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Tübinger Chronik. Nr. 92. [Tübingen (Württemberg)], 1. August 1845.

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[Beginn Spaltensatz] ihre Hand reichte, als sie Allem entsagte, was das
Leben schön und glücklich macht; jetzt erst sah sie
ein, wie sehr sie geliebt hatte, weil sie im Jnnern
abgestorben war, fast ohne es zu bemerken.

Sie hatte am Leben verzweifelt und ihm nach
den ersten Schicksalsschlägen entsagt, welche ihr be-
stimmt waren. Und nun erst erfuhr das arme Kind,
daß das Glück bei ihr war, daß sie an seiner Seite
vorübergegangen, ohne es zu sehen, ohne es zu
hören und zu ahnen.

Armes Weib! sie hatte sich oft, wenn die Ver-
gangenheit ihren Blicken nahte, auf die Unbestän-
digkeit des Glücks, auf die kurze Dauer heftiger
Gefühle gestützt. Darin hatte die Vernunft einen
Zufluchtsort gefunden und ihre Enttäuschung über
das Leben hatte ihr Kraft und Entschlossenheit ge-
geben. - Ach! und diese Stütze zerbrach unter ihren
zitternden Händen, ein Wort, ein einziges Wort
nahm ihr die Waffen, mit welchen sie gegen sich
selbst gekämpft hatte. - Jch liebe Dich! Jch bin
frei! sagte er zu ihr, der sie liebte, den sie wohl
selbst noch liebte, und ihre Hoffnung, ihre Ent-
schlossenheit war dahin.

- O! murmelte sie schmerzlich bewegt, das
Schicksal ist sehr grausam, daß es so wenig Mit-
leid mit mir hatte, mir dies Wiedersehen zu er-
sparen.

- Aus Mitleid, antwortete der Graf, hat
es mir den letzten Trost in diesem Wiedersehen ge-
geben.

- Ach nein! nein! rief Louise, ich bin verlo-
ren, auf ewig für Sie verloren. Es hat sich nichts
geändert für uns; wir haben uns begegnet, aber
nicht wiedergefunden.

Jn diesem Augenblicke trat der Banquier ein;
er stellte sich ruhig und lächelnd zwischen die Ver-
zweiflung der jungen Leute.



( Fortsetzung folgt. )



Den Freiheitsdichtern.
Dem Pharus gleich an Meeresküste
Strahlt hell des Liedes Feuergeist,
Der durch den Sand der Sclavenwüste
Jn's Kanaan der Freiheit weist.
Laßt immer eure Lieder klingen,
Wenn Fessel auch und Schwert euch droht,
Es wird das Lied die Freiheit bringen,
Nach Sturmesnacht das Morgenroth.
Doch nicht die Freiheit, die in Trümmer
Den Thron und das Gesetz zerschlägt;
Das ist die wahre, echte nimmer,
>Die das Panier des Aufruhrs trägt.
O seyd der Strahl, zerstreut die Wolke,
Die finster sich um's Haupt gelegt,
Und werdet Führer eurem Volke,
Wenn es die Zeit hat aufgeregt.
Doch zwinget niemals eure Schwerter
Dem reinen Jüngling in die Hand,
Jhr macht dadurch sein Herz nur härter;
Das alles Gute rasch empfand.
Patuzzi.

[Spaltenumbruch]
Wie steht's in der Welt aus?

Die Allgemeine Zeitung schreibt: Der deutsche
Zollverein hat in vier Hauptartikeln der Jn-
dusterie über nicht weniger als - 21,634,214
Thaler Arbeitsverdienst zu verfügen, welche er all-
jährlich den einheimischen Arbeitern zuwenden kann,
sobald er den Entschluß dazu faßt. Jene 4 Haupt-
Artikel sind Baumwollen=, Linnen=, Seiden= und
Wollenwaaren; die Summe von 21 Millionen aber
ist der Arbeitslohn, welchen wir seither in die Fremde
gezahlt haben, und noch zahlen, und zu zahlen fort-
fahren werden, wenn man nicht ein anderes System
einschlägt. Kein Hülfsverein, keine Staatskasse,
keine noch so kolossale Privatwohlthätigkeit wäre im
Stande, der erwerblosen Armuth jährlich mit einem
derartigen Zuschuß aufzuhelfen, das schlichte Aus-
kunftsmittel, den Arbeitslohn, welchen wir seither
der Fremde zu verdienen gaben, in Zukunft der ein-
heimischen Arbeit zuzuwenden, bringt die Summe
mit Leichtigkeit auf. Wie viele drückende Noth
könnte eine solche Bereicherung des Nationalbudgets lin-
dern, wie viele tausend erwerblose Familien mit Arbeit
segnen! Allein, wird man fragen, auf wessen Kasten?
Antwort: zunächst auf Kosten der Engländer, wel-
che seither den besten Theil der Summen, um die
es sich handelt, von uns erhoben haben, für deren
Arbeitsverdienst aber uns weder ein Jnteresse, noch
eine Verpflichtung obliegt.



