Regiments Kronprinz, welches auf einige
Zeit nach Fürstenfeldbruck dislocirt werden sollte,
ist nicht dahin abgegangen, sondern wurde in der
Stadt auf Dach und Fach einquartiert. Die
Mannschaft dieses Bataillons menagirt in der
Kaserne und hat sich daher täglich mit Sack und
Pack dort einzufinden. -- Wie gestern eine Ab-
theilung Artillerie, so haben uns heute 2 Eska-
drons Kuirassiere verlassen, um zu ihren Regi-
mentern ins Kurhessische zu rücken.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Hünfeld, 18. Nov. Gestern hatten wir das
in hiesiger Stadt noch nicht erlebte Schauspiel
einer feierlichen Kirchenparade, abgehalten von den
hier liegenden, zur Vorhut der Bundestruppen
gehörenden österreichischen Jägern, deren herrliche
Musik während des Hochamts angemessene Stücke
spielte. Es war ein erhebender und erbauender
Anblick, diese Kerntruppen, welche auf den Schlacht-
feldern von Jtalien und Ungarn so oft dem Tode
in das Auge gesehen, in unsrer alten ehrwürdigen
Kirche zur gemeinsamen Gottesverehrung und im
tiefsten Gebete zum Lenker aller Dinge vereinigt
zu sehen. Am Nachmittage wurden durch einen
bayer'schen Offizier 20--23 im Geruche der Auf-
lehnung stehende Personen aufgezeichnet, um die-
selben vorzugsweise mit Einquartirung zu beden-
ken.

   
[Spaltenumbruch]

Fulda, 18. Nov. Wie vor 8 Tagen war
auch am gestrigen Sonntage wieder große Kir-
chenparade dahier, doch das Wetter leider aber-
mals nicht günstig. Einen imposanten Anblick
boten die bayerischen Kürassiere in ihren faltigen
weißen Mänteln und blanken Stahlhelmen, die
langen Palasche gezogen. Auch die Jnfanterie
war in vortrefflichen Zustande und mit Vergnügen
hörte man ihre Musik nach der Parade, beliebte
Stellen aus Don Juan spielen. Jch kann Sie
wiederholt versichern, daß Haltung und Disciplin
aller dieser Truppen ausgezeichnet sind, wie fich
Jeder überzeugen kann, der ihre Cantonnements
besucht. Alle gegentheiligen Nachrichten, nament-
lich einiger kleindeutscher Blätter sind durchaus
unbegründet. Einzelne Bedrückungen fallen na-
türlich immer vor, wo große Heeresmassen mar-
schiren, bivouakiren und cautonniren; wer aber
wollte deßhalb eine ganze brave Armee verunglim-
pfen? -- Jn den Cantonenments, wie ich sie
Jhnen neulich angegeben, ist Alles ruhig. Die
Oesterreicher haben die ihrigen in dem nahen Bay-
ern vorerst noch beibehalten und sind noch nicht
in Kurhessen eingerückt, wahrscheinlich, um das
schon sehr stark belegte Land nicht noch mehr zu
belasten. Sie stehen aber schon geraume Zeit
mit dem Corps des Fürsten von Taxis in Ver-
bindung und sind nur wenige Stunden von hier
entfernt.

