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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 22. Burg/Berlin, 1836.

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341 Conversations=Blatt. 342
[Beginn Spaltensatz] Truppen. Napoleons Worte hatten auf den Soldaten
eine magische Wirkung; allein unter allen geräuschvollen
und dramatischen Szenen, die täglich im Felde vorfielen,
hinterließ die Uebergebung des Adlers an ein neues Regi-
ment in den Gemüthern einen sehr lebhaften Eindruck.

An dem zu dieser Feierlichkeit festgesetzten Tage, wo
Napoleon persönlich und wie in Zeremonie die Fahnentaufe
jungen Soldaten gab, an diesem Tage, sage ich, begab sich
das Regiment sehr früh in der schönsten Haltung, an den
ihm in der Nähe des Hauptquartiers bezeichneten Ort, um
sich in drei geschlossene Kolonnen zu formiren, die drei
Fronten dem Centrum zugewendet, indem die vierte von
dem Generalstab und dem Gefolge des Kaisers angefüllt
werden sollte. Sobald Napoleon ankam, trat das Korps
der Offiziere vor und stellte sich in einer Reihe auf, wäh-
rend er allein vorschritt, und eine seiner chamoisfarbigen
Stuten bestieg. Auf diese Weise unterschied er sich um so
besser durch seinen einfachen Anzug, indem alle seine Be-
gleiter seltsam mit ihm durch ihre glänzenden, durch zahl-
reiche Orden buntscheckigen und reich mit Gold und Silber
verbrämten Uniformen kontrastirten.

Nachdem der Fürst von Wagram, in seiner Eigen-
schaft als General=Major, die Befehle des Kaisers empfan-
gen hatte, stieg er ab und ließ die Fahne, die man zu dem
Ende aus ihrer ledernen Hülle nahm, vor allen in Linie
stehenden Offizieren, der Oberst zur rechten Hand, und so
fort nach dem Range, entfalten. Sogleich rührten die
Trommelschläger die Trommel zum Angriff, bis Berthier
den Adler aus den Händen des Offiziers genommen und
sich einige Schritte dem Kaiser genähert hatte. Sodann
begrüßte Napoleon, das Haupt entblößend, die Fahne, zog
seine Handschuh aus, erhob die rechte Hand zum Adler in
die Höhe und sprach mit feierlicher und betonter Stimme
ohngefähr folgende Worte: "Soldaten, ich vertraue Euch
den französischen Adler an! Jch vertraue ihn Eurer Ta-
pferkeit und Eurem Patriotismus an! Schwöret Jhr, ihn
niemals zu verlassen? Schwöret Jhr für ihn zu leben und
zu sterben? Schwöret Jhr den Tod der Schande vorzuzie-
hen, ihn Euren Händen entrissen zu sehen? Schwöret Jhr
es Alle?...." Auf die letzten Worte: schwört Jhr es? legte
er den Ton so stark, daß er gewissermaßen ein Signal
wurde, wobei alle Offiziere ihre Degen in der Luft schwenk-
ten, und alle Soldaten einstimmig riefen: "Ja, ja, wir
schwören es!" Berthier übergab sodann den Adler dem
Fähnrich des Regiments, das sich in Kolonne formirte,
schloß die Reihen und defilirte unter Musik und dem tau-
sendmal wiederholten Ausruf: Es lebe der Kaiser! von
einer Art von Wuth ergriffen, vor Napoleon vorbei.

    (Beschluß folgt.)



Die Hinrichtung
des Herzogs von Cnghien,

im Jahre 1804.

Der französische Prinz Louis Antoine Henri de Bour-
bon=Cond e, Herzog von Enghien, geboren am 2. August
1772, war ein Sohn des Herzogs Louis de Bourbon und
der Prinzessin Louise d'Orleans. Kaum zur Welt gekom-
[Spaltenumbruch] men, wurde er von einem schrecklichen Schicksale bedroht,
welchem er nur mit genauer Noth entrissen werden konnte.
Durch eine sehr schwierige Geburt hatte nämlich der zarte
Körper des Kindes heftigen Druck erlitten und man wickelte
es daher in linnene, mit Weingeist getränkte Tücher, auf
welche ein Lichtfunke fiel, der bald, zur Flamme angefacht,
das junge Leben gefährdete.

Mit der edlen Gestalt des Prinzen vereinten sich vor-
zügliche Geistesgaben, welche durch eine sorgsame Erziehung
ausgebildet wurden. Jn seinem sechszehnten Jahre zum
Ritter der königlichen Orden ernannt, nahm er bald darauf
als Pair von Frankreich Sitz im Parlamente zu Paris und
hielt bei dieser Gelegenheit, wie es die hergebrachte Sitte
erforderte, eine Rede, welche des Beifalls der Zuhörer nicht
ermangelte.