Schnacken und Schnurren.
Ein sicheres Versöhnungmittel.

Der Graf von C. lag im Jahre 1780 in einer
Seestadt und Festung mit dem Regimente, bei dem
er Capitain war, in Garnison, und glaubte Ursache
zu haben, sich über die erste Sängerin auf dem
Theater beschweren zu dürfen; er war deshalb auf sie
so aufgebracht, daß er sich zu rächen suchte. Als
er daher eines Abends von einem Souper mit etli-
chen seiner Kameraden nach Hause ging, that er
ihnen den Vorschlag, dieser Sängerin, die bei ihren
Eltern im ersten Stockwerke in einer von der Haupt-
wache und den übrigen Schildwachen abgelegenen
Gasse wohnte, die Fenster einzuwerfen. Zu jener
Zeit dachte man in dergleichen Sachen noch etwas
leicht, und so gingen Alle bereitwillig auf den Vor-
schlag ein. Sie begaben sich an den Ort des An-
griffs, und sammelten alle Steine zusammen, deren
sie habhaft werden konnten. Man wirft, die Fen-
ster klirren; sogleich aber öffnet man diese und ruft:
Räuber! Mörder! Jndessen fehlte es doch bald an
Steinen, die an dieser Stelle selten waren. Da der
Graf von C. nichts mehr zu werfen fand, so griff
er in der Aufregung in die Tasche, in welcher sich
eine ziemliche Menge Laubthaler befanden. Diese
warf er nach den Fenstern, und da diese jetzt offen
standen, so fielen sie sämmtlich in das Zimmer.
Der Zorn hatte ihn so verblendet, daß er gar nicht
wußte, was er that, und immerfort Laubthaler
nach den Fenstern warf. Diese Art von Rache
hatte einen wunderbaren Erfolg; kaum bemerkten
die Angegriffenen die Natur der Steine, die in ihre
Zimmer geflogen kamen, so sagten sie kein Wort
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] ihre Hand reichte, als sie Allem entsagte, was das
Leben schön und glücklich macht; jetzt erst sah sie
ein, wie sehr sie geliebt hatte, weil sie im Jnnern
abgestorben war, fast ohne es zu bemerken.

Sie hatte am Leben verzweifelt und ihm nach
den ersten Schicksalsschlägen entsagt, welche ihr be-
stimmt waren. Und nun erst erfuhr das arme Kind,
daß das Glück bei ihr war, daß sie an seiner Seite
vorübergegangen, ohne es zu sehen, ohne es zu
hören und zu ahnen.

Armes Weib! sie hatte sich oft, wenn die Ver-
gangenheit ihren Blicken nahte, auf die Unbestän-
digkeit des Glücks, auf die kurze Dauer heftiger
Gefühle gestützt. Darin hatte die Vernunft einen
Zufluchtsort gefunden und ihre Enttäuschung über
das Leben hatte ihr Kraft und Entschlossenheit ge-
geben. – Ach! und diese Stütze zerbrach unter ihren
zitternden Händen, ein Wort, ein einziges Wort
nahm ihr die Waffen, mit welchen sie gegen sich
selbst gekämpft hatte. – Jch liebe Dich! Jch bin
frei! sagte er zu ihr, der sie liebte, den sie wohl
selbst noch liebte, und ihre Hoffnung, ihre Ent-
schlossenheit war dahin.

– O! murmelte sie schmerzlich bewegt, das
Schicksal ist sehr grausam, daß es so wenig Mit-
leid mit mir hatte, mir dies Wiedersehen zu er-
sparen.

