Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 47. Burg/Berlin, 1837.751 Conversationsblatt. 752 [Abbildung]
[Beginn Spaltensatz]
Ein Schuldeinforderer war über Land gegangen, Unmenschlichkeit. Athemlos und halb wahnsinnig stürzte ein Flei- [Ende Spaltensatz] 751 Conversationsblatt. 752 [Abbildung]
[Beginn Spaltensatz]
Ein Schuldeinforderer war über Land gegangen, Unmenschlichkeit. Athemlos und halb wahnsinnig stürzte ein Flei- [Ende Spaltensatz] <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <pb facs="#f0008"/> <fw type="header" place="top">751 <hi rendition="#c">Conversationsblatt.</hi> <hi rendition="#right">752</hi></fw><lb/> <figure/><lb/> <cb type="start" n="751"/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Ein Schuldeinforderer war über Land gegangen,<lb/> um eine Geldpost von einem Bauer einzuziehen. Un-<lb/> terwegs gesellte sich der Teufel zu ihm, und begleitete<lb/> ihn. Jndem sie also durch ein Dorf gingen, weinte<lb/> ein Kind, und die sehr zornige Mutter sagte: „Nun<lb/> schrei, daß dich der Teufel holen müsse! Der Schuld-<lb/> bote sprach zum Teufel: Hörst du nicht, daß man dir<lb/> da ein Kind giebt, warum nimmst du es nicht? Der<lb/> Teufel antwortete: Es ist der Mutter ihr Ernst nicht,<lb/> sie ist zornig. Sie gingen weiter und trafen eine große<lb/> Heerde Säue auf dem Felde an, von welcher sich eine<lb/> Sau verlaufen hatte, welcher der Sauhirt nachlief, und<lb/> die er mit den Worten wieder zur Heerde trieb: daß<lb/> dich der Teufel hole! Der Schuldbote sprach abermals<lb/> zum Teufel: da giebt man dir eine Sau, warum holst<lb/> du sie nicht. Der Teufel erwiederte: Was sollte ich<lb/> mit der Sau thun; wenn ich sie nähme; so müßte sie<lb/> der arme Hirte bezahlen. Sie kamen endlich an den<lb/> Hof, wo der Schuldbote das Geld einfordern sollte, und<lb/> fanden den Bauer in der Scheune dreschen. Als die-<lb/> ser den Schuldboten erblickte, sprach er: Woher kommst<lb/> du in aller Teufel Namen? daß dich der Teufel hole!<lb/> Hierauf sagte der Teufel zum Schuldboten: Hörst du,<lb/> was der Bauer sagte? Dem ist es gewiß Ernst; und<lb/> damit packte ihn der Teufel an.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#fr">Unmenschlichkeit.</hi> </head><lb/> <p>Athemlos und halb wahnsinnig stürzte ein Flei-<lb/> scherknecht in einem östreichschen Dorfe in ein Bierhaus,<lb/> weil er seine Brieftasche mit einigen tausend Gulden,<lb/> die ihm sein Herr zum Einkaufen von Schlachtvieh mit-<lb/><cb n="752"/> gegeben, verloren habe. Ein blutarmer Schneidermei-<lb/> ster, der täglich am Hungertuch nagte, stand auf, fragte<lb/> dieses und jenes von der verlorenen Brieftasche, und<lb/> gab dieselbe endlich sammt ihrem ganzen Jnhalte, dem<lb/> Fleischer, ohne irgend ein anderes Geschenk dafür anzu-<lb/> nehmen, als die Bezahlung einer Zeche von dreizehn<lb/> Kreuzern. Einige Augenblicke später bemerkt der Schnei-<lb/> der, daß der Kellner Zahlen an die Thür schreibt, und<lb/> erfährt auf sein Befragen, daß dieses an demselben Ta-<lb/> ge in der Wiener Lotterie herausgekommene fünf Num-<lb/> mern seien. Er hat auch gesetzt, wird blaß und roth<lb/> und schreit freudebebend: „Das ist Gottes Lohn, hier<lb/> ist mein Zettel, ich habe eine Terne mit funfzehnhun-<lb/> dert Gulden Silber gewonnen.“ Alles freut sich herz-<lb/> lich seines Glücks nnd redet ihm zu, sogleich in das<lb/> benachbarte Städtchen zu gehen, und dem Collecteur<lb/> seinen Zettel zu präsentiren. Der Fleischer nimmt ihn<lb/> freudig auf seinen Wagen und fährt im Gallop mit<lb/> ihm davon. Einige Stunden später wird der Wirth<lb/> als Gerichtsmann aufgefordert, in den Wald zu gehen,<lb/> um die Leiche eines Ermordeten zu besichtigen. Wen<lb/> findet der Schaudernde? – den guten Schneidermei-<lb/> ster, ganz ausgeraubt und mit sieben Messerstichen er-<lb/> mordet. So unmenschlich der Gedanke auch ist – er<lb/> hat doch den nächsten Verdacht auf den Fleischer, eilt<lb/> sogleich in das nächste Städtchen zu dem Collecteur<lb/> und findet dort – den Fleischer, welcher mit dem Col-<lb/> lecteur eben über die Auszahlung der vom Schneider<lb/> gewonnenen <hi rendition="#g">Terne</hi> unterhandelt, und diese Schandthat<lb/> der ruchlosesten Undankbarkeit und barbarischen Unmensch-<lb/> lichkeit eingesteht.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb type="end"/> </body> </text> </TEI> [0008]
