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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2040, Czernowitz, 04.11.1910.

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Redaktion und Administration:
Ringplatz 4, 2. Stock.




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monatl. K 1·80, vierteljähr. K 5·40,
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halbjährl. K 12. ganzjähr. K 24.

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für Rumänien und den Balkan:
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Telegramme Allgemeine, Czernowitz.


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Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

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Ankündigungen:
Es kostet im gewöhnlichen Inse-
ratenteil 12 h die 6mal gespaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einschaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inserate
nehmen alle in- und ausländischen
Inseratenbureaux sowie die Ad-
ministration entgegen. -- Einzel-
exemplare sind in allen Zeitungs-
verschleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
versitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Administration (Ring-
platz 4, 2. St) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldschmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.






Nr. 2040. Czernowitz, Freitag, den 4. November 1910.



[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Vom Tage.

Das Kabinett Briand hat seine Demission gegeben. --
Die Nachrichten vom Ausbruch einer Revolution in Spanien
werden dementiert. -- Zwischen der Pfarte und den Ver-
tretern des deutschen Banksyndikats werden in Konstanti[n]opel
Verhandlungen g[e]pflogen.

Letzte Telegramme.

Der kroatische Landtag ist für den 21. November ein-
berufen. -- Im englischen Kohlenrevier kam es zu Arbeiter-
ausschreitungen.




Die Einigung in der Frage der
Barzahlungen.


Man ist in der Frage der Barzahlungen zu einer
prinzipiellen Einigung gekommen. Wohl scheint die Her-
stellung dieser Uebereinstimmung, wenigstens was Oesterreich
betrifft, nicht völlig dem unbeeinflußten Ermessen der Re-
gierung entsprungen zu sein, denn es darf immerhin
einigermaßen überraschend anmuten, daß jetzt innerhalb weniger
Stunden Vereinbarungen über die Lösung einer Frage zu-
standekommen konnten, der vorher wiederholt, aber immer er-
gebnislos, bereits die langwierigsten Verhandlungen gewidmet
waren und daß ein naher Zusammenhang zwischen der Andienz
Graf Khnens beim Kaiser und dem Resultate der unmittelbar
darnach zwischen den Vertretern der Regierungen ge-
pflogenen Verhandlungen existiert, steht in unzweifelhafter
Weise fest. Das letztere dürfte überwiegend einer Geltend-
machung des Einflusses der Krone zuzuschreiben sein. Es
entspräche jedoch gleichwohl einer unrichtigen Auffassung der
Sachlage, wenn man hierin kurzweg ein Eingreifen zugunsten
Ungarns erblicken wollte. Tatsache ist, daß Graf Khnen die
Bankfrage und die Barzahlungsfrage aus den Zeiten der
Koalitionsregierung als das momentan aktuellste politische
Erbe übernommen hat und daß das liberale Regime, das
einzige, von welchem eine Stärkung des Gemeinsamkeitsver-
hältnisses mit Zuversicht vorausgesetzt und erwartet werden
kann, sich einer sehr bedrohlichen Gefährdung seines Bestandes
[Spaltenumbruch] aussetzen würde, wenn es diese Erbschaft anzutreten verweigerte
oder sich selbst nur in ihrer Pflege eine irgendwie
auffällige Lauheit erlauben wollte. Wenn man in Betracht
zieht, daß die gemeinsame Regierung als Berater der Krone
in allen die Monarchie als solche wie das Verhältnis zwischen
ihren staatsrechtlichen Bestandteilen tangierenden politischen
und wirtschaftlichen Fragen ihr Verhalten pflichtgemäß einzig
nach dem obersten Grundsatze einzurichten hat, daß alles zu
geschehen habe, was eine Kräftigung des Gesamtkörpers be-
dentet und alles aus dem Wege zu räumen sei, was der
Festigung seiner Konstitution hindernd im Wege steht, wird
man nicht nur die Berechtigung einer dirigierenden ganz ver-
fassungsgemäßen Eingreifens ohneweiters anerkennen, sondern
im vorliegenden Falle auch seine volle Zweckmäßigkeit zu-
geben müssen. Man wird dies umso eher tun können, als die
Gesährlichkeit eines gegen Ungarn gerichteten Experiments doch
der Frage gegenüber, ob die Barzahlungen aufzunehmen
seien, nicht im richtigen Wertverhältnisse steht. Gewiß sind
die Barzahlungen keine Omelette, sondern eine Maßnahme,
welche, als Pflicht festgesetzt und unter noch nicht völlig
gereiften Verhältnissen zur Durchführung gebracht, schwere
wirtschaftliche Komplikationen herbeizuführen geeignet wäre.
Soviel aus den bisherigen Mitteilungen über die von den
Regierungen abgeschlossene Vereinbarung hervorgeht, handelt
es sich gegenwärtig jedoch weniger um die Bestimmung des
Zeitpunktes ihrer Auf[n]ahme; derselbe wird sich vorsichtig der
finanziellen und inneren wirtschaftlichen Lage beider Staaten
anzupassen haben. Eine vorzeitige Verpflichtung auf ein
bestimmtes, vielleicht noch auf weite Fristen erstrecktes Datum käme
dem Tun eines Leichtsinnigen gleich, der Wechsel ausstellt, unbeküm-
mert darum, ob er sie zum Fälligkeitstermin einlösen können wird,
ohne sich dadurch in seiner Wirtschaftsgebarung einen Schaden
zu tun, der vielleicht zu vermeiden gewesen wäre. Das dürfte
und wird hier jedoch nicht geschehen. Es dreht sich um die
Abgabe eines formellen Versprechens an den ungarischen
Staat; der Zeitpunkt der Erfüllung dieses Versprechens aber
bleibt von dem vorherigen Vorhandensein gewisser Bedin-
gungen abhängig.

Nach dem Bankprivilegium vom Jahre 1899 ist der
österreichisch-ungarischen Bank die Verpflichtung auferlegt, die
Banknoten auf Verlangen gegen das gesetzliche Metallgeld
einzulösen. Diese Verpflichtung ist jedoch durch einen anderen
Paragraphen über den Zwangskurs der Staatsnoten in beiden
[Spaltenumbruch] Staatsgebieten der Monarchie zeitweilig aufgehoben: Die
Bank ist nach dem Gesetze gegenwärtig zur Einlösung der
Noten zwar berechtigt, jedoch nicht ve[rp]flichtet. Die Umwandlung
dieses Rechtes in eine bindende Pflicht bildet den eigentlichen
Inhalt der Barzahlungssrage. De facto bestehen die Bar-
zahlungen längst. Es existiert kein Agio, die Kronenwährung
ist fest begründet, und vollwertig nicht nur im Inlande, sondern
auch dem Auslande gegenüber. Auch ist jener Artikel des
Bankstatuts der vom Zwangskurse der Staatsnoten spricht,
seit der Einziehung derselben hinfällig geworden, sodaß eigent-
lich aus dem Rechte automatisch eine Pflicht geworden
wäre; die Aufnahme der obligatorischen Barzahlungen
konnte jedoch bisher aus dem Grunde nicht erfolgen
weil vorher die Frage zu lösen ist, was mit den
Zehn- und Zwanzigkronennoten zu geschehen hat, welche
in einem Betrage von achthundert Millionen Kronen im
Umlaufe sind, und nach dem bestehenden Gesetze bei Auf-
nahme von Barzahlungen einzuziehen wären. Diese ungeheure
Inanspruchnahme des Metallschatzes aber könnte hinsichtlich
des Restes des Notenumlaufes die Barzahlungsfähigkeit der
Bank gefährden, sodaß hiedurch Währung und Staatskredit
Erschütterungen ausgesetzt sein könnten. Schon aus der
Verquickung zwischen den Valutagesetzen und dem Bankstatut
mit der Barzahlungsfrage geht hervor, daß eine Lösung der
letzteren unmöglich über's Knie zu brechen sein wird, und, wenn von
einer Einigung die Sprache ist, es sich vorläufig einzig um
die Feststellung handeln konnte, daß auch die österreichische
Regierung geneigt sei, in eine gesetzliche Sicherung der Bar-
zahlungspflicht im allgemeinen einzuwilligen. Diese Ein-
willigung wird ihre Wirkungskraft natürlich erst im Wege
eines von den Parlamenten zu beschließenden Gesetzes er-
halten und es wird auch einer späteren Beschlußfassung der
gesetzgebenden Kö[r]perschaften vorbehalten bleiben, zu be-
stimmen, wann die Aufnahme der Barzahlungen stattzu-
finden hat.




Vom Tage.


Die Lösung der Barzahlungsfrage.

Das "Fremdenblatt" reproduziert
ein Gerücht, wonach die Formel in der Bahrzahlungsfrag




[Spaltenumbruch]
Landesverrat.

103] (Nachdruck verboten.)

Wenn Sie meine Schwester wären, Durchlaucht, so
würde ich Ihnen raten, sich dem Willen Ihres Vaters nicht
zu fügen."

"Ich danke Ihnen," sagte sie einfach.

"Und ich glaube, daß Sie recht haben."

Jetzt machte sie keinen Versuch mehr, mich zurückzuhalten,
als ich, ein Bündel Papiere in der Hand, das Zimmer verließ.
In geringer Entfernung vom Hause erblickte ich die hohe
Gestalt des Obersten und ich teilte ihm mit, daß er von der
Prinzessin erwartet würde.

Um ihn darüber zu beruhigen, daß er keine Störung der
Aussprache durch mich zu fürchten habe, fügte ich der Wahrheit
gemäß hinzu, daß ich im Begriff sei, auf das Schloß zu gehen,
um etliche Papiere in dem Tre[s]or unterzubringen.

Er nickte stumm und ich sah ihn in der Tür meines Hauses
verschwinden.

31. Kapitel.

In einer Ecke des Bibliothekzimmers, unbeweglich vor
einem kleinen Schreibtisch sitzend, fand ich den Fürsten. Die
Platte des Tisches war mit Papieren bedeckt und da ich dem
Privatsekretär des Fürsten unterwegs begegnet war, nahm ich
an, daß eben eine geschäftliche Besprech[u]ng zwischen ihm und
seinem Herrn stattgefunden habe.

Der Groß-Bojar hatte meinen respektvollen Gruß nicht er-
widert, so daß mir die Vermutung kam, er sei vor Erschöpfung
auf seinem Stuhle eingeschlafen. Bei dem Klang der elektrischen
Glocke aber, die jedesmal beim Oeffnen des Tresors anschlug,
fuhr er nach mir herum.

"Sie sind es, Lazar?"

"Jawohl, Durchlaucht!"

"Was tun Sie hier?"

"Ich habe die ersten, heute fertiggestellten Blätter meiner
Arbeit heraufgebracht."


[Spaltenumbruch]

"Haben Sie sie versiegelt?"

"Jawohl! Mit dem Siegel Seiner Exzellenz."

Er gab seinem Stuhl eine rasche Wendung, um mir voll
ins Gesicht sehen zu können, und fragte scharf:

"Mit dem Siegel Seiner Exzellenz? Was soll das
heißen? Wann hat Stolojan Ihnen ein solches Si[e]gel über-
geben?"

"Vor seiner Abreise, Durchlaucht! Es ist ein alter
Siegelring mit sehr kunstvoller Gravierung. Ich trage ihn an
einer stählernen Kette hier um den Arm."

"Lassen Sie mich ihn sehen!" befahl er.

Ich entblößte meinen Unterarm und zeigte ihm den
Ring, der mit einigen Kettengliedern an einem eisernen Armband
befestigt war.

"Auf welche Art lösen Sie den Ring von der Kette?"
fragte der Fürst, nachdem er ihn aufmerksam betrachtet hatte.

"Ich bin gar nicht imstande, ihn zu lösen, sondern ich
muß ihn zum Siegeln benutzen, während er sich an dem
Armband befindet. Die Kette ist mit einem Brahmaschloß zu-
sammengefügt und Seine Exellenz Stolojan hat den Schlüssel
behalten. Er selbst hat diese Vorrichtung zum Siegeln geheimer
Aktenstücke benutzt, als er seinerzeit Gesandter im Auslande war."

Auf das Genaueste prüfte der Groß-Bojar jetzt die Kette
und das Schloß.

