Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 118, Czernowitz, 20.05.1904.[Spaltenumbruch]
Redaktion u. Administration: Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz Für das Inland Für Deutschland: Für Rumänien und den Balkan; Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Einzelexemplare: Ankündigungen: Nr. 118. Czernowitz, Freitag, den 20. Mai 1904. [Spaltenumbruch] Uebersicht. Der Krieg. General Sassulitsch wurde des Kommandos enthoben. -- Vom Tage. Der russische Botschafter hat Konstantinopel verlassen. -- Bunte Chronik. Die Stadt Delatyn ist vollständig niedergebrannt -- In Letzte Telegramme. Marinekommandant Spaun begründet in der Delegation "Das Tor der Mandschurei". Czernowitz, 19. Mai 1904. Ein neues Ereignis von strategischer Bedeutung hat sich, Niutschwang, 17. Mai. Die Räumung Niutschwangs Die Reuter-Meldungen über die Vorbereitungen der Niutschwang ist ein sogenannter Vertragshafen, der Nachdem die russischen Truppen die Stadt verlassen Nachstehend die letzten Nachrichten: Eine Kundgebung für den Frieden. Tokio, 18. Mai. In einer gestern abgehaltenen Ver- General Sassulitsch. London, 18. Mai. (Korr.-B.) Bureau Reuter meldet [Spaltenumbruch] Feuilleton. Welt-Ausstellungsfahrt nach St. Louis. II. Mississippiwärts. (Schluß.) Nachdem Philadelphia, die "City of homes", erreicht Schüchtern hat hinter Philadelphia der Lenz begonnen, Nach der Abendmahlzeit wird es im Zuge still. Die Als ich spät und vom Schauen müde in meinen Wagen Während der Nacht durchquert der Zug Ohio, Indiana, [Spaltenumbruch]
Redaktion u. Adminiſtration: Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz Für das Inland Für Deutſchland: Für Rumänien und den Balkan; Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Einzelexemplare: Ankündigungen: Nr. 118. Czernowitz, Freitag, den 20. Mai 1904. [Spaltenumbruch] Uebersicht. Der Krieg. General Saſſulitſch wurde des Kommandos enthoben. — Vom Tage. Der ruſſiſche Botſchafter hat Konſtantinopel verlaſſen. — Bunte Chronik. Die Stadt Delatyn iſt vollſtändig niedergebrannt — In Letzte Telegramme. Marinekommandant Spaun begründet in der Delegation „Das Tor der Mandſchurei“. Czernowitz, 19. Mai 1904. Ein neues Ereignis von ſtrategiſcher Bedeutung hat ſich, Niutſchwang, 17. Mai. Die Räumung Niutſchwangs Die Reuter-Meldungen über die Vorbereitungen der Niutſchwang iſt ein ſogenannter Vertragshafen, der Nachdem die ruſſiſchen Truppen die Stadt verlaſſen Nachſtehend die letzten Nachrichten: Eine Kundgebung für den Frieden. Tokio, 18. Mai. In einer geſtern abgehaltenen Ver- General Saſſulitſch. London, 18. Mai. (Korr.-B.) Bureau Reuter meldet [Spaltenumbruch] Feuilleton. Welt-Ausstellungsfahrt nach St. Louis. II. Miſſiſſippiwärts. (Schluß.) Nachdem Philadelphia, die „City of homes“, erreicht Schüchtern hat hinter Philadelphia der Lenz begonnen, Nach der Abendmahlzeit wird es im Zuge ſtill. Die Als ich ſpät und vom Schauen müde in meinen Wagen Während der Nacht durchquert der Zug Ohio, Indiana, <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jEditorialStaff"> <p> <hi rendition="#b">Redaktion u. Adminiſtration:<lb/> Rathausſtraße 16, 1. 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Mai 1904.</dateline><lb/> <p>Ein neues Ereignis von ſtrategiſcher Bedeutung hat ſich,<lb/> wenn eine Meldung des Reuterſchen Bureaus zutrifft, auf<lb/> dem oſtaſiatiſchen Kriegsſchauplatze vollzogen. Zu Beginn<lb/> des Krieges war eine der größten Beſorgniſſe der Ruſſen,<lb/> die Japaner könnten von der See her Niutſchwang, das<lb/> „Tor der Mandſchurei“, wie es wegen ſeiner handelspoli-<lb/> tiſch und militäriſch wichtigen Lage genannt wird, zu nehmen<lb/> verſuchen, und man fürchtete, die Stadt würde einem ener-<lb/> giſchen Angriffe nicht widerſtehen können. Nun aber ſollen<lb/> Stadt und Hafen den Japanern ohne Schwertſtreich zufallen.