Fulda, 18. Nov. Jch habe, wie gestern,
nichts oder wenig Neues zu schreiben. Die Trup-
pen liegen ruhig in ihren Cantonnementen, welche
ich vorgestern andeutete. Das österreichische Corps
ist zwar nicht, wie bestimmt war, dem Taxisschen
auf der Schlüchtern = Fuldaer Straße nachgerückt,
weil namentlich die Gegend von Neuhof seither
schon durch starke Truppenanhaufungen besetzt war;
allein es steht doch mit demselben in Linie und
in engster Verbindung. Weihers, Brückenau ec.
sind stark besetzt. Beide Corps sind schlagfertig
und zu jeder Operation bereit. Aus Kassel erhalten
wir Nachrichten, welche noch immer auf feindliche Ge-
sinnungen der Preußen deuten. Sie haben sich der
Eisenbahn gewaltsam und wider Willen der Re-
gierung bemächtigt, verfahren also fortwährend
usurpatorisch im Lande. Die Eisenbahndirektion
widersetzte sich, und berief sich auf das Ministeri-
um. Der preußische Commandant aber erklärte
kurz, er sei jetzt Herr hier und werde die Bahn
fprengen, sobald man den Truppen des Bundes
Lebensmittel auf der Bahn zukommen lasse, oder
gar sie selbst darauf befördere. Die Bahnzüge
werden von der preußischen Militärbehörde strenge
controlirt.

   

Kassel, 19. Nov. Die Neuhessische beginnt
eine Jeremiade an die Berliner Reform mit den
Worten: "Alles was Kurhessen jetzt erduldet und
in der nächsten Zeit noch erdulden wird, leidet es
um Preußens Willen. Ein solches Geständniß,
so traurig an und für sich, hat doch wenigstens
das Gute, daß es wahr ist, denn bisher hatte
man der Kasseler Bürgerschaft mit unverwüstlicher
Schamlosigkeit vorgeschwatzt, es geschehe Alles
um "Deutschlands" Willen. Gottes Wunder,
Gabriel Rießer! der große Patriot aus Hamburg
hat nun auch seine Stimme erhoben für Recht
wider Gewalt in Kurhessen. Die Neuhessische

Die Bayerische Presse.
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Würzburg, Donnerstag den 21. November. 1850.


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Amtliche Nachrichten.

München, 19. Nov. Se. Maj. der König
haben allergnädigst geruht, auf die eröffnete
Stelle eines I. Assessors des Landg. Karlstadt den
I. Assessor des Landgerichts Alzenau, Peter Jo-
seph Weigand, seiner Bitte gemäß, zu versetzen.

Die prinzipielle Feindschaft gegen
das Recht.

