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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 21. Burg/Berlin, 1836.

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333 Conversations=Blatt. 334
[Beginn Spaltensatz] ten diese nicht vorzeigen; sie war in den Händen ihres Lieu-
tenants, und zu ihm zu gelangen, hatte sie das Gefecht ge-
hindert. Nun wurde ihr Zustand noch ärger, denn man
betrachtete sie als Spitzbuben, und das aufs höchste erbit-
terte Volk wollte sie alle todtschlagen. Jhre einzige Rettung
schien ihnen jetzt der Kerker zu sein, den sie willig wählten,
bis am folgenden Morgen die Sache untersucht wurde.

"Ein anderes Scharmützel geschah auf einem Felde
bei Peckham zwischen einem Preßgang und einem Haufen
Ziegelbrenner, welche letztere nach einem verzweifelten Ge-
fechte die Oberhand behielten und ihre Gegner in ein Haus
trieben, das man dem Erdboden gleich machen wollte; al-
lein es unterblieb auf das Bitten und die Versicherungen
des Lieutenants, daß blos ein ihm bekannter Matrose der
Gegenstand seines Suchens gewesen wäre. Manche Ma-
trosen, um sich gegen die Preßgänge zu sichern, gesellten sich
zusammen, vier sechs auch noch mehr, bewaffneten sich mit
Pistolen und Flinten und trennten sich nie, weder Tag noch
Nacht; dessen ungeachtet wurden sie angegriffen, wobei man
aber gewöhnlich Todte zählte.

"Ein Matrose hatte eine kranke Frau und zwei Kin-
der. Die Furcht, von ihnen gerissen zu werden, vermochte
ihn, sich im Hause sehr verborgen zu halten und sein Dort-
sein vor allen Menschen zu verleugnen. Er that dies so
lange, bis der elende Zustand seiner Frau den Beistand ei-
nes Arztes durchaus nothwendig machte. Er verließ da-
her eines Abends seine Wohnung unweit des Tower, be-
gleitet von seinen beiden Kindern. Sein Unstern aber wollte,
daß ihm drei Preßknechte begegneten, die ihn kannten und
fortschleppen wollten. Er schlug sie jedoch in der Verzweif-
lung zu Boden und wäre entkommen, wenn seine kleinen
Kinder ihm hätten folgen können. Er wollte diese nicht
zurücklassen, und nun erholten sich die überwundenen Preß-
knechte, bekamen Hülfe und versuchten einen neuen Angriff.
Der unglückliche Ehemann und Vater bestand einen Helden-
kampf. Er bahnte sich den Weg durch acht Gegner, wurde
aber endlich übermannt, und gebunden in ein Boot geschleppt.
Seine Kinder, die in dieser Nachtzeit auf der Straße ver-
lassen waren, und nicht den Weg nach Hause wußten, be-
gleiteten ihn mit ihrem Geschrei bis ans Ufer der Themse,
von wo ihm ihre Klagetöne noch lange nachhallten. Der
Jammer zerriß das Herz dieses unglücklichen Vaters so sehr,
daß er wie ein Rasender wüthete und auch so von den ihn
umgebenden menschlichen Ungeheuern behandelt wurde."

Entsetzlich ist, daß so schauderhafte Thaten in einem
Lande vorgehen können, dessen Häupter nicht erröthen, es das
edelste der Erde zu nennen, dessen Häupter laut im Parlamen-
te aussprechen, daß die niedrigsten Mitglieder dieses Volkes
edler wären, als die edelsten aller andern Nationen, - und
nicht etwa in dem Zeitalter der Barbarei geschah dies, son-
dern im Zeitalter der höchsten sittlichen Verfeinerung ward
und wird es geübt; im Jahre 1779 ist dieser gesetzliche
Menschenraub durch eine Parlamentsakte nicht aufgeho-
ben, sondern noch so weit ausgedehnt worden, daß die Leute
zum Landdienst nun eben so gepreßt werden, wie zum See-
dienst, ja in Zeiten des Mangels an Menschen schickt man
solche Mörderbanden in die Seestädte des festen Landes und
läßt dort Menschen rauben.



[Spaltenumbruch]
Das Hänseln.

Ein Beitrag zu den kaufmännischen Gebräuchen im Mit-
telalter.

Jn jener Zeit, als der Hansabund seine höchste Be-
deutung erreicht hatte, andern Staaten Gesetze vorschrieb,
und seinen Willen zur Richtschnur des Welthandels machte,
ward die Neigung zum Handelsstande so allgemein, daß
man von Seiten der Städte ernstlich darauf bedacht war,
einer Konkurrenz vorzubeugen, die, wenn sie zu sehr um sich
griff, den schon ansässigen Mitgliedern der Kaufmannsgil-
den zu großem Nachtheile gereichen mußte.

Demzufolge führten die Kaufleute, namentlich in Ber-
gen
(damals der vierten Stadt des Hansabundes) , für die
jungen Handlungsbeflissenen ein Noviziat ein, welches volle
acht Jahre währte, und in einem dreifachen, sehr grausa-
men, sogenannten Spiele bestand.

Den Anfang desselben machte das Wasserspiel.
Bei diesem ward der Novize entkleidet und an Seilen drei-
mal durchs Wasser unter einem Schiffe durchgezogen.
Wenn dies geschehen, strich man ihn bis aufs Blut mit
Ruthen, so daß er kaum in vier Wochen wieder geheilt wer-
den konnte.

Darauf folgte das Rauchspiel. Hier wurde der
junge Kaufmann eine halbe Stunde in einen Schornstein
gehängt, und unter seinen Füßen ein Feuer von Haaren,
Fischgräten und andern übelriechenden Materien angezündet;
wobei durch den dadurch verursachten Dampf der also Ge-
quälte in dem Grade litt, daß er mehr todt, als lebendig,
ja oft ganz bewußtlos wieder heruntergelassen wurde. Und
nun mußte er sich abermals auf die vorhin beschriebene
Weise mit Ruthen streichen lassen.

Wenn diese sogenannte Kurzweil vorbei war, so folgte
zuletzt das Staupenspiel. Bei diesem war gewöhnlich
eine große Versammlung von den vornehmsten Kaufleuten,
Frauen und Jungfrauen zugegen. Vor ihnen mußten die
Kandidaten erst mit mehren Vermummten tanzen, worauf
sich vier, ebenfalls maskirte Personen in Mönchskleidern
mit Spießruthen zeigten, welche die Unglücklichen noch ärger
als schon früher geschehen, mißhandelten. Dabei wurde
mit Trompeten und Pauken ein soches Geräusch gemacht,
daß man davor das klägliche Gewinsel der Gepeitschten
nicht hören konnte.

Wer nun das Schreckliche dieses dreifachen, alljährlich
wiederkehrenden Spiels achtmal nach einander ausgestanden
hatte, der ward endlich von den Genossen des Bundes für
einen gebilligten Kaufmann erklärt.

Viele junge Leute, welche nicht wagten, sich dieser
grausamen Marter auszusetzen, blieben deshalb ganz davon
und erfüllten somit den bei diesem Spiele beabsichtigten
Zweck. Andere traten im zweiten oder dritten Jahre wie-
der zurück, Mehre noch blieben lebenslang ungesund.

Dieses Hänseln - eine sehr tändelnde Benennung
für ein so grausames Splel - währte bis in's Jahr 1671,
wo es durch ein Poualmandat abgeschaft ward.

Wenn auch weniger grausam als zu Bergen, so
war doch dieses schadenfrohe Hänseln in den meisten Han-
sestädten gebräuchlich, und selbst bis jetzt hat man die Ge-
wohnheit, daß sich die jungen Kaufleute müssen Hänseln
[Ende Spaltensatz]

333 Conversations=Blatt. 334
[Beginn Spaltensatz] ten diese nicht vorzeigen; sie war in den Händen ihres Lieu-
tenants, und zu ihm zu gelangen, hatte sie das Gefecht ge-
hindert. Nun wurde ihr Zustand noch ärger, denn man
betrachtete sie als Spitzbuben, und das aufs höchste erbit-
terte Volk wollte sie alle todtschlagen. Jhre einzige Rettung
schien ihnen jetzt der Kerker zu sein, den sie willig wählten,
bis am folgenden Morgen die Sache untersucht wurde.

