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N. N.: Öffentliche Charaktere I: Robert Blum. In: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester, III. Band, S. 366-386.

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spiele, bei denen den zur Popularität unvermeidlichen Herzensseiten des Redners
Rechnung getragen wird, dann zum Schluß ein heiteres Gelage, in dem sich die
liberale Gesinnung durch Toaste, Brüderschaft und schnelles Leeren der Gläser Luft
machen konnte, gaben dem Fest den deutsch-vaterländischen Charakter.

Man freute sich das ganze Jahr voraus auf dieses Fest, in welchem Liebe
und Haß in ungestörter Flamme aufschlagen konnten, und in dieser Vorausempfin-
dung ging man ruhig seinen Tagesgeschäften nach.

Es war die Zeit, in welcher die Zweckessen als große, wenn auch friedliche
Demonstrationen ihre Reise durch ganz Deutschland machten. Damals hielt Georg
Herwegh, nachdem er mit seinem Gott und seinem König gegrollt, den großen
Triumphzug durch alle liberalen Gaue des Vaterlandes, der in Preußen mit einer
königlichen Audienz und Hinweisung auf einen zweiten Tag von Damaskus begann,
darauf aber ein Ende mit Schrecken, d. h. mit Gensdarmen nahm. Noch sehe
ich Sir Robert, wie er auf dem Leipziger Herweghfeste dem Dichter einen großen
Kranz auf's Haupt setzte mit den Worten: Du hast gesungen, Du wünschest Dir
einen Lorbeer der Partei, hier drücke ich Dir nun im Namen der Partei den Kranz
aufs Haupt; wie darauf dieser Genius des Ruhms ein verwundertes Gesicht
machte, als der Sänger nicht recht zufrieden war, etwas von unthätigen Reden
murmelte, und "der That!" ein Vivat brachte; wie dann alle Mißverständnisse im
Weine hinabgespült wurden, und wie endlich der Mann des Volks in einer blut¬
rothen Sammetweste -- er trug sie bei feierlichen Gelegenheilen -- und Hemds¬
ärmeln, im trauten Kreise der Freunde, aufgestützt, mit seiner Stentorstimme und
seinem stereotypen gemüthlichen Schmunzeln den Refrain sang:

Denen lasset die freie Wahl,
Guillotine oder Laternenpfahl!
Wie behaglich fühlten sich die braven Bursche in diesen Phantasien der Zukunft,
die zu einer etwas sentimentalen Melodie gesungen wurden, etwa wie der Wandrer
vor einem hellglühenden Kamine und der summenden Theemaschine, während es
draußen mit Schlossen gießt. Wie erstaunte der Zinngießer über sich selbst, und
über die Kühnheit seiner Phantasie! Diese schönen Tage des singenden Liberalis¬
mus sind nun vorüber, wenigstens theilweise.

Feste sind nur für Sonntage, wenn man auch diese christliche Norm sich in
den abstracten Decadi oder die revolutionäre Sansculottide verwandelte. In den
Mußestunden der Werkeltage beschäftigte sich Robert literarisch. Er war Haupt-
mitarbeiter an den sächsischen Vaterlandsblättern. Der Horizont dieser Blätter war
damals noch ziemlich eng umgrenzt, er ging nicht weit über das sächsische Vater¬
land hinaus, und blickte nur zuweilen nach Preußen hinüber, um über die dortige
Teufelswirthschaft die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Preußen war
der Prügeljunge der sächsischen Politik, wie Rußland es für Preußen ist. Die
Vaterlandsblätter waren eines der ersten Organe des Radicalismus, d. h. der

spiele, bei denen den zur Popularität unvermeidlichen Herzensseiten des Redners
Rechnung getragen wird, dann zum Schluß ein heiteres Gelage, in dem sich die
liberale Gesinnung durch Toaste, Brüderschaft und schnelles Leeren der Gläser Luft
machen konnte, gaben dem Fest den deutsch-vaterländischen Charakter.

Man freute sich das ganze Jahr voraus auf dieses Fest, in welchem Liebe
und Haß in ungestörter Flamme aufschlagen konnten, und in dieser Vorausempfin-
dung ging man ruhig seinen Tagesgeschäften nach.

Es war die Zeit, in welcher die Zweckessen als große, wenn auch friedliche
Demonstrationen ihre Reise durch ganz Deutschland machten. Damals hielt Georg
Herwegh, nachdem er mit seinem Gott und seinem König gegrollt, den großen
Triumphzug durch alle liberalen Gaue des Vaterlandes, der in Preußen mit einer
königlichen Audienz und Hinweisung auf einen zweiten Tag von Damaskus begann,
darauf aber ein Ende mit Schrecken, d. h. mit Gensdarmen nahm. Noch sehe
ich Sir Robert, wie er auf dem Leipziger Herweghfeste dem Dichter einen großen
Kranz auf's Haupt setzte mit den Worten: Du hast gesungen, Du wünschest Dir
einen Lorbeer der Partei, hier drücke ich Dir nun im Namen der Partei den Kranz
aufs Haupt; wie darauf dieser Genius des Ruhms ein verwundertes Gesicht
machte, als der Sänger nicht recht zufrieden war, etwas von unthätigen Reden
murmelte, und „der That!“ ein Vivat brachte; wie dann alle Mißverständnisse im
Weine hinabgespült wurden, und wie endlich der Mann des Volks in einer blut¬
rothen Sammetweste — er trug sie bei feierlichen Gelegenheilen — und Hemds¬
ärmeln, im trauten Kreise der Freunde, aufgestützt, mit seiner Stentorstimme und
seinem stereotypen gemüthlichen Schmunzeln den Refrain sang:

Denen lasset die freie Wahl,
Guillotine oder Laternenpfahl!
Wie behaglich fühlten sich die braven Bursche in diesen Phantasien der Zukunft,
die zu einer etwas sentimentalen Melodie gesungen wurden, etwa wie der Wandrer
vor einem hellglühenden Kamine und der summenden Theemaschine, während es
draußen mit Schlossen gießt. Wie erstaunte der Zinngießer über sich selbst, und
über die Kühnheit seiner Phantasie! Diese schönen Tage des singenden Liberalis¬
mus sind nun vorüber, wenigstens theilweise.

Feste sind nur für Sonntage, wenn man auch diese christliche Norm sich in
den abstracten Decadi oder die revolutionäre Sansculottide verwandelte. In den
Mußestunden der Werkeltage beschäftigte sich Robert literarisch. Er war Haupt-
mitarbeiter an den sächsischen Vaterlandsblättern. Der Horizont dieser Blätter war
damals noch ziemlich eng umgrenzt, er ging nicht weit über das sächsische Vater¬
land hinaus, und blickte nur zuweilen nach Preußen hinüber, um über die dortige
Teufelswirthschaft die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Preußen war
der Prügeljunge der sächsischen Politik, wie Rußland es für Preußen ist. Die
Vaterlandsblätter waren eines der ersten Organe des Radicalismus, d. h. der

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[372/0007] spiele, bei denen den zur Popularität unvermeidlichen Herzensseiten des Redners Rechnung getragen wird, dann zum Schluß ein heiteres Gelage, in dem sich die liberale Gesinnung durch Toaste, Brüderschaft und schnelles Leeren der Gläser Luft machen konnte, gaben dem Fest den deutsch-vaterländischen Charakter. Man freute sich das ganze Jahr voraus auf dieses Fest, in welchem Liebe und Haß in ungestörter Flamme aufschlagen konnten, und in dieser Vorausempfin- dung ging man ruhig seinen Tagesgeschäften nach. Es war die Zeit, in welcher die Zweckessen als große, wenn auch friedliche Demonstrationen ihre Reise durch ganz Deutschland machten. Damals hielt Georg Herwegh, nachdem er mit seinem Gott und seinem König gegrollt, den großen Triumphzug durch alle liberalen Gaue des Vaterlandes, der in Preußen mit einer königlichen Audienz und Hinweisung auf einen zweiten Tag von Damaskus begann, darauf aber ein Ende mit Schrecken, d. h. mit Gensdarmen nahm. Noch sehe ich Sir Robert, wie er auf dem Leipziger Herweghfeste dem Dichter einen großen Kranz auf's Haupt setzte mit den Worten: Du hast gesungen, Du wünschest Dir einen Lorbeer der Partei, hier drücke ich Dir nun im Namen der Partei den Kranz aufs Haupt; wie darauf dieser Genius des Ruhms ein verwundertes Gesicht machte, als der Sänger nicht recht zufrieden war, etwas von unthätigen Reden murmelte, und „der That!“ ein Vivat brachte; wie dann alle Mißverständnisse im Weine hinabgespült wurden, und wie endlich der Mann des Volks in einer blut¬ rothen Sammetweste — er trug sie bei feierlichen Gelegenheilen — und Hemds¬ ärmeln, im trauten Kreise der Freunde, aufgestützt, mit seiner Stentorstimme und seinem stereotypen gemüthlichen Schmunzeln den Refrain sang: Denen lasset die freie Wahl, Guillotine oder Laternenpfahl! Wie behaglich fühlten sich die braven Bursche in diesen Phantasien der Zukunft, die zu einer etwas sentimentalen Melodie gesungen wurden, etwa wie der Wandrer vor einem hellglühenden Kamine und der summenden Theemaschine, während es draußen mit Schlossen gießt. Wie erstaunte der Zinngießer über sich selbst, und über die Kühnheit seiner Phantasie! Diese schönen Tage des singenden Liberalis¬ mus sind nun vorüber, wenigstens theilweise. Feste sind nur für Sonntage, wenn man auch diese christliche Norm sich in den abstracten Decadi oder die revolutionäre Sansculottide verwandelte. In den Mußestunden der Werkeltage beschäftigte sich Robert literarisch. Er war Haupt- mitarbeiter an den sächsischen Vaterlandsblättern. Der Horizont dieser Blätter war damals noch ziemlich eng umgrenzt, er ging nicht weit über das sächsische Vater¬ land hinaus, und blickte nur zuweilen nach Preußen hinüber, um über die dortige Teufelswirthschaft die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Preußen war der Prügeljunge der sächsischen Politik, wie Rußland es für Preußen ist. Die Vaterlandsblätter waren eines der ersten Organe des Radicalismus, d. h. der

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Zitationshilfe: N. N.: Öffentliche Charaktere I: Robert Blum. In: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester, III. Band, S. 366-386, hier S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_charaktere01_1848/7>, abgerufen am 23.11.2024.