Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Kürzliche Anweisung zu Complimenten und höflicher Condvite, für Personen Bürgerlichen Standes. Frankfurt [u. a.], 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

erstenmal zu erblicken. Denn daraus
schliessen sie ihr Glück und oder Unglück,
ihren beywohnenden Verstand und Klug-
heit, ihre Tugend und Laster, und meynen,
sie thäten nichts anders, als was ihnen ihr
Geburts-Gestirn zu vollbringen inspiri-
rete, wider dasselbe könne sein menschli-
ches Vermögen nichts thun. Hat nun
das Glük, nach ihrer Meynung sie so hoch
erhoben, daß sie vor vielen andern, an Ehr
und Herrlichkeit, praeeminiren und her-
vor leuchten; so wird dem glüklichen Ge-
burts- und Gedächtnüs-Tage, fast gött-
liche Ehre angethan. Man stellet präch-
tige Gastmahle an, und lädet eine ganze
Compagnie der besten Freunde, die dem
glüklichen Patron felicitiren, darnach aber
viele Becher, auf dessen fernere Glücks-
Jahre, ausleeren müssen. Man schrei-
bet Carmina und Gratulations-Gedichte,
läßt solche noch darzu mit einer charman-
ten Musique begleiten: da werden die
Comparationes und Vergleichungen der
zahlreichen Jahre, dieses glücklichen Pa-
trons, mit dem Alter des grauen Nestors
gemachet, und sonst ein Haufen alberes
Zeuges mit eingeschmiert, daß derrein ge-

fallene

erſtenmal zu erblicken. Denn daraus
ſchlieſſen ſie ihr Gluͤck und oder Ungluͤck,
ihren beywohnenden Verſtand und Klug-
heit, ihre Tugend und Laſter, und meynen,
ſie thaͤten nichts anders, als was ihnen ihr
Geburts-Geſtirn zu vollbringen inſpiri-
rete, wider daſſelbe koͤnne ſein menſchli-
ches Vermoͤgen nichts thun. Hat nun
das Gluͤk, nach ihrer Meynung ſie ſo hoch
erhoben, daß ſie vor vielen andern, an Ehr
und Herrlichkeit, praeeminiren und her-
vor leuchten; ſo wird dem gluͤklichen Ge-
burts- und Gedaͤchtnuͤs-Tage, faſt goͤtt-
liche Ehre angethan. Man ſtellet praͤch-
tige Gaſtmahle an, und laͤdet eine ganze
Compagnie der beſten Freunde, die dem
gluͤklichen Patron felicitiren, darnach aber
viele Becher, auf deſſen fernere Gluͤcks-
Jahre, ausleeren muͤſſen. Man ſchrei-
bet Carmina und Gratulations-Gedichte,
laͤßt ſolche noch darzu mit einer charman-
ten Muſique begleiten: da werden die
Comparationes und Vergleichungen der
zahlreichen Jahre, dieſes gluͤcklichen Pa-
trons, mit dem Alter des grauen Neſtors
gemachet, und ſonſt ein Haufen alberes
Zeuges mit eingeſchmiert, daß derrein ge-

fallene
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0154" n="148"/>
er&#x017F;tenmal zu erblicken. Denn daraus<lb/>
&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie ihr Glu&#x0364;ck und oder Unglu&#x0364;ck,<lb/>
ihren beywohnenden Ver&#x017F;tand und Klug-<lb/>
heit, ihre Tugend und La&#x017F;ter, und meynen,<lb/>
&#x017F;ie tha&#x0364;ten nichts anders, als was ihnen ihr<lb/>
Geburts-Ge&#x017F;tirn zu vollbringen <hi rendition="#aq">in&#x017F;piri-</hi><lb/>
rete, wider da&#x017F;&#x017F;elbe ko&#x0364;nne &#x017F;ein men&#x017F;chli-<lb/>
ches Vermo&#x0364;gen nichts thun. Hat nun<lb/>
das Glu&#x0364;k, nach ihrer Meynung &#x017F;ie &#x017F;o hoch<lb/>
erhoben, daß &#x017F;ie vor vielen andern, an Ehr<lb/>
und Herrlichkeit, <hi rendition="#aq">praeemini</hi>ren und her-<lb/>
vor leuchten; &#x017F;o wird dem glu&#x0364;klichen Ge-<lb/>
burts- und Geda&#x0364;chtnu&#x0364;s-Tage, fa&#x017F;t go&#x0364;tt-<lb/>
liche Ehre angethan. Man &#x017F;tellet pra&#x0364;ch-<lb/>
tige Ga&#x017F;tmahle an, und la&#x0364;det eine ganze<lb/>
Compagnie der be&#x017F;ten Freunde, die dem<lb/>
glu&#x0364;klichen <hi rendition="#aq">Patron feliciti</hi>ren, darnach aber<lb/>
viele Becher, auf de&#x017F;&#x017F;en fernere Glu&#x0364;cks-<lb/>
Jahre, ausleeren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Man &#x017F;chrei-<lb/>
bet <hi rendition="#aq">Carmina</hi> und <hi rendition="#aq">Gratulations-</hi>Gedichte,<lb/>
la&#x0364;ßt &#x017F;olche noch darzu mit einer <hi rendition="#aq">charman-</hi><lb/>
ten <hi rendition="#aq">Mu&#x017F;ique</hi> begleiten: da werden die<lb/><hi rendition="#aq">Comparationes</hi> und Vergleichungen der<lb/>
zahlreichen Jahre, die&#x017F;es glu&#x0364;cklichen Pa-<lb/>
trons, mit dem Alter des grauen Ne&#x017F;tors<lb/>
gemachet, und &#x017F;on&#x017F;t ein Haufen alberes<lb/>
Zeuges mit einge&#x017F;chmiert, daß derrein ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fallene</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0154] erſtenmal zu erblicken. Denn daraus ſchlieſſen ſie ihr Gluͤck und oder Ungluͤck, ihren beywohnenden Verſtand und Klug- heit, ihre Tugend und Laſter, und meynen, ſie thaͤten nichts anders, als was ihnen ihr Geburts-Geſtirn zu vollbringen inſpiri- rete, wider daſſelbe koͤnne ſein menſchli- ches Vermoͤgen nichts thun. Hat nun das Gluͤk, nach ihrer Meynung ſie ſo hoch erhoben, daß ſie vor vielen andern, an Ehr und Herrlichkeit, praeeminiren und her- vor leuchten; ſo wird dem gluͤklichen Ge- burts- und Gedaͤchtnuͤs-Tage, faſt goͤtt- liche Ehre angethan. Man ſtellet praͤch- tige Gaſtmahle an, und laͤdet eine ganze Compagnie der beſten Freunde, die dem gluͤklichen Patron felicitiren, darnach aber viele Becher, auf deſſen fernere Gluͤcks- Jahre, ausleeren muͤſſen. Man ſchrei- bet Carmina und Gratulations-Gedichte, laͤßt ſolche noch darzu mit einer charman- ten Muſique begleiten: da werden die Comparationes und Vergleichungen der zahlreichen Jahre, dieſes gluͤcklichen Pa- trons, mit dem Alter des grauen Neſtors gemachet, und ſonſt ein Haufen alberes Zeuges mit eingeſchmiert, daß derrein ge- fallene

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_complimente_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_complimente_1736/154
Zitationshilfe: [N. N.]: Kürzliche Anweisung zu Complimenten und höflicher Condvite, für Personen Bürgerlichen Standes. Frankfurt [u. a.], 1736, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_complimente_1736/154>, abgerufen am 04.12.2024.