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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857.

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sie mit Göthe und Haugwitz Süddeutschland und die Schweiz, 1777 wurden sie Kammerjunker, später Kammerherren am dänischen Hofe. Lange Jahre lebte Christian als Amtmann zu Tremsbüttel in Holstein, zog sich 1800 auf sein Gut Windebye bei Eckernförde in Schleswig zurück und st. 1821. Christian besaß bei weitem nicht des Bruders poetische Begabung, dichtete aber mit innigem, wahrem Gefühle wie dieser; zu den "Schauspielen mit Chören" (1787), womit die Gebrüder den verfehlten Versuch machten, den griechisch en Chor bei uns neu aufleben zu lassen, lieferte Christian den Belsazar, Otanes u. a. m. Die "Gedichte aus dem Griechischen" (1782) enthalten Uebersetzungen aus den Bukolikern, homerischer Hymnen, anakreont'scher Liederchen und aus Musäus. S.s Uebersetzung des Sophokles wurde zwar später von Solger (s. d.) weit überflügelt, war aber für ihre Zeit ein werthvolles und bedeutsames Unternehmen. Weit bedeutender und einflußreicher als Christian wirkte jedoch sein Bruder:


Stolberg, Friedrich Leopold, Graf zu, der jüngere, geb. 1750 im holstein'schen Städtchen Bramstedt, zugleich mit dem Vorigen gebildet, dichtend, 1777 in dänische Dienste tretend. Den Posten als dänischer Gesandter zu Berlin vertauschte er 1791 mit dem eines Regierungs-, Consistoriums- u. Kammerpräsidenten zu Eutin und unternahm vor seinem Amtsantritte eine länger dauernde Reise durch Italien. Die "Reise durch Deutschland, die Schweiz, Italien und Sicilien" (1794) zeigte bei Beurtheilung katholischer Verhältnisse eine Unbefangenheit und Parteilosigkeit, wie sie damals bei unsern größten Geistern trotz ihres Weltbürgerthums und Humanitätsevangeliums sehr selten zu entdecken war. S. verwaltete seine Aemter mit strenger Gewissenhaftigkeit, studierte aber nebenbei viel, namentlich auch die Mystiker; er wurde mit der Fürstin Galytzin u. ihrem geistreichen Kreise bekannt und trat am 1. Juni 1800 zu Münster mit seiner Familie (die älteste Tochter ausgenommen) in den Schooß der Kirche zurück. Der Schritt machte ungeheures Aufsehen, erstens weil aller Febronianismus und Josephinismus der katholischen Welt die Vorurtheile der Protestanten gegen den Katholicismus überhaupt nicht zu schwächen vermochte, so daß Katholicismus und geistige Sklaverei fortwährend für gleichbedeutende Ausdrücke galten; zweitens weil S. in seinen jüngern Jahren sehr liberal geschwärmt hatte. Gleim, Herder, selbst der Philosoph Jacobi, am ungebärdigsten Voß, fielen über den bisherigen Freund schonungslos her, nur Lavater machte eine Ausnahme. Nach Niederlegung seiner Aemter lebte S. ganz den Musen und st. am 5. Dez. 1819 zu Sondermühlen bei Osnabrück den Tod des christlichen Weisen. - S. war anerkannt eine ächte Dichternatur; Vilmar gibt zu, seine Oden und Hymnen hätten theilweise mehr plastische Wahrheit, seine Lieder mehr Einfachheit der Empfindung als die Klopstocks, welchem die Gebrüder S. nacheiferten; zugleich war der jüngere S. der erste, der sich von dem Bardenspuck Klopstocks emancipirte und in seinen Romanzen und Balladen in das wirkliche deutsche Alterthum zurückkehrte, und der einzige, welcher das im Sänger des Messias herrschende christliche Element weiter bildete. Als Dichter erscheint er namentlich auch hinsichtlich seiner "Jamben" (1784) als Vorläufer der Romantiker, einige Gedichte (Sohn, hier hast du meinen Speer; Mein Arm wird stark und groß mein Muth) werden heute noch gesungen. Als Uebersetzer platonischer Dialoge, einiger Stücke des Aeschylus, des Ossian u. s. f. hat S. unbestreitbar große Verdienste, mag auch an seiner Hexameterübersetzung Homers fortwährend über Gebühr herumgetadelt werden, ebenso als Uebersetzer einiger Schriften des Augustinus. In Prosa veröffentlichte er außer der Reisebeschreibung einen jetzt vergessenen Roman "die Insel" (1788), zuletzt noch das vortreffliche "Büchlein von der Liebe", namentlich aber als Geschichtschreiber das "Leben Alfreds d. G." (1815) u. seine Kirchengeschichte; diese brachte er unter dem Titel "Geschichte der Religion Jesu Christi" bis auf den 15. Band (Hamb. 1811-1818), fand einen Fortsetzer an Kerz, in neuester

sie mit Göthe und Haugwitz Süddeutschland und die Schweiz, 1777 wurden sie Kammerjunker, später Kammerherren am dänischen Hofe. Lange Jahre lebte Christian als Amtmann zu Tremsbüttel in Holstein, zog sich 1800 auf sein Gut Windebye bei Eckernförde in Schleswig zurück und st. 1821. Christian besaß bei weitem nicht des Bruders poetische Begabung, dichtete aber mit innigem, wahrem Gefühle wie dieser; zu den „Schauspielen mit Chören“ (1787), womit die Gebrüder den verfehlten Versuch machten, den griechisch en Chor bei uns neu aufleben zu lassen, lieferte Christian den Belsazar, Otanes u. a. m. Die „Gedichte aus dem Griechischen“ (1782) enthalten Uebersetzungen aus den Bukolikern, homerischer Hymnen, anakreont'scher Liederchen und aus Musäus. S.s Uebersetzung des Sophokles wurde zwar später von Solger (s. d.) weit überflügelt, war aber für ihre Zeit ein werthvolles und bedeutsames Unternehmen. Weit bedeutender und einflußreicher als Christian wirkte jedoch sein Bruder:


Stolberg, Friedrich Leopold, Graf zu, der jüngere, geb. 1750 im holstein'schen Städtchen Bramstedt, zugleich mit dem Vorigen gebildet, dichtend, 1777 in dänische Dienste tretend. Den Posten als dänischer Gesandter zu Berlin vertauschte er 1791 mit dem eines Regierungs-, Consistoriums- u. Kammerpräsidenten zu Eutin und unternahm vor seinem Amtsantritte eine länger dauernde Reise durch Italien. Die „Reise durch Deutschland, die Schweiz, Italien und Sicilien“ (1794) zeigte bei Beurtheilung katholischer Verhältnisse eine Unbefangenheit und Parteilosigkeit, wie sie damals bei unsern größten Geistern trotz ihres Weltbürgerthums und Humanitätsevangeliums sehr selten zu entdecken war. S. verwaltete seine Aemter mit strenger Gewissenhaftigkeit, studierte aber nebenbei viel, namentlich auch die Mystiker; er wurde mit der Fürstin Galytzin u. ihrem geistreichen Kreise bekannt und trat am 1. Juni 1800 zu Münster mit seiner Familie (die älteste Tochter ausgenommen) in den Schooß der Kirche zurück. Der Schritt machte ungeheures Aufsehen, erstens weil aller Febronianismus und Josephinismus der katholischen Welt die Vorurtheile der Protestanten gegen den Katholicismus überhaupt nicht zu schwächen vermochte, so daß Katholicismus und geistige Sklaverei fortwährend für gleichbedeutende Ausdrücke galten; zweitens weil S. in seinen jüngern Jahren sehr liberal geschwärmt hatte. Gleim, Herder, selbst der Philosoph Jacobi, am ungebärdigsten Voß, fielen über den bisherigen Freund schonungslos her, nur Lavater machte eine Ausnahme. Nach Niederlegung seiner Aemter lebte S. ganz den Musen und st. am 5. Dez. 1819 zu Sondermühlen bei Osnabrück den Tod des christlichen Weisen. – S. war anerkannt eine ächte Dichternatur; Vilmar gibt zu, seine Oden und Hymnen hätten theilweise mehr plastische Wahrheit, seine Lieder mehr Einfachheit der Empfindung als die Klopstocks, welchem die Gebrüder S. nacheiferten; zugleich war der jüngere S. der erste, der sich von dem Bardenspuck Klopstocks emancipirte und in seinen Romanzen und Balladen in das wirkliche deutsche Alterthum zurückkehrte, und der einzige, welcher das im Sänger des Messias herrschende christliche Element weiter bildete. Als Dichter erscheint er namentlich auch hinsichtlich seiner „Jamben“ (1784) als Vorläufer der Romantiker, einige Gedichte (Sohn, hier hast du meinen Speer; Mein Arm wird stark und groß mein Muth) werden heute noch gesungen. Als Uebersetzer platonischer Dialoge, einiger Stücke des Aeschylus, des Ossian u. s. f. hat S. unbestreitbar große Verdienste, mag auch an seiner Hexameterübersetzung Homers fortwährend über Gebühr herumgetadelt werden, ebenso als Uebersetzer einiger Schriften des Augustinus. In Prosa veröffentlichte er außer der Reisebeschreibung einen jetzt vergessenen Roman „die Insel“ (1788), zuletzt noch das vortreffliche „Büchlein von der Liebe“, namentlich aber als Geschichtschreiber das „Leben Alfreds d. G.“ (1815) u. seine Kirchengeschichte; diese brachte er unter dem Titel „Geschichte der Religion Jesu Christi“ bis auf den 15. Band (Hamb. 1811–1818), fand einen Fortsetzer an Kerz, in neuester

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[344/0345] sie mit Göthe und Haugwitz Süddeutschland und die Schweiz, 1777 wurden sie Kammerjunker, später Kammerherren am dänischen Hofe. Lange Jahre lebte Christian als Amtmann zu Tremsbüttel in Holstein, zog sich 1800 auf sein Gut Windebye bei Eckernförde in Schleswig zurück und st. 1821. Christian besaß bei weitem nicht des Bruders poetische Begabung, dichtete aber mit innigem, wahrem Gefühle wie dieser; zu den „Schauspielen mit Chören“ (1787), womit die Gebrüder den verfehlten Versuch machten, den griechisch en Chor bei uns neu aufleben zu lassen, lieferte Christian den Belsazar, Otanes u. a. m. Die „Gedichte aus dem Griechischen“ (1782) enthalten Uebersetzungen aus den Bukolikern, homerischer Hymnen, anakreont'scher Liederchen und aus Musäus. S.s Uebersetzung des Sophokles wurde zwar später von Solger (s. d.) weit überflügelt, war aber für ihre Zeit ein werthvolles und bedeutsames Unternehmen. Weit bedeutender und einflußreicher als Christian wirkte jedoch sein Bruder: Stolberg, Friedrich Leopold, Graf zu, der jüngere, geb. 1750 im holstein'schen Städtchen Bramstedt, zugleich mit dem Vorigen gebildet, dichtend, 1777 in dänische Dienste tretend. Den Posten als dänischer Gesandter zu Berlin vertauschte er 1791 mit dem eines Regierungs-, Consistoriums- u. Kammerpräsidenten zu Eutin und unternahm vor seinem Amtsantritte eine länger dauernde Reise durch Italien. Die „Reise durch Deutschland, die Schweiz, Italien und Sicilien“ (1794) zeigte bei Beurtheilung katholischer Verhältnisse eine Unbefangenheit und Parteilosigkeit, wie sie damals bei unsern größten Geistern trotz ihres Weltbürgerthums und Humanitätsevangeliums sehr selten zu entdecken war. S. verwaltete seine Aemter mit strenger Gewissenhaftigkeit, studierte aber nebenbei viel, namentlich auch die Mystiker; er wurde mit der Fürstin Galytzin u. ihrem geistreichen Kreise bekannt und trat am 1. Juni 1800 zu Münster mit seiner Familie (die älteste Tochter ausgenommen) in den Schooß der Kirche zurück. Der Schritt machte ungeheures Aufsehen, erstens weil aller Febronianismus und Josephinismus der katholischen Welt die Vorurtheile der Protestanten gegen den Katholicismus überhaupt nicht zu schwächen vermochte, so daß Katholicismus und geistige Sklaverei fortwährend für gleichbedeutende Ausdrücke galten; zweitens weil S. in seinen jüngern Jahren sehr liberal geschwärmt hatte. Gleim, Herder, selbst der Philosoph Jacobi, am ungebärdigsten Voß, fielen über den bisherigen Freund schonungslos her, nur Lavater machte eine Ausnahme. Nach Niederlegung seiner Aemter lebte S. ganz den Musen und st. am 5. Dez. 1819 zu Sondermühlen bei Osnabrück den Tod des christlichen Weisen. – S. war anerkannt eine ächte Dichternatur; Vilmar gibt zu, seine Oden und Hymnen hätten theilweise mehr plastische Wahrheit, seine Lieder mehr Einfachheit der Empfindung als die Klopstocks, welchem die Gebrüder S. nacheiferten; zugleich war der jüngere S. der erste, der sich von dem Bardenspuck Klopstocks emancipirte und in seinen Romanzen und Balladen in das wirkliche deutsche Alterthum zurückkehrte, und der einzige, welcher das im Sänger des Messias herrschende christliche Element weiter bildete. Als Dichter erscheint er namentlich auch hinsichtlich seiner „Jamben“ (1784) als Vorläufer der Romantiker, einige Gedichte (Sohn, hier hast du meinen Speer; Mein Arm wird stark und groß mein Muth) werden heute noch gesungen. Als Uebersetzer platonischer Dialoge, einiger Stücke des Aeschylus, des Ossian u. s. f. hat S. unbestreitbar große Verdienste, mag auch an seiner Hexameterübersetzung Homers fortwährend über Gebühr herumgetadelt werden, ebenso als Uebersetzer einiger Schriften des Augustinus. In Prosa veröffentlichte er außer der Reisebeschreibung einen jetzt vergessenen Roman „die Insel“ (1788), zuletzt noch das vortreffliche „Büchlein von der Liebe“, namentlich aber als Geschichtschreiber das „Leben Alfreds d. G.“ (1815) u. seine Kirchengeschichte; diese brachte er unter dem Titel „Geschichte der Religion Jesu Christi“ bis auf den 15. Band (Hamb. 1811–1818), fand einen Fortsetzer an Kerz, in neuester

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon05_1857/345>, abgerufen am 23.11.2024.