"Sie sind überzeugt, daß niemand den Verschluß lösen
könnte, der sich nicht im Besitz des richtigen Schlüssels be-
findet?"

"Ein Kunstschlosser würde vielleicht dazu imstande sein,
Durchlaucht! Ich selbst kann es jedenfalls nicht."

Mit einer ganz unzweideutigen Gebärde des Unwillens
zuckte er die Achseln.

"Stolojans Praktiken scheinen mir nachgerade ein wenig
opernhaft," sagte er ärgerlich.

"Meiner Ueberzeugung nach würden die Papiere in einem
unverschlossenen Fach meines Schreibtisches genau so sicher auf-
gehoben sein, als in diesem siebenmal versiegelten Heiligtum
dort. An den behaupteten Verrat glaube ich einfach nicht. Und
ich müßte eine sehr schlechte Meinung von meiner nächsten Um-
[Spaltenumbruch] gebung haben, wenn ich meine Besitzung für ein so verruchte
Verschwörernest halten wollte, wie Oberst Sutzko und Stolojan
es uns glauben machen wollen."

Ich sah wohl, daß er sich in der übelsten Laune befand
und ich versagte mir deshalb, ihm die Tatsachen ins Gedächtnis
zurückzurufen, die sehr unzweideutig gegen die Berechtigung
seiner optimistischen Auffassung sprachen.

"Haben Durchlaucht sonst noch Befehle für mich?" fragte
ich chrerbietig.

"Befehle -- nein! -- Aber ich wünschte allerdings mit
Ihnen zu reden, Herr Lazar! Ich hörte zu meinem grenzen-
losen Erstaunen, daß die Polizei gestern bei Ihnen eine Haus-
suchung vorgenommen habe. Was, zum Henker hat das zu be-
deuten?"

"Wie es scheint, Durchlaucht, ist im Laufe der letzten Tage
ermittelt worden, daß der Mann, dessen Leiche man vor einiger
Zeit am Strande von Potesci gefunden, nicht ein von den
Wellen aus Land gespülter Ertrunkener war, sondern ein
Fremder, der tags zuvor in Potesci ankam und der sich dort
nach meiner Wohnung erkundigte. Und ich vermute, daß die
Polizei mich darum in irgendwelchen Zusammenhang bringt mit
seinem Tode."

Der Fürst sah mich durchdringend an.

"Ich muß doch wohl annehmen, daß man sehr greifbare
Anhaltspunkte für eine solche Vermutung zu haben glaubte.
Denn es würde sich sonst nicht leicht ein Richter gefunden
haben, den Befehl zu einer Haussuchung auszufertigen."

"Ich für meine Person wüßte jedenfalls nicht, worin diese
Anhaltspunkte bestehen sollten. Alles, was in dieser Hinficht
vorliegt, dürfte sich darauf beschränken, daß der Mann vor
seinem Tode im Dorfe gesehen worden ist, daß er nach mir
gefragt hat und daß ich töricht genug war, die Person, an die
er sich mit seiner Frage gewendet, zum Verschweigen dieses Um-
standes zu bestimmen."

"Hallo!" fiel der Groß-Bojar ein. "Was ist das? --
Was haben Sie getan?"

"Was ich zum zweiten Male gewiß nicht tun würde,
Durchlaucht!"

(Fortsetzung folgt.)


[Spaltenumbruch]

Redaktion und Adminiſtration:
Ringplatz 4, 2. Stock.




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halbj. K 10·80, ganzjähr. K 21.60,
(mit täglicher Poſtverſendung):
monatlich K 2, vierteljähr. K 6,
halbjährl. K 12. ganzjähr. K 24.

Für Deutſchland:
vierteljährig .... 7 Mark

für Rumänien und den Balkan:
vierteljährig .... 10 Lei




Telegramme Allgemeine, Czernowitz.


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

[Spaltenumbruch]

Ankündigungen:
Es koſtet im gewöhnlichen Inſe-
ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einſchaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inſerate
nehmen alle in- und ausländiſchen
Inſeratenbureaux ſowie die Ad-
miniſtration entgegen. — Einzel-
exemplare ſind in allen Zeitungs-
verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
verſitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Adminiſtration (Ring-
platz 4, 2. St) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldſchmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.






Nr. 2040. Czernowitz, Freitag, den 4. November 1910.



[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.

Vom Tage.

Das Kabinett Briand hat ſeine Demiſſion gegeben. —
Die Nachrichten vom Ausbruch einer Revolution in Spanien
werden dementiert. — Zwiſchen der Pfarte und den Ver-
tretern des deutſchen Bankſyndikats werden in Konſtanti[n]opel
Verhandlungen g[e]pflogen.

Letzte Telegramme.

Der kroatiſche Landtag iſt für den 21. November ein-
berufen. — Im engliſchen Kohlenrevier kam es zu Arbeiter-
ausſchreitungen.




Die Einigung in der Frage der
Barzahlungen.