751 Conversationsblatt. 752
[Abbildung]
Ein Schuldeinforderer war über Land gegangen,
um eine Geldpost von einem Bauer einzuziehen. Un-
terwegs gesellte sich der Teufel zu ihm, und begleitete
ihn. Jndem sie also durch ein Dorf gingen, weinte
ein Kind, und die sehr zornige Mutter sagte: „Nun
schrei, daß dich der Teufel holen müsse! Der Schuld-
bote sprach zum Teufel: Hörst du nicht, daß man dir
da ein Kind giebt, warum nimmst du es nicht? Der
Teufel antwortete: Es ist der Mutter ihr Ernst nicht,
sie ist zornig. Sie gingen weiter und trafen eine große
Heerde Säue auf dem Felde an, von welcher sich eine
Sau verlaufen hatte, welcher der Sauhirt nachlief, und
die er mit den Worten wieder zur Heerde trieb: daß
dich der Teufel hole! Der Schuldbote sprach abermals
zum Teufel: da giebt man dir eine Sau, warum holst
du sie nicht. Der Teufel erwiederte: Was sollte ich
mit der Sau thun; wenn ich sie nähme; so müßte sie
der arme Hirte bezahlen. Sie kamen endlich an den
Hof, wo der Schuldbote das Geld einfordern sollte, und
fanden den Bauer in der Scheune dreschen. Als die-
ser den Schuldboten erblickte, sprach er: Woher kommst
du in aller Teufel Namen? daß dich der Teufel hole!
Hierauf sagte der Teufel zum Schuldboten: Hörst du,
was der Bauer sagte? Dem ist es gewiß Ernst; und
damit packte ihn der Teufel an.
Unmenschlichkeit.
Athemlos und halb wahnsinnig stürzte ein Flei-
scherknecht in einem östreichschen Dorfe in ein Bierhaus,
weil er seine Brieftasche mit einigen tausend Gulden,
die ihm sein Herr zum Einkaufen von Schlachtvieh mit-
gegeben, verloren habe. Ein blutarmer Schneidermei-
ster, der täglich am Hungertuch nagte, stand auf, fragte
dieses und jenes von der verlorenen Brieftasche, und
gab dieselbe endlich sammt ihrem ganzen Jnhalte, dem
Fleischer, ohne irgend ein anderes Geschenk dafür anzu-
nehmen, als die Bezahlung einer Zeche von dreizehn
Kreuzern. Einige Augenblicke später bemerkt der Schnei-
der, daß der Kellner Zahlen an die Thür schreibt, und
erfährt auf sein Befragen, daß dieses an demselben Ta-
ge in der Wiener Lotterie herausgekommene fünf Num-
mern seien. Er hat auch gesetzt, wird blaß und roth
und schreit freudebebend: „Das ist Gottes Lohn, hier
ist mein Zettel, ich habe eine Terne mit funfzehnhun-
dert Gulden Silber gewonnen.“ Alles freut sich herz-
lich seines Glücks nnd redet ihm zu, sogleich in das
benachbarte Städtchen zu gehen, und dem Collecteur
seinen Zettel zu präsentiren. Der Fleischer nimmt ihn
freudig auf seinen Wagen und fährt im Gallop mit
ihm davon. Einige Stunden später wird der Wirth
als Gerichtsmann aufgefordert, in den Wald zu gehen,
um die Leiche eines Ermordeten zu besichtigen. Wen
findet der Schaudernde? – den guten Schneidermei-
ster, ganz ausgeraubt und mit sieben Messerstichen er-
mordet. So unmenschlich der Gedanke auch ist – er
hat doch den nächsten Verdacht auf den Fleischer, eilt
sogleich in das nächste Städtchen zu dem Collecteur
und findet dort – den Fleischer, welcher mit dem Col-
lecteur eben über die Auszahlung der vom Schneider
gewonnenen Terne unterhandelt, und diese Schandthat
der ruchlosesten Undankbarkeit und barbarischen Unmensch-
lichkeit eingesteht.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung
Weitere Informationen:Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |