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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 21. Burg/Berlin, 1836.

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Die Sturmvögel.

Ein Seeabentheuer.

Bei den mannichfaltigen Gefahren, mit denen die
Stürme die Schiffer bedrohen, kann man sich über die
abergläubische Furcht nicht wundern, welche letztere vor
vielen sogenannten Anzeichen oder Vorboten haben. Zu
diesen gehören die Sturmvögel (Procellaria) , die gleich
den Schwalben lang geschweift und geflügelt sind und in
einigen Arten an Größe die Gans übertreffen. Sie flie-
gen außerordentlich weit vom Lande fort, scheinen sich Mo-
nate lang nur auf dem Meere aufzuhalten und nur zur
Brutzeit die Küsten zu besuchen. Sie finden ihre Nahrung
im Wasser und suchen sich durch Tauchen vor Feinden in
der Luft, wie durch Auffliegen vor Feinden im Wasser zu
schützen. Jn der Regel fliegen sie nicht hoch, sondern
scheinen mehr auf der Meeresfläche mit ausgebreiteten Flü-
geln zu laufen; gegen geringere Feinde vertheidigen sie sich
dadurch, daß sie ihnen aus einer Röhre, die auf dem Rücken
des Schnabels liegt und zu den Nasenlöchern führt, einen
öligen Saft entgegen spritzen.

[Spaltenumbruch]

Diese Thiere werden von den Matrosen für Geister
abgeschiedener Seemänner, die ins Meer versunken sind,
gehalten und erscheinen der Mannschaft auf dem Schiffe
immer gerade, wie dieselbe es braucht, als Verkünder von
heiterem Wetter oder von Sturm, oder von sonstigen
Glücks= und Unglücksfällen. Solch ein Thier vom Schiffe
aus zu schießen, ist für den Verwegenen, der es gethan,
nicht ohne Gefahr, denn selbst die Offiziere sind nicht frei
von diesem Aberglauben, und die Matrosen tragen lange
das Unrecht, das man einem ihrer vermeinten Brüder zu-
gefügt hat, im Gedächtniß, und rächen sich nicht selten auf
die entsetzlichste Weise, ohne Rücksicht auf die Folgen und
ohne darauf zu achten, wen ihre vermeinte Rache sonst noch
trifft.

Die Brigg Worcester befand sich auf der Reise nach
den Antillen in der Gegend der unbeständigen Winde, den
Rechnungen nach unfern vom Ziele, doch immer noch einige
Tagereisen weit von den Jnseln, welche die große Gruppe
bilden. Man hatte die lange Zeit der Reise auf die man-
nichfachste Weise hinzubringen gesucht, und dies war nicht
schwer geworden, da die Personen, welche die eigentliche
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Die Sturmvögel.

Ein Seeabentheuer.

Bei den mannichfaltigen Gefahren, mit denen die
Stürme die Schiffer bedrohen, kann man sich über die
abergläubische Furcht nicht wundern, welche letztere vor
vielen sogenannten Anzeichen oder Vorboten haben. Zu
diesen gehören die Sturmvögel (Procellaria) , die gleich
den Schwalben lang geschweift und geflügelt sind und in
einigen Arten an Größe die Gans übertreffen. Sie flie-
gen außerordentlich weit vom Lande fort, scheinen sich Mo-
nate lang nur auf dem Meere aufzuhalten und nur zur
Brutzeit die Küsten zu besuchen. Sie finden ihre Nahrung
im Wasser und suchen sich durch Tauchen vor Feinden in
der Luft, wie durch Auffliegen vor Feinden im Wasser zu
schützen. Jn der Regel fliegen sie nicht hoch, sondern
scheinen mehr auf der Meeresfläche mit ausgebreiteten Flü-
geln zu laufen; gegen geringere Feinde vertheidigen sie sich
dadurch, daß sie ihnen aus einer Röhre, die auf dem Rücken
des Schnabels liegt und zu den Nasenlöchern führt, einen
öligen Saft entgegen spritzen.

[Spaltenumbruch]

Diese Thiere werden von den Matrosen für Geister
abgeschiedener Seemänner, die ins Meer versunken sind,
gehalten und erscheinen der Mannschaft auf dem Schiffe
immer gerade, wie dieselbe es braucht, als Verkünder von
heiterem Wetter oder von Sturm, oder von sonstigen
Glücks= und Unglücksfällen. Solch ein Thier vom Schiffe
aus zu schießen, ist für den Verwegenen, der es gethan,
nicht ohne Gefahr, denn selbst die Offiziere sind nicht frei
von diesem Aberglauben, und die Matrosen tragen lange
das Unrecht, das man einem ihrer vermeinten Brüder zu-
gefügt hat, im Gedächtniß, und rächen sich nicht selten auf
die entsetzlichste Weise, ohne Rücksicht auf die Folgen und
ohne darauf zu achten, wen ihre vermeinte Rache sonst noch
trifft.

Die Brigg Worcester befand sich auf der Reise nach
den Antillen in der Gegend der unbeständigen Winde, den
Rechnungen nach unfern vom Ziele, doch immer noch einige
Tagereisen weit von den Jnseln, welche die große Gruppe
bilden. Man hatte die lange Zeit der Reise auf die man-
nichfachste Weise hinzubringen gesucht, und dies war nicht
schwer geworden, da die Personen, welche die eigentliche
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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 21. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt21_1836/5>, abgerufen am 21.11.2024.