Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855.auch aus (Heerbann) u. kämpften nach Sippen u. Gauen geordnet unter deren Häuptern. Ein Fürst konnte jedoch auf eigene Faust einen Krieg unternehmen, wenn er Freiwillige genug fand, welche ihm gegen einen Antheil an der Beute oder an dem eroberten Lande in den Krieg folgten. Reiche Fürsten hatten solche freiwillige Krieger auch in Friedenszeiten um sich (Gefolge, Geleite) und ernährten sie; natürlich hatte ein Fürst um so mehr unter seinen Stammgenossen zu bedeuten, je größer sein Geleite war. Die Germanen waren um jene Zeit bereits zu dem ansässigen Leben übergegangen; Wald und Weide, d. h. Jagd und Viehzucht, scheinen jedoch zum Lebensunterhalte mehr beigetragen zu haben, als der Acker. Städte gab es keine; nur Dörfer mit nebeneinander liegenden geschlossenen Gehöften, oder aus zerstreuten einzelnen Höfen bestehende. Die Gemeinde hatte eine gemeinschaftliche Mark; bei einzelnen Stämmen wurde jährlich das Ackerfeld, dessen Anbau an die Reihe kam, unter die Gemeindegenossen nach deren Bedarf ausgetheilt, während die Nutzung von Wald und Weide gemeinschaftlich war. Der Freie beschäftigte sich weder mit Ackerbau noch mit einer Handarbeit; beides blieb den Knechten u. Weibern überlassen; letztere spannen und woben Wolle u. Leinwand u. verstanden selbst etwas von der Färberei. Die german. Stämme waren sämmtlich arme und deßwegen raubsüchtige Barbaren, für welche das wohl angebaute, mit Dörfern und Städten übersäete röm. Gebiet unendlichen Reiz hatte; der Begierde, dasselbe auszuplündern u. in Besitz zu nehmen, konnten sie jedoch erst Folge geben, als durch innere Zerrüttung die Lebenskraft des Reiches erschöpft war. Schon Kaiser Marcus Aurelius hatte von 167-180 n. Chr. mit dem Markomannenbunde einen schweren Kampf; der Feind drohte durch die norischen Alpen in Italien selbst einzubrechen, u. obwohl er zurückgetrieben wurde, so konnte sich M. Aurelius doch Böhmens nicht bemächtigen, das zur Sicherung des Donaulandes nothwendig war. Wie die innere Auflösung des röm, Reiches fortschritt, so gewannen die Angriffe der Germanen an Nachdruck, besonders als im 3. Jahrh. sich dieselben in Waffenbündnisse vereinigten: Franken, Alemannen, Sachsen, Gothen. Zuletzt wußte die röm. Politik kein anderes Mittel, als einzelne german. Stämme als Bundesgenossen aufzunehmen und ihnen Land einzuräumen, damit sie als Gränzwächter fernere Angriffe abwiesen. So war schon ein Theil der röm. Provinzen von Germanen besetzt, als der durch Attilas Zug erregte Sturm (451) dem abendländ. Kaiserthum den letzten Stoß gab, indem nicht röm. Streitkräfte, sondern german. auf den catalaunischen Feldern die asiat. Barbaren aus dem Abendlande vertrieben. Der Kaisername wurde von deutschen Heerführern noch dem einen od. andern Römer verliehen, bis der Heruler Odoaker es für zweckdienlich fand (476) Italien unter eigenem Namen, nicht unter kaiserlichem, zu beherrschen. Damit hörte aber die Völkerwanderung noch nicht auf; denn vom Ural und dem schwarzen Meere her drängten slavische, finnische u. türkische Stämme gegen die östl. Germanen, diese wieder auf ihre Nachbarn, so daß noch über ein Jahrh. eine Völkerwoge die andere trieb, und die Vandalen bis nach dem nördl. Afrika, die Langobarden bis in das südl. Italien, die Angelsachsen bis in die schott. Gebirge gelangten. Alle german. Stämme, die sich außerhalb des eigentlichen Germaniens niederließen, gingen entweder unter (wie Vandalen, Ostgothen etc.) od. verschmolzen mit der übrig gebliebenen röm. Bevölkerung zu einer neuen Nationalität (so die Westgothen in Spanien, die Franken u. Burgunder in Gallien, später die Angelsachsen mit den franz. Normännern in England, die Langobarden in Italien; selbst Karl d. Gr., der die meisten german. Völker unter seinem Scepter vereinigte, hemmte die Romanisirung der gallischen und italien. Germanen nicht und nach seinem Tode zerfiel sein großes Reich in Italien, Burgund, Frankreich u. Deutschland, welcher Name nun allmälig aufkommt. Dieses Deutschland erreichte aber den Umfang der G. barbara nicht u. hätten die deutschen auch aus (Heerbann) u. kämpften nach Sippen u. Gauen geordnet unter deren Häuptern. Ein Fürst konnte jedoch auf eigene Faust einen Krieg unternehmen, wenn er Freiwillige genug fand, welche ihm gegen einen Antheil an der Beute oder an dem eroberten Lande in den Krieg folgten. Reiche Fürsten hatten solche freiwillige Krieger auch in Friedenszeiten um sich (Gefolge, Geleite) und ernährten sie; natürlich hatte ein Fürst um so mehr unter seinen Stammgenossen zu bedeuten, je größer sein Geleite war. Die Germanen waren um jene Zeit bereits zu dem ansässigen Leben übergegangen; Wald und Weide, d. h. Jagd und Viehzucht, scheinen jedoch zum Lebensunterhalte mehr beigetragen zu haben, als der Acker. Städte gab es keine; nur Dörfer mit nebeneinander liegenden geschlossenen Gehöften, oder aus zerstreuten einzelnen Höfen bestehende. Die Gemeinde hatte eine gemeinschaftliche Mark; bei einzelnen Stämmen wurde jährlich das Ackerfeld, dessen Anbau an die Reihe kam, unter die Gemeindegenossen nach deren Bedarf ausgetheilt, während die Nutzung von Wald und Weide gemeinschaftlich war. Der Freie beschäftigte sich weder mit Ackerbau noch mit einer Handarbeit; beides blieb den Knechten u. Weibern überlassen; letztere spannen und woben Wolle u. Leinwand u. verstanden selbst etwas von der Färberei. Die german. Stämme waren sämmtlich arme und deßwegen raubsüchtige Barbaren, für welche das wohl angebaute, mit Dörfern und Städten übersäete röm. Gebiet unendlichen Reiz hatte; der Begierde, dasselbe auszuplündern u. in Besitz zu nehmen, konnten sie jedoch erst Folge geben, als durch innere Zerrüttung die Lebenskraft des Reiches erschöpft war. Schon Kaiser Marcus Aurelius hatte von 167–180 n. Chr. mit dem Markomannenbunde einen schweren Kampf; der Feind drohte durch die norischen Alpen in Italien selbst einzubrechen, u. obwohl er zurückgetrieben wurde, so konnte sich M. Aurelius doch Böhmens nicht bemächtigen, das zur Sicherung des Donaulandes nothwendig war. Wie die innere Auflösung des röm, Reiches fortschritt, so gewannen die Angriffe der Germanen an Nachdruck, besonders als im 3. Jahrh. sich dieselben in Waffenbündnisse vereinigten: Franken, Alemannen, Sachsen, Gothen. Zuletzt wußte die röm. Politik kein anderes Mittel, als einzelne german. Stämme als Bundesgenossen aufzunehmen und ihnen Land einzuräumen, damit sie als Gränzwächter fernere Angriffe abwiesen. So war schon ein Theil der röm. Provinzen von Germanen besetzt, als der durch Attilas Zug erregte Sturm (451) dem abendländ. Kaiserthum den letzten Stoß gab, indem nicht röm. Streitkräfte, sondern german. auf den catalaunischen Feldern die asiat. Barbaren aus dem Abendlande vertrieben. Der Kaisername wurde von deutschen Heerführern noch dem einen od. andern Römer verliehen, bis der Heruler Odoaker es für zweckdienlich fand (476) Italien unter eigenem Namen, nicht unter kaiserlichem, zu beherrschen. Damit hörte aber die Völkerwanderung noch nicht auf; denn vom Ural und dem schwarzen Meere her drängten slavische, finnische u. türkische Stämme gegen die östl. Germanen, diese wieder auf ihre Nachbarn, so daß noch über ein Jahrh. eine Völkerwoge die andere trieb, und die Vandalen bis nach dem nördl. Afrika, die Langobarden bis in das südl. Italien, die Angelsachsen bis in die schott. Gebirge gelangten. Alle german. Stämme, die sich außerhalb des eigentlichen Germaniens niederließen, gingen entweder unter (wie Vandalen, Ostgothen etc.) od. verschmolzen mit der übrig gebliebenen röm. Bevölkerung zu einer neuen Nationalität (so die Westgothen in Spanien, die Franken u. Burgunder in Gallien, später die Angelsachsen mit den franz. Normännern in England, die Langobarden in Italien; selbst Karl d. Gr., der die meisten german. Völker unter seinem Scepter vereinigte, hemmte die Romanisirung der gallischen und italien. Germanen nicht und nach seinem Tode zerfiel sein großes Reich in Italien, Burgund, Frankreich u. Deutschland, welcher Name nun allmälig aufkommt. Dieses Deutschland erreichte