Man iſt in der Frage der Barzahlungen zu einer
prinzipiellen Einigung gekommen. Wohl ſcheint die Her-
ſtellung dieſer Uebereinſtimmung, wenigſtens was Oeſterreich
betrifft, nicht völlig dem unbeeinflußten Ermeſſen der Re-
gierung entſprungen zu ſein, denn es darf immerhin
einigermaßen überraſchend anmuten, daß jetzt innerhalb weniger
Stunden Vereinbarungen über die Löſung einer Frage zu-
ſtandekommen konnten, der vorher wiederholt, aber immer er-
gebnislos, bereits die langwierigſten Verhandlungen gewidmet
waren und daß ein naher Zuſammenhang zwiſchen der Andienz
Graf Khnens beim Kaiſer und dem Reſultate der unmittelbar
darnach zwiſchen den Vertretern der Regierungen ge-
pflogenen Verhandlungen exiſtiert, ſteht in unzweifelhafter
Weiſe feſt. Das letztere dürfte überwiegend einer Geltend-
machung des Einfluſſes der Krone zuzuſchreiben ſein. Es
entſpräche jedoch gleichwohl einer unrichtigen Auffaſſung der
Sachlage, wenn man hierin kurzweg ein Eingreifen zugunſten
Ungarns erblicken wollte. Tatſache iſt, daß Graf Khnen die
Bankfrage und die Barzahlungsfrage aus den Zeiten der
Koalitionsregierung als das momentan aktuellſte politiſche
Erbe übernommen hat und daß das liberale Regime, das
einzige, von welchem eine Stärkung des Gemeinſamkeitsver-
hältniſſes mit Zuverſicht vorausgeſetzt und erwartet werden
kann, ſich einer ſehr bedrohlichen Gefährdung ſeines Beſtandes
[Spaltenumbruch] ausſetzen würde, wenn es dieſe Erbſchaft anzutreten verweigerte
oder ſich ſelbſt nur in ihrer Pflege eine irgendwie
auffällige Lauheit erlauben wollte. Wenn man in Betracht
zieht, daß die gemeinſame Regierung als Berater der Krone
in allen die Monarchie als ſolche wie das Verhältnis zwiſchen
ihren ſtaatsrechtlichen Beſtandteilen tangierenden politiſchen
und wirtſchaftlichen Fragen ihr Verhalten pflichtgemäß einzig
nach dem oberſten Grundſatze einzurichten hat, daß alles zu
geſchehen habe, was eine Kräftigung des Geſamtkörpers be-
dentet und alles aus dem Wege zu räumen ſei, was der
Feſtigung ſeiner Konſtitution hindernd im Wege ſteht, wird
man nicht nur die Berechtigung einer dirigierenden ganz ver-
faſſungsgemäßen Eingreifens ohneweiters anerkennen, ſondern
im vorliegenden Falle auch ſeine volle Zweckmäßigkeit zu-
geben müſſen. Man wird dies umſo eher tun können, als die
Geſährlichkeit eines gegen Ungarn gerichteten Experiments doch
der Frage gegenüber, ob die Barzahlungen aufzunehmen
ſeien, nicht im richtigen Wertverhältniſſe ſteht. Gewiß ſind
die Barzahlungen keine Omelette, ſondern eine Maßnahme,
welche, als Pflicht feſtgeſetzt und unter noch nicht völlig
gereiften Verhältniſſen zur Durchführung gebracht, ſchwere
wirtſchaftliche Komplikationen herbeizuführen geeignet wäre.
Soviel aus den bisherigen Mitteilungen über die von den
Regierungen abgeſchloſſene Vereinbarung hervorgeht, handelt
es ſich gegenwärtig jedoch weniger um die Beſtimmung des
Zeitpunktes ihrer Auf[n]ahme; derſelbe wird ſich vorſichtig der
finanziellen und inneren wirtſchaftlichen Lage beider Staaten
anzupaſſen haben. Eine vorzeitige Verpflichtung auf ein
beſtimmtes, vielleicht noch auf weite Friſten erſtrecktes Datum käme
dem Tun eines Leichtſinnigen gleich, der Wechſel ausſtellt, unbeküm-
mert darum, ob er ſie zum Fälligkeitstermin einlöſen können wird,
ohne ſich dadurch in ſeiner Wirtſchaftsgebarung einen Schaden
zu tun, der vielleicht zu vermeiden geweſen wäre. Das dürfte
und wird hier jedoch nicht geſchehen. Es dreht ſich um die
Abgabe eines formellen Verſprechens an den ungariſchen
Staat; der Zeitpunkt der Erfüllung dieſes Verſprechens aber
bleibt von dem vorherigen Vorhandenſein gewiſſer Bedin-
gungen abhängig.

Nach dem Bankprivilegium vom Jahre 1899 iſt der
öſterreichiſch-ungariſchen Bank die Verpflichtung auferlegt, die
Banknoten auf Verlangen gegen das geſetzliche Metallgeld
einzulöſen. Dieſe Verpflichtung iſt jedoch durch einen anderen
Paragraphen über den Zwangskurs der Staatsnoten in beiden
[Spaltenumbruch] Staatsgebieten der Monarchie zeitweilig aufgehoben: Die
Bank iſt nach dem Geſetze gegenwärtig zur Einlöſung der
Noten zwar berechtigt, jedoch nicht ve[rp]flichtet. Die Umwandlung
dieſes Rechtes in eine bindende Pflicht bildet den eigentlichen
Inhalt der Barzahlungsſrage. De facto beſtehen die Bar-
zahlungen längſt. Es exiſtiert kein Agio, die Kronenwährung
iſt feſt begründet, und vollwertig nicht nur im Inlande, ſondern
auch dem Auslande gegenüber. Auch iſt jener Artikel des
Bankſtatuts der vom Zwangskurſe der Staatsnoten ſpricht,
ſeit der Einziehung derſelben hinfällig geworden, ſodaß eigent-
lich aus dem Rechte automatiſch eine Pflicht geworden
wäre; die Aufnahme der obligatoriſchen Barzahlungen
konnte jedoch bisher aus dem Grunde nicht erfolgen
weil vorher die Frage zu löſen iſt, was mit den
Zehn- und Zwanzigkronennoten zu geſchehen hat, welche
in einem Betrage von achthundert Millionen Kronen im
Umlaufe ſind, und nach dem beſtehenden Geſetze bei Auf-
nahme von Barzahlungen einzuziehen wären. Dieſe ungeheure
Inanſpruchnahme des Metallſchatzes aber könnte hinſichtlich
des Reſtes des Notenumlaufes die Barzahlungsfähigkeit der
Bank gefährden, ſodaß hiedurch Währung und Staatskredit
Erſchütterungen ausgeſetzt ſein könnten. Schon aus der
Verquickung zwiſchen den Valutageſetzen und dem Bankſtatut
mit der Barzahlungsfrage geht hervor, daß eine Löſung der
letzteren unmöglich über’s Knie zu brechen ſein wird, und, wenn von
einer Einigung die Sprache iſt, es ſich vorläufig einzig um
die Feſtſtellung handeln konnte, daß auch die öſterreichiſche
Regierung geneigt ſei, in eine geſetzliche Sicherung der Bar-
zahlungspflicht im allgemeinen einzuwilligen. Dieſe Ein-
willigung wird ihre Wirkungskraft natürlich erſt im Wege
eines von den Parlamenten zu beſchließenden Geſetzes er-
halten und es wird auch einer ſpäteren Beſchlußfaſſung der
geſetzgebenden Kö[r]perſchaften vorbehalten bleiben, zu be-
ſtimmen, wann die Aufnahme der Barzahlungen ſtattzu-
finden hat.




