Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herders Conversations-Lexikon. Bd. 1. Freiburg im Breisgau, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Operationen schmerzlos zu machen, jetzt allseitig in Anwendung gebracht.


Anagallis, s. Primulaceae.


Anaglypten, dasselbe was Reliefe.


Anagni, Stadt mit 5500 Einw. im Kirchenstaate, Bisthum; dabei Schwefelquellen und Schwefelminen. A. ist Geburtsort der Päpste Innocenz III., Alexander IV., Gregor IX. und Bonifacius VIII.


Anagnosten, in der griech. Kirche dasselbe, was bei den Lateinern die lectores, zu den untergeordneten Kirchendienern gehörig, deren Amt es war, in der Kirche aus den hl. Büchern vorzulesen. - Bei den Römern und Griechen Sklaven, die ihren Herren vorlasen.


Anagogie, geheimer, mystischer Sinn, daher anagogische Schriftauslegung das Nachweisen dieses mystischen Sinnes in Schriftstellen.


Anagramm (Rückschrift), die Umbildung eines Wortes in ein anderes durch Versetzung der Buchstaben, z. B. das bekannte Gras und Sarg, eine Spielerei, die auch in Versen angestellt wird.


Anahuak, die Hochebenen von Mexiko, 7000' über dem Meere mit dem 17000' hohen Vulkan Popokatepetel; auch das ganze alte Königreich Mexiko.


Anaitis, asiat. Göttin, deren Cult besonders über Armenien, Cappadocien, Pontus und zum Theil auch über Medien ausgebreitet war; die vergötterte weibliche Zeugungskraft, daher ihr Tempel Ort der öffentlichen Wollust. Sie hatte eine organisirte Priesterschaft mit großem Grundbesitze in Anaitike, der von ihr genannten armenischen Landschaft am obern Laufe des Euphrat.


Anaklet, einer der 4 ersten Päpste, ob der dritte oder vierte, ist nicht festgestellt; Martyrer, wahrscheinlich in der domitianischen Verfolgung; Gedächtnißtag 13. Juli. - 2. Peter von Leon, als Gegenpapst von Innocenz II. nannte er sich Anaklet II., wurde von Roger von Neapel unterstützt und behauptete sich 7 Jahre bis zu seinem Tode 1138.


Anakönosis, rhetorische Figur, wenn der Redner sich mit den Zuhörern gleichsam berathet.


Anakoluthie, in der Grammatik eine Construction, wo der Verlauf des Satzes dem Anfange nicht entspricht, indem der Schriftsteller in eine andere Wortverbindung übergeht, was besonders nach Zwischensätzen geschieht; Beispiel in Engels Traum des Las Casas in der ersten großen Periode.


Anakondaschlange, Boa anaconda, zu den Riesenschlangen gehörend, in Süd-Amerika, olivenfarbig, lebt im Wasser.


Anakreon aus Teos in Ionien, nach der gewöhnlichen Annahme im J. 559 v. Chr. geb. Er stand bereits im männlichen Alter, als er bei der Eroberung seiner Vaterstadt durch die Perser mit seinen Mitbürgern zu Schiffe ging und mit ihnen in dem thracischen Abdera eine neue Heimat fand. Um diese Zeit bemächtigte sich Polykrates der Herrschaft von Samos und suchte seine Regierung wie durch die Entfaltung äußern Glanzes, so auch durch den Schmuck der Kunst und Poesie zu verherrlichen. An seinen Hof kam nun auch Anakreon, dessen größte Fruchtbarkeit als Dichter in eben diese Periode fällt. Nach Polykrates' Tode folgte Anakreon einem Rufe nach Athen und widmete seine Muse gleichfalls dem Hause der dortigen Tyrannen, dem Preise anderer vornehmer Familien und der poetischen Verherrlichung der Feste der Stadt. Ueber das Lebensende des Dichters haben wir keine sichern Nachrichten. Wiewohl das ganze Alterthum von seinen Poesien mit Liebe und Bewunderung gesprochen hat, so ist Anakreon doch der ächteste Repräsentant des bereits verweichlichten Geistes seines Stammes, der, um mit O. Müller zu reden, im Kallinos noch mit männlichem Muth und Ehrgefühl verbunden erschien, und im Mimnermos sich mit einer zärtlichen Wehmuth von der traurigen Gegenwart abwendet und bei dem Reize des sinnlichen Lebens zu beruhigen sucht, während er im Anakreon alles tiefern Ernstes entblößt ist und das Leben nur insofern als werthvoll betrachtet, als es durch Geselligkeit, Liebe, Musik und Wein verschönert wird; mit Einem Worte: es fehlt bei Anakreon der eigentlich sittliche Charakter. Die Kritik ist aus innern und äußern Gründen längst zu dem Resultat gekommen, daß die auf uns gelangte