Die schreckliche Umwälzung in Frankreich begann;
das Haus Bourbon=Cond e widerstrebte mit laut werden-
der Heftigkeit allen Ansprüchen und Forderungen des auf-
geregten Volkes, indem der König Louis XVI. zur Nach-
giebigkeit geneigt war. Die Familie Cond e verließ daher
schon den 16. Juli 1789 - früher als eine andere - ihr
unglückliches Vaterland und gab dadurch das Zeichen zur
allgemeinen Auswanderung der Königlich=Gesinnten.

Der junge Prinz diente - im Jahr 1792 - unter
der kampflustigen Schaar, welche sein Vater gesammelt hatte
und gegen die republikanischen Landsleute anführte. Der
Feldzug in Flandern endete aber mit gänzlicher Auflösung
dieses Heerhaufens, und beide Prinzen, Vater und Sohn,
gingen zu dem Condeschen Corps nach dem Schwarzwalde,
welches ihr Großvater befehligte. Dieser schaffte seinem
Enkel sehr bald Gelegenheit, sich im Kriegeswesen zu üben,
um nachmals als Anführer der Reiterei Beweise von Ein-
sicht und Tapferkeit zu geben. Durch den Frieden zu Lu-
neoille wurde dem Kampfe einstweilen ein Ziel gesetzt, und
das Condesche Korps - im Jahre 1801 - gänzlich auf-
gelöset. Des Herzogs von Enghien Vater war indessen ge-
storben und der Großvater suchte und fand eine Zuflucht in
England. Er selbst aber folgte demselben nicht nach dem
sichern Eilande, denn die zärtlichste Neigung zur Fürstin
von Rohan hielt ihn zurück, und er wendete sich mit ihr
nach Ettenheim, einer kleinen Stadt des Breisgau, nur
einige Stunden von der französischen Grenze entfernt. Hier
beschäftigte ihn seine Liebe, die Jagd und der Anbau seines
Gartens. Von einer Lustreise in die Schweizer Gebirge
kehrte er bald wieder nach Ertenheim zurück, wo ihn sein
böses Geschick ereilen sollte.

Napoleon Buonaparte hatte sich der Revolution be-
mächtigt und die Zügel der Regierung ergriffen. Die Bour-
bons, obgleich vom französischen Boden verbannt, schienen
ihm ein bedeutendes Hinderniß seiner vielumfassenden, ehr-
geizigen Entwürfe zu sein. Daher mochte er wohl ungern
die Gelegenheit entschlüpfen lassen, einen französischen Prin-
zen zu fahen und außer Thätigkeit zu setzen. Er meinte,
etwas Ungewöhnliches thun zu müssen, um seine eigene Herr-
schaft zu begründen und einen kühnen Aufschwung auf den
Kaiserthron nehmen zu können. Das Gerücht von angeb-
lichen oder wirklichen Verschwörungen gegen sein kostbares
Leben, von Umtrieben englischer Agenten in Deutschland zu
seinem Verderben, mit denen der Herzog von Enghien in
[Ende Spaltensatz]

341 Conversations=Blatt. 342
[Beginn Spaltensatz] Truppen. Napoleons Worte hatten auf den Soldaten
eine magische Wirkung; allein unter allen geräuschvollen
und dramatischen Szenen, die täglich im Felde vorfielen,
hinterließ die Uebergebung des Adlers an ein neues Regi-
ment in den Gemüthern einen sehr lebhaften Eindruck.

An dem zu dieser Feierlichkeit festgesetzten Tage, wo
Napoleon persönlich und wie in Zeremonie die Fahnentaufe
jungen Soldaten gab, an diesem Tage, sage ich, begab sich
das Regiment sehr früh in der schönsten Haltung, an den
ihm in der Nähe des Hauptquartiers bezeichneten Ort, um
sich in drei geschlossene Kolonnen zu formiren, die drei
Fronten dem Centrum zugewendet, indem die vierte von
dem Generalstab und dem Gefolge des Kaisers angefüllt
werden sollte. Sobald Napoleon ankam, trat das Korps
der Offiziere vor und stellte sich in einer Reihe auf, wäh-
rend er allein vorschritt, und eine seiner chamoisfarbigen
Stuten bestieg. Auf diese Weise unterschied er sich um so
besser durch seinen einfachen Anzug, indem alle seine Be-
gleiter seltsam mit ihm durch ihre glänzenden, durch zahl-
reiche Orden buntscheckigen und reich mit Gold und Silber
verbrämten Uniformen kontrastirten.

