[N. N.]: Warum fordern wir volles Bürgerrecht? In: Frauenwahlrecht! Hrsg. zum Zweiten Sozialdemokratischen Frauentag von Clara Zetkin. 12. Mai 1912, S. 10–12.Frauenwahlrecht [Beginn Spaltensatz][irrelevantes Material - 72 Zeilen fehlen][Spaltenumbruch][irrelevantes Material - 9 Zeilen fehlen]Warum fordern wir volles Bürgerrecht? Wir fordern volles Bürgerrecht in Reich, Bundesstaat und Von unserer Arbeit und der Arbeit der Unserigen leben Wir wollen die öffentlichen Gewalten zwingen, die Gier Frauenwahlrecht [Beginn Spaltensatz][irrelevantes Material – 72 Zeilen fehlen][Spaltenumbruch][irrelevantes Material – 9 Zeilen fehlen]Warum fordern wir volles Bürgerrecht? Wir fordern volles Bürgerrecht in Reich, Bundesstaat und Von unserer Arbeit und der Arbeit der Unserigen leben Wir wollen die öffentlichen Gewalten zwingen, die Gier <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0001" n="10"/> <fw place="top" type="header">Frauenwahlrecht</fw><lb/> <cb type="start"/> <gap reason="insignificant" unit="lines" quantity="72"/> <cb/> <gap reason="insignificant" unit="lines" quantity="9"/><lb/> <div n="1"> <head>Warum fordern wir volles Bürgerrecht?</head><lb/> <p>Wir fordern volles Bürgerrecht in Reich, Bundesstaat und<lb/> Gemeinde, weil wir Frauen und Töchter des arbeitenden Volkes<lb/> sind. Kein Gott und kein Geldsack hilft uns des Lebens Nöte<lb/> bestehen. Wir selbst müssen sie mit unserer Arbeit zu über-<lb/> winden trachten. Unsere Arbeit ist die Grundlage unseres<lb/> Lebens. Wir müssen mit den Unserigen entbehren, müssen<lb/> darben, wenn unsere Hände im Schoße ruhen. Wir stehen<lb/> arbeitend, schaffend an der Spinnmaschine und am Webstuhl.<lb/> Wir sitzen in den Schuhfabriken und Konfektionswerkstätten,<lb/> in den Höhlen der Heimarbeit und in den Gifthütten der<lb/> chemischen Jndustrie. Wir helfen aus Lumpen Papier bereiten,<lb/> und sind dabei, wenn es gefärbt, kunstreich verarbeitet, be-<lb/> druckt, zu Büchern gebunden wird. Wir handhaben den Löt-<lb/> kolben und dutzenderelei Werkzeug in den Betrieben der Metall-<lb/> und Elektrizitätsindustrie. Wir schwitzen vor den gluthauchenden<lb/> Öfen der Ziegeleien, der Porzellan- und Zuckerfabriken. Wir<lb/> laufen bedienend ruhelos in Läden hin und her und hocken<lb/> hinter Schreibmaschinen, am Telephon, am Post- und Eisen-<lb/> bahnschalter. Wir bestellen Äcker und Gärten, bringen ihre<lb/> Früchte ein und verarbeiten sie zu Nahrungs- und Genuß-<lb/> mitteln. Wir sorgen uns am häuslichen Herd und erbauen<lb/> um ihn ein Eckchen der Ruhe und Behaglichkeit für die Kinder<lb/> und den Mann. Wir bewachen die Kleinen in ihren Träumen<lb/> und lenken ihre unsicheren Schritte, wir erziehen sie. Wir<lb/> sind das Volk der Arbeit.</p><lb/> <p>Von unserer Arbeit und der Arbeit der Unserigen leben<lb/> nicht nur wir allein und leben kärglich. Sie nährt reichlich<lb/> die Herren, in deren Fron wir die fleißigen Finger rühren,<lb/> von deren Fron unsere Gatten und Söhne schmalen Lohn,<lb/> müde Glieder und gemarterte Seelen heimbringen wie wir<lb/> selbst. Sie speist, kleidet, schmückt und unterhält auch die Frauen<lb/> dieser Herren, wie den Groß aller Leute, die ihrer Macht und<lb/> ihrer Lust dienen. Weil unsere Arbeit den Untätigen so viel<lb/> geben muß, ist sie so schwer. Sie nimmt uns allen mehr, als<lb/> uns für unser Leben gegeben wird. Sie drückt uns zu Boden.<lb/> während wir so gern das Haupt zur Sonne heben möchten.<lb/> Wir wollen nicht länger leben, um für fremden Müßiggang<lb/> zu arbeiten. Wir wollen arbeiten, um zu leben und als<lb/> Menschen zu leben.</p><lb/> <p>Wir wollen die öffentlichen Gewalten zwingen, die Gier<lb/> unserer Herren nach dem Reichtum zu zügeln, den unser Denken<lb/> und Mühen ihnen häuft. Wir wollen, daß die Stunden ver-<lb/> kürzt werden, in denen wir täglich Arbeitstier, lebendige Profit-<lb/> maschinen unserer Herren sein müssen. Wir wollen gesunde<lb/> Fabriken und Werkstätten, Schutz vor den spitzen Zähnen der<lb/> Räder und vor den zermalmenden Armen des Triebwerks.<lb/> Achtung wollen wir, die unserem Menschentum und unserer<lb/> Arbeit gebührt. Wir wollen die öffentlichen Gewalten zwingen,<lb/> den Räubern unseres Reichtums soviel abzujagen, daß unseren<lb/> Kranken, Schwachen und Alten das Grauen vor dem Hunger<lb/> oder der Giftodem der Fabrik schafft, sich nicht darbend quälen<lb/> müssen; daß die Witwen und Waisen unter uns genug Brot<lb/> und warme Kleidung haben; daß unsere Schwangeren und<lb/> Wöchnerinnen ohne Schaden ihre schwere Zeit überstehen<lb/> und die Frucht ihres Leibes geborgen und beschirmt wissen.<lb/> Wir wollen die öffentlichen Gewalten zwingen, unser Recht<lb/> anzuerkennen und zu achten, uns mit denen zusammen zu tun,<lb/> die bei ihrer Arbeit eines Leids mit uns sind und eines Willens,<lb/> es zu enden. Wir wollen sie zwingen, uns und die Unserigen<cb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0001]
Frauenwahlrecht
________________________________________________________________________
_________
Warum fordern wir volles Bürgerrecht?