Vom Tage.


Die Löſung der Barzahlungsfrage.

Das „Fremdenblatt“ reproduziert
ein Gerücht, wonach die Formel in der Bahrzahlungsfrag




[Spaltenumbruch]
Landesverrat.

103] (Nachdruck verboten.)

Wenn Sie meine Schweſter wären, Durchlaucht, ſo
würde ich Ihnen raten, ſich dem Willen Ihres Vaters nicht
zu fügen.“

„Ich danke Ihnen,“ ſagte ſie einfach.

„Und ich glaube, daß Sie recht haben.“

Jetzt machte ſie keinen Verſuch mehr, mich zurückzuhalten,
als ich, ein Bündel Papiere in der Hand, das Zimmer verließ.
In geringer Entfernung vom Hauſe erblickte ich die hohe
Geſtalt des Oberſten und ich teilte ihm mit, daß er von der
Prinzeſſin erwartet würde.

Um ihn darüber zu beruhigen, daß er keine Störung der
Ausſprache durch mich zu fürchten habe, fügte ich der Wahrheit
gemäß hinzu, daß ich im Begriff ſei, auf das Schloß zu gehen,
um etliche Papiere in dem Tre[ſ]or unterzubringen.

Er nickte ſtumm und ich ſah ihn in der Tür meines Hauſes
verſchwinden.

31. Kapitel.

In einer Ecke des Bibliothekzimmers, unbeweglich vor
einem kleinen Schreibtiſch ſitzend, fand ich den Fürſten. Die
Platte des Tiſches war mit Papieren bedeckt und da ich dem
Privatſekretär des Fürſten unterwegs begegnet war, nahm ich
an, daß eben eine geſchäftliche Beſprech[u]ng zwiſchen ihm und
ſeinem Herrn ſtattgefunden habe.

Der Groß-Bojar hatte meinen reſpektvollen Gruß nicht er-
widert, ſo daß mir die Vermutung kam, er ſei vor Erſchöpfung
auf ſeinem Stuhle eingeſchlafen. Bei dem Klang der elektriſchen
Glocke aber, die jedesmal beim Oeffnen des Treſors anſchlug,
fuhr er nach mir herum.

„Sie ſind es, Lazar?“

„Jawohl, Durchlaucht!“

„Was tun Sie hier?“

„Ich habe die erſten, heute fertiggeſtellten Blätter meiner
Arbeit heraufgebracht.“


[Spaltenumbruch]

„Haben Sie ſie verſiegelt?“

„Jawohl! Mit dem Siegel Seiner Exzellenz.“

Er gab ſeinem Stuhl eine raſche Wendung, um mir voll
ins Geſicht ſehen zu können, und fragte ſcharf:

„Mit dem Siegel Seiner Exzellenz? Was ſoll das
heißen? Wann hat Stolojan Ihnen ein ſolches Si[e]gel über-
geben?“

„Vor ſeiner Abreiſe, Durchlaucht! Es iſt ein alter
Siegelring mit ſehr kunſtvoller Gravierung. Ich trage ihn an
einer ſtählernen Kette hier um den Arm.“

„Laſſen Sie mich ihn ſehen!“ befahl er.

Ich entblößte meinen Unterarm und zeigte ihm den
Ring, der mit einigen Kettengliedern an einem eiſernen Armband
befeſtigt war.

„Auf welche Art löſen Sie den Ring von der Kette?“
fragte der Fürſt, nachdem er ihn aufmerkſam betrachtet hatte.

„Ich bin gar nicht imſtande, ihn zu löſen, ſondern ich
muß ihn zum Siegeln benutzen, während er ſich an dem
Armband befindet. Die Kette iſt mit einem Brahmaſchloß zu-
ſammengefügt und Seine Exellenz Stolojan hat den Schlüſſel
behalten. Er ſelbſt hat dieſe Vorrichtung zum Siegeln geheimer
Aktenſtücke benutzt, als er ſeinerzeit Geſandter im Auslande war.“

Auf das Genaueſte prüfte der Groß-Bojar jetzt die Kette
und das Schloß.

„Sie ſind überzeugt, daß niemand den Verſchluß löſen
könnte, der ſich nicht im Beſitz des richtigen Schlüſſels be-
findet?“

„Ein Kunſtſchloſſer würde vielleicht dazu imſtande ſein,
Durchlaucht! Ich ſelbſt kann es jedenfalls nicht.“

Mit einer ganz unzweideutigen Gebärde des Unwillens
zuckte er die Achſeln.

„Stolojans Praktiken ſcheinen mir nachgerade ein wenig
opernhaft,“ ſagte er ärgerlich.

„Meiner Ueberzeugung nach würden die Papiere in einem
unverſchloſſenen Fach meines Schreibtiſches genau ſo ſicher auf-
gehoben ſein, als in dieſem ſiebenmal verſiegelten Heiligtum
dort. An den behaupteten Verrat glaube ich einfach nicht. Und
ich müßte eine ſehr ſchlechte Meinung von meiner nächſten Um-
[Spaltenumbruch] gebung haben, wenn ich meine Beſitzung für ein ſo verruchte
Verſchwörerneſt halten wollte, wie Oberſt Sutzko und Stolojan
es uns glauben machen wollen.“

Ich ſah wohl, daß er ſich in der übelſten Laune befand
und ich verſagte mir deshalb, ihm die Tatſachen ins Gedächtnis
zurückzurufen, die ſehr unzweideutig gegen die Berechtigung
ſeiner optimiſtiſchen Auffaſſung ſprachen.

„Haben Durchlaucht ſonſt noch Befehle für mich?“ fragte
ich chrerbietig.