So lange die Welt steht, sind Rechte verletzt,
Verträge gebrochen und Gesetze übertreten. Völ-
ker und Jndividuen haben Betrug und Gewalt-
that an einander verübt, Unterthanen haben sich
gegen ihre Obrigkeit aufgelehnt, Obrigkeiten ha-
ben die ihnen übertragene Gewalt gemißbraucht
und unrechtmäßig zu erweitern gesucht; die Ge-
schichte ist reich an Beispielen. Aber keine Per-
iode hat die Weltgeschichte bis zu den Revolutio-
nen unseres Zeitalters aufzuweisen, in welcher das
Recht nicht im Grundsatz unumstößlich festgestan-
den, in der das Unrecht nicht als die Ausnahme
gegolten und eben darum das Recht als die Re-
gel bestätigt hätte. Keine Zeit hat sich je so
weit verirrt, daß sie das Unrecht als erlaubt, das
Verbrechen als lobenswerth proklamirt hätte. --
Unserer Zeit ist es vorbehalten geblieben, das
Recht im Prinzipe zu negiren und damit zugleich
die Möglichkeit jedes menschlichen Zusammenlebens
in Frage zu stellen. Nicht der Kampf gegen die
Monarchie oder das Eigenthum, nicht der Kampf
gegen ständische Gliederungen oder gegen die
Rechte der Kirche, mit einem Worte nicht die
feindliche Tendenz gegen bestimmte positive Rechte,
sondern die prinzipielle Feindschaft gegen das Recht
als solches ist die Signatur der revolutionären
Bewegung unserer Zeit. Die Majestät des Rech-
tes zu vernichten, und statt ihrer die Willkür,
das Belieben, die Zweckmäßigkeit, oder wie man
es nun sonst nennen mag, auf den Thron zu
setzen, das ist das Ziel und Wesen unserer Re-
volution. Es gibt darum eigentlich nur zwei po-
litische Parteien in dem gegenwärtigen großen
Kampfe, die Partei des Rechtes und die Partei
der Revolution. Wer nie und unter keiner Be-
dingung, aus keiner Rücksicht und in keinem Punkte
das Recht verlassen und verrathen will, der ge-
hört zur Partei des Rechts; zur Partei der Re-
volution dagegen gehören alle, die das Unrecht
gutheißen, sei es auch nur in einer einzigen Frage,
sei es auch nur um ein Jota, mögen im Uebri-
gen ihre Lebensstellungen noch so verschieden, mö-
gen ihre religiösen Bekenntnisse noch so auseinan-
dergehend, mögen ihre Ansichten über den mate-
riellen Werth bestehender Rechtsnormen noch so
abweichend sein. -- Wo es den Kampf um den
Grundsatz gilt, da ist die leiseste Concession und
das Aufgeben des ganzen Grundsatzes ein und
dasselbe. -- So leicht es nun auch ist, die Un-
terscheidungsmerkmale theoretisch festzustellen, so
schwierig ist es doch, im Leben die Parteien scharf
zu sondern. Der Erklärungsgrund liegt nahe.
Es gibt keinen Menschen, der ganz von allem
Positiven losgelöst wäre, dessen Seele nicht an
irgend einer positiven, durch das Recht geschützten
und gesicherten Beziehung hinge. Auch der äu-
[Spaltenumbruch] ßerste Radikale hat doch zuletzt sein Leben lieb.
Wenn die Revolution dies Recht in Frage stellen
sollte, so würde er es mit allen Kräften verthei-
digen. Je mehr es nun solcher Gegenstände der
Liebe und Anhänglichkeit für einen Menschen gibt,
je „conservativer“ er in diesem Sinne ist, um so
später wird er mit der Partei des Rechts in äu-
ßern Widerspruch gerathen, um so länger wird er
mit ihr den Kampf gegen die Revolution gemein-
sam zu führen scheinen. Aber unsere Zeit hat
einmal den Beruf, Herzen und Nieren loszulegen
und die geheimsten Triebfedern offenbar zu ma-
chen. Kommen muß für jeden Menschen, dem
die innere Rechtsgesinnung fehlt, doch der Tag,
an dem es offenbar wird, daß er den Kampf ge-
gen die Revolution nicht um des Rechtes, nicht
um des Grundsatzes, nicht um Gottes willen
führte. -- Die Revolution bekämpfen, so lange
sie unsere Neigungen antastet, das kann jeder;
für das Recht, welches nur dann Recht bleibt,
wenn es über allem menschlichen Belieben steht,
auch da eintreten, wo es mit unsern Herzenswün-
schen nicht mehr übereinstimmt, das ist die schwie-
rige Aufgabe, das ist die Aufgabe, welche von
nicht gar vielen gelöst zu werden scheint.

Deutschland.