Operationen schmerzlos zu machen, jetzt allseitig in Anwendung gebracht.


Anagallis, s. Primulaceae.


Anaglypten, dasselbe was Reliefe.


Anagni, Stadt mit 5500 Einw. im Kirchenstaate, Bisthum; dabei Schwefelquellen und Schwefelminen. A. ist Geburtsort der Päpste Innocenz III., Alexander IV., Gregor IX. und Bonifacius VIII.


Anagnosten, in der griech. Kirche dasselbe, was bei den Lateinern die lectores, zu den untergeordneten Kirchendienern gehörig, deren Amt es war, in der Kirche aus den hl. Büchern vorzulesen. – Bei den Römern und Griechen Sklaven, die ihren Herren vorlasen.


Anagogie, geheimer, mystischer Sinn, daher anagogische Schriftauslegung das Nachweisen dieses mystischen Sinnes in Schriftstellen.


Anagramm (Rückschrift), die Umbildung eines Wortes in ein anderes durch Versetzung der Buchstaben, z. B. das bekannte Gras und Sarg, eine Spielerei, die auch in Versen angestellt wird.


Anahuak, die Hochebenen von Mexiko, 7000' über dem Meere mit dem 17000' hohen Vulkan Popokatepetel; auch das ganze alte Königreich Mexiko.


Anaïtis, asiat. Göttin, deren Cult besonders über Armenien, Cappadocien, Pontus und zum Theil auch über Medien ausgebreitet war; die vergötterte weibliche Zeugungskraft, daher ihr Tempel Ort der öffentlichen Wollust. Sie hatte eine organisirte Priesterschaft mit großem Grundbesitze in Anaïtike, der von ihr genannten armenischen Landschaft am obern Laufe des Euphrat.


Anaklet, einer der 4 ersten Päpste, ob der dritte oder vierte, ist nicht festgestellt; Martyrer, wahrscheinlich in der domitianischen Verfolgung; Gedächtnißtag 13. Juli. – 2. Peter von Leon, als Gegenpapst von Innocenz II. nannte er sich Anaklet II., wurde von Roger von Neapel unterstützt und behauptete sich 7 Jahre bis zu seinem Tode 1138.


Anakönosis, rhetorische Figur, wenn der Redner sich mit den Zuhörern gleichsam berathet.


Anakoluthie, in der Grammatik eine Construction, wo der Verlauf des Satzes dem Anfange nicht entspricht, indem der Schriftsteller in eine andere Wortverbindung übergeht, was besonders nach Zwischensätzen geschieht; Beispiel in Engels Traum des Las Casas in der ersten großen Periode.


Anakondaschlange, Boa anaconda, zu den Riesenschlangen gehörend, in Süd-Amerika, olivenfarbig, lebt im Wasser.