<lb/> Das genannte Depeſchbureau übermittelt folgendes Telegramm:</p><lb/> <p><hi rendition="#b">Niutſchwang,</hi> 17. Mai. Die Räumung Niutſchwangs<lb/> iſt geſtern um 10 Uhr beendet mit Ausnahme der Zerſtörung<lb/> des Kanonenboots Siwutſſy, die früh morgens erwartet wird.<lb/> Die Ruſſen zogen in voller Ordnung ab, General Kondra-<lb/> tovitſch ging mit dem letzten Regiment.</p><lb/> <p>Die Reuter-Meldungen über die Vorbereitungen der<lb/> Ruſſen zur Räumung Niutſchwangs ſind vor einigen Tagen<lb/> von ruſſiſcher Seite als unbegründet bezeichnet worden. Allein<lb/><cb/> ſolche offizielle Dementis zu Kriegszeiten haben nicht gerade<lb/> unbedingt authentiſchen Charakter, und die neue Depeſche<lb/> über die vollzogene Räumung iſt in ſo beſtimmte Form ge-<lb/> faßt, daß man ihr bis zur Feſtſetzung des Gegenteils<lb/> Glauben nicht verſagen kann. Niutſchwang mit ſeiner Hafen-<lb/> ſtadt Jinkau liegt an der Mündung des Liau-Ho. Der<lb/> Liau-Fluß hat ſeine Quellen auf dem Gebirgszuge von<lb/> Nordoſt-Tſchili, 300 Kilometer nordweſtlich von Peking. 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Mit dem Südweſt-Monſum, in<lb/> dieſer Jahreszeit, treten, wenn ein Taifun den Golf von<lb/> Liautung heimſucht, hohe Springfluten auf, die mit elemen-<lb/> tarer Gewalt das Land meilenweit überſchwemmen und<lb/> große Verwüſtungen anrichten können. Die vor dem Fluſſe<lb/> abgelagerte Barre hat bei der Ebbe nur anderthalb Faden<lb/> Waſſer; bei Hochwaſſer zur Flutzeit kommen jedoch größere<lb/> Handelsſchiffe über dieſelbe weit ſtrommaufwärts des Liau-Ho.</p><lb/> <p>Niutſchwang iſt ein ſogenannter Vertragshafen, der<lb/> den Fremden von China im Jahre 1861 geöffnet wurde.<lb/> Es iſt mit Port Arthur durch eine ruſſiſche Bahnlinie, die<lb/> bei Taſhichiao an die mandſchuriſche ſich anſchließt, ver-<lb/> bunden. Die öſtliche chineſiſche Bahn vermittelt den Verkehr<lb/> von Niutſchwang-Hafen über Schanhaikwan mit Peking. Der<lb/> Handelsverkehr auf dem Fluſſe iſt ſehr beträchtlich und alle<lb/> Nationen ſind an demſelben beteiligt. Dieſe internationale<lb/> Bedeutung des Hafens war auch der Grund, daß man nach<lb/> Verhängung des Kriegszuſtandes auf die Verantwortlichkeit<lb/> Rußlands für alle Schädigungen fremder Intereſſen hinwies;<lb/> denn von der Zeit der Chinawirren her hatte Niutſchwang<lb/> zum Schutze dieſer eine gemiſchte Beſatzung. Am rechten<lb/><cb/> Ufer des Liau befinden ſich alte chineſiſche Befeſtigungen,<lb/> von den Ruſſen proviſoriſch verſtärkt; am linken Ufer größere<lb/> Forts, die im Jahre 1895 gebaut wurden. Sie erheben ſich<lb/> aber nur wenig über die Ebene und wären daher einem<lb/> dominierenden Feuer von der Seeſeite ausgeſetzt geweſen.</p><lb/> <p>Nachdem die ruſſiſchen Truppen die Stadt verlaſſen<lb/> haben, dürfte ihre Beſitznahme durch die Japaner nicht lange<lb/> auf ſich warten laſſen; das einfachſte wäre nunmehr, wie in<lb/> Liautung ſo auch hier Truppen zu landen. Sie gewinnen<lb/> in Niutſchwang nicht nur einen neuen Stützpunkt, ſondern<lb/> es fällt der Rückzug der Ruſſen auch moraliſch ins Gewicht<lb/> ſowohl durch den Eindruck auf die Japaner, wie durch den<lb/> auf die chineſiſchen Grenztruppen. Die Räumung Niutſchwangs<lb/> kann aber nicht etwa als Flucht aufgefaßt werden. Sie iſt<lb/> ein Zeichen, daß die Ruſſen ſich nicht ſtark genug fühlen,<lb/> es zu behaupten, ſie entſpricht aber zweifellos einem wohl-<lb/> überlegten Geſamtplane, der Opferung der empfindlichen<lb/> Außenpoſten und Rückwärtskonzentrierung auf eine Ope-<lb/> rationslinie, als deren Kernpunkt Mukden oder Charbin<lb/> gedacht iſt.