– Aus Mitleid, antwortete der Graf, hat
es mir den letzten Trost in diesem Wiedersehen ge-
geben.

– Ach nein! nein! rief Louise, ich bin verlo-
ren, auf ewig für Sie verloren. Es hat sich nichts
geändert für uns; wir haben uns begegnet, aber
nicht wiedergefunden.

Jn diesem Augenblicke trat der Banquier ein;
er stellte sich ruhig und lächelnd zwischen die Ver-
zweiflung der jungen Leute.



( Fortsetzung folgt. )



Den Freiheitsdichtern.
Dem Pharus gleich an Meeresküste
Strahlt hell des Liedes Feuergeist,
Der durch den Sand der Sclavenwüste
Jn's Kanaan der Freiheit weist.
Laßt immer eure Lieder klingen,
Wenn Fessel auch und Schwert euch droht,
Es wird das Lied die Freiheit bringen,
Nach Sturmesnacht das Morgenroth.
Doch nicht die Freiheit, die in Trümmer
Den Thron und das Gesetz zerschlägt;
Das ist die wahre, echte nimmer,
>Die das Panier des Aufruhrs trägt.
O seyd der Strahl, zerstreut die Wolke,
Die finster sich um's Haupt gelegt,
Und werdet Führer eurem Volke,
Wenn es die Zeit hat aufgeregt.
Doch zwinget niemals eure Schwerter
Dem reinen Jüngling in die Hand,
Jhr macht dadurch sein Herz nur härter;
Das alles Gute rasch empfand.
Patuzzi.

[Spaltenumbruch]
Wie steht's in der Welt aus?

Die Allgemeine Zeitung schreibt: Der deutsche
Zollverein hat in vier Hauptartikeln der Jn-
dusterie über nicht weniger als – 21,634,214
Thaler Arbeitsverdienst zu verfügen, welche er all-
jährlich den einheimischen Arbeitern zuwenden kann,
sobald er den Entschluß dazu faßt. Jene 4 Haupt-
Artikel sind Baumwollen=, Linnen=, Seiden= und
Wollenwaaren; die Summe von 21 Millionen aber
ist der Arbeitslohn, welchen wir seither in die Fremde
gezahlt haben, und noch zahlen, und zu zahlen fort-
fahren werden, wenn man nicht ein anderes System
einschlägt. Kein Hülfsverein, keine Staatskasse,
keine noch so kolossale Privatwohlthätigkeit wäre im
Stande, der erwerblosen Armuth jährlich mit einem
derartigen Zuschuß aufzuhelfen, das schlichte Aus-
kunftsmittel, den Arbeitslohn, welchen wir seither
der Fremde zu verdienen gaben, in Zukunft der ein-
heimischen Arbeit zuzuwenden, bringt die Summe
mit Leichtigkeit auf. Wie viele drückende Noth
könnte eine solche Bereicherung des Nationalbudgets lin-
dern, wie viele tausend erwerblose Familien mit Arbeit
segnen! Allein, wird man fragen, auf wessen Kasten?
Antwort: zunächst auf Kosten der Engländer, wel-
che seither den besten Theil der Summen, um die
es sich handelt, von uns erhoben haben, für deren
Arbeitsverdienst aber uns weder ein Jnteresse, noch
eine Verpflichtung obliegt.



Schnacken und Schnurren.
Ein sicheres Versöhnungmittel.