Anakreon aus Teos in Ionien, nach der gewöhnlichen Annahme im J. 559 v. Chr. geb. Er stand bereits im männlichen Alter, als er bei der Eroberung seiner Vaterstadt durch die Perser mit seinen Mitbürgern zu Schiffe ging und mit ihnen in dem thracischen Abdera eine neue Heimat fand. Um diese Zeit bemächtigte sich Polykrates der Herrschaft von Samos und suchte seine Regierung wie durch die Entfaltung äußern Glanzes, so auch durch den Schmuck der Kunst und Poesie zu verherrlichen. An seinen Hof kam nun auch Anakreon, dessen größte Fruchtbarkeit als Dichter in eben diese Periode fällt. Nach Polykratesʼ Tode folgte Anakreon einem Rufe nach Athen und widmete seine Muse gleichfalls dem Hause der dortigen Tyrannen, dem Preise anderer vornehmer Familien und der poetischen Verherrlichung der Feste der Stadt. Ueber das Lebensende des Dichters haben wir keine sichern Nachrichten. Wiewohl das ganze Alterthum von seinen Poesien mit Liebe und Bewunderung gesprochen hat, so ist Anakreon doch der ächteste Repräsentant des bereits verweichlichten Geistes seines Stammes, der, um mit O. Müller zu reden, im Kallinos noch mit männlichem Muth und Ehrgefühl verbunden erschien, und im Mimnermos sich mit einer zärtlichen Wehmuth von der traurigen Gegenwart abwendet und bei dem Reize des sinnlichen Lebens zu beruhigen sucht, während er im Anakreon alles tiefern Ernstes entblößt ist und das Leben nur insofern als werthvoll betrachtet, als es durch Geselligkeit, Liebe, Musik und Wein verschönert wird; mit Einem Worte: es fehlt bei Anakreon der eigentlich sittliche Charakter. Die Kritik ist aus innern und äußern Gründen längst zu dem Resultat gekommen, daß die auf uns gelangte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0171" n="170"/>
Operationen schmerzlos zu machen, jetzt allseitig in Anwendung gebracht.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anagallis</hi>, s. <hi rendition="#i">Primulaceae</hi>.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anaglypten</hi>, dasselbe was Reliefe.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anagni</hi>, Stadt mit 5500 Einw. im Kirchenstaate, Bisthum; dabei Schwefelquellen und Schwefelminen. A. ist Geburtsort der Päpste Innocenz III., Alexander IV., Gregor IX. und Bonifacius VIII.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anagnosten</hi>, in der griech. Kirche dasselbe, was bei den Lateinern die <hi rendition="#i">lectores</hi>, zu den untergeordneten Kirchendienern gehörig, deren Amt es war, in der Kirche aus den hl. Büchern vorzulesen. &#x2013; Bei den Römern und Griechen Sklaven, die ihren Herren vorlasen.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anagogie</hi>, geheimer, mystischer Sinn, daher anagogische Schriftauslegung das Nachweisen dieses mystischen Sinnes in Schriftstellen.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anagramm</hi> (Rückschrift), die Umbildung eines Wortes in ein anderes durch Versetzung der Buchstaben, z. B. das bekannte Gras und Sarg, eine Spielerei, die auch in Versen angestellt wird.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anahuak</hi>, die Hochebenen von Mexiko, 7000' über dem Meere mit dem 17000' hohen Vulkan Popokatepetel; auch das ganze alte Königreich Mexiko.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anaïtis</hi>, asiat. Göttin, deren Cult besonders über Armenien, Cappadocien, Pontus und zum Theil auch über Medien ausgebreitet war; die vergötterte weibliche Zeugungskraft, daher ihr Tempel Ort der öffentlichen Wollust. Sie hatte eine organisirte Priesterschaft mit großem Grundbesitze in Anaïtike, der von ihr genannten armenischen Landschaft am obern Laufe des Euphrat.