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head>Nachſtehend die letzten Nachrichten:</head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Eine Kundgebung für den Frieden.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Tokio,</hi> 18. Mai.</dateline> <p>In einer geſtern abgehaltenen Ver-<lb/> ſammlung von Buddhiſten, Shintoiſten, proteſtantiſchen Chriſten<lb/> und engliſch-amerikaniſchen Miſſionären wurde folgende<lb/> Reſolution angenommen: „Japans Ziel iſt die Sicherheit<lb/> des Reiches und dauernder Friede in Oſtaſien. Der Krieg<lb/> mit Rußland wird im Intereſſe der Gerechtigkeit, der<lb/> Humanität und der Ziviliſation und beeinflußt durch die<lb/> Verſchiedenheiten der Raſſen und Religion geführt. Wir wollen<lb/> deshalb ohne Unterſchied der Raſſe und der Religion entſprechend<lb/> den Bräuchen unſerer verſchiedenen Religionen der Welt den<lb/> wirklichen Zweck des Krieges und unſeren Wunſch nach einem<lb/> baldigen ehrenvollen Frieden kundtun.“ Dann wurde eine<lb/> Reſolution angenommen, in welcher es heißt, die Ruſſen ſeien<lb/> Gelbe mit weißen Geſichtern, die Japaner dagegen Weiße<lb/> mit gelben Geſichtern.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">General Saſſulitſch.</hi> </head> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 18. Mai.</dateline> <bibl> <hi rendition="#g">(Korr.-B.)</hi> </bibl> <p>Bureau Reuter meldet<lb/> aus Petersburg: General <hi rendition="#g">Saſſulitſch</hi> wurde vom<lb/> Kommando der zweiten Diviſion der ſibiriſchen Armee ent-<lb/> hoben, General <hi rendition="#g">Keller</hi> zum Rachfolger desſelben ernannt.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Feuilleton.</hi> </hi> </head><lb/> <div xml:id="louis1" next="#louis2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Welt-Ausstellungsfahrt nach St. Louis.</hi> </hi> </head><lb/> <byline>Federzeichnungen von <hi rendition="#b">Philipp Berges.</hi> </byline><lb/> <head> <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Miſſiſſippiwärts.</hi> </head><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c">(Schluß.)</hi> </ref> </p><lb/> <p>Nachdem Philadelphia, die <hi rendition="#aq">„City of homes“,</hi> erreicht<lb/> iſt, entſchließe ich mich, den Zug zu durchwandern, ſo weit es<lb/> mir mit meinen zertretenen Füßen noch möglich iſt. Nach<lb/> vorne zu geht man endlos durch die langen, alle in gleicher<lb/> Ausſtattung gehaltenen Wagen. Sie machen einen grotesken<lb/> Eindruck durch die gebogenen Seitenwände, in denen ſich auf<lb/> beiden Seiten die oberen Betten befinden, denn abends werden<lb/> alle <hi rendition="#aq">Cars</hi> in Schlafwagen umgewandelt. An Spiegeln, Gold<lb/> und Verzierungen iſt kein Mangel. Manche haben ſeparate<lb/> Abteile für Familien. An den Enden der Wagen läuft der<lb/> Korridor außen herum. Die Montierung dieſer modernen<lb/> Kutſchen muß eine großartige ſein, man fährt wie in einer<lb/> Schaukel. Bald gelangt man in den eleganten Speiſeſaal, wo<lb/> man von den dunkeln Kellnern herrlich bedient wird und für<lb/> jede der drei täglichen Mahlzeiten je einen Dollar zahlt —<lb/> ohne Getränk. Für Europäer, die morgens nur eine Taſſe<lb/> Kaffee und ein Brötchen einzunehmen gewohnt ſind, ein etwas<lb/> hoher Preis. Dann kommen der Rauchſalon, wo nicht nur ge-<lb/> raucht, ſondern auch fabelhaft geſpuckt wird, die „Bar“ mit<lb/> allen Sorten von Schnäpſen, das Zimmer des Barbiers und<lb/> das Badekabinett. Im Rauchzimmer ſitzt man wundervoll be-<lb/> quem in großen Lederſeſſeln, aber alles iſt nichts gegen die ſo-<lb/> genannte <hi rendition="#aq">„Observation Car“,</hi> den Geſellſchafts-Salon, am<lb/> Ende des Zuges. Ein großes pompöſes Zimmer mit Spiegel-<lb/> ſcheiben und einer offenen Veranda, auf der man im Freien<lb/> ſitzt und die Gegend vorüberziehen ſieht. In demſelben Wagen<lb/> iſt Bibliothek- und Schreibzimmer, ſowie Poſt, ſo daß man<lb/> Briefe und Karten gleich expedieren kann. Dieſer Wagen iſt<lb/> der Gipfel des Komforts. Hier ſchlage ich mein Hauptquartier<lb/><cb/> auf und kehre überhaupt nicht mehr zu der Dame mit den<lb/> langen Beinen zurück.</p><lb/> <p>Schüchtern hat hinter Philadelphia der Lenz begonnen,<lb/> ſanftes Grün umſpannt die Bäume, noch weiter ſüdlich ſteht<lb/> ſchon Wald und Feld im Blütenflor und das Herz wird weit.<lb/> Bis zur ſinkenden Sonne eilt der Zug durch Pennſylvania,<lb/> ſieht in den ruhig fließenden Susquehanna-Fluß hinab, windet<lb/> ſich durch die Ausläufer des gewaltigen Allegheni-Gebirges,<lb/> folgt eine Weile dem blauen Juniata-Flüßchen und kommt<lb/> gegen Abend in Altona an, wo mit doppeltem Vorſpann ein<lb/> ſteiler Aufſtieg erfolgt zur berühmten Hufeiſen-Kurve. Unten<lb/> im Tal dunkeln ſchon die Schatten, wenn der Zug empor-<lb/> klimmt, wie buntes Spielzeug liegen die Häuſer in der Tiefe,<lb/> und über die Gipfel der Berge ſendet die Abendſonne einen<lb/> letzten Gruß.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Nach der Abendmahlzeit wird es im Zuge ſtill. Die<lb/> Gentlemen begeben ſich in den Rauchſalon, an die Bar, ins<lb/> Schreibzimmer; die Damen ſitzen in der hell erleuchteten Ge-<lb/> ſellſchafts-Car. Der Zug eilt durch das pennſylvaniſche Kohlen-<lb/> und Hütten-Revier, an den Fenſtern flammen die Feuer mäch-<lb/> tiger Hochöfen auf, ringsum flackern Säulen von Naturgas,<lb/> die Vorboten Pittsburgs, wo die öſtliche Zeit mit der ſogen.<lb/> mittleren wechſelt und die Uhr um eine Stunde zurückgeſtellt<lb/> werden muß.</p><lb/> <p>Als ich ſpät und vom Schauen müde in meinen Wagen<lb/> zurückwandere, hat ſich alles bis zur Unkenntlichkeit verändert.<lb/> Lange Decken hängen von den Wänden herab und laſſen nur<lb/> den Mittelgang des Wagens frei. Die Dame mit den langen<lb/> Beinen iſt verſchwunden, ſie ſchläft im unteren Bett, ich im<lb/> oberen. Ringsum ziehen ſich, nur halb vom Vorhang verhüllt,<lb/> Männlein und Weiblein mit Ungeniertheit aus, ſo weit ſie es<lb/> für gut befinden. Auch ich klettere vermittels einer Leiter<lb/> in mein ſchwankendes Gemach, lauſche noch eine Weile auf<lb/> die dumpfe Muſik der Räder unter dem dahinjagenden Zuge<lb/> und laſſe im Geiſte noch alle meine Beobachtungen, allen<lb/> Aerger und alle Freude des Tages an mir vorüberziehen.<lb/> So vornehm der Zug iſt und ſo teuer, einen ſo wenig vor-<lb/> nehmen Eindruck machen die Reiſenden, die ja alle ohne Aus-<lb/> nahme der beſitzenden Klaſſe angehören. Die amerikaniſchen<lb/><cb/> Durchſchnittsjünglinge mit ihren glatt raſierten Geſichtern<lb/> haben für den Europäer etwas niederſchmetternd Komiſches.<lb/> Wie Kühe ſitzen ſie den ganzen Tag im Geſellſchaftswagen<lb/> und kauen, kauen, kauen ohne Aufhören. Der Wahnſinn des<lb/> Kauens von geſüßtem Kitt (aus den Rückſtänden des Petro-<lb/> leums hergeſtellt) hat nämlich noch nicht aufgehört. Außer dem<lb/> Kauen ſcheint ihre Lebensaufgabe nur darin zu beſtehen, ihre<lb/> geſtickten Strümpfe bewundern zu laſſen, zu welchem Zwecke<lb/> die Hoſen ſo weit wie möglich emporgeſchoben werden. Das<lb/> männliche Jung-Amerika iſt ſtark in der Verweibung begriffen,<lb/> wie es unter dem herrſchenden Pfaffen- und Weiberregiment<lb/> ja auch nicht anders ſein kann. Haben es doch die frommen<lb/> Frauen durchgeſetzt, daß die Weltausſtellung an den Sonntagen<lb/> geſchloſſen werden muß. Man denke: eine am Sonntag ge-<lb/> ſchloſſene Weltausſtellung! Ein Unfug ohne Gleichen. Vor<lb/> lauter Aerger ſchlafe ich ſchließlich ein.</p><lb/> <p>Während der Nacht durchquert der Zug Ohio, Indiana,<lb/> Wisconſin, große Zentren wie Dayton, Cincinnati, Indiana-<lb/> polis ſind vorbeigezogen, während die Geſellſchaft in den vor-<lb/> züglich ventilierten Wagen ſchlief. Gegen ſieben iſt allgemeiner<lb/> Aufbruch. Ich ſelbſt muß warten, denn durch eine Falte meiner<lb/> Gardine ſehe ich, wie meine langbeinige Miß mit fliegenden<lb/> Haaren dem unteren Bett entſteigt und dabei zu meinem<lb/> Schreck die Bluſe ſo weit offen läßt, als ob wir hier in Ar-<lb/> kadien ſeien. Gern möcht ich ihr zuflüſtern: „Miß, machen<lb/> Sie den Vorhang zu, es zieht“ — allein, was gehen mich die<lb/> Töchter anderer Leute an. Ich ſchweige und ſchaue. Aber endlich<lb/> iſt auch für mich die Nacht vorbei, ſchnell wird die Toilette<lb/> gemacht, gefrühſtückt und durch den abermals verwandelten<lb/> Zug, in deſſen Polſtern ſich wieder die weißen und ſchwarzen<lb/> Beamten unanſtändig rekeln, eile ich in den Beobachtungs-<lb/> wagen. Die flache waldige Gegend wird immer grauer und<lb/> trüber. Der Himmel iſt mit Wolken verhangen. Ungeheure<lb/> Wolkenbrüche müſſen hier niedergegangen ſein, mächtige Zyklone<lb/> müſſen hier gewütet haben. Ganze Wälder ſtehen unter Waſſer,<lb/> ſtarke Bäume ſind eingeknickt wie Bleiſtifte. Der Ausblick wird<lb/> immer ſchlimmer, je mehr man ſich dem Miſſiſſippi nähert,<lb/> der, wie die in den Zug hineingeregnete Flut der Zeitungen<lb/> ſchon verkündet hat, gefahrdrohend ſteigt. Eaſt St. Louis, eine<lb/> am jenſeitigen Ufer gelegene Vorſtadt und eigentlich nur ein</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
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Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.
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Allgemeine Zeitung
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nehmen alle in- und ausländiſchen
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(Tempelgaſſe) erhältlich. In Wien
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Wollzeile 11.
Nr. 118. Czernowitz, Freitag, den 20. Mai 1904.
Uebersicht.
Der Krieg.
General Saſſulitſch wurde des Kommandos enthoben. —
Die Chineſen mobiliſieren in aller Stille.
Vom Tage.
Der ruſſiſche Botſchafter hat Konſtantinopel verlaſſen. —
Die Nationaliſten beginnen gegen das Miniſterium Combes eine
neue Kampagne.
Bunte Chronik.
Die Stadt Delatyn iſt vollſtändig niedergebrannt — In
Galizien wurde ein Pfarrer unter geheimnisvollen Umſtänden
verhaftet. — Ein Bauer verübt einen entſetzlichen Selbſtmord.
Letzte Telegramme.
Marinekommandant Spaun begründet in der Delegation
den außerordentlichen Marinekredit. — In der Leitung der
Wiener Produktenbörſe iſt eine Spaltung eingetreten. — Das
Zuckerkartell wird nicht erneuert. — In Südtirol verurſacht ein
Erdbeben Erdſtürze. — Auf Börſen zirkulieren Friedensgerüchte.
— Die Japaner befeſtigen Foengwangtſchoeng. — In Dalny wollte
man die Hafenanlagen in die Luft ſprengen.
„Das Tor der Mandſchurei“.
Czernowitz, 19. Mai 1904.
Ein neues Ereignis von ſtrategiſcher Bedeutung hat ſich,
wenn eine Meldung des Reuterſchen Bureaus zutrifft, auf
dem oſtaſiatiſchen Kriegsſchauplatze vollzogen. Zu Beginn
des Krieges war eine der größten Beſorgniſſe der Ruſſen,
die Japaner könnten von der See her Niutſchwang, das
„Tor der Mandſchurei“, wie es wegen ſeiner handelspoli-
tiſch und militäriſch wichtigen Lage genannt wird, zu nehmen
verſuchen, und man fürchtete, die Stadt würde einem ener-
giſchen Angriffe nicht widerſtehen können. Nun aber ſollen
Stadt und Hafen den Japanern ohne Schwertſtreich zufallen.
Das genannte Depeſchbureau übermittelt folgendes Telegramm:
Niutſchwang, 17. Mai. Die Räumung Niutſchwangs
iſt geſtern um 10 Uhr beendet mit Ausnahme der Zerſtörung
des Kanonenboots Siwutſſy, die früh morgens erwartet wird.
Die Ruſſen zogen in voller Ordnung ab, General Kondra-
tovitſch ging mit dem letzten Regiment.
Die Reuter-Meldungen über die Vorbereitungen der
Ruſſen zur Räumung Niutſchwangs ſind vor einigen Tagen
von ruſſiſcher Seite als unbegründet bezeichnet worden. Allein
ſolche offizielle Dementis zu Kriegszeiten haben nicht gerade
unbedingt authentiſchen Charakter, und die neue Depeſche
über die vollzogene Räumung iſt in ſo beſtimmte Form ge-
faßt, daß man ihr bis zur Feſtſetzung des Gegenteils
Glauben nicht verſagen kann. Niutſchwang mit ſeiner Hafen-
ſtadt Jinkau liegt an der Mündung des Liau-Ho. Der
Liau-Fluß hat ſeine Quellen auf dem Gebirgszuge von
Nordoſt-Tſchili, 300 Kilometer nordweſtlich von Peking. Bei
Tietling, in der Nähe der mandſchuriſchen Bahn oberhalb
Mukdens macht er eine Biegung und fließt nach Süden.
Der Strom führt viel gelben Schlamm und Sand mit ſich,
und dieſe Anſchwemmungen an der Mündung haben im
Laufe der Jahrhunderte das alte Niutſchwang immer mehr
vom Meere entfernt, und die ehemalige Bedeutung der Altſtadt
— die an einem Nebenflüßchen des Hung-Ho, der ſich wieder
in den Liau-Ho ergießt, gelegen iſt — auf Jinkau oder
Niutſchwang-Hafen übertragen. An ſeiner Mündung iſt der
Liau 925 Meter breit. Der Charakter der Küſte und die
hydrographiſchen Verhältniſſe haben mit unſerer Nordſee,
den Wattenbildungen vor Elbe und Weſer viel Aehnlichkeit.
Zur Ebbezeit liegen weite Schlickbänke frei, die von der
Flut wieder bedeckt werden. Mit dem Südweſt-Monſum, in
dieſer Jahreszeit, treten, wenn ein Taifun den Golf von
Liautung heimſucht, hohe Springfluten auf, die mit elemen-
tarer Gewalt das Land meilenweit überſchwemmen und
große Verwüſtungen anrichten können. Die vor dem Fluſſe
abgelagerte Barre hat bei der Ebbe nur anderthalb Faden
Waſſer; bei Hochwaſſer zur Flutzeit kommen jedoch größere
Handelsſchiffe über dieſelbe weit ſtrommaufwärts des Liau-Ho.
Niutſchwang iſt ein ſogenannter Vertragshafen, der
den Fremden von China im Jahre 1861 geöffnet wurde.
Es iſt mit Port Arthur durch eine ruſſiſche Bahnlinie, die
bei Taſhichiao an die mandſchuriſche ſich anſchließt, ver-
bunden. Die öſtliche chineſiſche Bahn vermittelt den Verkehr
von Niutſchwang-Hafen über Schanhaikwan mit Peking. Der
Handelsverkehr auf dem Fluſſe iſt ſehr beträchtlich und alle
Nationen ſind an demſelben beteiligt. Dieſe internationale
Bedeutung des Hafens war auch der Grund, daß man nach
Verhängung des Kriegszuſtandes auf die Verantwortlichkeit
Rußlands für alle Schädigungen fremder Intereſſen hinwies;
denn von der Zeit der Chinawirren her hatte Niutſchwang
zum Schutze dieſer eine gemiſchte Beſatzung. Am rechten
Ufer des Liau befinden ſich alte chineſiſche Befeſtigungen,
von den Ruſſen proviſoriſch verſtärkt; am linken Ufer größere
Forts, die im Jahre 1895 gebaut wurden. Sie erheben ſich
aber nur wenig über die Ebene und wären daher einem
dominierenden Feuer von der Seeſeite ausgeſetzt geweſen.
Nachdem die ruſſiſchen Truppen die Stadt verlaſſen
haben, dürfte ihre Beſitznahme durch die Japaner nicht lange
auf ſich warten laſſen; das einfachſte wäre nunmehr, wie in
Liautung ſo auch hier Truppen zu landen. Sie gewinnen
in Niutſchwang nicht nur einen neuen Stützpunkt, ſondern
es fällt der Rückzug der Ruſſen auch moraliſch ins Gewicht
ſowohl durch den Eindruck auf die Japaner, wie durch den
auf die chineſiſchen Grenztruppen. Die Räumung Niutſchwangs
kann aber nicht etwa als Flucht aufgefaßt werden. Sie iſt
ein Zeichen, daß die Ruſſen ſich nicht ſtark genug fühlen,
es zu behaupten, ſie entſpricht aber zweifellos einem wohl-
überlegten Geſamtplane, der Opferung der empfindlichen
Außenpoſten und Rückwärtskonzentrierung auf eine Ope-
rationslinie, als deren Kernpunkt Mukden oder Charbin
gedacht iſt.
Nachſtehend die letzten Nachrichten:
Eine Kundgebung für den Frieden.
Tokio, 18. Mai. In einer geſtern abgehaltenen Ver-
ſammlung von Buddhiſten, Shintoiſten, proteſtantiſchen Chriſten
und engliſch-amerikaniſchen Miſſionären wurde folgende
Reſolution angenommen: „Japans Ziel iſt die Sicherheit
des Reiches und dauernder Friede in Oſtaſien. Der Krieg
mit Rußland wird im Intereſſe der Gerechtigkeit, der
Humanität und der Ziviliſation und beeinflußt durch die
Verſchiedenheiten der Raſſen und Religion geführt. Wir wollen
deshalb ohne Unterſchied der Raſſe und der Religion entſprechend
den Bräuchen unſerer verſchiedenen Religionen der Welt den
wirklichen Zweck des Krieges und unſeren Wunſch nach einem
baldigen ehrenvollen Frieden kundtun.“ Dann wurde eine
Reſolution angenommen, in welcher es heißt, die Ruſſen ſeien
Gelbe mit weißen Geſichtern, die Japaner dagegen Weiße
mit gelben Geſichtern.
General Saſſulitſch. London, 18. Mai. (Korr.-B.) Bureau Reuter meldet
aus Petersburg: General Saſſulitſch wurde vom
Kommando der zweiten Diviſion der ſibiriſchen Armee ent-
hoben, General Keller zum Rachfolger desſelben ernannt.
Feuilleton.
Welt-Ausstellungsfahrt nach St. Louis.
Federzeichnungen von Philipp Berges.
II.
Miſſiſſippiwärts.
(Schluß.)
Nachdem Philadelphia, die „City of homes“, erreicht
iſt, entſchließe ich mich, den Zug zu durchwandern, ſo weit es
mir mit meinen zertretenen Füßen noch möglich iſt. Nach
vorne zu geht man endlos durch die langen, alle in gleicher
Ausſtattung gehaltenen Wagen. Sie machen einen grotesken
Eindruck durch die gebogenen Seitenwände, in denen ſich auf
beiden Seiten die oberen Betten befinden, denn abends werden
alle Cars in Schlafwagen umgewandelt. An Spiegeln, Gold
und Verzierungen iſt kein Mangel. Manche haben ſeparate
Abteile für Familien. An den Enden der Wagen läuft der
Korridor außen herum. Die Montierung dieſer modernen
Kutſchen muß eine großartige ſein, man fährt wie in einer
Schaukel. Bald gelangt man in den eleganten Speiſeſaal, wo
man von den dunkeln Kellnern herrlich bedient wird und für
jede der drei täglichen Mahlzeiten je einen Dollar zahlt —
ohne Getränk. Für Europäer, die morgens nur eine Taſſe
Kaffee und ein Brötchen einzunehmen gewohnt ſind, ein etwas
hoher Preis. Dann kommen der Rauchſalon, wo nicht nur ge-
raucht, ſondern auch fabelhaft geſpuckt wird, die „Bar“ mit
allen Sorten von Schnäpſen, das Zimmer des Barbiers und
das Badekabinett. Im Rauchzimmer ſitzt man wundervoll be-
quem in großen Lederſeſſeln, aber alles iſt nichts gegen die ſo-
genannte „Observation Car“, den Geſellſchafts-Salon, am
Ende des Zuges. Ein großes pompöſes Zimmer mit Spiegel-
ſcheiben und einer offenen Veranda, auf der man im Freien
ſitzt und die Gegend vorüberziehen ſieht. In demſelben Wagen
iſt Bibliothek- und Schreibzimmer, ſowie Poſt, ſo daß man
Briefe und Karten gleich expedieren kann. Dieſer Wagen iſt
der Gipfel des Komforts. Hier ſchlage ich mein Hauptquartier
auf und kehre überhaupt nicht mehr zu der Dame mit den
langen Beinen zurück.
Schüchtern hat hinter Philadelphia der Lenz begonnen,
ſanftes Grün umſpannt die Bäume, noch weiter ſüdlich ſteht
ſchon Wald und Feld im Blütenflor und das Herz wird weit.
Bis zur ſinkenden Sonne eilt der Zug durch Pennſylvania,
ſieht in den ruhig fließenden Susquehanna-Fluß hinab, windet
ſich durch die Ausläufer des gewaltigen Allegheni-Gebirges,
folgt eine Weile dem blauen Juniata-Flüßchen und kommt
gegen Abend in Altona an, wo mit doppeltem Vorſpann ein
ſteiler Aufſtieg erfolgt zur berühmten Hufeiſen-Kurve. Unten
im Tal dunkeln ſchon die Schatten, wenn der Zug empor-
klimmt, wie buntes Spielzeug liegen die Häuſer in der Tiefe,
und über die Gipfel der Berge ſendet die Abendſonne einen
letzten Gruß.