München, 19. Nov. Se. k. Hoh. Prinz
Luitpold werden morgen und Se. k. Hoh. Feld-
marschall Prinz Karl am nächsten Freitag zur
Main=Armee abgehen. Trifft nicht Gegenordre
ein, so marschirt das 1. und 2. Bataillon des
Jnfanterie=Leib=Regiments am nächsten Montag
dahin ab. -- Bereits sieht man dahier Offiziere
der neu gebildeten Samtäts=Kompagnien in ihrer
schönen Uniform. -- Das 3. Bataillon des Jn-
fanterie=Regiments Kronprinz, welches auf einige
Zeit nach Fürstenfeldbruck dislocirt werden sollte,
ist nicht dahin abgegangen, sondern wurde in der
Stadt auf Dach und Fach einquartiert. Die
Mannschaft dieses Bataillons menagirt in der
Kaserne und hat sich daher täglich mit Sack und
Pack dort einzufinden. -- Wie gestern eine Ab-
theilung Artillerie, so haben uns heute 2 Eska-
drons Kuirassiere verlassen, um zu ihren Regi-
mentern ins Kurhessische zu rücken.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Hünfeld, 18. Nov. Gestern hatten wir das
in hiesiger Stadt noch nicht erlebte Schauspiel
einer feierlichen Kirchenparade, abgehalten von den
hier liegenden, zur Vorhut der Bundestruppen
gehörenden österreichischen Jägern, deren herrliche
Musik während des Hochamts angemessene Stücke
spielte. Es war ein erhebender und erbauender
Anblick, diese Kerntruppen, welche auf den Schlacht-
feldern von Jtalien und Ungarn so oft dem Tode
in das Auge gesehen, in unsrer alten ehrwürdigen
Kirche zur gemeinsamen Gottesverehrung und im
tiefsten Gebete zum Lenker aller Dinge vereinigt
zu sehen. Am Nachmittage wurden durch einen
bayer'schen Offizier 20--23 im Geruche der Auf-
lehnung stehende Personen aufgezeichnet, um die-
selben vorzugsweise mit Einquartirung zu beden-
ken.

   
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Fulda, 18. Nov. Wie vor 8 Tagen war
auch am gestrigen Sonntage wieder große Kir-
chenparade dahier, doch das Wetter leider aber-
mals nicht günstig. Einen imposanten Anblick
boten die bayerischen Kürassiere in ihren faltigen
weißen Mänteln und blanken Stahlhelmen, die
langen Palasche gezogen. Auch die Jnfanterie
war in vortrefflichen Zustande und mit Vergnügen
hörte man ihre Musik nach der Parade, beliebte
Stellen aus Don Juan spielen. Jch kann Sie
wiederholt versichern, daß Haltung und Disciplin
aller dieser Truppen ausgezeichnet sind, wie fich
Jeder überzeugen kann, der ihre Cantonnements
besucht. Alle gegentheiligen Nachrichten, nament-
lich einiger kleindeutscher Blätter sind durchaus
unbegründet. Einzelne Bedrückungen fallen na-
türlich immer vor, wo große Heeresmassen mar-
schiren, bivouakiren und cautonniren; wer aber
wollte deßhalb eine ganze brave Armee verunglim-
pfen? -- Jn den Cantonenments, wie ich sie
Jhnen neulich angegeben, ist Alles ruhig. Die
Oesterreicher haben die ihrigen in dem nahen Bay-
ern vorerst noch beibehalten und sind noch nicht
in Kurhessen eingerückt, wahrscheinlich, um das
schon sehr stark belegte Land nicht noch mehr zu
belasten. Sie stehen aber schon geraume Zeit
mit dem Corps des Fürsten von Taxis in Ver-
bindung und sind nur wenige Stunden von hier
entfernt.

Fulda, 18. Nov. Jch habe, wie gestern,
nichts oder wenig Neues zu schreiben. Die Trup-
pen liegen ruhig in ihren Cantonnementen, welche
ich vorgestern andeutete. Das österreichische Corps
ist zwar nicht, wie bestimmt war, dem Taxisschen
auf der Schlüchtern = Fuldaer Straße nachgerückt,
weil namentlich die Gegend von Neuhof seither
schon durch starke Truppenanhaufungen besetzt war;
allein es steht doch mit demselben in Linie und
in engster Verbindung. Weihers, Brückenau ec.
sind stark besetzt. Beide Corps sind schlagfertig
und zu jeder Operation bereit. Aus Kassel erhalten
wir Nachrichten, welche noch immer auf feindliche Ge-
sinnungen der Preußen deuten. Sie haben sich der
Eisenbahn gewaltsam und wider Willen der Re-
gierung bemächtigt, verfahren also fortwährend
usurpatorisch im Lande. Die Eisenbahndirektion
widersetzte sich, und berief sich auf das Ministeri-
um. Der preußische Commandant aber erklärte
kurz, er sei jetzt Herr hier und werde die Bahn
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eine Jeremiade an die Berliner Reform mit den
Worten: „Alles was Kurhessen jetzt erduldet und
in der nächsten Zeit noch erdulden wird, leidet es
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so traurig an und für sich, hat doch wenigstens
das Gute, daß es wahr ist, denn bisher hatte
man der Kasseler Bürgerschaft mit unverwüstlicher
Schamlosigkeit vorgeschwatzt, es geschehe Alles
um „Deutschlands“ Willen. Gottes Wunder,
Gabriel Rießer! der große Patriot aus Hamburg
hat nun auch seine Stimme erhoben für Recht
wider Gewalt in Kurhessen. Die Neuhessische

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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 279. Würzburg, Donnerstag den 21. November. 1850. Amtliche Nachrichten. München, 19. Nov. Se. Maj. der König haben allergnädigst geruht, auf die eröffnete Stelle eines I. Assessors des Landg. Karlstadt den I. Assessor des Landgerichts Alzenau, Peter Jo- seph Weigand, seiner Bitte gemäß, zu versetzen. Die prinzipielle Feindschaft gegen das Recht. So lange die Welt steht, sind Rechte verletzt, Verträge gebrochen und Gesetze übertreten. Völ- ker und Jndividuen haben Betrug und Gewalt- that an einander verübt, Unterthanen haben sich gegen ihre Obrigkeit aufgelehnt, Obrigkeiten ha- ben die ihnen übertragene Gewalt gemißbraucht und unrechtmäßig zu erweitern gesucht; die Ge- schichte ist reich an Beispielen. Aber keine Per- iode hat die Weltgeschichte bis zu den Revolutio- nen unseres Zeitalters aufzuweisen, in welcher das Recht nicht im Grundsatz unumstößlich festgestan- den, in der das Unrecht nicht als die Ausnahme gegolten und eben darum das Recht als die Re- gel bestätigt hätte. Keine Zeit hat sich je so weit verirrt, daß sie das Unrecht als erlaubt, das Verbrechen als lobenswerth proklamirt hätte. -- Unserer Zeit ist es vorbehalten geblieben, das Recht im Prinzipe zu negiren und damit zugleich die Möglichkeit jedes menschlichen Zusammenlebens in Frage zu stellen. Nicht der Kampf gegen die Monarchie oder das Eigenthum, nicht der Kampf gegen ständische Gliederungen oder gegen die Rechte der Kirche, mit einem Worte nicht die feindliche Tendenz gegen bestimmte positive Rechte, sondern die prinzipielle Feindschaft gegen das Recht als solches ist die Signatur der revolutionären Bewegung unserer Zeit. Die Majestät des Rech- tes zu vernichten, und statt ihrer die Willkür, das Belieben, die Zweckmäßigkeit, oder wie man es nun sonst nennen mag, auf den Thron zu setzen, das ist das Ziel und Wesen unserer Re- volution. Es gibt darum eigentlich nur zwei po- litische Parteien in dem gegenwärtigen großen Kampfe, die Partei des Rechtes und die Partei der Revolution. Wer nie und unter keiner Be- dingung, aus keiner Rücksicht und in keinem Punkte das Recht verlassen und verrathen will, der ge- hört zur Partei des Rechts; zur Partei der Re- volution dagegen gehören alle, die das Unrecht gutheißen, sei es auch nur in einer einzigen Frage, sei es auch nur um ein Jota, mögen im Uebri- gen ihre Lebensstellungen noch so verschieden, mö- gen ihre religiösen Bekenntnisse noch so auseinan- dergehend, mögen ihre Ansichten über den mate- riellen Werth bestehender Rechtsnormen noch so abweichend sein. -- Wo es den Kampf um den Grundsatz gilt, da ist die leiseste Concession und das Aufgeben des ganzen Grundsatzes ein und dasselbe. -- So leicht es nun auch ist, die Un- terscheidungsmerkmale theoretisch festzustellen, so schwierig ist es doch, im Leben die Parteien scharf zu sondern. Der Erklärungsgrund liegt nahe. Es gibt keinen Menschen, der ganz von allem Positiven losgelöst wäre, dessen Seele nicht an irgend einer positiven, durch das Recht geschützten und gesicherten Beziehung hinge. Auch der äu- ßerste Radikale hat doch zuletzt sein Leben lieb. Wenn die Revolution dies Recht in Frage stellen sollte, so würde er es mit allen Kräften verthei- digen. Je mehr es nun solcher Gegenstände der Liebe und Anhänglichkeit für einen Menschen gibt, je „conservativer“ er in diesem Sinne ist, um so später wird er mit der Partei des Rechts in äu- ßern Widerspruch gerathen, um so länger wird er mit ihr den Kampf gegen die Revolution gemein- sam zu führen scheinen. Aber unsere Zeit hat einmal den Beruf, Herzen und Nieren loszulegen und die geheimsten Triebfedern offenbar zu ma- chen. Kommen muß für jeden Menschen, dem die innere Rechtsgesinnung fehlt, doch der Tag, an dem es offenbar wird, daß er den Kampf ge- gen die Revolution nicht um des Rechtes, nicht um des Grundsatzes, nicht um Gottes willen führte. -- Die Revolution bekämpfen, so lange sie unsere Neigungen antastet, das kann jeder; für das Recht, welches nur dann Recht bleibt, wenn es über allem menschlichen Belieben steht, auch da eintreten, wo es mit unsern Herzenswün- schen nicht mehr übereinstimmt, das ist die schwie- rige Aufgabe, das ist die Aufgabe, welche von nicht gar vielen gelöst zu werden scheint. Deutschland. München, 19. Nov. Se. k. Hoh. Prinz Luitpold werden morgen und Se. k. Hoh. Feld- marschall Prinz Karl am nächsten Freitag zur Main=Armee abgehen. Trifft nicht Gegenordre ein, so marschirt das 1. und 2. Bataillon des Jnfanterie=Leib=Regiments am nächsten Montag dahin ab. -- Bereits sieht man dahier Offiziere der neu gebildeten Samtäts=Kompagnien in ihrer schönen Uniform. -- Das 3. Bataillon des Jn- fanterie=Regiments Kronprinz, welches auf einige Zeit nach Fürstenfeldbruck dislocirt werden sollte, ist nicht dahin abgegangen, sondern wurde in der Stadt auf Dach und Fach einquartiert. Die Mannschaft dieses Bataillons menagirt in der Kaserne und hat sich daher täglich mit Sack und Pack dort einzufinden. -- Wie gestern eine Ab- theilung Artillerie, so haben uns heute 2 Eska- drons Kuirassiere verlassen, um zu ihren Regi- mentern ins Kurhessische zu rücken. ( M. Bl. ) Die Ereignisse in Kurhessen. Hünfeld, 18. Nov. Gestern hatten wir das in hiesiger Stadt noch nicht erlebte Schauspiel einer feierlichen Kirchenparade, abgehalten von den hier liegenden, zur Vorhut der Bundestruppen gehörenden österreichischen Jägern, deren herrliche Musik während des Hochamts angemessene Stücke spielte. Es war ein erhebender und erbauender Anblick, diese Kerntruppen, welche auf den Schlacht- feldern von Jtalien und Ungarn so oft dem Tode in das Auge gesehen, in unsrer alten ehrwürdigen Kirche zur gemeinsamen Gottesverehrung und im tiefsten Gebete zum Lenker aller Dinge vereinigt zu sehen. Am Nachmittage wurden durch einen bayer'schen Offizier 20--23 im Geruche der Auf- lehnung stehende Personen aufgezeichnet, um die- selben vorzugsweise mit Einquartirung zu beden- ken. ( K. Z. ) Fulda, 18. Nov. Wie vor 8 Tagen war auch am gestrigen Sonntage wieder große Kir- chenparade dahier, doch das Wetter leider aber- mals nicht günstig. Einen imposanten Anblick boten