N. N.: Öffentliche Charaktere II: Johann Jacoby. In: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester, III. Band, S. 434-452.die Broschüre weniger Eindruck als die erste, weil jetzt die legitimen Vertreter In derselben Zeit hatte sich die philosophisch radicale Opposition, die sich Diese Anwesenheit fällt in die Zeit des Centrallandtags. Die Ueberraschung, Die Augen von ganz Deutschland waren damals auf Berlin gerichtet. Es Damals sah ich Jacoby zuerst. Ein kleiner Mann mit stark rothem Gesicht die Broschüre weniger Eindruck als die erste, weil jetzt die legitimen Vertreter In derselben Zeit hatte sich die philosophisch radicale Opposition, die sich Diese Anwesenheit fällt in die Zeit des Centrallandtags. Die Ueberraschung, Die Augen von ganz Deutschland waren damals auf Berlin gerichtet. Es Damals sah ich Jacoby zuerst. Ein kleiner Mann mit stark rothem Gesicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0013" n="446"/> die Broschüre weniger Eindruck als die erste, weil jetzt die legitimen Vertreter<lb/> des Volks, die Stände, sich mit größerer Entschiedenheit der Sache annahmen.</p><lb/> <p>In derselben Zeit hatte sich die philosophisch radicale Opposition, die sich<lb/> in den Jahrbüchern concentrirt hatte, mit Unterdrückung derselben aufgelöst. Die<lb/> Berliner hatten eine Reihe von Standpunkten des politischen Bewußtseins über¬<lb/> wunden und <hi rendition="#g">Bauer</hi> ließ eine heftige Anklage gegen Jacoby ergehn: sein Stand¬<lb/> punkt sei ein beschränkter, denn er hafte noch an dem alten Rechtsboden, seine<lb/> Forderungen seien unberechtigt, denn dem alten Ständewesen gegenüber habe der<lb/> Absolutismus recht und seine Waffen seien die unrühmlichen der Sophistik und<lb/> des Zurechtmachens. Bei der liederlichen radicalen Schule in Berlin, die sich in<lb/> der Regel darauf beschränkte, die Orakel ihres Meisters zu paraphrasiren, wurde<lb/> es nun Ton, den Ostpreußischen Liberalismus und seinen vermeintlichen Vertreter<lb/> Jacoby — den man den Leibarzt Sr. Excellenz des Ministers v. Schön nannte —<lb/> als eine reactionäre, halbe und bornirte Wirthschaft zu verhöhnen. Der Vorwurf<lb/> traf übrigens in gewissem Sinn, denn der Rechtsboden, mit dem Jacoby dem<lb/> Polizeistaate zu Leibe ging, war nicht mehr sein eigener, er glaubte nicht mehr an<lb/> die Heiligkeit seiner eigenen Waffen; er rühmte sich selber, im Geist weit über den<lb/> Standpunkt hinaus zu sein, den er, in Anbetracht der Umstände, in seinen Schriften<lb/> einnehme. Er besuchte Bauer bei seiner Anwesenheit in Berlin und wurde von<lb/> ihm mit dem Ausrufe des Staunens: <cit><quote>„Ach Herr Jesus!“</quote></cit> empfangen.</p><lb/> <p>Diese Anwesenheit fällt in die Zeit des Centrallandtags. Die Ueberraschung,<lb/> in welche das Volk durch das plötzliche Eintreten dieses so sehnlich erwarteten<lb/> Ereignisses gerieth, spiegelt sich am Besten in der Schrift von <hi rendition="#g">Heinrich Si¬<lb/> mon</hi>: „<hi rendition="#g">Annehmen oder Ablehnen?</hi>“ Dem Gefühl nach sprach er vom<lb/> Rechte des Volkes, aber als Jurist konnte er sich doch nicht entschließen, weiter<lb/> als auf die Wähler der Provinziallandtage, d. h. auf die privilegirten Stände zu-<lb/> rückzugehn. Sein Herz stand mit seinem Verstände im Widerspruch und das hatte<lb/> auch Einfluß auf den resignirten Schluß. Wenn er nämlich in der neuen projec-<lb/> tirten Verfassung eine Schmälerung der bisherigen Volksrechte sah und Nichtan-<lb/> nahme derselben empfahl, so übersah er dabei, daß durch einen solchen Schritt<lb/> der alte Zustand keineswegs hergestellt werde.</p><lb/> <p>Die Augen von ganz Deutschland waren damals auf Berlin gerichtet. Es<lb/> war in der That die entscheidende Stunde für Preußen. Hätte damals der Kö¬<lb/> nig dem Centrallandtage eine wahrhaft freie Wirksamkeit zugetheilt, sich auch ge-<lb/> gen eine Wahlreform nicht gesträubt, die damals noch sehr mäßig ausgefallen<lb/> wäre, so war die Hegemonie Preußens und vielleicht das allmälige Aufgehn Deutsch¬<lb/> lands in Preußen entschieden. Von allen Seiten strömten die Liberalen nach der<lb/> Hauptstadt; Jacoby traf mit Simon zusammen, indeß das beinah forcirt rationalistische<lb/> Wesen des Einen stimmte nicht recht mit dem fliegenden Enthusiasmus des Andern.</p><lb/> <p>Damals sah ich Jacoby zuerst. Ein kleiner Mann mit stark rothem Gesicht<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [446/0013]
die Broschüre weniger Eindruck als die erste, weil jetzt die legitimen Vertreter
des Volks, die Stände, sich mit größerer Entschiedenheit der Sache annahmen.