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anaklet</hi>, einer der 4 ersten Päpste, ob der dritte oder vierte, ist nicht festgestellt; Martyrer, wahrscheinlich in der domitianischen Verfolgung; Gedächtnißtag 13. Juli. &#x2013; 2. Peter von Leon, als Gegenpapst von Innocenz II. nannte er sich Anaklet II., wurde von Roger von Neapel unterstützt und behauptete sich 7 Jahre bis zu seinem Tode 1138.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anakönosis</hi>, rhetorische Figur, wenn der Redner sich mit den Zuhörern gleichsam berathet.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anakoluthie</hi>, in der Grammatik eine Construction, wo der Verlauf des Satzes dem Anfange nicht entspricht, indem der Schriftsteller in eine andere Wortverbindung übergeht, was besonders nach Zwischensätzen geschieht; Beispiel in Engels Traum des Las Casas in der ersten großen Periode.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anakondaschlange</hi>, <hi rendition="#i">Boa anaconda</hi>, zu den Riesenschlangen gehörend, in Süd-Amerika, olivenfarbig, lebt im Wasser.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Anakreon</hi> aus Teos in Ionien, nach der gewöhnlichen Annahme im J. 559 v. Chr. geb. Er stand bereits im männlichen Alter, als er bei der Eroberung seiner Vaterstadt durch die Perser mit seinen Mitbürgern zu Schiffe ging und mit ihnen in dem thracischen Abdera eine neue Heimat fand. Um diese Zeit bemächtigte sich Polykrates der Herrschaft von Samos und suchte seine Regierung wie durch die Entfaltung äußern Glanzes, so auch durch den Schmuck der Kunst und Poesie zu verherrlichen. An seinen Hof kam nun auch Anakreon, dessen größte Fruchtbarkeit als Dichter in eben diese Periode fällt. Nach Polykrates&#x02BC; Tode folgte Anakreon einem Rufe nach Athen und widmete seine Muse gleichfalls dem Hause der dortigen Tyrannen, dem Preise anderer vornehmer Familien und der poetischen Verherrlichung der Feste der Stadt. Ueber das Lebensende des Dichters haben wir keine sichern Nachrichten. Wiewohl das ganze Alterthum von seinen Poesien mit Liebe und Bewunderung gesprochen hat, so ist Anakreon doch der ächteste Repräsentant des bereits verweichlichten Geistes seines Stammes, der, um mit O. Müller zu reden, im Kallinos noch mit männlichem Muth und Ehrgefühl verbunden erschien, und im Mimnermos sich mit einer zärtlichen Wehmuth von der traurigen Gegenwart abwendet und bei dem Reize des sinnlichen Lebens zu beruhigen sucht, während er im Anakreon alles tiefern Ernstes entblößt ist und das Leben nur insofern als werthvoll betrachtet, als es durch Geselligkeit, Liebe, Musik und Wein verschönert wird; mit Einem Worte: es fehlt bei Anakreon der eigentlich sittliche Charakter. Die Kritik ist aus innern und äußern Gründen längst zu dem Resultat gekommen, daß die auf uns gelangte
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0171] Operationen schmerzlos zu machen, jetzt allseitig in Anwendung gebracht. Anagallis, s. Primulaceae. Anaglypten, dasselbe was Reliefe. Anagni, Stadt mit 5500 Einw. im Kirchenstaate, Bisthum; dabei Schwefelquellen und Schwefelminen. A. ist Geburtsort der Päpste Innocenz III., Alexander IV., Gregor IX. und Bonifacius VIII. Anagnosten, in der griech. Kirche dasselbe, was bei den Lateinern die lectores, zu den untergeordneten Kirchendienern gehörig, deren Amt es war, in der Kirche aus den hl. Büchern vorzulesen. – Bei den Römern und Griechen Sklaven, die ihren Herren vorlasen. Anagogie, geheimer, mystischer Sinn, daher anagogische Schriftauslegung das