die bayerischen Kürassiere in ihren faltigen weißen Mänteln und blanken Stahlhelmen, die langen Palasche gezogen. Auch die Jnfanterie war in vortrefflichen Zustande und mit Vergnügen hörte man ihre Musik nach der Parade, beliebte Stellen aus Don Juan spielen. Jch kann Sie wiederholt versichern, daß Haltung und Disciplin aller dieser Truppen ausgezeichnet sind, wie fich Jeder überzeugen kann, der ihre Cantonnements besucht. Alle gegentheiligen Nachrichten, nament- lich einiger kleindeutscher Blätter sind durchaus unbegründet. Einzelne Bedrückungen fallen na- türlich immer vor, wo große Heeresmassen mar- schiren, bivouakiren und cautonniren; wer aber wollte deßhalb eine ganze brave Armee verunglim- pfen? -- Jn den Cantonenments, wie ich sie Jhnen neulich angegeben, ist Alles ruhig. Die Oesterreicher haben die ihrigen in dem nahen Bay- ern vorerst noch beibehalten und sind noch nicht in Kurhessen eingerückt, wahrscheinlich, um das schon sehr stark belegte Land nicht noch mehr zu belasten. Sie stehen aber schon geraume Zeit mit dem Corps des Fürsten von Taxis in Ver- bindung und sind nur wenige Stunden von hier entfernt. Fulda, 18. Nov. Jch habe, wie gestern, nichts oder wenig Neues zu schreiben. Die Trup- pen liegen ruhig in ihren Cantonnementen, welche ich vorgestern andeutete. Das österreichische Corps ist zwar nicht, wie bestimmt war, dem Taxisschen auf der Schlüchtern = Fuldaer Straße nachgerückt, weil namentlich die Gegend von Neuhof seither schon durch starke Truppenanhaufungen besetzt war; allein es steht doch mit demselben in Linie und in engster Verbindung. Weihers, Brückenau ec. sind stark besetzt. Beide Corps sind schlagfertig und zu jeder Operation bereit. Aus Kassel erhalten wir Nachrichten, welche noch immer auf feindliche Ge- sinnungen der Preußen deuten. Sie haben sich der Eisenbahn gewaltsam und wider Willen der Re- gierung bemächtigt, verfahren also fortwährend usurpatorisch im Lande. Die Eisenbahndirektion widersetzte sich, und berief sich auf das Ministeri- um. Der preußische Commandant aber erklärte kurz, er sei jetzt Herr hier und werde die Bahn fprengen, sobald man den Truppen des Bundes Lebensmittel auf der Bahn zukommen lasse, oder gar sie selbst darauf befördere. Die Bahnzüge werden von der preußischen Militärbehörde strenge controlirt. ( F.=O.=Z. ) Kassel, 19. Nov. Die Neuhessische beginnt eine Jeremiade an die Berliner Reform mit den Worten: „Alles was Kurhessen jetzt erduldet und in der nächsten Zeit noch erdulden wird, leidet es um Preußens Willen. Ein solches Geständniß, so traurig an und für sich, hat doch wenigstens das Gute, daß es wahr ist, denn bisher hatte man der Kasseler Bürgerschaft mit unverwüstlicher Schamlosigkeit vorgeschwatzt, es geschehe Alles um „Deutschlands“ Willen. Gottes Wunder, Gabriel Rießer! der große Patriot aus Hamburg hat nun auch seine Stimme erhoben für Recht wider Gewalt in Kurhessen. Die Neuhessische

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 279. Würzburg, 21. November 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische279_1850/1>, abgerufen am 20.04.2024.