„Ein anderes Scharmützel geschah auf einem Felde
bei Peckham zwischen einem Preßgang und einem Haufen
Ziegelbrenner, welche letztere nach einem verzweifelten Ge-
fechte die Oberhand behielten und ihre Gegner in ein Haus
trieben, das man dem Erdboden gleich machen wollte; al-
lein es unterblieb auf das Bitten und die Versicherungen
des Lieutenants, daß blos ein ihm bekannter Matrose der
Gegenstand seines Suchens gewesen wäre. Manche Ma-
trosen, um sich gegen die Preßgänge zu sichern, gesellten sich
zusammen, vier sechs auch noch mehr, bewaffneten sich mit
Pistolen und Flinten und trennten sich nie, weder Tag noch
Nacht; dessen ungeachtet wurden sie angegriffen, wobei man
aber gewöhnlich Todte zählte.

„Ein Matrose hatte eine kranke Frau und zwei Kin-
der. Die Furcht, von ihnen gerissen zu werden, vermochte
ihn, sich im Hause sehr verborgen zu halten und sein Dort-
sein vor allen Menschen zu verleugnen. Er that dies so
lange, bis der elende Zustand seiner Frau den Beistand ei-
nes Arztes durchaus nothwendig machte. Er verließ da-
her eines Abends seine Wohnung unweit des Tower, be-
gleitet von seinen beiden Kindern. Sein Unstern aber wollte,
daß ihm drei Preßknechte begegneten, die ihn kannten und
fortschleppen wollten. Er schlug sie jedoch in der Verzweif-
lung zu Boden und wäre entkommen, wenn seine kleinen
Kinder ihm hätten folgen können. Er wollte diese nicht
zurücklassen, und nun erholten sich die überwundenen Preß-
knechte, bekamen Hülfe und versuchten einen neuen Angriff.
Der unglückliche Ehemann und Vater bestand einen Helden-
kampf. Er bahnte sich den Weg durch acht Gegner, wurde
aber endlich übermannt, und gebunden in ein Boot geschleppt.
Seine Kinder, die in dieser Nachtzeit auf der Straße ver-
lassen waren, und nicht den Weg nach Hause wußten, be-
gleiteten ihn mit ihrem Geschrei bis ans Ufer der Themse,
von wo ihm ihre Klagetöne noch lange nachhallten. Der
Jammer zerriß das Herz dieses unglücklichen Vaters so sehr,
daß er wie ein Rasender wüthete und auch so von den ihn
umgebenden menschlichen Ungeheuern behandelt wurde.“

Entsetzlich ist, daß so schauderhafte Thaten in einem
Lande vorgehen können, dessen Häupter nicht erröthen, es das
edelste der Erde zu nennen, dessen Häupter laut im Parlamen-
te aussprechen, daß die niedrigsten Mitglieder dieses Volkes
edler wären, als die edelsten aller andern Nationen, – und
nicht etwa in dem Zeitalter der Barbarei geschah dies, son-
dern im Zeitalter der höchsten sittlichen Verfeinerung ward
und wird es geübt; im Jahre 1779 ist dieser gesetzliche
Menschenraub durch eine Parlamentsakte nicht aufgeho-
ben, sondern noch so weit ausgedehnt worden, daß die Leute
zum Landdienst nun eben so gepreßt werden, wie zum See-
dienst, ja in Zeiten des Mangels an Menschen schickt man
solche Mörderbanden in die Seestädte des festen Landes und
läßt dort Menschen rauben.



[Spaltenumbruch]
Das Hänseln.

Ein Beitrag zu den kaufmännischen Gebräuchen im Mit-
telalter.

Jn jener Zeit, als der Hansabund seine höchste Be-
deutung erreicht hatte, andern Staaten Gesetze vorschrieb,
und seinen Willen zur Richtschnur des Welthandels machte,
ward die Neigung zum Handelsstande so allgemein, daß
man von Seiten der Städte ernstlich darauf bedacht war,
einer Konkurrenz vorzubeugen, die, wenn sie zu sehr um sich
griff, den schon ansässigen Mitgliedern der Kaufmannsgil-
den zu großem Nachtheile gereichen mußte.

Demzufolge führten die Kaufleute, namentlich in Ber-
gen
(damals der vierten Stadt des Hansabundes) , für die
jungen Handlungsbeflissenen ein Noviziat ein, welches volle
acht Jahre währte, und in einem dreifachen, sehr grausa-
men, sogenannten Spiele bestand.