Nach der Abendmahlzeit wird es im Zuge ſtill. Die
Gentlemen begeben ſich in den Rauchſalon, an die Bar, ins
Schreibzimmer; die Damen ſitzen in der hell erleuchteten Ge-
ſellſchafts-Car. Der Zug eilt durch das pennſylvaniſche Kohlen-
und Hütten-Revier, an den Fenſtern flammen die Feuer mäch-
tiger Hochöfen auf, ringsum flackern Säulen von Naturgas,
die Vorboten Pittsburgs, wo die öſtliche Zeit mit der ſogen.
mittleren wechſelt und die Uhr um eine Stunde zurückgeſtellt
werden muß.
Als ich ſpät und vom Schauen müde in meinen Wagen
zurückwandere, hat ſich alles bis zur Unkenntlichkeit verändert.
Lange Decken hängen von den Wänden herab und laſſen nur
den Mittelgang des Wagens frei. Die Dame mit den langen
Beinen iſt verſchwunden, ſie ſchläft im unteren Bett, ich im
oberen. Ringsum ziehen ſich, nur halb vom Vorhang verhüllt,
Männlein und Weiblein mit Ungeniertheit aus, ſo weit ſie es
für gut befinden. Auch ich klettere vermittels einer Leiter
in mein ſchwankendes Gemach, lauſche noch eine Weile auf
die dumpfe Muſik der Räder unter dem dahinjagenden Zuge
und laſſe im Geiſte noch alle meine Beobachtungen, allen
Aerger und alle Freude des Tages an mir vorüberziehen.
So vornehm der Zug iſt und ſo teuer, einen ſo wenig vor-
nehmen Eindruck machen die Reiſenden, die ja alle ohne Aus-
nahme der beſitzenden Klaſſe angehören. Die amerikaniſchen
Durchſchnittsjünglinge mit ihren glatt raſierten Geſichtern
haben für den Europäer etwas niederſchmetternd Komiſches.
Wie Kühe ſitzen ſie den ganzen Tag im Geſellſchaftswagen
und kauen, kauen, kauen ohne Aufhören. Der Wahnſinn des
Kauens von geſüßtem Kitt (aus den Rückſtänden des Petro-
leums hergeſtellt) hat nämlich noch nicht aufgehört. Außer dem
Kauen ſcheint ihre Lebensaufgabe nur darin zu beſtehen, ihre
geſtickten Strümpfe bewundern zu laſſen, zu welchem Zwecke
die Hoſen ſo weit wie möglich emporgeſchoben werden. Das
männliche Jung-Amerika iſt ſtark in der Verweibung begriffen,
wie es unter dem herrſchenden Pfaffen- und Weiberregiment
ja auch nicht anders ſein kann. Haben es doch die frommen
Frauen durchgeſetzt, daß die Weltausſtellung an den Sonntagen
geſchloſſen werden muß. Man denke: eine am Sonntag ge-
ſchloſſene Weltausſtellung! Ein Unfug ohne Gleichen. Vor
lauter Aerger ſchlafe ich ſchließlich ein.
Während der Nacht durchquert der Zug Ohio, Indiana,
Wisconſin, große Zentren wie Dayton, Cincinnati, Indiana-
polis ſind vorbeigezogen, während die Geſellſchaft in den vor-
züglich ventilierten Wagen ſchlief. Gegen ſieben iſt allgemeiner
Aufbruch. Ich ſelbſt muß warten, denn durch eine Falte meiner
Gardine ſehe ich, wie meine langbeinige Miß mit fliegenden
Haaren dem unteren Bett entſteigt und dabei zu meinem
Schreck die Bluſe ſo weit offen läßt, als ob wir hier in Ar-
kadien ſeien. Gern möcht ich ihr zuflüſtern: „Miß, machen
Sie den Vorhang zu, es zieht“ — allein, was gehen mich die
Töchter anderer Leute an. Ich ſchweige und ſchaue. Aber endlich
iſt auch für mich die Nacht vorbei, ſchnell wird die Toilette
gemacht, gefrühſtückt und durch den abermals verwandelten
Zug, in deſſen Polſtern ſich wieder die weißen und ſchwarzen
Beamten unanſtändig rekeln, eile ich in den Beobachtungs-
wagen. Die flache waldige Gegend wird immer grauer und
trüber. Der Himmel iſt mit Wolken verhangen. Ungeheure
Wolkenbrüche müſſen hier niedergegangen ſein, mächtige Zyklone
müſſen hier gewütet haben. Ganze Wälder ſtehen unter Waſſer,
ſtarke Bäume ſind eingeknickt wie Bleiſtifte. Der Ausblick wird
immer ſchlimmer, je mehr man ſich dem Miſſiſſippi nähert,
der, wie die in den Zug hineingeregnete Flut der Zeitungen
ſchon verkündet hat, gefahrdrohend ſteigt. Eaſt St. Louis, eine
am jenſeitigen Ufer gelegene Vorſtadt und eigentlich nur ein
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