„Befehle — nein! — Aber ich wünſchte allerdings mit
Ihnen zu reden, Herr Lazar! Ich hörte zu meinem grenzen-
loſen Erſtaunen, daß die Polizei geſtern bei Ihnen eine Haus-
ſuchung vorgenommen habe. Was, zum Henker hat das zu be-
deuten?“

„Wie es ſcheint, Durchlaucht, iſt im Laufe der letzten Tage
ermittelt worden, daß der Mann, deſſen Leiche man vor einiger
Zeit am Strande von Potesci gefunden, nicht ein von den
Wellen aus Land geſpülter Ertrunkener war, ſondern ein
Fremder, der tags zuvor in Potesci ankam und der ſich dort
nach meiner Wohnung erkundigte. Und ich vermute, daß die
Polizei mich darum in irgendwelchen Zuſammenhang bringt mit
ſeinem Tode.“

Der Fürſt ſah mich durchdringend an.

„Ich muß doch wohl annehmen, daß man ſehr greifbare
Anhaltspunkte für eine ſolche Vermutung zu haben glaubte.
Denn es würde ſich ſonſt nicht leicht ein Richter gefunden
haben, den Befehl zu einer Hausſuchung auszufertigen.“

„Ich für meine Perſon wüßte jedenfalls nicht, worin dieſe
Anhaltspunkte beſtehen ſollten. Alles, was in dieſer Hinficht
vorliegt, dürfte ſich darauf beſchränken, daß der Mann vor
ſeinem Tode im Dorfe geſehen worden iſt, daß er nach mir
gefragt hat und daß ich töricht genug war, die Perſon, an die
er ſich mit ſeiner Frage gewendet, zum Verſchweigen dieſes Um-
ſtandes zu beſtimmen.“

„Hallo!“ fiel der Groß-Bojar ein. „Was iſt das? —
Was haben Sie getan?“

„Was ich zum zweiten Male gewiß nicht tun würde,
Durchlaucht!“

(Fortſetzung folgt.)


