Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 10. Burg/Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite
159 Conversations=Blatt. 160
[Beginn Spaltensatz]

zwei Zofen und eine Gürtelmagd der Herzogin, wie
auch die Trompeter, Pfeifer und Schallmeier des Her-
zogs, die gar wacker aufbliesen. Da waren wir ganz
lustig, sangen und tanzten im Schifflein gar munter.

Und als wir nach Wien kamen, sahen wir des
angekommenen Volkes so viel, daß wir schier erstaun-
ten. Es ist auch nicht zu sagen und zu beschreiben,
mit welcher Pracht und Herrlichkeit die Fürsten und
Herren da erschienen, und wie schön die Jungfrauen

[Spaltenumbruch]

sich zugerüstet und ausgeschmückt hatten, mit Edel-
gesteinen, Ketten, Blumen und Bändern, daß man
gar nicht wußte, wohin man die Augen wenden sollte.
Jch durchlief nur die Straßen, um zu hören und zu
sehen, was vorging. Da hörte ich Sang und Sai-
tenspiel gar lieblich und fein, und wär schier nicht in
die Herberge gekommen, hätte ich dem Ehrenholde
nicht als Persevant beistehen müssen.

    (Fortsetzung folgt.)

[Ende Spaltensatz] [Abbildung] [Beginn Spaltensatz]
Miscellen.

Als der Graf Rochester einmal dem Doktor Js.
Barrow begegnete, sagte er zu seiner Begleitung, er
wolle sich mit dem alten Tropfe einen Spaß machen.
Er ging also sehr gravitätisch auf ihn zu, nahm sei-
nen Hut ab, und machte dem Doktor eine sehr tiefe
Verbeugung mit den Worten: ich bin der Jhrige bis
zu meinen Schuhriemen. Der Doktor, der wohl sah,
wo der Graf hinauswollte, zog sogleich sein Baret
ab, und verneigte sich eben so tief, mit einem: My-
lord, ich bin der Jhrige bis zum Fußboden. Rochester
machte noch eine tiefere Verbeugung und sagte: Herr
Doktor, ich bin der Jhrige bis zum Mittelpunkt der
Erde. Der Doktor verneigte sich gleich tief, und
sagte: ich bin der Jhrige bis zu den Antipoden. Da
rief der Graf verlegen: Herr Doktor, ich bin der
Jhrige bis zum tiefsten Abgrund der Hölle. - Da
lass' ich Sie, versetzte schnell der Doktor, und spazierte
weiter.


[Spaltenumbruch]

Zu Brighton in England wurde einst durch
öffentlichen Anschlag bekannt gemacht, daß Jemand an
einem bestimmten Nachmittage auf offener See spazie-
ren gehen würde. So unglaublich dies auch klang,
so glaubte man die Nachricht doch. Alles, was fah-
ren, reiten und gehen konnte, fand sich zur festge-
setzten Zeit am Strande ein, und es wimmelte von
Wagen, Pferden und Menschen. Aber es verging
eine Stunde nach der andern, ohne daß sich der Wun-
dermann sehen ließ. Endlich brach der Abend an und
man sah noch keine Anstalten zum Spaziergange auf
dem Wasser. Man war daher gezwungen, sich bei
dunkler Nacht nach Hause zu begeben. Am andern
Morgen las man an allen Straßenecken die Nachricht,
daß zwei Personen mit einander gewettet hätten, ob
es möglich sei, daß eine so unglaubliche Ankündigung
Glauben finden würde. Der Gewinner dankte zugleich
dem Publikum für seinen guten Willen.



[Ende Spaltensatz]
159 Conversations=Blatt. 160
[Beginn Spaltensatz]

zwei Zofen und eine Gürtelmagd der Herzogin, wie
auch die Trompeter, Pfeifer und Schallmeier des Her-
zogs, die gar wacker aufbliesen. Da waren wir ganz
lustig, sangen und tanzten im Schifflein gar munter.

Und als wir nach Wien kamen, sahen wir des
angekommenen Volkes so viel, daß wir schier erstaun-
ten. Es ist auch nicht zu sagen und zu beschreiben,
mit welcher Pracht und Herrlichkeit die Fürsten und
Herren da erschienen, und wie schön die Jungfrauen

[Spaltenumbruch]

sich zugerüstet und ausgeschmückt hatten, mit Edel-
gesteinen, Ketten, Blumen und Bändern, daß man
gar nicht wußte, wohin man die Augen wenden sollte.
Jch durchlief nur die Straßen, um zu hören und zu
sehen, was vorging. Da hörte ich Sang und Sai-
tenspiel gar lieblich und fein, und wär schier nicht in
die Herberge gekommen, hätte ich dem Ehrenholde
nicht als Persevant beistehen müssen.

    (Fortsetzung folgt.)

[Ende Spaltensatz] [Abbildung] [Beginn Spaltensatz]
Miscellen.