Nachdem der Fürst von Wagram, in seiner Eigen-
schaft als General=Major, die Befehle des Kaisers empfan-
gen hatte, stieg er ab und ließ die Fahne, die man zu dem
Ende aus ihrer ledernen Hülle nahm, vor allen in Linie
stehenden Offizieren, der Oberst zur rechten Hand, und so
fort nach dem Range, entfalten. Sogleich rührten die
Trommelschläger die Trommel zum Angriff, bis Berthier
den Adler aus den Händen des Offiziers genommen und
sich einige Schritte dem Kaiser genähert hatte. Sodann
begrüßte Napoleon, das Haupt entblößend, die Fahne, zog
seine Handschuh aus, erhob die rechte Hand zum Adler in
die Höhe und sprach mit feierlicher und betonter Stimme
ohngefähr folgende Worte: „Soldaten, ich vertraue Euch
den französischen Adler an! Jch vertraue ihn Eurer Ta-
pferkeit und Eurem Patriotismus an! Schwöret Jhr, ihn
niemals zu verlassen? Schwöret Jhr für ihn zu leben und
zu sterben? Schwöret Jhr den Tod der Schande vorzuzie-
hen, ihn Euren Händen entrissen zu sehen? Schwöret Jhr
es Alle?....“ Auf die letzten Worte: schwört Jhr es? legte
er den Ton so stark, daß er gewissermaßen ein Signal
wurde, wobei alle Offiziere ihre Degen in der Luft schwenk-
ten, und alle Soldaten einstimmig riefen: „Ja, ja, wir
schwören es!“ Berthier übergab sodann den Adler dem
Fähnrich des Regiments, das sich in Kolonne formirte,
schloß die Reihen und defilirte unter Musik und dem tau-
sendmal wiederholten Ausruf: Es lebe der Kaiser! von
einer Art von Wuth ergriffen, vor Napoleon vorbei.

    (Beschluß folgt.)



Die Hinrichtung
des Herzogs von Cnghien,

im Jahre 1804.

Der französische Prinz Louis Antoine Henri de Bour-
bon=Cond é, Herzog von Enghien, geboren am 2. August
1772, war ein Sohn des Herzogs Louis de Bourbon und
der Prinzessin Louise d'Orleans. Kaum zur Welt gekom-
[Spaltenumbruch] men, wurde er von einem schrecklichen Schicksale bedroht,
welchem er nur mit genauer Noth entrissen werden konnte.
Durch eine sehr schwierige Geburt hatte nämlich der zarte
Körper des Kindes heftigen Druck erlitten und man wickelte
es daher in linnene, mit Weingeist getränkte Tücher, auf
welche ein Lichtfunke fiel, der bald, zur Flamme angefacht,
das junge Leben gefährdete.

Mit der edlen Gestalt des Prinzen vereinten sich vor-
zügliche Geistesgaben, welche durch eine sorgsame Erziehung
ausgebildet wurden. Jn seinem sechszehnten Jahre zum
Ritter der königlichen Orden ernannt, nahm er bald darauf
als Pair von Frankreich Sitz im Parlamente zu Paris und
hielt bei dieser Gelegenheit, wie es die hergebrachte Sitte
erforderte, eine Rede, welche des Beifalls der Zuhörer nicht
ermangelte.

Die schreckliche Umwälzung in Frankreich begann;
das Haus Bourbon=Cond é widerstrebte mit laut werden-
der Heftigkeit allen Ansprüchen und Forderungen des auf-
geregten Volkes, indem der König Louis XVI. zur Nach-
giebigkeit geneigt war. Die Familie Cond é verließ daher
schon den 16. Juli 1789 – früher als eine andere – ihr
unglückliches Vaterland und gab dadurch das Zeichen zur
allgemeinen Auswanderung der Königlich=Gesinnten.

Der junge Prinz diente – im Jahr 1792 – unter
der kampflustigen Schaar, welche sein Vater gesammelt hatte
und gegen die republikanischen Landsleute anführte. Der
Feldzug in Flandern endete aber mit gänzlicher Auflösung
dieses Heerhaufens, und beide Prinzen, Vater und Sohn,
gingen zu dem Condéschen Corps nach dem Schwarzwalde,
welches ihr Großvater befehligte. Dieser schaffte seinem
Enkel sehr bald Gelegenheit, sich im Kriegeswesen zu üben,
um nachmals als Anführer der Reiterei Beweise von Ein-
sicht und Tapferkeit zu geben. Durch den Frieden zu Lu-
neoille wurde dem Kampfe einstweilen ein Ziel gesetzt, und
das Condésche Korps – im Jahre 1801 – gänzlich auf-
gelöset. Des Herzogs von Enghien Vater war indessen ge-
storben und der Großvater suchte und fand eine Zuflucht in
England. Er selbst aber folgte demselben nicht nach dem
sichern Eilande, denn die zärtlichste Neigung zur Fürstin
von Rohan hielt ihn zurück, und er wendete sich mit ihr
nach Ettenheim, einer kleinen Stadt des Breisgau, nur
einige Stunden von der französischen Grenze entfernt. Hier
beschäftigte ihn seine Liebe, die Jagd und der Anbau seines
Gartens. Von einer Lustreise in die Schweizer Gebirge
kehrte er bald wieder nach Ertenheim zurück, wo ihn sein
böses Geschick ereilen sollte.