aber den Umfang der G. barbara nicht u. hätten die deutschen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0065" n="64"/> auch aus (Heerbann) u. kämpften nach Sippen u. Gauen geordnet unter deren Häuptern. Ein Fürst konnte jedoch auf eigene Faust einen Krieg unternehmen, wenn er Freiwillige genug fand, welche ihm gegen einen Antheil an der Beute oder an dem eroberten Lande in den Krieg folgten. Reiche Fürsten hatten solche freiwillige Krieger auch in Friedenszeiten um sich (Gefolge, Geleite) und ernährten sie; natürlich hatte ein Fürst um so mehr unter seinen Stammgenossen zu bedeuten, je größer sein Geleite war. Die Germanen waren um jene Zeit bereits zu dem ansässigen Leben übergegangen; Wald und Weide, d. h. Jagd und Viehzucht, scheinen jedoch zum Lebensunterhalte mehr beigetragen zu haben, als der Acker. Städte gab es keine; nur Dörfer mit nebeneinander liegenden geschlossenen Gehöften, oder aus zerstreuten einzelnen Höfen bestehende. Die Gemeinde hatte eine gemeinschaftliche Mark; bei einzelnen Stämmen wurde jährlich das Ackerfeld, dessen Anbau an die Reihe kam, unter die Gemeindegenossen nach deren Bedarf ausgetheilt, während die Nutzung von Wald und Weide gemeinschaftlich war. Der Freie beschäftigte sich weder mit Ackerbau noch mit einer Handarbeit; beides blieb den Knechten u. Weibern überlassen; letztere spannen und woben Wolle u. Leinwand u. verstanden selbst etwas von der Färberei. Die german. Stämme waren sämmtlich arme und deßwegen raubsüchtige Barbaren, für welche das wohl angebaute, mit Dörfern und Städten übersäete röm. Gebiet unendlichen Reiz hatte; der Begierde, dasselbe auszuplündern u. in Besitz zu nehmen, konnten sie jedoch erst Folge geben, als durch innere Zerrüttung die Lebenskraft des Reiches erschöpft war. Schon Kaiser Marcus Aurelius hatte von 167–180 n. Chr. mit dem Markomannenbunde einen schweren Kampf; der Feind drohte durch die norischen Alpen in Italien selbst einzubrechen, u. obwohl er zurückgetrieben wurde, so konnte sich M. Aurelius doch Böhmens nicht bemächtigen, das zur Sicherung des Donaulandes nothwendig war. Wie die innere Auflösung des röm, Reiches fortschritt, so gewannen die Angriffe der Germanen an Nachdruck, besonders als im 3. Jahrh. sich dieselben in Waffenbündnisse vereinigten: Franken, Alemannen, Sachsen, Gothen. Zuletzt wußte die röm. Politik kein anderes Mittel, als einzelne german. Stämme als Bundesgenossen aufzunehmen und ihnen Land einzuräumen, damit sie als Gränzwächter fernere Angriffe abwiesen. So war schon ein Theil der röm. Provinzen von Germanen besetzt, als der durch Attilas Zug erregte Sturm (451) dem abendländ. Kaiserthum den letzten Stoß gab, indem nicht röm. Streitkräfte, sondern german. auf den catalaunischen Feldern die asiat. Barbaren aus dem Abendlande vertrieben. Der Kaisername wurde von deutschen Heerführern noch dem einen od. andern Römer verliehen, bis der Heruler Odoaker es für zweckdienlich fand (476) Italien unter eigenem Namen, nicht unter kaiserlichem, zu beherrschen. Damit hörte aber die Völkerwanderung noch nicht auf; denn vom Ural und dem schwarzen Meere her drängten slavische, finnische u. türkische Stämme gegen die östl. Germanen, diese wieder auf ihre Nachbarn, so daß noch über ein Jahrh. eine Völkerwoge die andere trieb, und die Vandalen bis nach dem nördl. Afrika, die Langobarden bis in das südl. Italien, die Angelsachsen bis in die schott. Gebirge gelangten. Alle german. Stämme, die sich außerhalb des eigentlichen Germaniens niederließen, gingen entweder unter (wie Vandalen, Ostgothen etc.) od. verschmolzen mit der übrig gebliebenen röm. Bevölkerung zu einer neuen Nationalität (so die Westgothen in Spanien, die Franken u. Burgunder in Gallien, später die Angelsachsen mit den franz. Normännern in England, die Langobarden in Italien; selbst Karl d. Gr., der die meisten german. Völker unter seinem Scepter vereinigte, hemmte die Romanisirung der gallischen und italien. 