Nachweisen dieses mystischen Sinnes in Schriftstellen. Anagramm (Rückschrift), die Umbildung eines Wortes in ein anderes durch Versetzung der Buchstaben, z. B. das bekannte Gras und Sarg, eine Spielerei, die auch in Versen angestellt wird. Anahuak, die Hochebenen von Mexiko, 7000' über dem Meere mit dem 17000' hohen Vulkan Popokatepetel; auch das ganze alte Königreich Mexiko. Anaïtis, asiat. Göttin, deren Cult besonders über Armenien, Cappadocien, Pontus und zum Theil auch über Medien ausgebreitet war; die vergötterte weibliche Zeugungskraft, daher ihr Tempel Ort der öffentlichen Wollust. Sie hatte eine organisirte Priesterschaft mit großem Grundbesitze in Anaïtike, der von ihr genannten armenischen Landschaft am obern Laufe des Euphrat. Anaklet, einer der 4 ersten Päpste, ob der dritte oder vierte, ist nicht festgestellt; Martyrer, wahrscheinlich in der domitianischen Verfolgung; Gedächtnißtag 13. Juli. – 2. Peter von Leon, als Gegenpapst von Innocenz II. nannte er sich Anaklet II., wurde von Roger von Neapel unterstützt und behauptete sich 7 Jahre bis zu seinem Tode 1138. Anakönosis, rhetorische Figur, wenn der Redner sich mit den Zuhörern gleichsam berathet. Anakoluthie, in der Grammatik eine Construction, wo der Verlauf des Satzes dem Anfange nicht entspricht, indem der Schriftsteller in eine andere Wortverbindung übergeht, was besonders nach Zwischensätzen geschieht; Beispiel in Engels Traum des Las Casas in der ersten großen Periode. Anakondaschlange, Boa anaconda, zu den Riesenschlangen gehörend, in Süd-Amerika, olivenfarbig, lebt im Wasser. Anakreon aus Teos in Ionien, nach der gewöhnlichen Annahme im J. 559 v. Chr. geb. Er stand bereits im männlichen Alter, als er bei der Eroberung seiner Vaterstadt durch die Perser mit seinen Mitbürgern zu Schiffe ging und mit ihnen in dem thracischen Abdera eine neue Heimat fand. Um diese Zeit bemächtigte sich Polykrates der Herrschaft von Samos und suchte seine Regierung wie durch die Entfaltung äußern Glanzes, so auch durch den Schmuck der Kunst und Poesie zu verherrlichen. An seinen Hof kam nun auch Anakreon, dessen größte Fruchtbarkeit als Dichter in eben diese Periode fällt. Nach Polykratesʼ Tode folgte Anakreon einem Rufe nach Athen und widmete seine Muse gleichfalls dem Hause der dortigen Tyrannen, dem Preise anderer vornehmer Familien und der poetischen Verherrlichung der Feste der Stadt. Ueber das Lebensende des Dichters haben wir keine sichern Nachrichten. Wiewohl das ganze Alterthum von seinen Poesien mit Liebe und Bewunderung gesprochen hat, so ist Anakreon doch der ächteste Repräsentant des bereits verweichlichten Geistes seines Stammes, der, um mit O. Müller zu reden, im Kallinos noch mit männlichem Muth und Ehrgefühl verbunden erschien, und im Mimnermos sich mit einer zärtlichen Wehmuth von der traurigen Gegenwart abwendet und bei dem Reize des sinnlichen Lebens zu beruhigen sucht, während er im Anakreon alles tiefern Ernstes entblößt ist und das Leben nur insofern als werthvoll betrachtet, als es durch Geselligkeit, Liebe, Musik und Wein verschönert wird; mit Einem Worte: es fehlt bei Anakreon der eigentlich sittliche Charakter. Die Kritik ist aus innern und äußern Gründen längst zu dem Resultat gekommen, daß die auf uns gelangte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-08-19T11:47:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-08-19T11:47:14Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon01_1857/171
Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 1. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon01_1857/171>, abgerufen am 18.05.2024.