Den Anfang desselben machte das Wasserspiel.
Bei diesem ward der Novize entkleidet und an Seilen drei-
mal durchs Wasser unter einem Schiffe durchgezogen.
Wenn dies geschehen, strich man ihn bis aufs Blut mit
Ruthen, so daß er kaum in vier Wochen wieder geheilt wer-
den konnte.

Darauf folgte das Rauchspiel. Hier wurde der
junge Kaufmann eine halbe Stunde in einen Schornstein
gehängt, und unter seinen Füßen ein Feuer von Haaren,
Fischgräten und andern übelriechenden Materien angezündet;
wobei durch den dadurch verursachten Dampf der also Ge-
quälte in dem Grade litt, daß er mehr todt, als lebendig,
ja oft ganz bewußtlos wieder heruntergelassen wurde. Und
nun mußte er sich abermals auf die vorhin beschriebene
Weise mit Ruthen streichen lassen.

Wenn diese sogenannte Kurzweil vorbei war, so folgte
zuletzt das Staupenspiel. Bei diesem war gewöhnlich
eine große Versammlung von den vornehmsten Kaufleuten,
Frauen und Jungfrauen zugegen. Vor ihnen mußten die
Kandidaten erst mit mehren Vermummten tanzen, worauf
sich vier, ebenfalls maskirte Personen in Mönchskleidern
mit Spießruthen zeigten, welche die Unglücklichen noch ärger
als schon früher geschehen, mißhandelten. Dabei wurde
mit Trompeten und Pauken ein soches Geräusch gemacht,
daß man davor das klägliche Gewinsel der Gepeitschten
nicht hören konnte.

Wer nun das Schreckliche dieses dreifachen, alljährlich
wiederkehrenden Spiels achtmal nach einander ausgestanden
hatte, der ward endlich von den Genossen des Bundes für
einen gebilligten Kaufmann erklärt.

Viele junge Leute, welche nicht wagten, sich dieser
grausamen Marter auszusetzen, blieben deshalb ganz davon
und erfüllten somit den bei diesem Spiele beabsichtigten
Zweck. Andere traten im zweiten oder dritten Jahre wie-
der zurück, Mehre noch blieben lebenslang ungesund.

Dieses Hänseln – eine sehr tändelnde Benennung
für ein so grausames Splel – währte bis in's Jahr 1671,
wo es durch ein Poualmandat abgeschaft ward.

Wenn auch weniger grausam als zu Bergen, so
war doch dieses schadenfrohe Hänseln in den meisten Han-
sestädten gebräuchlich, und selbst bis jetzt hat man die Ge-
wohnheit, daß sich die jungen Kaufleute müssen Hänseln
[Ende Spaltensatz]

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Der Jammer zerriß das Herz dieses unglücklichen Vaters so sehr, daß er wie ein Rasender wüthete und auch so von den ihn umgebenden menschlichen Ungeheuern behandelt wurde.“ Entsetzlich ist, daß so schauderhafte Thaten in einem Lande vorgehen können, dessen Häupter nicht erröthen, es das edelste der Erde zu nennen, dessen Häupter laut im Parlamen- te aussprechen, daß die niedrigsten Mitglieder dieses Volkes edler wären, als die edelsten aller andern Nationen, – und nicht etwa in dem Zeitalter der Barbarei geschah dies, son- dern im Zeitalter der höchsten sittlichen Verfeinerung ward und wird es geübt; im Jahre 1779 ist dieser gesetzliche Menschenraub durch eine Parlamentsakte nicht aufgeho- ben, sondern noch so weit ausgedehnt worden, daß die Leute zum Landdienst nun eben so gepreßt werden, wie zum See- dienst, ja in Zeiten des Mangels an Menschen schickt man solche Mörderbanden in die Seestädte des festen Landes und läßt dort Menschen rauben. Das Hänseln. 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Dieses Hänseln – eine sehr tändelnde Benennung für ein so grausames Splel – währte bis in's Jahr 1671, wo es durch ein Poualmandat abgeschaft ward. Wenn auch weniger grausam als zu Bergen, so war doch dieses schadenfrohe Hänseln in den meisten Han- sestädten gebräuchlich, und selbst bis jetzt hat man die Ge- wohnheit, daß sich die jungen Kaufleute müssen Hänseln

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 21. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt21_1836/7>, abgerufen am 21.11.2024.