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auch aus (Heerbann) u. kämpften nach Sippen u. Gauen geordnet unter deren Häuptern. Ein Fürst konnte jedoch auf eigene Faust einen Krieg unternehmen, wenn er Freiwillige genug fand, welche ihm gegen einen Antheil an der Beute oder an dem eroberten Lande in den Krieg folgten. Reiche Fürsten hatten solche freiwillige Krieger auch in Friedenszeiten um sich (Gefolge, Geleite) und ernährten sie; natürlich hatte ein Fürst um so mehr unter seinen Stammgenossen zu bedeuten, je größer sein Geleite war. Die Germanen waren um jene Zeit bereits zu dem ansässigen Leben übergegangen; Wald und Weide, d. h. Jagd und Viehzucht, scheinen jedoch zum Lebensunterhalte mehr beigetragen zu haben, als der Acker. Städte gab es keine; nur Dörfer mit nebeneinander liegenden geschlossenen Gehöften, oder aus zerstreuten einzelnen Höfen bestehende. Die Gemeinde hatte eine gemeinschaftliche Mark; bei einzelnen Stämmen wurde jährlich das Ackerfeld, dessen Anbau an die Reihe kam, unter die Gemeindegenossen nach deren Bedarf ausgetheilt, während die Nutzung von Wald und Weide gemeinschaftlich war. Der Freie beschäftigte sich weder mit Ackerbau noch mit einer Handarbeit; beides blieb den Knechten u. Weibern überlassen; letztere spannen und woben Wolle u. Leinwand u. verstanden selbst etwas von der Färberei. Die german. Stämme waren sämmtlich arme und deßwegen raubsüchtige Barbaren, für welche das wohl angebaute, mit Dörfern und Städten übersäete röm. Gebiet unendlichen Reiz hatte; der Begierde, dasselbe auszuplündern u. in Besitz zu nehmen, konnten sie jedoch erst Folge geben, als durch innere Zerrüttung die Lebenskraft des Reiches erschöpft war. Schon Kaiser Marcus Aurelius hatte von 167–180 n. Chr. mit dem Markomannenbunde einen schweren Kampf; der Feind drohte durch die norischen Alpen in Italien selbst einzubrechen, u. obwohl er zurückgetrieben wurde, so konnte sich M. Aurelius doch Böhmens nicht bemächtigen, das zur Sicherung des Donaulandes nothwendig war. Wie die innere Auflösung des röm, Reiches fortschritt, so gewannen die Angriffe der Germanen an Nachdruck, besonders als im 3. Jahrh. sich dieselben in Waffenbündnisse vereinigten: Franken, Alemannen, Sachsen, Gothen. Zuletzt wußte die röm. Politik kein anderes Mittel, als einzelne german. Stämme als Bundesgenossen aufzunehmen und ihnen Land einzuräumen, damit sie als Gränzwächter fernere Angriffe abwiesen. So war schon ein Theil der röm. Provinzen von Germanen besetzt, als der durch Attilas Zug erregte Sturm (451) dem abendländ. Kaiserthum den letzten Stoß gab, indem nicht röm. Streitkräfte, sondern german. auf den catalaunischen Feldern die asiat. Barbaren aus dem Abendlande vertrieben. Der Kaisername wurde von deutschen Heerführern noch dem einen od. andern Römer verliehen, bis der Heruler Odoaker es für zweckdienlich fand (476) Italien unter eigenem Namen, nicht unter kaiserlichem, zu beherrschen. Damit hörte aber die Völkerwanderung noch nicht auf; denn vom Ural und dem schwarzen Meere her drängten slavische, finnische u. türkische Stämme gegen die östl. Germanen, diese wieder auf ihre Nachbarn, so daß noch über ein Jahrh. eine Völkerwoge die andere trieb, und die Vandalen bis nach dem nördl. Afrika, die Langobarden bis in das südl. Italien, die Angelsachsen bis in die schott. Gebirge gelangten. Alle german. Stämme, die sich außerhalb des eigentlichen Germaniens niederließen, gingen entweder unter (wie Vandalen, Ostgothen etc.) od. verschmolzen mit der übrig gebliebenen röm. Bevölkerung zu einer neuen Nationalität (so die Westgothen in Spanien, die Franken u. Burgunder in Gallien, später die Angelsachsen mit den franz. Normännern in England, die Langobarden in Italien; selbst Karl d. Gr., der die meisten german. Völker unter seinem Scepter vereinigte, hemmte die Romanisirung der gallischen und italien. Germanen nicht und nach seinem Tode zerfiel sein großes Reich in Italien, Burgund, Frankreich u. Deutschland, welcher Name nun allmälig aufkommt. Dieses Deutschland erreichte aber den Umfang der G. barbara nicht u. hätten die deutschen
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