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[[1]/0001] Redaktion und Adminiſtration: Ringplatz 4, 2. Stock. Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz (mit Zuſtellung ins Haus): monatl. K 1·80, vierteljähr. K 5·40, halbj. K 10·80, ganzjähr. K 21.60, (mit täglicher Poſtverſendung): monatlich K 2, vierteljähr. K 6, halbjährl. K 12. ganzjähr. K 24. Für Deutſchland: vierteljährig .... 7 Mark für Rumänien und den Balkan: vierteljährig .... 10 Lei Telegramme Allgemeine, Czernowitz. Czernowitzer Allgemeine Zeitung Ankündigungen: Es koſtet im gewöhnlichen Inſe- ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei mehrmaliger Einſchaltung, für Re- klame 40 h die Petitzeile. Inſerate nehmen alle in- und ausländiſchen Inſeratenbureaux ſowie die Ad- miniſtration entgegen. — Einzel- exemplare ſind in allen Zeitungs- verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni- verſitätsbuchhandlung H. Pardini und in der Adminiſtration (Ring- platz 4, 2. St) erhältlich. In Wien im Zeitungsbureau Goldſchmidt, Wollzeile 11. Einzelexemplare 10 Heller für Czernowitz. Nr. 2040. Czernowitz, Freitag, den 4. November 1910. Ueberſicht. Vom Tage. Das Kabinett Briand hat ſeine Demiſſion gegeben. — Die Nachrichten vom Ausbruch einer Revolution in Spanien werden dementiert. — Zwiſchen der Pfarte und den Ver- tretern des deutſchen Bankſyndikats werden in Konſtantinopel Verhandlungen gepflogen. Letzte Telegramme. Der kroatiſche Landtag iſt für den 21. November ein- berufen. — Im engliſchen Kohlenrevier kam es zu Arbeiter- ausſchreitungen. Die Einigung in der Frage der Barzahlungen. Czernowitz, 3. November. Man iſt in der Frage der Barzahlungen zu einer prinzipiellen Einigung gekommen. Wohl ſcheint die Her- ſtellung dieſer Uebereinſtimmung, wenigſtens was Oeſterreich betrifft, nicht völlig dem unbeeinflußten Ermeſſen der Re- gierung entſprungen zu ſein, denn es darf immerhin einigermaßen überraſchend anmuten, daß jetzt innerhalb weniger Stunden Vereinbarungen über die Löſung einer Frage zu- ſtandekommen konnten, der vorher wiederholt, aber immer er- gebnislos, bereits die langwierigſten Verhandlungen gewidmet waren und daß ein naher Zuſammenhang zwiſchen der Andienz Graf Khnens beim Kaiſer und dem Reſultate der unmittelbar darnach zwiſchen den Vertretern der Regierungen ge- pflogenen Verhandlungen exiſtiert, ſteht in unzweifelhafter Weiſe feſt. Das letztere dürfte überwiegend einer Geltend- machung des Einfluſſes der Krone zuzuſchreiben ſein. Es entſpräche jedoch gleichwohl einer unrichtigen Auffaſſung der Sachlage, wenn man hierin kurzweg ein Eingreifen zugunſten Ungarns erblicken wollte. Tatſache iſt, daß Graf Khnen die Bankfrage und die Barzahlungsfrage aus den Zeiten der Koalitionsregierung als das momentan aktuellſte politiſche Erbe übernommen hat und daß das liberale Regime, das einzige, von welchem eine Stärkung des Gemeinſamkeitsver- hältniſſes mit Zuverſicht vorausgeſetzt und erwartet werden kann, ſich einer ſehr bedrohlichen Gefährdung ſeines Beſtandes ausſetzen würde, wenn es dieſe Erbſchaft anzutreten verweigerte oder ſich ſelbſt nur in ihrer Pflege eine irgendwie auffällige Lauheit erlauben wollte. Wenn man in Betracht zieht, daß die gemeinſame Regierung als Berater der Krone in allen die Monarchie als ſolche wie das Verhältnis zwiſchen ihren ſtaatsrechtlichen Beſtandteilen tangierenden politiſchen und wirtſchaftlichen Fragen ihr Verhalten pflichtgemäß einzig nach dem oberſten Grundſatze einzurichten hat, daß alles zu geſchehen habe, was eine Kräftigung des Geſamtkörpers be- dentet und alles aus dem Wege zu räumen ſei, was der Feſtigung ſeiner Konſtitution hindernd im Wege ſteht, wird man nicht nur die Berechtigung einer dirigierenden ganz ver- faſſungsgemäßen Eingreifens ohneweiters anerkennen, ſondern im vorliegenden Falle auch ſeine volle Zweckmäßigkeit zu- geben müſſen. Man wird dies umſo eher tun können, als die Geſährlichkeit eines gegen Ungarn gerichteten Experiments doch der Frage gegenüber, ob die Barzahlungen aufzunehmen ſeien, nicht im richtigen Wertverhältniſſe ſteht. Gewiß ſind die Barzahlungen keine Omelette, ſondern eine Maßnahme, welche, als Pflicht feſtgeſetzt und unter noch nicht völlig gereiften Verhältniſſen zur Durchführung gebracht, ſchwere wirtſchaftliche Komplikationen herbeizuführen geeignet wäre. Soviel aus den bisherigen Mitteilungen über die von den Regierungen abgeſchloſſene Vereinbarung hervorgeht, handelt es ſich gegenwärtig jedoch weniger um die Beſtimmung des Zeitpunktes ihrer Aufnahme; derſelbe wird ſich vorſichtig der finanziellen und inneren wirtſchaftlichen Lage beider Staaten anzupaſſen haben. Eine vorzeitige Verpflichtung auf ein beſtimmtes, vielleicht noch auf weite Friſten erſtrecktes Datum käme dem Tun eines Leichtſinnigen gleich, der Wechſel ausſtellt, unbeküm- mert darum, ob er ſie zum Fälligkeitstermin einlöſen können wird, ohne ſich dadurch in ſeiner Wirtſchaftsgebarung einen Schaden zu tun, der vielleicht zu vermeiden geweſen wäre. Das dürfte und wird hier jedoch nicht geſchehen. Es dreht ſich um die Abgabe eines formellen Verſprechens an den ungariſchen Staat; der Zeitpunkt der Erfüllung dieſes Verſprechens aber bleibt von dem vorherigen Vorhandenſein gewiſſer Bedin- gungen abhängig. Nach dem Bankprivilegium vom Jahre 1899 iſt der öſterreichiſch-ungariſchen Bank die Verpflichtung auferlegt, die Banknoten auf Verlangen gegen das geſetzliche Metallgeld einzulöſen. Dieſe Verpflichtung iſt jedoch durch einen anderen Paragraphen über den Zwangskurs der Staatsnoten in beiden Staatsgebieten der Monarchie zeitweilig aufgehoben: Die Bank iſt nach dem Geſetze gegenwärtig zur Einlöſung der Noten zwar berechtigt, jedoch nicht verpflichtet. Die Umwandlung dieſes Rechtes in eine bindende Pflicht bildet den eigentlichen Inhalt der Barzahlungsſrage. De facto beſtehen die Bar- zahlungen längſt. Es exiſtiert kein Agio, die Kronenwährung iſt feſt begründet, und vollwertig nicht nur im Inlande, ſondern auch dem Auslande gegenüber. Auch iſt jener Artikel des Bankſtatuts der vom Zwangskurſe der Staatsnoten ſpricht, ſeit der Einziehung derſelben hinfällig geworden, ſodaß eigent- lich aus dem Rechte automatiſch eine Pflicht geworden wäre; die Aufnahme der obligatoriſchen Barzahlungen konnte jedoch bisher aus dem Grunde nicht erfolgen weil vorher die Frage zu löſen iſt, was mit den Zehn- und Zwanzigkronennoten zu geſchehen hat, welche in einem Betrage von achthundert Millionen Kronen im Umlaufe ſind, und nach dem beſtehenden Geſetze bei Auf- nahme von Barzahlungen einzuziehen wären. Dieſe ungeheure Inanſpruchnahme des Metallſchatzes