Der Graf von C. lag im Jahre 1780 in einer
Seestadt und Festung mit dem Regimente, bei dem
er Capitain war, in Garnison, und glaubte Ursache
zu haben, sich über die erste Sängerin auf dem
Theater beschweren zu dürfen; er war deshalb auf sie
so aufgebracht, daß er sich zu rächen suchte. Als
er daher eines Abends von einem Souper mit etli-
chen seiner Kameraden nach Hause ging, that er
ihnen den Vorschlag, dieser Sängerin, die bei ihren
Eltern im ersten Stockwerke in einer von der Haupt-
wache und den übrigen Schildwachen abgelegenen
Gasse wohnte, die Fenster einzuwerfen. Zu jener
Zeit dachte man in dergleichen Sachen noch etwas
leicht, und so gingen Alle bereitwillig auf den Vor-
schlag ein. Sie begaben sich an den Ort des An-
griffs, und sammelten alle Steine zusammen, deren
sie habhaft werden konnten. Man wirft, die Fen-
ster klirren; sogleich aber öffnet man diese und ruft:
Räuber! Mörder! Jndessen fehlte es doch bald an
Steinen, die an dieser Stelle selten waren. Da der
Graf von C. nichts mehr zu werfen fand, so griff
er in der Aufregung in die Tasche, in welcher sich
eine ziemliche Menge Laubthaler befanden. Diese
warf er nach den Fenstern, und da diese jetzt offen
standen, so fielen sie sämmtlich in das Zimmer.
Der Zorn hatte ihn so verblendet, daß er gar nicht
wußte, was er that, und immerfort Laubthaler
nach den Fenstern warf. Diese Art von Rache
hatte einen wunderbaren Erfolg; kaum bemerkten
die Angegriffenen die Natur der Steine, die in ihre
Zimmer geflogen kamen, so sagten sie kein Wort
[Ende Spaltensatz]

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Doch nicht die Freiheit, die in Trümmer Den Thron und das Gesetz zerschlägt; Das ist die wahre, echte nimmer, >Die das Panier des Aufruhrs trägt. O seyd der Strahl, zerstreut die Wolke, Die finster sich um's Haupt gelegt, Und werdet Führer eurem Volke, Wenn es die Zeit hat aufgeregt. Doch zwinget niemals eure Schwerter Dem reinen Jüngling in die Hand, Jhr macht dadurch sein Herz nur härter; Das alles Gute rasch empfand. Patuzzi. Wie steht's in der Welt aus? Die Allgemeine Zeitung schreibt: Der deutsche Zollverein hat in vier Hauptartikeln der Jn- dusterie über nicht weniger als – 21,634,214 Thaler Arbeitsverdienst zu verfügen, welche er all- jährlich den einheimischen Arbeitern zuwenden kann, sobald er den Entschluß dazu faßt. 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Antwort: zunächst auf Kosten der Engländer, wel- che seither den besten Theil der Summen, um die es sich handelt, von uns erhoben haben, für deren Arbeitsverdienst aber uns weder ein Jnteresse, noch eine Verpflichtung obliegt. Schnacken und Schnurren. Ein sicheres Versöhnungmittel. Der Graf von C. lag im Jahre 1780 in einer Seestadt und Festung mit dem Regimente, bei dem er Capitain war, in Garnison, und glaubte Ursache zu haben, sich über die erste Sängerin auf dem Theater beschweren zu dürfen; er war deshalb auf sie so aufgebracht, daß er sich zu rächen suchte. Als er daher eines Abends von einem Souper mit etli- chen seiner Kameraden nach Hause ging, that er ihnen den Vorschlag, dieser Sängerin, die bei ihren Eltern im ersten Stockwerke in einer von der Haupt- wache und den übrigen Schildwachen abgelegenen Gasse wohnte, die Fenster einzuwerfen. Zu jener Zeit dachte man in dergleichen Sachen noch etwas leicht, und so gingen Alle bereitwillig auf den Vor- schlag ein. Sie begaben sich an den Ort des An- griffs, und sammelten alle Steine zusammen, deren sie habhaft werden konnten. Man wirft, die Fen- ster klirren; sogleich aber öffnet man diese und ruft: Räuber! Mörder! Jndessen fehlte es doch bald an Steinen, die an dieser Stelle selten waren. Da der Graf von C. nichts mehr zu werfen fand, so griff er in der Aufregung in die Tasche, in welcher sich eine ziemliche Menge Laubthaler befanden. Diese warf er nach den Fenstern, und da diese jetzt offen standen, so fielen sie sämmtlich in das Zimmer. Der Zorn hatte ihn so verblendet, daß er gar nicht wußte, was er that, und immerfort Laubthaler nach den Fenstern warf. Diese Art von Rache hatte einen wunderbaren Erfolg; kaum bemerkten die Angegriffenen die Natur der Steine, die in ihre Zimmer geflogen kamen, so sagten sie kein Wort

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Zitationshilfe: Tübinger Chronik. Nr. 92. [Tübingen (Württemberg)], 1. August 1845, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_chronik092_1845/2>, abgerufen am 03.12.2024.