Napoleon Buonaparte hatte sich der Revolution be-
mächtigt und die Zügel der Regierung ergriffen. Die Bour-
bons, obgleich vom französischen Boden verbannt, schienen
ihm ein bedeutendes Hinderniß seiner vielumfassenden, ehr-
geizigen Entwürfe zu sein. Daher mochte er wohl ungern
die Gelegenheit entschlüpfen lassen, einen französischen Prin-
zen zu fahen und außer Thätigkeit zu setzen. Er meinte,
etwas Ungewöhnliches thun zu müssen, um seine eigene Herr-
schaft zu begründen und einen kühnen Aufschwung auf den
Kaiserthron nehmen zu können. Das Gerücht von angeb-
lichen oder wirklichen Verschwörungen gegen sein kostbares
Leben, von Umtrieben englischer Agenten in Deutschland zu
seinem Verderben, mit denen der Herzog von Enghien in
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Die schreckliche Umwälzung in Frankreich begann; das Haus Bourbon=Cond é widerstrebte mit laut werden- der Heftigkeit allen Ansprüchen und Forderungen des auf- geregten Volkes, indem der König Louis XVI. zur Nach- giebigkeit geneigt war. Die Familie Cond é verließ daher schon den 16. Juli 1789 – früher als eine andere – ihr unglückliches Vaterland und gab dadurch das Zeichen zur allgemeinen Auswanderung der Königlich=Gesinnten. Der junge Prinz diente – im Jahr 1792 – unter der kampflustigen Schaar, welche sein Vater gesammelt hatte und gegen die republikanischen Landsleute anführte. Der Feldzug in Flandern endete aber mit gänzlicher Auflösung dieses Heerhaufens, und beide Prinzen, Vater und Sohn, gingen zu dem Condéschen Corps nach dem Schwarzwalde, welches ihr Großvater befehligte. Dieser schaffte seinem Enkel sehr bald Gelegenheit, sich im Kriegeswesen zu üben, um nachmals als Anführer der Reiterei Beweise von Ein- sicht und Tapferkeit zu geben. Durch den Frieden zu Lu- neoille wurde dem Kampfe einstweilen ein Ziel gesetzt, und das Condésche Korps – im Jahre 1801 – gänzlich auf- gelöset. Des Herzogs von Enghien Vater war indessen ge- storben und der Großvater suchte und fand eine Zuflucht in England. Er selbst aber folgte demselben nicht nach dem sichern Eilande, denn die zärtlichste Neigung zur Fürstin von Rohan hielt ihn zurück, und er wendete sich mit ihr nach Ettenheim, einer kleinen Stadt des Breisgau, nur einige Stunden von der französischen Grenze entfernt. Hier beschäftigte ihn seine Liebe, die Jagd und der Anbau seines Gartens. Von einer Lustreise in die Schweizer Gebirge kehrte er bald wieder nach Ertenheim zurück, wo ihn sein böses Geschick ereilen sollte. Napoleon Buonaparte hatte sich der Revolution be- mächtigt und die Zügel der Regierung ergriffen. Die Bour- bons, obgleich vom französischen Boden verbannt, schienen ihm ein bedeutendes Hinderniß seiner vielumfassenden, ehr- geizigen Entwürfe zu sein. Daher mochte er wohl ungern die Gelegenheit entschlüpfen lassen, einen französischen Prin- zen zu fahen und außer Thätigkeit zu setzen. Er meinte, etwas Ungewöhnliches thun zu müssen, um seine eigene Herr- schaft zu begründen und einen kühnen Aufschwung auf den Kaiserthron nehmen zu können. Das Gerücht von angeb- lichen oder wirklichen Verschwörungen gegen sein kostbares Leben, von Umtrieben englischer Agenten in Deutschland zu seinem Verderben, mit denen der Herzog von Enghien in

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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 22. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt22_1836/3>, abgerufen am 18.06.2024.