Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1082, Czernowitz, 22.08.1907.[Spaltenumbruch]
Redaktion u. Administration: Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz Für Deutschland: Für Rumänien und den Balkan: Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigungen: Einzelexemplare Nr. 1082. Czernowitz, Donnerstag, den 22. August. 1907. [Spaltenumbruch] Uebersicht. Vom Tage, Tittoni trifft morgen nachmittag zum Besuche des Barons Letzte Telegramme. Vor Casablanca dauern die Kämpfe fort. Starke maurische Auf dem Semmering. Czernowitz, 21. August. Eine Studie über den Lauf der europäischen Politik im Es braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu Wenn übrigens das nur durch die Künste einer wohl- [Spaltenumbruch] Es scheint, als hätten Aerenthal und Tittoni das Kunst- Begräbnis erster Klasse. Berlin, 20. August (Orig.-Korr.) Das feierliche Begräbnis, das in der letzten Plenar- Am Grabe des Antrages hält der dafür begeisterte [Spaltenumbruch] Feuilleton. Im Zeichen der Ernte. Nachdruck verboten. Von gedämpfter Sonnenglut überstrahlt, lagen die ab- In herbstlichem Glanze lagen die Rebenhügel, der an- Ueber die sonnenumflutete, von wildem Wein über- Um die ländlichen Asternbeete und das Buschwerk mit Es war Sonntag[s] -- Erntefest. Ein Tag wie geschaffen, Während der Schwarm der Kirchengänger dem Haupt- Hinter ihr stand ihr Vater, Oberst von Runow, eine Ge- Langsam war den beiden der jetzige alleinige Besitzer Greta nahm den Arm ihres Vaters und ging auf die Greta wie Stefan hörten aus seiner Ablehnung frohe Versunken in die Stille des herbwürzigen September- Stefans Hand krampfte sich um die alatte Marmorlehne. "Es wird mir furchtbar schwer, mich zu trennen", sagte Er tastete nach ihrer Hand und küßte sie mit dem Brande "So war es nicht geme[i]nt, Stefan. Ich gönne Dir [Spaltenumbruch]
Redaktion u. Adminiſtration: Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz Für Deutſchland: Für Rumänien und den Balkan: Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigungen: Einzelexemplare Nr. 1082. Czernowitz, Donnerſtag, den 22. Auguſt. 1907. [Spaltenumbruch] Ueberſicht. Vom Tage, Tittoni trifft morgen nachmittag zum Beſuche des Barons Letzte Telegramme. Vor Caſablanca dauern die Kämpfe fort. Starke mauriſche Auf dem Semmering. Czernowitz, 21. Auguſt. Eine Studie über den Lauf der europäiſchen Politik im Es braucht wohl nicht beſonders hervorgehoben zu Wenn übrigens das nur durch die Künſte einer wohl- [Spaltenumbruch] Es ſcheint, als hätten Aerenthal und Tittoni das Kunſt- Begräbnis erſter Klaſſe. Berlin, 20. Auguſt (Orig.-Korr.) Das feierliche Begräbnis, das in der letzten Plenar- Am Grabe des Antrages hält der dafür begeiſterte [Spaltenumbruch] Feuilleton. Im Zeichen der Ernte. Nachdruck verboten. Von gedämpfter Sonnenglut überſtrahlt, lagen die ab- In herbſtlichem Glanze lagen die Rebenhügel, der an- Ueber die ſonnenumflutete, von wildem Wein über- Um die ländlichen Aſternbeete und das Buſchwerk mit Es war Sonntag[ſ] — Erntefeſt. Ein Tag wie geſchaffen, Während der Schwarm der Kirchengänger dem Haupt- Hinter ihr ſtand ihr Vater, Oberſt von Runow, eine Ge- Langſam war den beiden der jetzige alleinige Beſitzer Greta nahm den Arm ihres Vaters und ging auf die Greta wie Stefan hörten aus ſeiner Ablehnung frohe Verſunken in die Stille des herbwürzigen September- Stefans Hand krampfte ſich um die alatte Marmorlehne. „Es wird mir furchtbar ſchwer, mich zu trennen“, ſagte Er taſtete nach ihrer Hand und küßte ſie mit dem Brande „So war es nicht geme[i]nt, Stefan. Ich gönne Dir <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jEditorialStaff"> <p> <hi rendition="#b">Redaktion u. 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K 24.</p><lb/> <p>Für Deutſchland:<lb/> vierteljährig ..... 7 Mark</p><lb/> <p>Für Rumänien und den Balkan:<lb/> vierteljährig ..... 10 Lei.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p> <hi rendition="#b">Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.</hi> </p> </div><lb/> <cb/> <titlePage xml:id="title1" type="heading" next="#title2"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Czernowitzer<lb/> Allgemeine Zeitung</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Ankündigungen:</hi><lb/> Es koſtet im gewöhnlichen Inſe-<lb/> ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene<lb/> Petitzeile bei eimaliger, 9 h bei<lb/> mehrmaliger Einſchaltung, für Re-<lb/> klame 40 h die Petitzeile. Inſerate<lb/> nehmen alle in- und ausländiſchen<lb/> Inſeratenbureaux ſowie die Ad-<lb/> miniſtration entgegen. — Einzel-<lb/> exemplare ſind in allen Zeitungs-<lb/> verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni-<lb/> verſitätsbuchhandlung H. 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Uebrigens wäre dieſe Miniſterbegegnung, ſelbſt<lb/> wenn ſie nicht durch all das, was ſich in jüngſter Zeit in<lb/> Swinemünde, Wilhelmshöhe und Iſchl abgeſpielt hat, als<lb/> notwendig und politiſch ganz beſonders bemerkenswert<lb/> charakteriſiert werden würde, nichts weniger als bedeutungs-<lb/><cb/> los. Wozu in die Ferne ſchweifen? Das Gute liegt ja ſo<lb/> nahe: es iſt darin zu ſuchen, daß die neuerliche Zuſammen-<lb/> kunft zwiſchen Tittoni und Aerenthal ein neuer Beweis der<lb/> erfreulichen Wandlung iſt, die ſich in den Beziehungen<lb/> zwiſchen O<supplied>e</supplied>ſterreich und Italien vollzogen hat. Beide Miniſter<lb/> ſind redlich bemüht, an die Stelle des mehr als kühlen und<lb/> weniger als korrekten Verhältniſſes, das unter ihren Vorgänger<lb/> zwiſchen den beiden Reichen beſtanden hat, wärmere, innigere<lb/> Beziehungen herzuſtellen. Es iſt ihnen auch bereits gelungen,<lb/> Mißtrauen und Mißgunſt durch gegenſeitiges Vertrauen und<lb/> guten Willen zu erſetzen und ſo das Dornengeſtrüpp, das in<lb/> der Aera Goluchowski die künſtliche Treibhauspflanze des<lb/> öſtereichiſch-italieniſchen Freundſchaftsverhältniſſes zu erſticken<lb/> drohte, auszuroden. Sie haben ſo dieſem Pflänzchen freie<lb/> Entfaltung ermöglicht, und die Zuſammenkunft auf dem<lb/> Semmering beweiſt, daß ſie auch entſchloſſen ſind, es ſorgſam<lb/> zu pflegen und vor jedem rauhen Windhauch zu behüten.</p><lb/> <p>Wenn übrigens das nur durch die Künſte einer wohl-<lb/> geſinnten Diplomatie in letzter Zeit wieder etwas konſolidierte<lb/> Freundſchaftsverhältnis zwiſchen Oeſterreich und Italien als<lb/> Treibhauspflanze bezeichnet wird, ſo liegt in dieſem Vergleich<lb/> ebenſoviel Recht wie Unrecht. Recht mit Rückſicht darauf, als<lb/> — es rächen ſich hier die Sünden der Väter — von wahrer<lb/> Freundſchaft tatſächlich nicht die Rede ſein kann, Unrecht<lb/> deshalb, weil, genau betrachtet, die Gegenſätze zwiſchen den<lb/> beiden Reichen durchaus nicht ſolcher Art ſind, daß ſie nicht<lb/> am grünen Tiſche, ſondern nur mit Blut und Eiſen ausge-<lb/> glichen werden könnten. Trennend zwiſchen Oeſterreich und<lb/> Italien ſtand ja anfangs nur — die Tradition. Im itali-<lb/> eniſchen Volke lebt noch die Erinnerung an die Zeit, da<lb/> Oeſterreich ſich den Einheitsbeſtrebungen Italiens mit Erfolg<lb/> entgegenſtellte, und in Oeſterreich wiederum hat <hi rendition="#g">nur das<lb/> Volk</hi> es ganz zu überwinden vermocht, daß von Süden<lb/> her der erſte Stoß kam, der die Vorherrſchaft der Habs-<lb/> burger in Mitteleuropa erſchütterte ... Und noch etwas:<lb/> eine ehrwürdige, in ihrer Befolgung von dem italieniſchen<lb/> Volke ſchmerzlich empfundene Tradition ſperrt den Weg von<lb/> Wien nach Rom ... Das iſt die Wand, die Oeſterreich und<lb/> Italien trennt — eine Wand, die wahrlich nicht ſchwer nieder-<lb/> zulegen wäre! Und was ſich um dieſen Kern gruppiert hat,<lb/> auch das ſind keine gar zu tragiſchen Gegenſätze. Die Irredenta<lb/> höher einzuſchätzen, als ein bübiſches, aber nicht direkt gefähr-<lb/> liches Spiel, hat man ſchon verlernt, und auch dem Anta-<lb/> gonismus auf dem Balkan kann bei gutem Willen leicht die<lb/> kritiſche Schärfe genommen werden.</p><lb/> <cb/> <p>Es ſcheint, als hätten Aerenthal und Tittoni das Kunſt-<lb/> ſtück zuwege gebracht, das keinem ihrer Vorgänger gelungen<lb/> iſt: ſich ſelbſt zu der Ueberzeugung von der problematiſchen<lb/> Natur der zwiſchen ihren Staaten herrſchenden Gegenſätze<lb/> durchzuringen. Wäre das nicht der Fall, dann hätte kaum<lb/> innerhalb der kurzen Spanne eines Jahres eine relativ ſo<lb/> bedeutende Beſſerung erzielt werden können. Wir hoffen, daß<lb/> die Zuſammenkunft auf dem Semmering eine neue Etappe<lb/> auf dem Wege zum Ausgleich zwiſchen Oeſterreich und<lb/> Italien bedeutet. Hier dürfte die in Deſio angebahnte, durch<lb/> die Abmachungen von Iſchl jedenfalls weſentlich geförderte<lb/> Verſtändigung über die mazedoniſche Frage weiter ausgebaut<lb/> und vielleicht auch Unſtimmigkeiten wegen der irredentiſtiſchen<lb/> Propaganda vorgebeugt und ſo die Klärung der <hi rendition="#g">tatſäch-<lb/> lichen</hi> Differenzen eingeleitet werden. Und ſchreiten Oeſterreich<lb/> und Italien auf dem Wege weiter, den Tittoni und Aehrenthal<lb/> weiſen, dann werden ſie im Laufe der Zeit wohl auch einmal<lb/> die Macht der Tradition überwinden ...</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="begräbnis1" next="#begräbnis2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Begräbnis erſter Klaſſe.</hi> </hi> </head> <dateline><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 20. Auguſt</dateline> <bibl>(Orig.-Korr.)</bibl><lb/> <p>Das feierliche Begräbnis, das in der letzten Plenar-<lb/> ſitzung der Haager Konferenz dem engliſchen Vorſchlage auf<lb/> Einſchränkung der kriegeriſchen Rüſtungen zuteil geworden iſt,<lb/> bedeutet ohne Zweifel einen Sieg der deutſchen Polilik. Und<lb/> da die Deutſchen ſeit länger als dreißig Jahren ungeachtet<lb/> ihrer Machtſtellung keinen Krieg geführt haben, ſo bedeutet<lb/> ihr Sieg auf der Konferenz auch einen <hi rendition="#g">Sieg der Frie-<lb/> denspolitik,</hi> und zwar der <hi rendition="#g">praktiſchen</hi> und <hi rendition="#g">durch-<lb/> führbaren</hi> Friedenspolitik über die von unklaren Stim-<lb/> mungen getragene und in nichtsſagenden Redensarten alles<lb/> Heil ſuchende unpraktiſche Friedenspolitik, zu deren Träger<lb/> ſich in wohlverſtandenem eigenem Intereſſe England gemacht<lb/> hatte, obwohl dem loyalen engliſchen Premier die wiederholt<lb/> abgegebene Beteuerung, daß ihn nicht ſelbſtſüchtige oder<lb/> deutſchfeindliche Beweggründe lenkten, aufs Wort geglaubt<lb/> werden mag.</p><lb/> <p>Am Grabe des Antrages hält der dafür begeiſterte<lb/> Mr. <hi rendition="#g">Stead</hi> eine feierliche Leichenrede. Er ſchreibt: „Das<lb/> feierliche Begräbnis des Abrüſtungsantrages, umgeben von der<lb/> ſchweigenden Konferenz, zeigt an, in welchem Maße Deutſch-<lb/> lands Einfluß in Europa ſteigt. Deutſchland hat offen und<lb/> unumwunden England Gelegenheit gegeben, die Abrüſtungsfrage<lb/> zu diskutieren, und hat es allein durch die Erklärung, ſich<lb/> an der Debatte nicht beteiligen zu wollen, unmöglich gemacht.<lb/> Aber Deutſchlands Zuſtimmung wird als unumgänglich<lb/> erklärt für den <hi rendition="#g">„Wunſch“,</hi> womit der Friedensgott ſeine</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Feuilleton.</hi> </hi> </head><lb/> <div xml:id="ernte1" next="#ernte2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Im Zeichen der Ernte.</hi> </hi> </head><lb/> <byline>Eine Skizze von <hi rendition="#b">Math. Tipp</hi> (München).</byline><lb/> <p> <hi rendition="#et">Nachdruck verboten.</hi> </p><lb/> <p>Von gedämpfter Sonnenglut überſtrahlt, lagen die ab-<lb/> geernteten Felder; ihre Frucht war ohne Proteſt der Elemente<lb/> reichlich eingebracht worden — nur die Obſtbäume bogen ſich<lb/> noch unter der Laſt ihrer ungepflückten Reife.</p><lb/> <p>In herbſtlichem Glanze lagen die Rebenhügel, der an-<lb/> grenzende Wald, das freundliche Dorf, das Herrenhaus aus<lb/> rotem Sandſtein hinter den ſchlanken weißen Birken, deren<lb/> goldiggefärbte Blätter vom zitternden Zweiggehänge unter<lb/> leiſem Abſchiedsflüſtern zum Boden niederrieſelten, aus dem<lb/> ſie die Kraft zu ihrem kurzen Sommerdaſein geſogen.</p><lb/> <p>Ueber die ſonnenumflutete, von wildem Wein über-<lb/> wucherte Mauer, welche die Dorfkirche umfriedigte, ſtrich ein<lb/> leiſer Wind; auch der ſanfteſte Hauch nahm ein Purpurblatt<lb/> nach dem andern, ſo loſe ſaßen ſie ſchon am Stiele.</p><lb/> <p>Um die ländlichen Aſternbeete und das Buſchwerk mit<lb/> roten oder bläulich-dunklen Beeren glitzerten die feinen ſilber-<lb/> betauten Gewebe und Fäden des fliegenden Sommers; auf<lb/> dem alten Nußbaume ſammelten ſich die Vögel und hoch oben<lb/> in der duftklaren Ferne zeigte ſich das ſcharfbegrenzte Dreieck<lb/> des erſten Wanderzuges.</p><lb/> <p>Es war Sonntag<supplied cert="low">ſ</supplied> — Erntefeſt. Ein Tag wie geſchaffen,<lb/> die wechſelvolle Erhabenheit der gnadenreichen, ſegenſpenden-<lb/> den Natur tief und dankbar zu empfinden. Feierlich kündeten<lb/> die Glocken den beendeten Gottesdienſt, aus den weitgeöff-<lb/> neten Türen drang der Schlußchoral und die feſtlichgekleidete<lb/> Menge wandelte erbaut und frohgeſtimmt vorüber an den<lb/><cb/> guirlandenumwundenen Pfeilern, den buntbebänderten Ge-<lb/> treidegarben und den fruchtgefüllten, mit farbigem Laub un-<lb/> geſucht kunſtlos und dennoch maleriſch gezierten Körben.</p><lb/> <p>Während der Schwarm der Kirchengänger dem Haupt-<lb/> portale zuſtrömte, trat die Gutsherrſchaft durch eine Seiten-<lb/> tür auf den Friedhof hinaus. Im ſchwarzem Battiſtkleide<lb/> voran Greta Mark, die Witwe des vor Jahresfriſt plötzlich<lb/> geſtorbenen Erbgrafen Leo Mark von Dörzbach. Mit wenigen<lb/> Schritten hatte Greta das mit Lanbgarben, Tannengrün und<lb/> Blumen geſchmückte Grab erreicht, andächtig neigte ſie den<lb/> blonden Kopf mit dem ſchwarzen Hütchen und ſprach über<lb/> dem ſtillen kleinen Garten ein kurzes Gebet.</p><lb/> <p>Hinter ihr ſtand ihr Vater, Oberſt von Runow, eine Ge-<lb/> ſtalt wie aus Stahl und Eiſen, der man ſoldatiſche Zucht<lb/> auf den erſten Blick anſah.</p><lb/> <p>Langſam war den beiden der jetzige alleinige Beſitzer<lb/> von Dörzbach, Graf Stefan Mark, gefolgt. Er war ein mittel-<lb/> großer Mann mit ſchlangen, ſehnigen Gliedern und einem<lb/> edelgeformten Raſſekopf. Der Blick ſeiner dunklen, leuchtenden<lb/> Augen, die das ſchönſte in Stefans hagerem Geſicht waren,<lb/> folgte jeder Bewegung der jungen Frau. Als auch er am<lb/> Grabe des Bruders ſeinen Tribut an Pietät gezollt hatte,<lb/> ging er ſchweigſam dicht neben der Schwägerin die Stein-<lb/> ſtufen hinab, die in den Park führten. Unter zeremoniöſen<lb/> Gebräuchen und Segenwünſchen, welche die Uebergabe des<lb/> Erntekranzes an die Guisherrſchaft begleitete, wurde das<lb/> Geſinde von der gräflichen Familie zu Mahl und Erntebier<lb/> geladen; bald lockten von der Wieſe frohe Tanzweiſen in das<lb/> Zelt und als das ſchö<supplied>n</supplied>ſte Paar des Hofes in fränkiſcher<lb/> Tracht den Reigen eröffnet hatte, zogen ſich die drei aus dem<lb/> Herrnhauſe unauffällig in den Park zurück.</p><lb/> <p>Greta nahm den Arm ihres Vaters und ging auf die<lb/> verſchnittene Taxushecke zu, hinter der die Marmorbank, ihr<lb/> Lieblingsplatz, hervorleuchtete. Aber der alte Herr machte ſich<lb/><cb/> geſchäftig los: „Nee — Kindchen — zur Sieſta habe ich<lb/> keine Zeit mehr — ich muß noch fertig packen ...“</p><lb/> <p>Greta wie Stefan hörten aus ſeiner Ablehnung frohe<lb/> Haſt. Wie uageduldig ſich der Vater freute, Dörzbach, wohin<lb/> er ſeit dem Tode ſeines Schwiegerſohns Gretans wegen<lb/> verbannt war, gegen die norddeutſche Reſidenz vertauſchen zu<lb/> können, wo er die alten Kriegskameraden wiederſah und die<lb/> ſchmerzlich entbehrten Paraden und Kaffeehäuſer wieder beſuchen<lb/> konnte! Greta und Stefan ſahen dem Davoneilenden nach,<lb/> lächelten ſich verlegen an und ſetzten ſich, fallendes Laub zu<lb/> Füßen, auf die Bank. „Zum letzten Male.“ So dachten ſie<lb/> beide und empfanden beide denſelben Schmerz darüber.</p><lb/> <p>Verſunken in die Stille des herbwürzigen September-<lb/> tages, über deſſen bunt-goldener Pracht die Elegie alles Ver-<lb/> blühens und Verrauſchens wehte, konnte Greta es nicht hindern,<lb/> daß Träne um Träne über ihre Wangen rollte.</p><lb/> <p>Stefans Hand krampfte ſich um die alatte Marmorlehne.<lb/> Ihr jetzt ſagen dürfen: bleibe bei mir, Greta. ... Und dann<lb/> das geliebte Weib an ſich reißen und ſich ſatt küſſen an ihrem<lb/> Munde.... Toller Wahn! Dieſe Tränen galten ja ſeinem<lb/> Bruder! Er mußte konventionell bleiben wie bisher. Niemand<lb/> durfte ahnen, was es ihn koſten würde, die Erinnerung an<lb/> dieſe Augen, dieſe Stimme und das zauſige Blondhaar zu<lb/> bekämpfen....</p><lb/> <p>„Es wird mir furchtbar ſchwer, mich zu trennen“, ſagte<lb/> ſie leiſe.</p><lb/> <p>Er taſtete nach ihrer Hand und küßte ſie mit dem Brande<lb/> ungelöſchten Feuers, das ſie bebend fühlte: „Vergib mir,<lb/> Greta, daß ich den Boden habe, der für Dich ſo ſchmerzlich-<lb/> ſüße Erinnerungen trägt....“</p><lb/> <p>„So war es nicht geme<supplied>i</supplied>nt, Stefan. Ich gönne Dir<lb/> Dörzbach, Du haſt es Dir wahrlich redlich verdient. Aber<lb/> mir iſt es zur Heimat geworden und ich fürchte, ich werde<lb/> mich krank ſehnen, wenn ich meinen Vater begleite. Hier war</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
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Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.
Czernowitzer
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hausſtr. 16) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldſchmidt,
Wollzeile 11.
Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.
Nr. 1082. Czernowitz, Donnerſtag, den 22. Auguſt. 1907.
Ueberſicht.
Vom Tage,
Tittoni trifft morgen nachmittag zum Beſuche des Barons
Aerenthal auf dem Semmering ein. — Die ungariſche Re-
gierung hat den Kroaten in der Eiſenbahnfrage einige Zuge-
ſtändniſſe gemacht. — König Eduard hat den franzöſiſchen
Miniſterpräſident Clemencean zu einem Beſuche in Marienbad
eingeladen.
Letzte Telegramme.
Vor Caſablanca dauern die Kämpfe fort. Starke mauriſche
Streitkräfte marſchieren auf Caſablanca. Die Lage der fran-
zöſiſchen Truppen iſt kritiſch.
Auf dem Semmering.
Czernowitz, 21. Auguſt.
Eine Studie über den Lauf der europäiſchen Politik im
heurigen Jahre könnte füglich den Titel tragen: „Die Politik
in den Sommerfriſchen“, denn vornehmlich in Kurorten und
Sommerfriſchen haben ſich heuer die politiſchen Wettermacher
Europas zuſamengefunden, um von hier aus der Welt die
Prognoſe „Meiſt heiter, gleichmäßig anhaltend“ mitzuteilen.
Racconigi, Deſio, Swinemünde, Wilhelmshöhe, Iſchl — lauter
ſchöne, ſtille, der Erholung und dem Vergnügen geweihte
Winkel, plötzlich zu Schauplätzen hochbedeutſamer Vorgänge
avanziert. Und nun erhält auch der Semmering ſeinen Platz
unter dieſen Hauptorten europäiſcher Sommerfriſchenpolitik.
Morgen treffen auf dieſem herrlichen Flecken Erde, wo die
Welt, in der man ſich nicht langweilt, für gewöhnlich nur
von den periodiſchen Invaſionen der Wiener Ausflügler
geſtört wird, Tittoni und Baron Aerenthal
zuſammen, um Zwieſprache zu pflegen und dann gemeinſam
die Reiſe nach Iſchl zum Kaiſer Franz Joſef anzutreten.
Es braucht wohl nicht beſonders hervorgehoben zu
werden, daß es ſich bei dieſer Zuſammenkunft nicht um einen
einfachen, von den geſellſchaftlichen Regeln vorgeſchriebenen
Höflichkeitsakt — den Gegenbeſuch, den Tittoni dem Baron
Aerenthal ſchuldet — handelt, ſondern daß es Beweggründe
politiſcher Natur ſind, die Tittoni nach dem Buenretiro unſeres
Miniſters des Auswärtigen und nach dem kaiſerlichen Hof-
lager führen. Uebrigens wäre dieſe Miniſterbegegnung, ſelbſt
wenn ſie nicht durch all das, was ſich in jüngſter Zeit in
Swinemünde, Wilhelmshöhe und Iſchl abgeſpielt hat, als
notwendig und politiſch ganz beſonders bemerkenswert
charakteriſiert werden würde, nichts weniger als bedeutungs-
los. Wozu in die Ferne ſchweifen? Das Gute liegt ja ſo
nahe: es iſt darin zu ſuchen, daß die neuerliche Zuſammen-
kunft zwiſchen Tittoni und Aerenthal ein neuer Beweis der
erfreulichen Wandlung iſt, die ſich in den Beziehungen
zwiſchen Oeſterreich und Italien vollzogen hat. Beide Miniſter
ſind redlich bemüht, an die Stelle des mehr als kühlen und
weniger als korrekten Verhältniſſes, das unter ihren Vorgänger
zwiſchen den beiden Reichen beſtanden hat, wärmere, innigere
Beziehungen herzuſtellen. Es iſt ihnen auch bereits gelungen,
Mißtrauen und Mißgunſt durch gegenſeitiges Vertrauen und
guten Willen zu erſetzen und ſo das Dornengeſtrüpp, das in
der Aera Goluchowski die künſtliche Treibhauspflanze des
öſtereichiſch-italieniſchen Freundſchaftsverhältniſſes zu erſticken
drohte, auszuroden. Sie haben ſo dieſem Pflänzchen freie
Entfaltung ermöglicht, und die Zuſammenkunft auf dem
Semmering beweiſt, daß ſie auch entſchloſſen ſind, es ſorgſam
zu pflegen und vor jedem rauhen Windhauch zu behüten.
Wenn übrigens das nur durch die Künſte einer wohl-
geſinnten Diplomatie in letzter Zeit wieder etwas konſolidierte
Freundſchaftsverhältnis zwiſchen Oeſterreich und Italien als
Treibhauspflanze bezeichnet wird, ſo liegt in dieſem Vergleich
ebenſoviel Recht wie Unrecht. Recht mit Rückſicht darauf, als
— es rächen ſich hier die Sünden der Väter — von wahrer
Freundſchaft tatſächlich nicht die Rede ſein kann, Unrecht
deshalb, weil, genau betrachtet, die Gegenſätze zwiſchen den
beiden Reichen durchaus nicht ſolcher Art ſind, daß ſie nicht
am grünen Tiſche, ſondern nur mit Blut und Eiſen ausge-
glichen werden könnten. Trennend zwiſchen Oeſterreich und
Italien ſtand ja anfangs nur — die Tradition. Im itali-
eniſchen Volke lebt noch die Erinnerung an die Zeit, da
Oeſterreich ſich den Einheitsbeſtrebungen Italiens mit Erfolg
entgegenſtellte, und in Oeſterreich wiederum hat nur das
Volk es ganz zu überwinden vermocht, daß von Süden
her der erſte Stoß kam, der die Vorherrſchaft der Habs-
burger in Mitteleuropa erſchütterte ... Und noch etwas:
eine ehrwürdige, in ihrer Befolgung von dem italieniſchen
Volke ſchmerzlich empfundene Tradition ſperrt den Weg von
Wien nach Rom ... Das iſt die Wand, die Oeſterreich und
Italien trennt — eine Wand, die wahrlich nicht ſchwer nieder-
zulegen wäre! Und was ſich um dieſen Kern gruppiert hat,
auch das ſind keine gar zu tragiſchen Gegenſätze. Die Irredenta
höher einzuſchätzen, als ein bübiſches, aber nicht direkt gefähr-
liches Spiel, hat man ſchon verlernt, und auch dem Anta-
gonismus auf dem Balkan kann bei gutem Willen leicht die
kritiſche Schärfe genommen werden.
Es ſcheint, als hätten Aerenthal und Tittoni das Kunſt-
ſtück zuwege gebracht, das keinem ihrer Vorgänger gelungen
iſt: ſich ſelbſt zu der Ueberzeugung von der problematiſchen
Natur der zwiſchen ihren Staaten herrſchenden Gegenſätze
durchzuringen. Wäre das nicht der Fall, dann hätte kaum
innerhalb der kurzen Spanne eines Jahres eine relativ ſo
bedeutende Beſſerung erzielt werden können. Wir hoffen, daß
die Zuſammenkunft auf dem Semmering eine neue Etappe
auf dem Wege zum Ausgleich zwiſchen Oeſterreich und
Italien bedeutet. Hier dürfte die in Deſio angebahnte, durch
die Abmachungen von Iſchl jedenfalls weſentlich geförderte
Verſtändigung über die mazedoniſche Frage weiter ausgebaut
und vielleicht auch Unſtimmigkeiten wegen der irredentiſtiſchen
Propaganda vorgebeugt und ſo die Klärung der tatſäch-
lichen Differenzen eingeleitet werden. Und ſchreiten Oeſterreich
und Italien auf dem Wege weiter, den Tittoni und Aehrenthal
weiſen, dann werden ſie im Laufe der Zeit wohl auch einmal
die Macht der Tradition überwinden ...
Begräbnis erſter Klaſſe. Berlin, 20. Auguſt (Orig.-Korr.)
Das feierliche Begräbnis, das in der letzten Plenar-
ſitzung der Haager Konferenz dem engliſchen Vorſchlage auf
Einſchränkung der kriegeriſchen Rüſtungen zuteil geworden iſt,
bedeutet ohne Zweifel einen Sieg der deutſchen Polilik. Und
da die Deutſchen ſeit länger als dreißig Jahren ungeachtet
ihrer Machtſtellung keinen Krieg geführt haben, ſo bedeutet
ihr Sieg auf der Konferenz auch einen Sieg der Frie-
denspolitik, und zwar der praktiſchen und durch-
führbaren Friedenspolitik über die von unklaren Stim-
mungen getragene und in nichtsſagenden Redensarten alles
Heil ſuchende unpraktiſche Friedenspolitik, zu deren Träger
ſich in wohlverſtandenem eigenem Intereſſe England gemacht
hatte, obwohl dem loyalen engliſchen Premier die wiederholt
abgegebene Beteuerung, daß ihn nicht ſelbſtſüchtige oder
deutſchfeindliche Beweggründe lenkten, aufs Wort geglaubt
werden mag.
Am Grabe des Antrages hält der dafür begeiſterte
Mr. Stead eine feierliche Leichenrede. Er ſchreibt: „Das
feierliche Begräbnis des Abrüſtungsantrages, umgeben von der
ſchweigenden Konferenz, zeigt an, in welchem Maße Deutſch-
lands Einfluß in Europa ſteigt. Deutſchland hat offen und
unumwunden England Gelegenheit gegeben, die Abrüſtungsfrage
zu diskutieren, und hat es allein durch die Erklärung, ſich
an der Debatte nicht beteiligen zu wollen, unmöglich gemacht.
Aber Deutſchlands Zuſtimmung wird als unumgänglich
erklärt für den „Wunſch“, womit der Friedensgott ſeine
Feuilleton.
Im Zeichen der Ernte.
Eine Skizze von Math. Tipp (München).
Nachdruck verboten.
Von gedämpfter Sonnenglut überſtrahlt, lagen die ab-
geernteten Felder; ihre Frucht war ohne Proteſt der Elemente
reichlich eingebracht worden — nur die Obſtbäume bogen ſich
noch unter der Laſt ihrer ungepflückten Reife.
In herbſtlichem Glanze lagen die Rebenhügel, der an-
grenzende Wald, das freundliche Dorf, das Herrenhaus aus
rotem Sandſtein hinter den ſchlanken weißen Birken, deren
goldiggefärbte Blätter vom zitternden Zweiggehänge unter
leiſem Abſchiedsflüſtern zum Boden niederrieſelten, aus dem
ſie die Kraft zu ihrem kurzen Sommerdaſein geſogen.
Ueber die ſonnenumflutete, von wildem Wein über-
wucherte Mauer, welche die Dorfkirche umfriedigte, ſtrich ein
leiſer Wind; auch der ſanfteſte Hauch nahm ein Purpurblatt
nach dem andern, ſo loſe ſaßen ſie ſchon am Stiele.
Um die ländlichen Aſternbeete und das Buſchwerk mit
roten oder bläulich-dunklen Beeren glitzerten die feinen ſilber-
betauten Gewebe und Fäden des fliegenden Sommers; auf
dem alten Nußbaume ſammelten ſich die Vögel und hoch oben
in der duftklaren Ferne zeigte ſich das ſcharfbegrenzte Dreieck
des erſten Wanderzuges.
Es war Sonntagſ — Erntefeſt. Ein Tag wie geſchaffen,
die wechſelvolle Erhabenheit der gnadenreichen, ſegenſpenden-
den Natur tief und dankbar zu empfinden. Feierlich kündeten
die Glocken den beendeten Gottesdienſt, aus den weitgeöff-
neten Türen drang der Schlußchoral und die feſtlichgekleidete
Menge wandelte erbaut und frohgeſtimmt vorüber an den
guirlandenumwundenen Pfeilern, den buntbebänderten Ge-
treidegarben und den fruchtgefüllten, mit farbigem Laub un-
geſucht kunſtlos und dennoch maleriſch gezierten Körben.
Während der Schwarm der Kirchengänger dem Haupt-
portale zuſtrömte, trat die Gutsherrſchaft durch eine Seiten-
tür auf den Friedhof hinaus. Im ſchwarzem Battiſtkleide
voran Greta Mark, die Witwe des vor Jahresfriſt plötzlich
geſtorbenen Erbgrafen Leo Mark von Dörzbach. Mit wenigen
Schritten hatte Greta das mit Lanbgarben, Tannengrün und
Blumen geſchmückte Grab erreicht, andächtig neigte ſie den
blonden Kopf mit dem ſchwarzen Hütchen und ſprach über
dem ſtillen kleinen Garten ein kurzes Gebet.
Hinter ihr ſtand ihr Vater, Oberſt von Runow, eine Ge-
ſtalt wie aus Stahl und Eiſen, der man ſoldatiſche Zucht
auf den erſten Blick anſah.
Langſam war den beiden der jetzige alleinige Beſitzer
von Dörzbach, Graf Stefan Mark, gefolgt. Er war ein mittel-
großer Mann mit ſchlangen, ſehnigen Gliedern und einem
edelgeformten Raſſekopf. Der Blick ſeiner dunklen, leuchtenden
Augen, die das ſchönſte in Stefans hagerem Geſicht waren,
folgte jeder Bewegung der jungen Frau. Als auch er am
Grabe des Bruders ſeinen Tribut an Pietät gezollt hatte,
ging er ſchweigſam dicht neben der Schwägerin die Stein-
ſtufen hinab, die in den Park führten. Unter zeremoniöſen
Gebräuchen und Segenwünſchen, welche die Uebergabe des
Erntekranzes an die Guisherrſchaft begleitete, wurde das
Geſinde von der gräflichen Familie zu Mahl und Erntebier
geladen; bald lockten von der Wieſe frohe Tanzweiſen in das
Zelt und als das ſchönſte Paar des Hofes in fränkiſcher
Tracht den Reigen eröffnet hatte, zogen ſich die drei aus dem
Herrnhauſe unauffällig in den Park zurück.
Greta nahm den Arm ihres Vaters und ging auf die
verſchnittene Taxushecke zu, hinter der die Marmorbank, ihr
Lieblingsplatz, hervorleuchtete. Aber der alte Herr machte ſich
geſchäftig los: „Nee — Kindchen — zur Sieſta habe ich
keine Zeit mehr — ich muß noch fertig packen ...“
Greta wie Stefan hörten aus ſeiner Ablehnung frohe
Haſt. Wie uageduldig ſich der Vater freute, Dörzbach, wohin
er ſeit dem Tode ſeines Schwiegerſohns Gretans wegen
verbannt war, gegen die norddeutſche Reſidenz vertauſchen zu
können, wo er die alten Kriegskameraden wiederſah und die
ſchmerzlich entbehrten Paraden und Kaffeehäuſer wieder beſuchen
konnte! Greta und Stefan ſahen dem Davoneilenden nach,
lächelten ſich verlegen an und ſetzten ſich, fallendes Laub zu
Füßen, auf die Bank. „Zum letzten Male.“ So dachten ſie
beide und empfanden beide denſelben Schmerz darüber.
Verſunken in die Stille des herbwürzigen September-
tages, über deſſen bunt-goldener Pracht die Elegie alles Ver-
blühens und Verrauſchens wehte, konnte Greta es nicht hindern,
daß Träne um Träne über ihre Wangen rollte.
Stefans Hand krampfte ſich um die alatte Marmorlehne.
Ihr jetzt ſagen dürfen: bleibe bei mir, Greta. ... Und dann
das geliebte Weib an ſich reißen und ſich ſatt küſſen an ihrem
Munde.... Toller Wahn! Dieſe Tränen galten ja ſeinem
Bruder! Er mußte konventionell bleiben wie bisher. Niemand
durfte ahnen, was es ihn koſten würde, die Erinnerung an
dieſe Augen, dieſe Stimme und das zauſige Blondhaar zu
bekämpfen....
„Es wird mir furchtbar ſchwer, mich zu trennen“, ſagte
ſie leiſe.
Er taſtete nach ihrer Hand und küßte ſie mit dem Brande
ungelöſchten Feuers, das ſie bebend fühlte: „Vergib mir,
Greta, daß ich den Boden habe, der für Dich ſo ſchmerzlich-
ſüße Erinnerungen trägt....“
„So war es nicht gemeint, Stefan. Ich gönne Dir
Dörzbach, Du haſt es Dir wahrlich redlich verdient. Aber
mir iſt es zur Heimat geworden und ich fürchte, ich werde
mich krank ſehnen, wenn ich meinen Vater begleite. Hier war
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