In derselben Zeit hatte sich die philosophisch radicale Opposition, die sich
in den Jahrbüchern concentrirt hatte, mit Unterdrückung derselben aufgelöst. Die
Berliner hatten eine Reihe von Standpunkten des politischen Bewußtseins über¬
wunden und Bauer ließ eine heftige Anklage gegen Jacoby ergehn: sein Stand¬
punkt sei ein beschränkter, denn er hafte noch an dem alten Rechtsboden, seine
Forderungen seien unberechtigt, denn dem alten Ständewesen gegenüber habe der
Absolutismus recht und seine Waffen seien die unrühmlichen der Sophistik und
des Zurechtmachens. Bei der liederlichen radicalen Schule in Berlin, die sich in
der Regel darauf beschränkte, die Orakel ihres Meisters zu paraphrasiren, wurde
es nun Ton, den Ostpreußischen Liberalismus und seinen vermeintlichen Vertreter
Jacoby — den man den Leibarzt Sr. Excellenz des Ministers v. Schön nannte —
als eine reactionäre, halbe und bornirte Wirthschaft zu verhöhnen. Der Vorwurf
traf übrigens in gewissem Sinn, denn der Rechtsboden, mit dem Jacoby dem
Polizeistaate zu Leibe ging, war nicht mehr sein eigener, er glaubte nicht mehr an
die Heiligkeit seiner eigenen Waffen; er rühmte sich selber, im Geist weit über den
Standpunkt hinaus zu sein, den er, in Anbetracht der Umstände, in seinen Schriften
einnehme. Er besuchte Bauer bei seiner Anwesenheit in Berlin und wurde von
ihm mit dem Ausrufe des Staunens: „Ach Herr Jesus!“ empfangen.
Diese Anwesenheit fällt in die Zeit des Centrallandtags. Die Ueberraschung,
in welche das Volk durch das plötzliche Eintreten dieses so sehnlich erwarteten
Ereignisses gerieth, spiegelt sich am Besten in der Schrift von Heinrich Si¬
mon: „Annehmen oder Ablehnen?“ Dem Gefühl nach sprach er vom
Rechte des Volkes, aber als Jurist konnte er sich doch nicht entschließen, weiter
als auf die Wähler der Provinziallandtage, d. h. auf die privilegirten Stände zu-
rückzugehn. Sein Herz stand mit seinem Verstände im Widerspruch und das hatte
auch Einfluß auf den resignirten Schluß. Wenn er nämlich in der neuen projec-
tirten Verfassung eine Schmälerung der bisherigen Volksrechte sah und Nichtan-
nahme derselben empfahl, so übersah er dabei, daß durch einen solchen Schritt
der alte Zustand keineswegs hergestellt werde.
Die Augen von ganz Deutschland waren damals auf Berlin gerichtet. Es
war in der That die entscheidende Stunde für Preußen. Hätte damals der Kö¬
nig dem Centrallandtage eine wahrhaft freie Wirksamkeit zugetheilt, sich auch ge-
gen eine Wahlreform nicht gesträubt, die damals noch sehr mäßig ausgefallen
wäre, so war die Hegemonie Preußens und vielleicht das allmälige Aufgehn Deutsch¬
lands in Preußen entschieden. Von allen Seiten strömten die Liberalen nach der
Hauptstadt; Jacoby traf mit Simon zusammen, indeß das beinah forcirt rationalistische
Wesen des Einen stimmte nicht recht mit dem fliegenden Enthusiasmus des Andern.
Damals sah ich Jacoby zuerst. Ein kleiner Mann mit stark rothem Gesicht
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