Wir fordern volles Bürgerrecht in Reich, Bundesstaat und
Gemeinde, weil wir Frauen und Töchter des arbeitenden Volkes
sind. Kein Gott und kein Geldsack hilft uns des Lebens Nöte
bestehen. Wir selbst müssen sie mit unserer Arbeit zu über-
winden trachten. Unsere Arbeit ist die Grundlage unseres
Lebens. Wir müssen mit den Unserigen entbehren, müssen
darben, wenn unsere Hände im Schoße ruhen. Wir stehen
arbeitend, schaffend an der Spinnmaschine und am Webstuhl.
Wir sitzen in den Schuhfabriken und Konfektionswerkstätten,
in den Höhlen der Heimarbeit und in den Gifthütten der
chemischen Jndustrie. Wir helfen aus Lumpen Papier bereiten,
und sind dabei, wenn es gefärbt, kunstreich verarbeitet, be-
druckt, zu Büchern gebunden wird. Wir handhaben den Löt-
kolben und dutzenderelei Werkzeug in den Betrieben der Metall-
und Elektrizitätsindustrie. Wir schwitzen vor den gluthauchenden
Öfen der Ziegeleien, der Porzellan- und Zuckerfabriken. Wir
laufen bedienend ruhelos in Läden hin und her und hocken
hinter Schreibmaschinen, am Telephon, am Post- und Eisen-
bahnschalter. Wir bestellen Äcker und Gärten, bringen ihre
Früchte ein und verarbeiten sie zu Nahrungs- und Genuß-
mitteln. Wir sorgen uns am häuslichen Herd und erbauen
um ihn ein Eckchen der Ruhe und Behaglichkeit für die Kinder
und den Mann. Wir bewachen die Kleinen in ihren Träumen
und lenken ihre unsicheren Schritte, wir erziehen sie. Wir
sind das Volk der Arbeit.
Von unserer Arbeit und der Arbeit der Unserigen leben
nicht nur wir allein und leben kärglich. Sie nährt reichlich
die Herren, in deren Fron wir die fleißigen Finger rühren,
von deren Fron unsere Gatten und Söhne schmalen Lohn,
müde Glieder und gemarterte Seelen heimbringen wie wir
selbst. Sie speist, kleidet, schmückt und unterhält auch die Frauen
dieser Herren, wie den Groß aller Leute, die ihrer Macht und
ihrer Lust dienen. Weil unsere Arbeit den Untätigen so viel
geben muß, ist sie so schwer. Sie nimmt uns allen mehr, als
uns für unser Leben gegeben wird. Sie drückt uns zu Boden.
während wir so gern das Haupt zur Sonne heben möchten.
Wir wollen nicht länger leben, um für fremden Müßiggang
zu arbeiten. Wir wollen arbeiten, um zu leben und als
Menschen zu leben.
Wir wollen die öffentlichen Gewalten zwingen, die Gier
unserer Herren nach dem Reichtum zu zügeln, den unser Denken
und Mühen ihnen häuft. Wir wollen, daß die Stunden ver-
kürzt werden, in denen wir täglich Arbeitstier, lebendige Profit-
maschinen unserer Herren sein müssen. Wir wollen gesunde
Fabriken und Werkstätten, Schutz vor den spitzen Zähnen der
Räder und vor den zermalmenden Armen des Triebwerks.
Achtung wollen wir, die unserem Menschentum und unserer
Arbeit gebührt. Wir wollen die öffentlichen Gewalten zwingen,
den Räubern unseres Reichtums soviel abzujagen, daß unseren
Kranken, Schwachen und Alten das Grauen vor dem Hunger
oder der Giftodem der Fabrik schafft, sich nicht darbend quälen
müssen; daß die Witwen und Waisen unter uns genug Brot
und warme Kleidung haben; daß unsere Schwangeren und
Wöchnerinnen ohne Schaden ihre schwere Zeit überstehen
und die Frucht ihres Leibes geborgen und beschirmt wissen.
Wir wollen die öffentlichen Gewalten zwingen, unser Recht
anzuerkennen und zu achten, uns mit denen zusammen zu tun,
die bei ihrer Arbeit eines Leids mit uns sind und eines Willens,
es zu enden. Wir wollen sie zwingen, uns und die Unserigen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen
: Bereitstellung der Texttranskription.
(2018-06-26T14:35:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-06-26T14:35:00Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |