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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1082, Czernowitz, 22.08.1907.

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22. August 1907. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch]
Mac Lean.

Wie "Daily Mail" aus Tanger
meldet, ist Mac Lean gestern in der Nähe von Elkassar dem
Onkel des Sultans ausgeliefert worden. Ein Gefecht zwischen
El Mrani und Raisuli gilt als bevorstehend.

Die Lage in Fez.

Wie der "Standard" aus Tan-
ger meldet, sagen dort aus Fez eingetroffene Briefe, daß sich
der Maghzen ohnmächtig fühle, eine etwa in Fez ausbrechende
fremdenfeindliche Bewegung zu unterdrücken. Der Minister
für auswärtige Angelegenheiten Sliman habe daher den fran-
zösischen Konsul gebeten, allen französischen Untertanen zu
raten, sich nicht in den Straßen zu zeigen, um Unruhen zu
vermeiden.




Bunte Chronik.


Vom zerstreuten Professor.

Vor kurzem wurde aus Paris der Fall des greisen
Mathematikprofessors Mouchot berichtet, der jahrelang in
seinen Büchern vergraben völlig vergessen hatte, seine Pension
abzuheben, und nun erstaunt in ratloser Verzweiflung aufsprang,
als er plötzlich bemerkte, wie der Gerichtsvollzieher seine
Wohnung ausräumen ließ. Die Zerstreutheit des greisen
französischen Gelehrten hat in der Geschichte mehr als genug
Gegenstücke; von jeher war es ein unangetastetes Privilegium
der Professoren, die Erscheinungen, die außerhalb ihres Ideen-
kreises lagen, mit einer stolzen Gleichgültigkeit zu behandeln,
die oft zu den seltsamsten Verwicklungen führte, und deren
Komik in dem zerstreuten Gelehrten, der unentwegt in den
Witzblättern seinen Ehrenplatz behauptet, sich zur volkstümlichen
Figur verdichtet und wohl auch vergröbert hat. In ihrer
selbstlosen Arbeit für die Allgemeinheit wirft ihre leuchtende
Hingabe an ihre Wissenschaft, ihre starre Konzentration auf
das gesteckte Ziel gleichsam ihren natürlichen Schatten in all
den komischen Ergebnissen ihrer Zerstreutheit.

Von dem berühmten Mathematiker Sturm erzählt
der Gaulois eine amüsante kleine Geschichte. Ueber ein Problem
nachgrübelnd, sieht er auf der Straße ein Wasserfaß auf
einem Wagen; er zieht seinen Bleistift aus der Tasche und
beginnt am Fasse seine Zahlen und Gleichungen niederzuschreiben.
Nach einiger Zeit kommt der Kutscher, der irgendwo Labung
zu sich genommen, zu seinem Wagen zurück und fährt. Und
unbekümmert, ohne Erstaunen, schreitet der alte Sturm hinter
dem Vehikel her, weiterschreibend und weitersinnend.....
Derselbe Gelehrte war auch von großer Bescheidenheit, und
als er in seinen Vorlesungen auf das Problem zu sprechen
kam, das von ihm den Namen erhalten hat, beginnt er:
"Meine Herren, ich muß jetzt ein Problem berühren, dessen
Namen zu tragen ich die Ehre habe...."

Von Ampere werden Hunderte von Anekdoten be-
richtet, die seine Zerstreutheit beleuchten. Weniger bekannt ist
das kleine Abenteuer, das er kurz nach seiner feierlichen
Aufnahme im Institut erlebte. Beim Rektor war ein großes
Diner, und irgend ein guter Freund machte sich den Scherz,
Ampere einzureden, daß er dazu seine Akademikeruniform
anlegen müsse. Wie er den Saal betritt, sieht er, daß außer
ihm kein Mensch Uniform trägt; er ist verwir[r]t, geniert sich
und will sich zumindest seines Degens entledigen, der die
unangenehme Gewohnheit hat, ihm immer tückisch zwischen
die Beine zu geraten. Er schnallt die Mordwaffe ab und
verbirgt sie unter die Kissen eines Sophas. Das Diner be-
ginnt, seine Befangenheit schwindet allgemach, er plaudert
ein wenig, dann aber ergreift ein Problem seine Gedanken,
er lehnt sich sinnend an den Kamin und grübelt. Die Zeit
vergeht, die Gäste gehen, Ampere grübelt und merkt nichts.
Schon sind alle gegangen. Der Hausherr flüchtet heimlich in
sein Schlafgemach, und nur die höfliche Wirtin bleibt schweigend
sitzen und respektiert taktvoll die Gedanken ihres Gastes, indes
der Zeiger immer mehr vorrückt. Endlich erwacht Ampere
aus seinem Grübeln, sieht, daß alle fort sind und will seinen
Degen nehmen, um sich davonzuschleichen. Aber o Schicksal,
auf dem Sopha sitzt Mad. de Fontanes in tiefem, wohlver-
diente Schlummer. Was tun? Der Gelehrte kniet nieder,
und mit äußerster Vorsicht bemüht er sich, den Degen unter
dem Kissen hervorzuziehen. Er zieht, zieht und endlich hält
er -- die blanke Klinge ohne Scheide in den Händen. Ein
verzweifeltes Stöhnen entreißt sich Amperes Brust, Mad. de
Fontanes erwacht, sieht einen Menschen mit blanker Klinge
vor sich knien und schreit entsetzt um Hilfe. Man eilt herbei,
Herr de Fontane im Nachtgewand, die Schlafmütze auf dem
Denkerschädel ... Endlich klärt sich die Geschichte auf und
etwas deprimiert schleicht sich Ampere heimwärts ...

Newton machte es noch besser. Er war in ein junges
Mädchen verliebt -- seine spätere Frau -- und nachdem er
seine Pfeife angezündet, nimmt er in zärtlichem Flüstern die
schmale, kleine Hand der Geliebten in die seine. Es naht
der Augenblick der Erklärung; die Kleine lächelt schon
glücklich, aber neidisch wie das Schicksal nun einmal ist:
gerade im wichtigsten Moment geht die Pfeife aus. Newton
zieht, zieht, es geht nicht und mißmutig will er die Pfeife
fester stopfen. Mit einem Schmerzensschrei springt die Heiß-
geliebte auf und stürzt davon: Newton hatte in der Ver-
wirrung den zarten Finger der Erwählten als Pfeifenstopfer
benutzt. Sie fanden sich trotzdem ...

La Fontaine erschien eines Tages vor Ludwig XIV.,
um dem Monarchen seine Fabeln zu überreichen, leider hatte
er dabei seine Fabeln zu Hause gelassen. Ludwig, der La
Fontaine kannte, lachte und ließ ihm 1000 Pistolen über-
geben. Auf der Heimfahrt aber läßt La Fontaine die tausend
Pistolen in der Mietskutsche liegen...




[Spaltenumbruch]
Dr. Luegers Befinden.

Dr. Lueger erlitt am 18. August
in Brixen einen schweren Ohnmachtsanfall. Sein Zustand ist
besorgniserregend.




Straßenraub.

Der Bankier Louis Perrin, der
in einigen Gemeinden des Departements Isere Gelder ein-
kassiert hatte, wurde bei Bouvesse in seinem Wagen von drei
Straßenräubern überfallen, die ihn seiner Barschaft von
15.000 Frank beraubten und ihn an einen Baum banden.
Der Mann wurde erst nach drei Stunden aus dieser Lage
befreit.




Meuterei in einem Gefängnis.

Im Gefängnis von Sal[e]rno ent-
stand gestern eine Meuterei. Die Sträflinge sprengten mit
Dynamit die Mauern und gelangten so ins Freie. Karabiniere,
welche schnell eintrafen, mußten mit dem Revolver in der
Hand die von den Sträflingen errichteten Barrikaden er-
stürmen. Nur mit großer Anstrengung gelang es der be-
waffneten Macht, die Meuterer wieder zu verhaften und die
Ordnung wieder herzustellen.




[Ein Flugversuch vor 400 Jahren.]

Man schreibt
der "Ftfr. Ztg.": In unser für die Aeronautik so bedeutsam
gewordenes Jahr fällt der 400. Jahrestag eines weniger be-
kannten Flugversuches. Im September des Jahres 1507 schickte
Künig Jakob IY. von Schottland eine Gesandschaft von Edin-
burgh nach Frankreich. Ein Abenteuerer, der sich seiner Gunst
erfreute, John Damian, Abt von Tungland, rühmte sich,
Frankreich noch vor der Ankunft der Gesandten erreichen zu
können, indem er ganz einfach hinüberfli[e]gen wollte. Er ließ
sich daher ein Paar große Flügel machen, befestigte sie an
seinem Körper, stellte sich auf die Mauer des Stirling-Schlosses
und begann vor Tausenden von erwartungsvollen Zuschauern
sein gefährliches Wagnis. Statt aber stolz in die Lüfte empor-
zusegeln, fiel der kühne Abt stracks auf den Boden und brach
ein Bein. Ueber die Streitfrage, warum das Unternehmen miß-
glückte, konnte eine volle Einigung nicht erzielt werden. Damian
glaubte die Lösung in dem Umstande gefunden zu haben, daß
in den Flügeln unter den Adlerfedern einige Hühnerfedern ge-
wesen seien. Diese hätten das Bestreben gezeigt, auf den Mist-
haufen zurückzukehren, statt in die Lüfte aufzusteigen. Doch
scheint er auch in die Adlerfedern kein allzu großes Vertrauen
gesetzt zu haben; denn von einer Wiederholung des Versuches
wird nichts berichtet. Dieser Abt Damian, ein Vorgänger des
famosen Cagliostro, ist eine sehr interessante Persönlichkeit. Von
Geburt Italiener, wahrscheinlich aus der Lombardei, kam er
nach vielen Irrfahrten an den schottischen Königshof, wo er
sich als Arzt einführte und bald zu hohem Ansehen gelangte.
Er wußte den König Jakob IV. für die Geheimnisse der Al-
chimie zu begeistern. Daß er ein Meister dieser Kunst war,
zeigt seine verblüffende Geschicklichkeit, die Goldstücke zu ver-
mehren, d. h. die in seiner eigenen Tasche. Obwohl der König
schließlich daran verzweifelte, aus Damian etwas herauszube-
kommen, scheint sich dieser in seiner Gunst erhalten zu haben.
Er fand öfters Gelegenheit, den Säckel des Königs durch Spiel
und Anleihen zu erleichtern. -- H. B.

[Amerikanische Ideale.]

Es ist bekannt, daß
Theodore Roosevelt, der Präsident der Vereinigten Staaten,
häufig das Wort ergreift oder sich seine ausgesprochene schrift-
stellerische Begabung zunutze macht, um in seinem Volke den
Sinn für ethische Ideale zu wecken. Interessant sind seine dies-
bezüglichen Ausführungen in einem eben in deutscher Sprache
erschienenen Buche "Amerikanismus", das einen Aufsatz "Das
Ideal des Amerikaners" enthält. Es geht von dem Gedanken
aus, daß die Union ihren großen Männern wie Washington und
Lincoln nicht nur die materielle Freiheit und Unabhängigkeit
verdanke, sondern von ihnen zugleich ideale Güter geerbt habe,
die sie immer wieder erobern müsse, um sie wirklich zu besitzen.
Die Hauptgefahr für den Amerikaner, dem man einem aus-
gesprochenen Geschäftssinn nachsagt, bestehe in der skruppellosen
Anbetung des Erfolges, die sich absolut nicht um die Mittel
kümmere, mit denen das vorgestellte Ziel erreicht wurde. Viel
größeres Unheil als die eigentlichen Verbrecher stifteten die
Lcute, die dem Volk unmoralische Lehren vorhielten und sich
zugleich den Maschen des Gesetzes geschickt genug zu entziehen
wußten. Kann man es bei dem Kleinbürger, der notdürftig um
seinen Lebensunterhalt kämpft, begreifen, wenn er die materiellen
Interessen durchaus in den Vordergrund seiner Handlung stellt,
so hat der Reiche diese Entschuldigung nicht. "Man kann nicht
streng genug über die Reichen urteilen", führt Roosevelt aus,
"die unter Nichtachtung aller Pflichten nicht darauf bedacht
find, Geld zusammenzuscharren. Und diese Menschen machen
schließlich den jämmerlichsten Gebrauch von ihrem Gelde. Sie
spekulieren in Effekten und faulen Eisenbahnobligationen; sie
sichern ihren Söhnen die Möglichkeit eines unnützen Faulenzer-
lebens oder kaufen ihren Töchtern als Gatten irgend ein herge-
laufenes Subjekt aus einer inländischen oder fremden Familie
von Ansehen. Solche Menschen sind um so gefährlicher, als sie
sich meist mit blendenden Taten spreizen; sie errichten eine
Schule, geben große Summen für kirchliche Zwecke und rechnen,
oft genug nicht ohne Grund, darauf, daß ihre sonstige Lebens-
leistung von der törichten Menge nun nicht mehr beachtet wird."
Man darf diesen Ausführungen entgegenhalten, daß gerade die
amerikanischen Milliardäre wie Morgan und Carnegie, die ähn-
liche Anschauungen wie Roosevelt entwickeln, sich der Pflichten
ihres Reichtums bewußt sind und zahlreiche Wohltätigkeits- und
Bildungsanstalten gestiftet haben.

[Garibaldis Vermächtnis.]

Das letzte Vermächtnis
Garibaldis, das alle vorangegangenen aufhob und seinerzeit
auch vollstreckt wurde, dürfte wohl wenig oder gar nicht bekannt
sein. Jetzt veröffentlicht es die Tribuna. Das Vermächtnis trägt
[Spaltenumbruch] den Vermerk: "Caprera, den 30. Juli 1881." In den ersten
Punkten dieses Vermächtnisses bestimmt Garibaldi den Sohn
Monetis zu seinem Testamentsvollstrecker, vermacht der Frau die lebens-
längliche Nutznießung seines ganzen Vermögens, vertraut Monti
und seiner Frau die Vormundschaft über seine anderen Kinder
an, teilt das Land unter die Kinder usw. Punkt 12 lautete:
"Mein Leichnam soll auf einem Scheiterhaufen aus capre-
raschem Holz an jener Stelle verbrannt werden, die von mir
mit einem eisernen Kreuz bezeichnet ist. Ein kleiner Teil meiner
Asche soll in einer granitenen Urne an dem Grabe meiner
Kinder unter der dort wachsenden Akazie beigesetzt werden. Vor
der Verbrennung möge man meinem Körper ein rotes Hemd
anziehen. Mein Haupt soll im Sarge oder auf einer eisernen
Bettstelle unbedeckt und nach der gen Westen gerichteten Wand
liegen; die Füße und der Kopf sollen an den Sarg oder die
eiserne Bettstelle mit eisernen Ketten befestigt werden. Bevor
aber die Verbrennung vollzogen wird, dürfen weder die Kom-
munalbehörden noch sonst jemand von meinem Tode erfahren."

[Die Urenkelin der Carmen.]

Carmen, die be-
rühmte Carmen, die durch Bizets Oper zur Weltberühmtheit
geworden, ist nicht nur das Kind der Phantasie Merimees.
Sie hat wirklich gelebt und gehörte einem Zigeunerstamm
an, der Naduschka heißt. Sie nannte sich, so erzählen fran-
zösische Blätter, in ihrer Muttersprache Ar-Mintz, und daraus
ist der Name Carmen entstanden. Carmen war Mutter eines
Mädchens, dessen Vater unbekannt blieb. Als die Tochter
Carmens herangewachsen war, verband sie sich in Liebe mit
einem fahrenden Sänger namens Jarko. [D]ie Frucht dieser
Ehe war wiederum ein Mädchen, das den Namen Thiecla
erhielt. Thiecla verliebte sich in einen Artilleriesergeanten der
Garnison Gibraltar, und um seinetwillen verließ sie Stamm
und Freiheit. Der Sergeant betrachtete sie als seine legitime
Frau, und dem Bund entsproß ein Mädchen, das im Ge-
denken an die Großmutter und den Stamm Mintz Naduschka
genannt wurde. Als ihr Vater starb, nahm ihr Großvater
Jarko sich ihrer an; von ihm lernte sie tanzen und singen.
Ein Impresario wurde auf sie aufmerksam, ließ sie ausbilden,
und in mehreren europäischen und amerikanischen Theatern
trat Mintz Naduschka auf. Als Carmen errang sie ihre großen
Erfolge. Plötzlich verschwand die junge Zigeunersängerin,
Niemand konnte es je ergründen, wohin, aber erzählt wird.
daß sie in England von Zigeunern vergiftet wurde, als
Strafe dafür, ihre Rasse verraten zu haben, da sie als
Zigeunerin vor Fremden sang.

[Ein guter Kauf.]

Ein Schuhmacher aus Epping
(England) kaufte vor wenigen Wochen bei einem Althändler
in London ein altes Piano für billiges Geld. Er ließ das
Instrument nach Hause schaffen und bestellte sich einen Klavier-
stimmer, der ihm den alten Kasten wieder in Stand setzen
sollte. Der Mann ging an die Arbeit und fing an, dem
greulich tönenden Instrument nach und nach reine Töne zu
entlocken. Plötzlich klirrte etwas im Innern des Instruments.
Der Stimmer sah nach, was es war, und entdeckte zu seinem
und des jetzigen Besitzers größtem Erstaunen einen Beutel mit
14 Guineen, der augenscheinlich von einem früheren Inhaber
in dem Piano verborgen und dort vergessen worden war.

[Gefährliche Pariser Straßenbahnwagen].

Die veraltete Bauart der zwischen Paris und der Bannmeile
verkehrenden Wagen hat abermals ein Opfer gefordert. Immer
noch werden auf den Dächern dieser Wagen Passagiere geduldet,
obwohl nach einer Anzahl trauriger Erfahrungen die Kassierung
sämtlicher Wagen ältesten Stils schon für den Frühling dieses
Jahres bestimmt in Aussicht gestellt worden war. Ein neues
Unheil wird die endliche Einlösung des Versprechens beschleunigen.
Am Sonntag wurde dem 17jährigen Studenten Audrivet,
welcher unbedachterweise vor dem Passieren der Brücke bei
der Station Nogent sich vom Sitze erhob, der Schädel zer-
schmettert. Frau Budrivet, die Mutter des Getöteten, die die
Nachricht am Bahnhuf erfuhr, erlitt einen Schlaganfall. Der
Eisenbahnminister Barthou wird jetzt die Bahngesellschaft
zunächst dazu anhalten, in drei Sprachen Warnungstafeln
auf dem Deck der Wagen anzubringen.

[Eine vergiftete Familie.]

Aus Kaposvar wird
dem "Neuen Pester Journal" telegraphiert: In Vamos er-
krankte vorgestern eine ganze Familie unter Vergiftungser-
scheinungen. Die Frau eines Landwirtes hatte die Gänse
ihrer Nachbarin, die in ihrem Garten großen Schaden ange-
richtet hatten, vergiftet. Die Eigentümerin der Gänse be-
merkte den Todeskampf der einen Gans und, nichts Böses
ahnend, in der Vermutung, daß das Tier durch Verschlucken
eines Kieselsteines dem Ersticken nahe sei, schlachtete und be-
reitete sie es zum Mtttagessen. Die ganze Familie von acht
Personen, außerdem zwei Dienstboten, erkrankten, und ein
kleines Kind starb bereits abends infolge des Genusses des
vergifteten Fleisches. Auch zwei Hunde, die die Reste und
die Beine der Gans erhalten hatten, verendeten. Der Zustand
der Erkrankten ist lebensgefährlich.




Czernowitzer Angelegenheiten.


Personalnachrichten.

Der Vorstand des Bau-
departements der Landesregierung, Oberbaurat Friedrich
Haberlandt hat einen mehrwöchentlichen Urlaub ange-
treten. Die Leitung des Baudepartements hat Baurat Leopold
Brill übernommen.

Vom Stadttheater.

Zwischen der Verwaltung der
Militärkapelle und Herrn Direktor Martin Klein ist gestern
abends das Uebereinkommen betreffs des Engagements
der Militärmusik als Theaterorchester zustande gekommen
Der abgeschlossene Vertrag bedarf noch der Genehmigung
des Reichskriegsministeriums. Danach werden in der

22. Auguſt 1907. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch]
Mac Lean.

Wie „Daily Mail“ aus Tanger
meldet, iſt Mac Lean geſtern in der Nähe von Elkaſſar dem
Onkel des Sultans ausgeliefert worden. Ein Gefecht zwiſchen
El Mrani und Raiſuli gilt als bevorſtehend.

Die Lage in Fez.

Wie der „Standard“ aus Tan-
ger meldet, ſagen dort aus Fez eingetroffene Briefe, daß ſich
der Maghzen ohnmächtig fühle, eine etwa in Fez ausbrechende
fremdenfeindliche Bewegung zu unterdrücken. Der Miniſter
für auswärtige Angelegenheiten Sliman habe daher den fran-
zöſiſchen Konſul gebeten, allen franzöſiſchen Untertanen zu
raten, ſich nicht in den Straßen zu zeigen, um Unruhen zu
vermeiden.




Bunte Chronik.


Vom zerſtreuten Profeſſor.

Vor kurzem wurde aus Paris der Fall des greiſen
Mathematikprofeſſors Mouchot berichtet, der jahrelang in
ſeinen Büchern vergraben völlig vergeſſen hatte, ſeine Penſion
abzuheben, und nun erſtaunt in ratloſer Verzweiflung aufſprang,
als er plötzlich bemerkte, wie der Gerichtsvollzieher ſeine
Wohnung ausräumen ließ. Die Zerſtreutheit des greiſen
franzöſiſchen Gelehrten hat in der Geſchichte mehr als genug
Gegenſtücke; von jeher war es ein unangetaſtetes Privilegium
der Profeſſoren, die Erſcheinungen, die außerhalb ihres Ideen-
kreiſes lagen, mit einer ſtolzen Gleichgültigkeit zu behandeln,
die oft zu den ſeltſamſten Verwicklungen führte, und deren
Komik in dem zerſtreuten Gelehrten, der unentwegt in den
Witzblättern ſeinen Ehrenplatz behauptet, ſich zur volkstümlichen
Figur verdichtet und wohl auch vergröbert hat. In ihrer
ſelbſtloſen Arbeit für die Allgemeinheit wirft ihre leuchtende
Hingabe an ihre Wiſſenſchaft, ihre ſtarre Konzentration auf
das geſteckte Ziel gleichſam ihren natürlichen Schatten in all
den komiſchen Ergebniſſen ihrer Zerſtreutheit.

Von dem berühmten Mathematiker Sturm erzählt
der Gaulois eine amüſante kleine Geſchichte. Ueber ein Problem
nachgrübelnd, ſieht er auf der Straße ein Waſſerfaß auf
einem Wagen; er zieht ſeinen Bleiſtift aus der Taſche und
beginnt am Faſſe ſeine Zahlen und Gleichungen niederzuſchreiben.
Nach einiger Zeit kommt der Kutſcher, der irgendwo Labung
zu ſich genommen, zu ſeinem Wagen zurück und fährt. Und
unbekümmert, ohne Erſtaunen, ſchreitet der alte Sturm hinter
dem Vehikel her, weiterſchreibend und weiterſinnend.....
Derſelbe Gelehrte war auch von großer Beſcheidenheit, und
als er in ſeinen Vorleſungen auf das Problem zu ſprechen
kam, das von ihm den Namen erhalten hat, beginnt er:
„Meine Herren, ich muß jetzt ein Problem berühren, deſſen
Namen zu tragen ich die Ehre habe....“

Von Ampère werden Hunderte von Anekdoten be-
richtet, die ſeine Zerſtreutheit beleuchten. Weniger bekannt iſt
das kleine Abenteuer, das er kurz nach ſeiner feierlichen
Aufnahme im Inſtitut erlebte. Beim Rektor war ein großes
Diner, und irgend ein guter Freund machte ſich den Scherz,
Ampère einzureden, daß er dazu ſeine Akademikeruniform
anlegen müſſe. Wie er den Saal betritt, ſieht er, daß außer
ihm kein Menſch Uniform trägt; er iſt verwir[r]t, geniert ſich
und will ſich zumindeſt ſeines Degens entledigen, der die
unangenehme Gewohnheit hat, ihm immer tückiſch zwiſchen
die Beine zu geraten. Er ſchnallt die Mordwaffe ab und
verbirgt ſie unter die Kiſſen eines Sophas. Das Diner be-
ginnt, ſeine Befangenheit ſchwindet allgemach, er plaudert
ein wenig, dann aber ergreift ein Problem ſeine Gedanken,
er lehnt ſich ſinnend an den Kamin und grübelt. Die Zeit
vergeht, die Gäſte gehen, Ampère grübelt und merkt nichts.
Schon ſind alle gegangen. Der Hausherr flüchtet heimlich in
ſein Schlafgemach, und nur die höfliche Wirtin bleibt ſchweigend
ſitzen und reſpektiert taktvoll die Gedanken ihres Gaſtes, indes
der Zeiger immer mehr vorrückt. Endlich erwacht Ampère
aus ſeinem Grübeln, ſieht, daß alle fort ſind und will ſeinen
Degen nehmen, um ſich davonzuſchleichen. Aber o Schickſal,
auf dem Sopha ſitzt Mad. de Fontanes in tiefem, wohlver-
diente Schlummer. Was tun? Der Gelehrte kniet nieder,
und mit äußerſter Vorſicht bemüht er ſich, den Degen unter
dem Kiſſen hervorzuziehen. Er zieht, zieht und endlich hält
er — die blanke Klinge ohne Scheide in den Händen. Ein
verzweifeltes Stöhnen entreißt ſich Ampères Bruſt, Mad. de
Fontanes erwacht, ſieht einen Menſchen mit blanker Klinge
vor ſich knien und ſchreit entſetzt um Hilfe. Man eilt herbei,
Herr de Fontane im Nachtgewand, die Schlafmütze auf dem
Denkerſchädel ... Endlich klärt ſich die Geſchichte auf und
etwas deprimiert ſchleicht ſich Ampère heimwärts ...

Newton machte es noch beſſer. Er war in ein junges
Mädchen verliebt — ſeine ſpätere Frau — und nachdem er
ſeine Pfeife angezündet, nimmt er in zärtlichem Flüſtern die
ſchmale, kleine Hand der Geliebten in die ſeine. Es naht
der Augenblick der Erklärung; die Kleine lächelt ſchon
glücklich, aber neidiſch wie das Schickſal nun einmal iſt:
gerade im wichtigſten Moment geht die Pfeife aus. Newton
zieht, zieht, es geht nicht und mißmutig will er die Pfeife
feſter ſtopfen. Mit einem Schmerzensſchrei ſpringt die Heiß-
geliebte auf und ſtürzt davon: Newton hatte in der Ver-
wirrung den zarten Finger der Erwählten als Pfeifenſtopfer
benutzt. Sie fanden ſich trotzdem ...

La Fontaine erſchien eines Tages vor Ludwig XIV.,
um dem Monarchen ſeine Fabeln zu überreichen, leider hatte
er dabei ſeine Fabeln zu Hauſe gelaſſen. Ludwig, der La
Fontaine kannte, lachte und ließ ihm 1000 Piſtolen über-
geben. Auf der Heimfahrt aber läßt La Fontaine die tauſend
Piſtolen in der Mietskutſche liegen...




[Spaltenumbruch]
Dr. Luegers Befinden.

Dr. Lueger erlitt am 18. Auguſt
in Brixen einen ſchweren Ohnmachtsanfall. Sein Zuſtand iſt
beſorgniserregend.




Straßenraub.

Der Bankier Louis Perrin, der
in einigen Gemeinden des Departements Iſere Gelder ein-
kaſſiert hatte, wurde bei Bouveſſe in ſeinem Wagen von drei
Straßenräubern überfallen, die ihn ſeiner Barſchaft von
15.000 Frank beraubten und ihn an einen Baum banden.
Der Mann wurde erſt nach drei Stunden aus dieſer Lage
befreit.




Meuterei in einem Gefängnis.

Im Gefängnis von Sal[e]rno ent-
ſtand geſtern eine Meuterei. Die Sträflinge ſprengten mit
Dynamit die Mauern und gelangten ſo ins Freie. Karabiniere,
welche ſchnell eintrafen, mußten mit dem Revolver in der
Hand die von den Sträflingen errichteten Barrikaden er-
ſtürmen. Nur mit großer Anſtrengung gelang es der be-
waffneten Macht, die Meuterer wieder zu verhaften und die
Ordnung wieder herzuſtellen.




[Ein Flugverſuch vor 400 Jahren.]

Man ſchreibt
der „Ftfr. Ztg.“: In unſer für die Aeronautik ſo bedeutſam
gewordenes Jahr fällt der 400. Jahrestag eines weniger be-
kannten Flugverſuches. Im September des Jahres 1507 ſchickte
Künig Jakob IY. von Schottland eine Geſandſchaft von Edin-
burgh nach Frankreich. Ein Abenteuerer, der ſich ſeiner Gunſt
erfreute, John Damian, Abt von Tungland, rühmte ſich,
Frankreich noch vor der Ankunft der Geſandten erreichen zu
können, indem er ganz einfach hinüberfli[e]gen wollte. Er ließ
ſich daher ein Paar große Flügel machen, befeſtigte ſie an
ſeinem Körper, ſtellte ſich auf die Mauer des Stirling-Schloſſes
und begann vor Tauſenden von erwartungsvollen Zuſchauern
ſein gefährliches Wagnis. Statt aber ſtolz in die Lüfte empor-
zuſegeln, fiel der kühne Abt ſtracks auf den Boden und brach
ein Bein. Ueber die Streitfrage, warum das Unternehmen miß-
glückte, konnte eine volle Einigung nicht erzielt werden. Damian
glaubte die Löſung in dem Umſtande gefunden zu haben, daß
in den Flügeln unter den Adlerfedern einige Hühnerfedern ge-
weſen ſeien. Dieſe hätten das Beſtreben gezeigt, auf den Miſt-
haufen zurückzukehren, ſtatt in die Lüfte aufzuſteigen. Doch
ſcheint er auch in die Adlerfedern kein allzu großes Vertrauen
geſetzt zu haben; denn von einer Wiederholung des Verſuches
wird nichts berichtet. Dieſer Abt Damian, ein Vorgänger des
famoſen Caglioſtro, iſt eine ſehr intereſſante Perſönlichkeit. Von
Geburt Italiener, wahrſcheinlich aus der Lombardei, kam er
nach vielen Irrfahrten an den ſchottiſchen Königshof, wo er
ſich als Arzt einführte und bald zu hohem Anſehen gelangte.
Er wußte den König Jakob IV. für die Geheimniſſe der Al-
chimie zu begeiſtern. Daß er ein Meiſter dieſer Kunſt war,
zeigt ſeine verblüffende Geſchicklichkeit, die Goldſtücke zu ver-
mehren, d. h. die in ſeiner eigenen Taſche. Obwohl der König
ſchließlich daran verzweifelte, aus Damian etwas herauszube-
kommen, ſcheint ſich dieſer in ſeiner Gunſt erhalten zu haben.
Er fand öfters Gelegenheit, den Säckel des Königs durch Spiel
und Anleihen zu erleichtern. — H. B.

[Amerikaniſche Ideale.]

Es iſt bekannt, daß
Theodore Rooſevelt, der Präſident der Vereinigten Staaten,
häufig das Wort ergreift oder ſich ſeine ausgeſprochene ſchrift-
ſtelleriſche Begabung zunutze macht, um in ſeinem Volke den
Sinn für ethiſche Ideale zu wecken. Intereſſant ſind ſeine dies-
bezüglichen Ausführungen in einem eben in deutſcher Sprache
erſchienenen Buche „Amerikanismus“, das einen Aufſatz „Das
Ideal des Amerikaners“ enthält. Es geht von dem Gedanken
aus, daß die Union ihren großen Männern wie Waſhington und
Lincoln nicht nur die materielle Freiheit und Unabhängigkeit
verdanke, ſondern von ihnen zugleich ideale Güter geerbt habe,
die ſie immer wieder erobern müſſe, um ſie wirklich zu beſitzen.
Die Hauptgefahr für den Amerikaner, dem man einem aus-
geſprochenen Geſchäftsſinn nachſagt, beſtehe in der ſkruppelloſen
Anbetung des Erfolges, die ſich abſolut nicht um die Mittel
kümmere, mit denen das vorgeſtellte Ziel erreicht wurde. Viel
größeres Unheil als die eigentlichen Verbrecher ſtifteten die
Lcute, die dem Volk unmoraliſche Lehren vorhielten und ſich
zugleich den Maſchen des Geſetzes geſchickt genug zu entziehen
wußten. Kann man es bei dem Kleinbürger, der notdürftig um
ſeinen Lebensunterhalt kämpft, begreifen, wenn er die materiellen
Intereſſen durchaus in den Vordergrund ſeiner Handlung ſtellt,
ſo hat der Reiche dieſe Entſchuldigung nicht. „Man kann nicht
ſtreng genug über die Reichen urteilen“, führt Rooſevelt aus,
„die unter Nichtachtung aller Pflichten nicht darauf bedacht
find, Geld zuſammenzuſcharren. Und dieſe Menſchen machen
ſchließlich den jämmerlichſten Gebrauch von ihrem Gelde. Sie
ſpekulieren in Effekten und faulen Eiſenbahnobligationen; ſie
ſichern ihren Söhnen die Möglichkeit eines unnützen Faulenzer-
lebens oder kaufen ihren Töchtern als Gatten irgend ein herge-
laufenes Subjekt aus einer inländiſchen oder fremden Familie
von Anſehen. Solche Menſchen ſind um ſo gefährlicher, als ſie
ſich meiſt mit blendenden Taten ſpreizen; ſie errichten eine
Schule, geben große Summen für kirchliche Zwecke und rechnen,
oft genug nicht ohne Grund, darauf, daß ihre ſonſtige Lebens-
leiſtung von der törichten Menge nun nicht mehr beachtet wird.“
Man darf dieſen Ausführungen entgegenhalten, daß gerade die
amerikaniſchen Milliardäre wie Morgan und Carnegie, die ähn-
liche Anſchauungen wie Rooſevelt entwickeln, ſich der Pflichten
ihres Reichtums bewußt ſind und zahlreiche Wohltätigkeits- und
Bildungsanſtalten geſtiftet haben.

[Garibaldis Vermächtnis.]

Das letzte Vermächtnis
Garibaldis, das alle vorangegangenen aufhob und ſeinerzeit
auch vollſtreckt wurde, dürfte wohl wenig oder gar nicht bekannt
ſein. Jetzt veröffentlicht es die Tribuna. Das Vermächtnis trägt
[Spaltenumbruch] den Vermerk: „Caprera, den 30. Juli 1881.“ In den erſten
Punkten dieſes Vermächtniſſes beſtimmt Garibaldi den Sohn
Monetis zu ſeinem Teſtamentsvollſtrecker, vermacht der Frau die lebens-
längliche Nutznießung ſeines ganzen Vermögens, vertraut Monti
und ſeiner Frau die Vormundſchaft über ſeine anderen Kinder
an, teilt das Land unter die Kinder uſw. Punkt 12 lautete:
„Mein Leichnam ſoll auf einem Scheiterhaufen aus capre-
raſchem Holz an jener Stelle verbrannt werden, die von mir
mit einem eiſernen Kreuz bezeichnet iſt. Ein kleiner Teil meiner
Aſche ſoll in einer granitenen Urne an dem Grabe meiner
Kinder unter der dort wachſenden Akazie beigeſetzt werden. Vor
der Verbrennung möge man meinem Körper ein rotes Hemd
anziehen. Mein Haupt ſoll im Sarge oder auf einer eiſernen
Bettſtelle unbedeckt und nach der gen Weſten gerichteten Wand
liegen; die Füße und der Kopf ſollen an den Sarg oder die
eiſerne Bettſtelle mit eiſernen Ketten befeſtigt werden. Bevor
aber die Verbrennung vollzogen wird, dürfen weder die Kom-
munalbehörden noch ſonſt jemand von meinem Tode erfahren.“

[Die Urenkelin der Carmen.]

Carmen, die be-
rühmte Carmen, die durch Bizets Oper zur Weltberühmtheit
geworden, iſt nicht nur das Kind der Phantaſie Merimées.
Sie hat wirklich gelebt und gehörte einem Zigeunerſtamm
an, der Naduſchka heißt. Sie nannte ſich, ſo erzählen fran-
zöſiſche Blätter, in ihrer Mutterſprache Ar-Mintz, und daraus
iſt der Name Carmen entſtanden. Carmen war Mutter eines
Mädchens, deſſen Vater unbekannt blieb. Als die Tochter
Carmens herangewachſen war, verband ſie ſich in Liebe mit
einem fahrenden Sänger namens Jarko. [D]ie Frucht dieſer
Ehe war wiederum ein Mädchen, das den Namen Thiecla
erhielt. Thiecla verliebte ſich in einen Artillerieſergeanten der
Garniſon Gibraltar, und um ſeinetwillen verließ ſie Stamm
und Freiheit. Der Sergeant betrachtete ſie als ſeine legitime
Frau, und dem Bund entſproß ein Mädchen, das im Ge-
denken an die Großmutter und den Stamm Mintz Naduſchka
genannt wurde. Als ihr Vater ſtarb, nahm ihr Großvater
Jarko ſich ihrer an; von ihm lernte ſie tanzen und ſingen.
Ein Impreſario wurde auf ſie aufmerkſam, ließ ſie ausbilden,
und in mehreren europäiſchen und amerikaniſchen Theatern
trat Mintz Naduſchka auf. Als Carmen errang ſie ihre großen
Erfolge. Plötzlich verſchwand die junge Zigeunerſängerin,
Niemand konnte es je ergründen, wohin, aber erzählt wird.
daß ſie in England von Zigeunern vergiftet wurde, als
Strafe dafür, ihre Raſſe verraten zu haben, da ſie als
Zigeunerin vor Fremden ſang.

[Ein guter Kauf.]

Ein Schuhmacher aus Epping
(England) kaufte vor wenigen Wochen bei einem Althändler
in London ein altes Piano für billiges Geld. Er ließ das
Inſtrument nach Hauſe ſchaffen und beſtellte ſich einen Klavier-
ſtimmer, der ihm den alten Kaſten wieder in Stand ſetzen
ſollte. Der Mann ging an die Arbeit und fing an, dem
greulich tönenden Inſtrument nach und nach reine Töne zu
entlocken. Plötzlich klirrte etwas im Innern des Inſtruments.
Der Stimmer ſah nach, was es war, und entdeckte zu ſeinem
und des jetzigen Beſitzers größtem Erſtaunen einen Beutel mit
14 Guineen, der augenſcheinlich von einem früheren Inhaber
in dem Piano verborgen und dort vergeſſen worden war.

[Gefährliche Pariſer Straßenbahnwagen].

Die veraltete Bauart der zwiſchen Paris und der Bannmeile
verkehrenden Wagen hat abermals ein Opfer gefordert. Immer
noch werden auf den Dächern dieſer Wagen Paſſagiere geduldet,
obwohl nach einer Anzahl trauriger Erfahrungen die Kaſſierung
ſämtlicher Wagen älteſten Stils ſchon für den Frühling dieſes
Jahres beſtimmt in Ausſicht geſtellt worden war. Ein neues
Unheil wird die endliche Einlöſung des Verſprechens beſchleunigen.
Am Sonntag wurde dem 17jährigen Studenten Audrivet,
welcher unbedachterweiſe vor dem Paſſieren der Brücke bei
der Station Nogent ſich vom Sitze erhob, der Schädel zer-
ſchmettert. Frau Budrivet, die Mutter des Getöteten, die die
Nachricht am Bahnhuf erfuhr, erlitt einen Schlaganfall. Der
Eiſenbahnminiſter Barthou wird jetzt die Bahngeſellſchaft
zunächſt dazu anhalten, in drei Sprachen Warnungstafeln
auf dem Deck der Wagen anzubringen.

[Eine vergiftete Familie.]

Aus Kaposvar wird
dem „Neuen Peſter Journal“ telegraphiert: In Vamos er-
krankte vorgeſtern eine ganze Familie unter Vergiftungser-
ſcheinungen. Die Frau eines Landwirtes hatte die Gänſe
ihrer Nachbarin, die in ihrem Garten großen Schaden ange-
richtet hatten, vergiftet. Die Eigentümerin der Gänſe be-
merkte den Todeskampf der einen Gans und, nichts Böſes
ahnend, in der Vermutung, daß das Tier durch Verſchlucken
eines Kieſelſteines dem Erſticken nahe ſei, ſchlachtete und be-
reitete ſie es zum Mtttageſſen. Die ganze Familie von acht
Perſonen, außerdem zwei Dienſtboten, erkrankten, und ein
kleines Kind ſtarb bereits abends infolge des Genuſſes des
vergifteten Fleiſches. Auch zwei Hunde, die die Reſte und
die Beine der Gans erhalten hatten, verendeten. Der Zuſtand
der Erkrankten iſt lebensgefährlich.




Czernowitzer Angelegenheiten.


Perſonalnachrichten.

Der Vorſtand des Bau-
departements der Landesregierung, Oberbaurat Friedrich
Haberlandt hat einen mehrwöchentlichen Urlaub ange-
treten. Die Leitung des Baudepartements hat Baurat Leopold
Brill übernommen.

Vom Stadttheater.

Zwiſchen der Verwaltung der
Militärkapelle und Herrn Direktor Martin Klein iſt geſtern
abends das Uebereinkommen betreffs des Engagements
der Militärmuſik als Theaterorcheſter zuſtande gekommen
Der abgeſchloſſene Vertrag bedarf noch der Genehmigung
des Reichskriegsminiſteriums. Danach werden in der

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[3/0003] 22. Auguſt 1907. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Mac Lean. London, 20. Auguſt. Wie „Daily Mail“ aus Tanger meldet, iſt Mac Lean geſtern in der Nähe von Elkaſſar dem Onkel des Sultans ausgeliefert worden. Ein Gefecht zwiſchen El Mrani und Raiſuli gilt als bevorſtehend. Die Lage in Fez. London, 20. Auguſt. Wie der „Standard“ aus Tan- ger meldet, ſagen dort aus Fez eingetroffene Briefe, daß ſich der Maghzen ohnmächtig fühle, eine etwa in Fez ausbrechende fremdenfeindliche Bewegung zu unterdrücken. Der Miniſter für auswärtige Angelegenheiten Sliman habe daher den fran- zöſiſchen Konſul gebeten, allen franzöſiſchen Untertanen zu raten, ſich nicht in den Straßen zu zeigen, um Unruhen zu vermeiden. Bunte Chronik. Czernowitz, 21. Auguſt. Vom zerſtreuten Profeſſor. Vor kurzem wurde aus Paris der Fall des greiſen Mathematikprofeſſors Mouchot berichtet, der jahrelang in ſeinen Büchern vergraben völlig vergeſſen hatte, ſeine Penſion abzuheben, und nun erſtaunt in ratloſer Verzweiflung aufſprang, als er plötzlich bemerkte, wie der Gerichtsvollzieher ſeine Wohnung ausräumen ließ. Die Zerſtreutheit des greiſen franzöſiſchen Gelehrten hat in der Geſchichte mehr als genug Gegenſtücke; von jeher war es ein unangetaſtetes Privilegium der Profeſſoren, die Erſcheinungen, die außerhalb ihres Ideen- kreiſes lagen, mit einer ſtolzen Gleichgültigkeit zu behandeln, die oft zu den ſeltſamſten Verwicklungen führte, und deren Komik in dem zerſtreuten Gelehrten, der unentwegt in den Witzblättern ſeinen Ehrenplatz behauptet, ſich zur volkstümlichen Figur verdichtet und wohl auch vergröbert hat. In ihrer ſelbſtloſen Arbeit für die Allgemeinheit wirft ihre leuchtende Hingabe an ihre Wiſſenſchaft, ihre ſtarre Konzentration auf das geſteckte Ziel gleichſam ihren natürlichen Schatten in all den komiſchen Ergebniſſen ihrer Zerſtreutheit. Von dem berühmten Mathematiker Sturm erzählt der Gaulois eine amüſante kleine Geſchichte. Ueber ein Problem nachgrübelnd, ſieht er auf der Straße ein Waſſerfaß auf einem Wagen; er zieht ſeinen Bleiſtift aus der Taſche und beginnt am Faſſe ſeine Zahlen und Gleichungen niederzuſchreiben. Nach einiger Zeit kommt der Kutſcher, der irgendwo Labung zu ſich genommen, zu ſeinem Wagen zurück und fährt. Und unbekümmert, ohne Erſtaunen, ſchreitet der alte Sturm hinter dem Vehikel her, weiterſchreibend und weiterſinnend..... Derſelbe Gelehrte war auch von großer Beſcheidenheit, und als er in ſeinen Vorleſungen auf das Problem zu ſprechen kam, das von ihm den Namen erhalten hat, beginnt er: „Meine Herren, ich muß jetzt ein Problem berühren, deſſen Namen zu tragen ich die Ehre habe....“ Von Ampère werden Hunderte von Anekdoten be- richtet, die ſeine Zerſtreutheit beleuchten. Weniger bekannt iſt das kleine Abenteuer, das er kurz nach ſeiner feierlichen Aufnahme im Inſtitut erlebte. Beim Rektor war ein großes Diner, und irgend ein guter Freund machte ſich den Scherz, Ampère einzureden, daß er dazu ſeine Akademikeruniform anlegen müſſe. Wie er den Saal betritt, ſieht er, daß außer ihm kein Menſch Uniform trägt; er iſt verwirrt, geniert ſich und will ſich zumindeſt ſeines Degens entledigen, der die unangenehme Gewohnheit hat, ihm immer tückiſch zwiſchen die Beine zu geraten. Er ſchnallt die Mordwaffe ab und verbirgt ſie unter die Kiſſen eines Sophas. Das Diner be- ginnt, ſeine Befangenheit ſchwindet allgemach, er plaudert ein wenig, dann aber ergreift ein Problem ſeine Gedanken, er lehnt ſich ſinnend an den Kamin und grübelt. Die Zeit vergeht, die Gäſte gehen, Ampère grübelt und merkt nichts. Schon ſind alle gegangen. Der Hausherr flüchtet heimlich in ſein Schlafgemach, und nur die höfliche Wirtin bleibt ſchweigend ſitzen und reſpektiert taktvoll die Gedanken ihres Gaſtes, indes der Zeiger immer mehr vorrückt. Endlich erwacht Ampère aus ſeinem Grübeln, ſieht, daß alle fort ſind und will ſeinen Degen nehmen, um ſich davonzuſchleichen. Aber o Schickſal, auf dem Sopha ſitzt Mad. de Fontanes in tiefem, wohlver- diente Schlummer. Was tun? Der Gelehrte kniet nieder, und mit äußerſter Vorſicht bemüht er ſich, den Degen unter dem Kiſſen hervorzuziehen. Er zieht, zieht und endlich hält er — die blanke Klinge ohne Scheide in den Händen. Ein verzweifeltes Stöhnen entreißt ſich Ampères Bruſt, Mad. de Fontanes erwacht, ſieht einen Menſchen mit blanker Klinge vor ſich knien und ſchreit entſetzt um Hilfe. Man eilt herbei, Herr de Fontane im Nachtgewand, die Schlafmütze auf dem Denkerſchädel ... Endlich klärt ſich die Geſchichte auf und etwas deprimiert ſchleicht ſich Ampère heimwärts ... Newton machte es noch beſſer. Er war in ein junges Mädchen verliebt — ſeine ſpätere Frau — und nachdem er ſeine Pfeife angezündet, nimmt er in zärtlichem Flüſtern die ſchmale, kleine Hand der Geliebten in die ſeine. Es naht der Augenblick der Erklärung; die Kleine lächelt ſchon glücklich, aber neidiſch wie das Schickſal nun einmal iſt: gerade im wichtigſten Moment geht die Pfeife aus. Newton zieht, zieht, es geht nicht und mißmutig will er die Pfeife feſter ſtopfen. Mit einem Schmerzensſchrei ſpringt die Heiß- geliebte auf und ſtürzt davon: Newton hatte in der Ver- wirrung den zarten Finger der Erwählten als Pfeifenſtopfer benutzt. Sie fanden ſich trotzdem ... La Fontaine erſchien eines Tages vor Ludwig XIV., um dem Monarchen ſeine Fabeln zu überreichen, leider hatte er dabei ſeine Fabeln zu Hauſe gelaſſen. Ludwig, der La Fontaine kannte, lachte und ließ ihm 1000 Piſtolen über- geben. Auf der Heimfahrt aber läßt La Fontaine die tauſend Piſtolen in der Mietskutſche liegen... Dr. Luegers Befinden. Wien, 20. Auguſt. Dr. Lueger erlitt am 18. Auguſt in Brixen einen ſchweren Ohnmachtsanfall. Sein Zuſtand iſt beſorgniserregend. Straßenraub. Paris, 20. Auguſt. Der Bankier Louis Perrin, der in einigen Gemeinden des Departements Iſere Gelder ein- kaſſiert hatte, wurde bei Bouveſſe in ſeinem Wagen von drei Straßenräubern überfallen, die ihn ſeiner Barſchaft von 15.000 Frank beraubten und ihn an einen Baum banden. Der Mann wurde erſt nach drei Stunden aus dieſer Lage befreit. Meuterei in einem Gefängnis. Neapel, 20. Auguſt. Im Gefängnis von Salerno ent- ſtand geſtern eine Meuterei. Die Sträflinge ſprengten mit Dynamit die Mauern und gelangten ſo ins Freie. Karabiniere, welche ſchnell eintrafen, mußten mit dem Revolver in der Hand die von den Sträflingen errichteten Barrikaden er- ſtürmen. Nur mit großer Anſtrengung gelang es der be- waffneten Macht, die Meuterer wieder zu verhaften und die Ordnung wieder herzuſtellen. [Ein Flugverſuch vor 400 Jahren.] Man ſchreibt der „Ftfr. Ztg.“: In unſer für die Aeronautik ſo bedeutſam gewordenes Jahr fällt der 400. Jahrestag eines weniger be- kannten Flugverſuches. Im September des Jahres 1507 ſchickte Künig Jakob IY. von Schottland eine Geſandſchaft von Edin- burgh nach Frankreich. Ein Abenteuerer, der ſich ſeiner Gunſt erfreute, John Damian, Abt von Tungland, rühmte ſich, Frankreich noch vor der Ankunft der Geſandten erreichen zu können, indem er ganz einfach hinüberfliegen wollte. Er ließ ſich daher ein Paar große Flügel machen, befeſtigte ſie an ſeinem Körper, ſtellte ſich auf die Mauer des Stirling-Schloſſes und begann vor Tauſenden von erwartungsvollen Zuſchauern ſein gefährliches Wagnis. Statt aber ſtolz in die Lüfte empor- zuſegeln, fiel der kühne Abt ſtracks auf den Boden und brach ein Bein. Ueber die Streitfrage, warum das Unternehmen miß- glückte, konnte eine volle Einigung nicht erzielt werden. Damian glaubte die Löſung in dem Umſtande gefunden zu haben, daß in den Flügeln unter den Adlerfedern einige Hühnerfedern ge- weſen ſeien. Dieſe hätten das Beſtreben gezeigt, auf den Miſt- haufen zurückzukehren, ſtatt in die Lüfte aufzuſteigen. Doch ſcheint er auch in die Adlerfedern kein allzu großes Vertrauen geſetzt zu haben; denn von einer Wiederholung des Verſuches wird nichts berichtet. Dieſer Abt Damian, ein Vorgänger des famoſen Caglioſtro, iſt eine ſehr intereſſante Perſönlichkeit. Von Geburt Italiener, wahrſcheinlich aus der Lombardei, kam er nach vielen Irrfahrten an den ſchottiſchen Königshof, wo er ſich als Arzt einführte und bald zu hohem Anſehen gelangte. Er wußte den König Jakob IV. für die Geheimniſſe der Al- chimie zu begeiſtern. Daß er ein Meiſter dieſer Kunſt war, zeigt ſeine verblüffende Geſchicklichkeit, die Goldſtücke zu ver- mehren, d. h. die in ſeiner eigenen Taſche. Obwohl der König ſchließlich daran verzweifelte, aus Damian etwas herauszube- kommen, ſcheint ſich dieſer in ſeiner Gunſt erhalten zu haben. Er fand öfters Gelegenheit, den Säckel des Königs durch Spiel und Anleihen zu erleichtern. — H. B. [Amerikaniſche Ideale.] Es iſt bekannt, daß Theodore Rooſevelt, der Präſident der Vereinigten Staaten, häufig das Wort ergreift oder ſich ſeine ausgeſprochene ſchrift- ſtelleriſche Begabung zunutze macht, um in ſeinem Volke den Sinn für ethiſche Ideale zu wecken. Intereſſant ſind ſeine dies- bezüglichen Ausführungen in einem eben in deutſcher Sprache erſchienenen Buche „Amerikanismus“, das einen Aufſatz „Das Ideal des Amerikaners“ enthält. Es geht von dem Gedanken aus, daß die Union ihren großen Männern wie Waſhington und Lincoln nicht nur die materielle Freiheit und Unabhängigkeit verdanke, ſondern von ihnen zugleich ideale Güter geerbt habe, die ſie immer wieder erobern müſſe, um ſie wirklich zu beſitzen. Die Hauptgefahr für den Amerikaner, dem man einem aus- geſprochenen Geſchäftsſinn nachſagt, beſtehe in der ſkruppelloſen Anbetung des Erfolges, die ſich abſolut nicht um die Mittel kümmere, mit denen das vorgeſtellte Ziel erreicht wurde. Viel größeres Unheil als die eigentlichen Verbrecher ſtifteten die Lcute, die dem Volk unmoraliſche Lehren vorhielten und ſich zugleich den Maſchen des Geſetzes geſchickt genug zu entziehen wußten. Kann man es bei dem Kleinbürger, der notdürftig um ſeinen Lebensunterhalt kämpft, begreifen, wenn er die materiellen Intereſſen durchaus in den Vordergrund ſeiner Handlung ſtellt, ſo hat der Reiche dieſe Entſchuldigung nicht. „Man kann nicht ſtreng genug über die Reichen urteilen“, führt Rooſevelt aus, „die unter Nichtachtung aller Pflichten nicht darauf bedacht find, Geld zuſammenzuſcharren. Und dieſe Menſchen machen ſchließlich den jämmerlichſten Gebrauch von ihrem Gelde. Sie ſpekulieren in Effekten und faulen Eiſenbahnobligationen; ſie ſichern ihren Söhnen die Möglichkeit eines unnützen Faulenzer- lebens oder kaufen ihren Töchtern als Gatten irgend ein herge- laufenes Subjekt aus einer inländiſchen oder fremden Familie von Anſehen. Solche Menſchen ſind um ſo gefährlicher, als ſie ſich meiſt mit blendenden Taten ſpreizen; ſie errichten eine Schule, geben große Summen für kirchliche Zwecke und rechnen, oft genug nicht ohne Grund, darauf, daß ihre ſonſtige Lebens- leiſtung von der törichten Menge nun nicht mehr beachtet wird.“ Man darf dieſen Ausführungen entgegenhalten, daß gerade die amerikaniſchen Milliardäre wie Morgan und Carnegie, die ähn- liche Anſchauungen wie Rooſevelt entwickeln, ſich der Pflichten ihres Reichtums bewußt ſind und zahlreiche Wohltätigkeits- und Bildungsanſtalten geſtiftet haben. [Garibaldis Vermächtnis.] Das letzte Vermächtnis Garibaldis, das alle vorangegangenen aufhob und ſeinerzeit auch vollſtreckt wurde, dürfte wohl wenig oder gar nicht bekannt ſein. Jetzt veröffentlicht es die Tribuna. Das Vermächtnis trägt den Vermerk: „Caprera, den 30. Juli 1881.“ In den erſten Punkten dieſes Vermächtniſſes beſtimmt Garibaldi den Sohn Monetis zu ſeinem Teſtamentsvollſtrecker, vermacht der Frau die lebens- längliche Nutznießung ſeines ganzen Vermögens, vertraut Monti und ſeiner Frau die Vormundſchaft über ſeine anderen Kinder an, teilt das Land unter die Kinder uſw. Punkt 12 lautete: „Mein Leichnam ſoll auf einem Scheiterhaufen aus capre- raſchem Holz an jener Stelle verbrannt werden, die von mir mit einem eiſernen Kreuz bezeichnet iſt. Ein kleiner Teil meiner Aſche ſoll in einer granitenen Urne an dem Grabe meiner Kinder unter der dort wachſenden Akazie beigeſetzt werden. Vor der Verbrennung möge man meinem Körper ein rotes Hemd anziehen. Mein Haupt ſoll im Sarge oder auf einer eiſernen Bettſtelle unbedeckt und nach der gen Weſten gerichteten Wand liegen; die Füße und der Kopf ſollen an den Sarg oder die eiſerne Bettſtelle mit eiſernen Ketten befeſtigt werden. Bevor aber die Verbrennung vollzogen wird, dürfen weder die Kom- munalbehörden noch ſonſt jemand von meinem Tode erfahren.“ [Die Urenkelin der Carmen.] Carmen, die be- rühmte Carmen, die durch Bizets Oper zur Weltberühmtheit geworden, iſt nicht nur das Kind der Phantaſie Merimées. Sie hat wirklich gelebt und gehörte einem Zigeunerſtamm an, der Naduſchka heißt. Sie nannte ſich, ſo erzählen fran- zöſiſche Blätter, in ihrer Mutterſprache Ar-Mintz, und daraus iſt der Name Carmen entſtanden. Carmen war Mutter eines Mädchens, deſſen Vater unbekannt blieb. Als die Tochter Carmens herangewachſen war, verband ſie ſich in Liebe mit einem fahrenden Sänger namens Jarko. Die Frucht dieſer Ehe war wiederum ein Mädchen, das den Namen Thiecla erhielt. Thiecla verliebte ſich in einen Artillerieſergeanten der Garniſon Gibraltar, und um ſeinetwillen verließ ſie Stamm und Freiheit. Der Sergeant betrachtete ſie als ſeine legitime Frau, und dem Bund entſproß ein Mädchen, das im Ge- denken an die Großmutter und den Stamm Mintz Naduſchka genannt wurde. Als ihr Vater ſtarb, nahm ihr Großvater Jarko ſich ihrer an; von ihm lernte ſie tanzen und ſingen. Ein Impreſario wurde auf ſie aufmerkſam, ließ ſie ausbilden, und in mehreren europäiſchen und amerikaniſchen Theatern trat Mintz Naduſchka auf. Als Carmen errang ſie ihre großen Erfolge. Plötzlich verſchwand die junge Zigeunerſängerin, Niemand konnte es je ergründen, wohin, aber erzählt wird. daß ſie in England von Zigeunern vergiftet wurde, als Strafe dafür, ihre Raſſe verraten zu haben, da ſie als Zigeunerin vor Fremden ſang. [Ein guter Kauf.] Ein Schuhmacher aus Epping (England) kaufte vor wenigen Wochen bei einem Althändler in London ein altes Piano für billiges Geld. Er ließ das Inſtrument nach Hauſe ſchaffen und beſtellte ſich einen Klavier- ſtimmer, der ihm den alten Kaſten wieder in Stand ſetzen ſollte. Der Mann ging an die Arbeit und fing an, dem greulich tönenden Inſtrument nach und nach reine Töne zu entlocken. Plötzlich klirrte etwas im Innern des Inſtruments. Der Stimmer ſah nach, was es war, und entdeckte zu ſeinem und des jetzigen Beſitzers größtem Erſtaunen einen Beutel mit 14 Guineen, der augenſcheinlich von einem früheren Inhaber in dem Piano verborgen und dort vergeſſen worden war. [Gefährliche Pariſer Straßenbahnwagen]. Die veraltete Bauart der zwiſchen Paris und der Bannmeile verkehrenden Wagen hat abermals ein Opfer gefordert. Immer noch werden auf den Dächern dieſer Wagen Paſſagiere geduldet, obwohl nach einer Anzahl trauriger Erfahrungen die Kaſſierung ſämtlicher Wagen älteſten Stils ſchon für den Frühling dieſes Jahres beſtimmt in Ausſicht geſtellt worden war. Ein neues Unheil wird die endliche Einlöſung des Verſprechens beſchleunigen. Am Sonntag wurde dem 17jährigen Studenten Audrivet, welcher unbedachterweiſe vor dem Paſſieren der Brücke bei der Station Nogent ſich vom Sitze erhob, der Schädel zer- ſchmettert. Frau Budrivet, die Mutter des Getöteten, die die Nachricht am Bahnhuf erfuhr, erlitt einen Schlaganfall. Der Eiſenbahnminiſter Barthou wird jetzt die Bahngeſellſchaft zunächſt dazu anhalten, in drei Sprachen Warnungstafeln auf dem Deck der Wagen anzubringen. [Eine vergiftete Familie.] Aus Kaposvar wird dem „Neuen Peſter Journal“ telegraphiert: In Vamos er- krankte vorgeſtern eine ganze Familie unter Vergiftungser- ſcheinungen. Die Frau eines Landwirtes hatte die Gänſe ihrer Nachbarin, die in ihrem Garten großen Schaden ange- richtet hatten, vergiftet. Die Eigentümerin der Gänſe be- merkte den Todeskampf der einen Gans und, nichts Böſes ahnend, in der Vermutung, daß das Tier durch Verſchlucken eines Kieſelſteines dem Erſticken nahe ſei, ſchlachtete und be- reitete ſie es zum Mtttageſſen. Die ganze Familie von acht Perſonen, außerdem zwei Dienſtboten, erkrankten, und ein kleines Kind ſtarb bereits abends infolge des Genuſſes des vergifteten Fleiſches. Auch zwei Hunde, die die Reſte und die Beine der Gans erhalten hatten, verendeten. Der Zuſtand der Erkrankten iſt lebensgefährlich. Czernowitzer Angelegenheiten. Czernowitz, 21. Auguſt. Perſonalnachrichten. Der Vorſtand des Bau- departements der Landesregierung, Oberbaurat Friedrich Haberlandt hat einen mehrwöchentlichen Urlaub ange- treten. Die Leitung des Baudepartements hat Baurat Leopold Brill übernommen. Vom Stadttheater. Zwiſchen der Verwaltung der Militärkapelle und Herrn Direktor Martin Klein iſt geſtern abends das Uebereinkommen betreffs des Engagements der Militärmuſik als Theaterorcheſter zuſtande gekommen Der abgeſchloſſene Vertrag bedarf noch der Genehmigung des Reichskriegsminiſteriums. Danach werden in der

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1082, Czernowitz, 22.08.1907, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer1082_1907/3>, abgerufen am 21.11.2024.