Als der Graf Rochester einmal dem Doktor Js.
Barrow begegnete, sagte er zu seiner Begleitung, er
wolle sich mit dem alten Tropfe einen Spaß machen.
Er ging also sehr gravitätisch auf ihn zu, nahm sei-
nen Hut ab, und machte dem Doktor eine sehr tiefe
Verbeugung mit den Worten: ich bin der Jhrige bis
zu meinen Schuhriemen. Der Doktor, der wohl sah,
wo der Graf hinauswollte, zog sogleich sein Baret
ab, und verneigte sich eben so tief, mit einem: My-
lord, ich bin der Jhrige bis zum Fußboden. Rochester
machte noch eine tiefere Verbeugung und sagte: Herr
Doktor, ich bin der Jhrige bis zum Mittelpunkt der
Erde. Der Doktor verneigte sich gleich tief, und
sagte: ich bin der Jhrige bis zu den Antipoden. Da
rief der Graf verlegen: Herr Doktor, ich bin der
Jhrige bis zum tiefsten Abgrund der Hölle. – Da
lass' ich Sie, versetzte schnell der Doktor, und spazierte
weiter.


[Spaltenumbruch]

Zu Brighton in England wurde einst durch
öffentlichen Anschlag bekannt gemacht, daß Jemand an
einem bestimmten Nachmittage auf offener See spazie-
ren gehen würde. So unglaublich dies auch klang,
so glaubte man die Nachricht doch. Alles, was fah-
ren, reiten und gehen konnte, fand sich zur festge-
setzten Zeit am Strande ein, und es wimmelte von
Wagen, Pferden und Menschen. Aber es verging
eine Stunde nach der andern, ohne daß sich der Wun-
dermann sehen ließ. Endlich brach der Abend an und
man sah noch keine Anstalten zum Spaziergange auf
dem Wasser. Man war daher gezwungen, sich bei
dunkler Nacht nach Hause zu begeben. Am andern
Morgen las man an allen Straßenecken die Nachricht,
daß zwei Personen mit einander gewettet hätten, ob
es möglich sei, daß eine so unglaubliche Ankündigung
Glauben finden würde. Der Gewinner dankte zugleich
dem Publikum für seinen guten Willen.