aber könnte hinſichtlich des Reſtes des Notenumlaufes die Barzahlungsfähigkeit der Bank gefährden, ſodaß hiedurch Währung und Staatskredit Erſchütterungen ausgeſetzt ſein könnten. Schon aus der Verquickung zwiſchen den Valutageſetzen und dem Bankſtatut mit der Barzahlungsfrage geht hervor, daß eine Löſung der letzteren unmöglich über’s Knie zu brechen ſein wird, und, wenn von einer Einigung die Sprache iſt, es ſich vorläufig einzig um die Feſtſtellung handeln konnte, daß auch die öſterreichiſche Regierung geneigt ſei, in eine geſetzliche Sicherung der Bar- zahlungspflicht im allgemeinen einzuwilligen. Dieſe Ein- willigung wird ihre Wirkungskraft natürlich erſt im Wege eines von den Parlamenten zu beſchließenden Geſetzes er- halten und es wird auch einer ſpäteren Beſchlußfaſſung der geſetzgebenden Körperſchaften vorbehalten bleiben, zu be- ſtimmen, wann die Aufnahme der Barzahlungen ſtattzu- finden hat. Vom Tage. Czernowitz, 3. November. Die Löſung der Barzahlungsfrage. Wien, 2. November. Das „Fremdenblatt“ reproduziert ein Gerücht, wonach die Formel in der Bahrzahlungsfrag Landesverrat. Roman von E. Ph. Oppenheim. 103] (Nachdruck verboten.) Wenn Sie meine Schweſter wären, Durchlaucht, ſo würde ich Ihnen raten, ſich dem Willen Ihres Vaters nicht zu fügen.“ „Ich danke Ihnen,“ ſagte ſie einfach. „Und ich glaube, daß Sie recht haben.“ Jetzt machte ſie keinen Verſuch mehr, mich zurückzuhalten, als ich, ein Bündel Papiere in der Hand, das Zimmer verließ. In geringer Entfernung vom Hauſe erblickte ich die hohe Geſtalt des Oberſten und ich teilte ihm mit, daß er von der Prinzeſſin erwartet würde. Um ihn darüber zu beruhigen, daß er keine Störung der Ausſprache durch mich zu fürchten habe, fügte ich der Wahrheit gemäß hinzu, daß ich im Begriff ſei, auf das Schloß zu gehen, um etliche Papiere in dem Treſor unterzubringen. Er nickte ſtumm und ich ſah ihn in der Tür meines Hauſes verſchwinden. 31. Kapitel. In einer Ecke des Bibliothekzimmers, unbeweglich vor einem kleinen Schreibtiſch ſitzend, fand ich den Fürſten. Die Platte des Tiſches war mit Papieren bedeckt und da ich dem Privatſekretär des Fürſten unterwegs begegnet war, nahm ich an, daß eben eine geſchäftliche Beſprechung zwiſchen ihm und ſeinem Herrn ſtattgefunden habe. Der Groß-Bojar hatte meinen reſpektvollen Gruß nicht er- widert, ſo daß mir die Vermutung kam, er ſei vor Erſchöpfung auf ſeinem Stuhle eingeſchlafen. Bei dem Klang der elektriſchen Glocke aber, die jedesmal beim Oeffnen des Treſors anſchlug, fuhr er nach mir herum. „Sie ſind es, Lazar?“ „Jawohl, Durchlaucht!“ „Was tun Sie hier?“ „Ich habe die erſten, heute fertiggeſtellten Blätter meiner Arbeit heraufgebracht.“ „Haben Sie ſie verſiegelt?“ „Jawohl! Mit dem Siegel Seiner Exzellenz.“ Er gab ſeinem Stuhl eine raſche Wendung, um mir voll ins Geſicht ſehen zu können, und fragte ſcharf: „Mit dem Siegel Seiner Exzellenz? Was ſoll das heißen? Wann hat Stolojan Ihnen ein ſolches Siegel über- geben?“ „Vor ſeiner Abreiſe, Durchlaucht! Es iſt ein alter Siegelring mit ſehr kunſtvoller Gravierung. Ich trage ihn an einer ſtählernen Kette hier um den Arm.“ „Laſſen Sie mich ihn ſehen!“ befahl er. Ich entblößte meinen Unterarm und zeigte ihm den Ring, der mit einigen Kettengliedern an einem eiſernen Armband befeſtigt war. „Auf welche Art löſen Sie den Ring von der Kette?“ fragte der Fürſt, nachdem er ihn aufmerkſam betrachtet hatte. „Ich bin gar nicht imſtande, ihn zu löſen, ſondern ich muß ihn zum Siegeln benutzen, während er ſich an dem Armband befindet. Die Kette iſt mit einem Brahmaſchloß zu- ſammengefügt und Seine Exellenz Stolojan hat den Schlüſſel behalten. Er ſelbſt hat dieſe Vorrichtung zum Siegeln geheimer Aktenſtücke benutzt, als er ſeinerzeit Geſandter im Auslande war.“ Auf das Genaueſte prüfte der Groß-Bojar jetzt die Kette und das Schloß. „Sie ſind überzeugt, daß niemand den Verſchluß löſen könnte, der ſich nicht im Beſitz des richtigen Schlüſſels be- findet?“ „Ein Kunſtſchloſſer würde vielleicht dazu imſtande ſein, Durchlaucht! Ich ſelbſt kann es jedenfalls nicht.“ Mit einer ganz unzweideutigen Gebärde des Unwillens zuckte er die Achſeln. „Stolojans Praktiken ſcheinen mir nachgerade ein wenig opernhaft,“ ſagte er ärgerlich. „Meiner Ueberzeugung nach würden die Papiere in einem unverſchloſſenen Fach meines Schreibtiſches genau ſo ſicher auf- gehoben ſein, als in dieſem ſiebenmal verſiegelten Heiligtum dort. An den behaupteten Verrat glaube ich einfach nicht. Und ich müßte eine ſehr ſchlechte Meinung von meiner nächſten Um- gebung haben, wenn ich meine Beſitzung für ein ſo verruchte Verſchwörerneſt halten wollte, wie Oberſt Sutzko und Stolojan es uns glauben machen wollen.“ Ich ſah wohl, daß er ſich in der übelſten Laune befand und ich verſagte mir deshalb, ihm die Tatſachen ins Gedächtnis zurückzurufen, die ſehr unzweideutig gegen die Berechtigung ſeiner optimiſtiſchen Auffaſſung ſprachen. „Haben Durchlaucht ſonſt noch Befehle für mich?“ fragte ich chrerbietig. „Befehle — nein! — Aber ich wünſchte allerdings mit Ihnen zu reden, Herr Lazar! Ich hörte zu meinem grenzen- loſen Erſtaunen, daß die Polizei geſtern bei Ihnen eine Haus- ſuchung vorgenommen habe. Was, zum Henker hat das zu be- deuten?“ „Wie es ſcheint, Durchlaucht, iſt im Laufe der letzten Tage ermittelt worden, daß der Mann, deſſen Leiche man vor einiger Zeit am Strande von Potesci gefunden, nicht ein von den Wellen aus Land geſpülter Ertrunkener war, ſondern ein Fremder, der tags zuvor in Potesci ankam und der ſich dort nach meiner Wohnung erkundigte. Und ich vermute, daß die Polizei mich darum in irgendwelchen Zuſammenhang bringt mit ſeinem Tode.“ Der Fürſt ſah mich durchdringend an. „Ich muß doch wohl annehmen, daß man ſehr greifbare Anhaltspunkte für eine ſolche Vermutung zu haben glaubte. Denn es würde ſich ſonſt nicht leicht ein Richter gefunden haben, den Befehl zu einer Hausſuchung auszufertigen.“ „Ich für meine Perſon wüßte jedenfalls nicht, worin dieſe Anhaltspunkte beſtehen ſollten. Alles, was in dieſer Hinficht vorliegt, dürfte ſich darauf beſchränken, daß der Mann vor ſeinem Tode im Dorfe geſehen worden iſt, daß er nach mir gefragt hat und daß ich töricht genug war, die Perſon, an die er ſich mit ſeiner Frage gewendet, zum Verſchweigen dieſes Um- ſtandes zu beſtimmen.“ „Hallo!“ fiel der Groß-Bojar ein. „Was iſt das? — Was haben Sie getan?“ „Was ich zum zweiten Male gewiß nicht tun würde, Durchlaucht!“ (Fortſetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2040, Czernowitz, 04.11.1910, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer2040_1910/1>, abgerufen am 21.11.2024.