[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0008"/>
      <fw type="header" place="top">159 Conversations=Blatt. 160</fw>
      <cb xml:id="q01" next="#q02" type="start" n="159"/>
      <div xml:id="a01" next="#a02">
        <p>zwei Zofen und eine Gürtelmagd der Herzogin, wie<lb/>
auch die Trompeter, Pfeifer und Schallmeier des Her-<lb/>
zogs, die gar wacker aufbliesen. Da waren wir ganz<lb/>
lustig, sangen und tanzten im Schifflein gar munter.</p><lb/>
        <p>Und als wir nach Wien kamen, sahen wir des<lb/>
angekommenen Volkes so viel, daß wir schier erstaun-<lb/>
ten. Es ist auch nicht zu sagen und zu beschreiben,<lb/>
mit welcher Pracht und Herrlichkeit die Fürsten und<lb/>
Herren da erschienen, und wie schön die Jungfrauen</p>
      </div><lb/>
      <cb xml:id="q03" next="#q04" n="160"/>
      <div xml:id="a02" prev="#a01">
        <p>sich zugerüstet und ausgeschmückt hatten, mit Edel-<lb/>
gesteinen, Ketten, Blumen und Bändern, daß man<lb/>
gar nicht wußte, wohin man die Augen wenden sollte.<lb/>
Jch durchlief nur die Straßen, um zu hören und zu<lb/>
sehen, was vorging. Da hörte ich Sang und Sai-<lb/>
tenspiel gar lieblich und fein, und wär schier nicht in<lb/>
die Herberge gekommen, hätte ich dem Ehrenholde<lb/>
nicht als Persevant beistehen müssen.</p><lb/>
        <p><space dim="horizontal"/>   (Fortsetzung folgt.) <note type="editorial">Folgende Ausgaben, die Fortsetzungsteile enthalten, fehlen.</note></p>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
      <figure/>
      <cb xml:id="q02" prev="#q01" type="start"/>
      <div type="jVarious" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Miscellen</hi>.</hi> </head><lb/>
        <div xml:id="e01" next="#e02" type="jArticle" n="2">
          <p>Als der Graf Rochester einmal dem Doktor Js.<lb/>
Barrow begegnete, sagte er zu seiner Begleitung, er<lb/>
wolle sich mit dem alten Tropfe einen Spaß machen.<lb/>
Er ging also sehr gravitätisch auf ihn zu, nahm sei-<lb/>
nen Hut ab, und machte dem Doktor eine sehr tiefe<lb/>
Verbeugung mit den Worten: ich bin der Jhrige bis<lb/>
zu meinen Schuhriemen. Der Doktor, der wohl sah,<lb/>
wo der Graf hinauswollte, zog sogleich sein Baret<lb/>
ab, und verneigte sich eben so tief, mit einem: My-<lb/>
lord, ich bin der Jhrige bis zum Fußboden. Rochester<lb/>
machte noch eine tiefere Verbeugung und sagte: Herr<lb/>
Doktor, ich bin der Jhrige bis zum Mittelpunkt der<lb/>
Erde. Der Doktor verneigte sich gleich tief, und<lb/>
sagte: ich bin der Jhrige bis zu den Antipoden. Da<lb/>
rief der Graf verlegen: Herr Doktor, ich bin der<lb/>
Jhrige bis zum tiefsten Abgrund der Hölle. &#x2013; Da<lb/>
lass' ich Sie, versetzte schnell der Doktor, und spazierte<lb/>
weiter.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div><lb/>
        <cb xml:id="q04" prev="#q03"/>
        <div xml:id="e02" prev="#01" type="jArticle" n="2">
          <p>Zu <hi rendition="#g">Brighton</hi> in England wurde einst durch<lb/>
öffentlichen Anschlag bekannt gemacht, daß Jemand an<lb/>
einem bestimmten Nachmittage auf offener See spazie-<lb/>
ren gehen würde. So unglaublich dies auch klang,<lb/>
so glaubte man die Nachricht doch. Alles, was fah-<lb/>
ren, reiten und gehen konnte, fand sich zur festge-<lb/>
setzten Zeit am Strande ein, und es wimmelte von<lb/>
Wagen, Pferden und Menschen. Aber es verging<lb/>
eine Stunde nach der andern, ohne daß sich der Wun-<lb/>
dermann sehen ließ. Endlich brach der Abend an und<lb/>
man sah noch keine Anstalten zum Spaziergange auf<lb/>
dem Wasser. Man war daher gezwungen, sich bei<lb/>
dunkler Nacht nach Hause zu begeben. Am andern<lb/>
Morgen las man an allen Straßenecken die Nachricht,<lb/>
daß zwei Personen mit einander gewettet hätten, ob<lb/>
es möglich sei, daß eine so unglaubliche Ankündigung<lb/>
Glauben finden würde. Der Gewinner dankte zugleich<lb/>
dem Publikum für seinen guten Willen.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb type="end"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0008] 159 Conversations=Blatt. 160 zwei Zofen und eine Gürtelmagd der Herzogin, wie auch die Trompeter, Pfeifer und Schallmeier des Her- zogs, die gar wacker aufbliesen. Da waren wir ganz lustig, sangen und tanzten im Schifflein gar munter. Und als wir nach Wien kamen, sahen wir des angekommenen Volkes so viel, daß wir schier erstaun- ten. Es ist auch nicht zu sagen und zu beschreiben, mit welcher Pracht und Herrlichkeit die Fürsten und Herren da erschienen, und wie schön die Jungfrauen sich zugerüstet und ausgeschmückt hatten, mit Edel- gesteinen, Ketten, Blumen und Bändern, daß man gar nicht wußte, wohin man die Augen wenden sollte. Jch durchlief nur die Straßen, um zu hören und zu sehen, was vorging. Da hörte ich Sang und Sai- tenspiel gar lieblich und fein, und wär schier nicht in die Herberge gekommen, hätte ich dem Ehrenholde nicht als Persevant beistehen müssen. (Fortsetzung folgt.) [Abbildung] Miscellen. Als der Graf Rochester einmal dem Doktor Js. Barrow begegnete, sagte er zu seiner Begleitung, er wolle sich mit dem alten Tropfe einen Spaß machen. Er ging also sehr gravitätisch auf ihn zu, nahm sei- nen Hut ab, und machte dem Doktor eine sehr tiefe Verbeugung mit den Worten: ich bin der Jhrige bis zu meinen Schuhriemen. Der Doktor, der wohl sah, wo der Graf hinauswollte, zog sogleich sein Baret ab, und verneigte sich eben so tief, mit einem: My- lord, ich bin der Jhrige bis zum Fußboden. Rochester machte noch eine tiefere Verbeugung und sagte: Herr Doktor, ich bin der Jhrige bis zum Mittelpunkt der Erde. Der Doktor verneigte sich gleich tief, und sagte: ich bin der Jhrige bis zu den Antipoden. Da rief der Graf verlegen: Herr Doktor, ich bin der Jhrige bis zum tiefsten Abgrund der Hölle. – Da lass' ich Sie, versetzte schnell der Doktor, und spazierte weiter. Zu Brighton in England wurde einst durch öffentlichen Anschlag bekannt gemacht, daß Jemand an einem bestimmten Nachmittage auf offener See spazie- ren gehen würde. So unglaublich dies auch klang, so glaubte man die Nachricht doch. Alles, was fah- ren, reiten und gehen konnte, fand sich zur festge- setzten Zeit am Strande ein, und es wimmelte von Wagen, Pferden und Menschen. Aber es verging eine Stunde nach der andern, ohne daß sich der Wun- dermann sehen ließ. Endlich brach der Abend an und man sah noch keine Anstalten zum Spaziergange auf dem Wasser. Man war daher gezwungen, sich bei dunkler Nacht nach Hause zu begeben. Am andern Morgen las man an allen Straßenecken die Nachricht, daß zwei Personen mit einander gewettet hätten, ob es möglich sei, daß eine so unglaubliche Ankündigung Glauben finden würde. Der Gewinner dankte zugleich dem Publikum für seinen guten Willen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt10_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt10_1836/8
Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 10. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt10_1836/8>, abgerufen am 21.11.2024.