Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2277, Czernowitz, 22.08.1911.22. August 1911. Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] und es versteht sich von selbst, daß der Vergleich zugunsten Das "Echo de Paris" warnt davor, die ausge- Deutschfeindlicher Artikel eines belgischen Blattes. Brüssel, 19. August. Das vielgelesene liberale Blatt Beilegung des Toskenaufstandes in Südalbanien. KB. Saloniki, 21. August. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Infolge Vermittlung einflußreicher Derwische sowie gemachter Royalistische Tumulte in Nordportugal. Lissabon, 20. August. Diario Noticias meldet aus Kurze Nachrichten Sofia, 19. August. Gerüchtweise verlautet, daß der Budapest, 20. August. Die Regierung hat das oppo- [Der 10. Zionistenkongreß.] Dem sitzungs- Bunte Chronik. Czernowitz, 21. August. Die Cholera. Neue Krankheitsfälle in Oesterreich-Ungarn. Wien, 20. August. In Pola, Fiume und Mar- Cholerapanik in einem Eisenbahnzuge. Wien, 20. August. In dem Personenzuge der Süd- [Spaltenumbruch] Die Goldmühle 66] (Nachdruck verboten.) Sie standen noch eine Weile in stiller Andacht am "Amen!" hauchte sie leise, und eine klare Träne fiel Schweigend verließen sie den Friedhof. Im Walde "Träume nur," sagte er zärtlich, "und Gott gebe, daß "Ach, Schatz," sagte sie endlich, sich aus seiner Um- "Wo mir's im Herzen so warm ist, Schatz? Aber du Sie schritten Hand in Hand den einsamen Talweg Es war eine stille Verlobung, die dort gefeiert wurde. Vierzehntes Kapitel. Die Auflösung der Muhme schien nahe bevorzustehen. Sie machte sich in diesen Tagen besonders ernste Ge- Aber sie sagte es ihm doch nicht, sooft sie sich's auch So war denn endlich Weihnachten herangekommen, "Ich dank' dir, Flori!" hatte Eva geantwortet; "aber (Fortsetzung folgt). 22. Auguſt 1911. Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] und es verſteht ſich von ſelbſt, daß der Vergleich zugunſten Das „Echo de Paris“ warnt davor, die ausge- Deutſchfeindlicher Artikel eines belgiſchen Blattes. Brüſſel, 19. Auguſt. Das vielgeleſene liberale Blatt Beilegung des Toskenaufſtandes in Südalbanien. KB. Saloniki, 21. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Infolge Vermittlung einflußreicher Derwiſche ſowie gemachter Royaliſtiſche Tumulte in Nordportugal. Liſſabon, 20. Auguſt. Diario Noticias meldet aus Kurze Nachrichten Sofia, 19. Auguſt. Gerüchtweiſe verlautet, daß der Budapeſt, 20. Auguſt. Die Regierung hat das oppo- [Der 10. Zioniſtenkongreß.] Dem ſitzungs- Bunte Chronik. Czernowitz, 21. Auguſt. Die Cholera. Neue Krankheitsfälle in Oeſterreich-Ungarn. Wien, 20. Auguſt. In Pola, Fiume und Mar- Cholerapanik in einem Eiſenbahnzuge. Wien, 20. Auguſt. In dem Perſonenzuge der Süd- [Spaltenumbruch] Die Goldmühle 66] (Nachdruck verboten.) Sie ſtanden noch eine Weile in ſtiller Andacht am „Amen!“ hauchte ſie leiſe, und eine klare Träne fiel Schweigend verließen ſie den Friedhof. Im Walde „Träume nur,“ ſagte er zärtlich, „und Gott gebe, daß „Ach, Schatz,“ ſagte ſie endlich, ſich aus ſeiner Um- „Wo mir’s im Herzen ſo warm iſt, Schatz? Aber du Sie ſchritten Hand in Hand den einſamen Talweg Es war eine ſtille Verlobung, die dort gefeiert wurde. Vierzehntes Kapitel. Die Auflöſung der Muhme ſchien nahe bevorzuſtehen. Sie machte ſich in dieſen Tagen beſonders ernſte Ge- Aber ſie ſagte es ihm doch nicht, ſooft ſie ſich’s auch So war denn endlich Weihnachten herangekommen, „Ich dank’ dir, Flori!“ hatte Eva geantwortet; „aber (Fortſetzung folgt). <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="3"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">22. Auguſt 1911. Czernowitzer Allgemeine Zeitung</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div xml:id="säbelgerassel2" prev="#säbelgerassel1" type="jArticle" n="3"> <p>und es verſteht ſich von ſelbſt, daß der Vergleich zugunſten<lb/> der letzteren Macht ausfällt, die alles getan habe, um mit<lb/> dem Deutſchen Reiche zu einer Verſtändigung zu gelangen,<lb/> allein in Berlin habe es an gutem Willen gefehlt. Darum<lb/> raſſelt der „Matin“ am Schluſſe gewaltig mit dem Säbel,<lb/> indem er wörtlich ſagt: „Die Lektion, die alle Großmächte<lb/> aus dieſer Angelegenheit ziehen können, iſt folgende: Man<lb/> muß es ſo viel wie nur möglich vermeiden, mit einer Re-<lb/> gierung, wie es die Berliner iſt, in Unterhandlungen einzu-<lb/> treten, es iſt vielmehr das Beſte, über <hi rendition="#g">eine ſtarke<lb/> Armee und Flotte</hi> zu verfügen, um mit dem <hi rendition="#g">ent-<lb/> ſprechenden Nach drucke auftreten</hi> zu können.“</p><lb/> <p>Das „Echo de Paris“ warnt davor, die <hi rendition="#g">ausge-<lb/> dienten Soldaten</hi> zu entlaſſen, und fordert den<lb/> Kriegsminiſter auf, dieſe <hi rendition="#g">weiter bei den Fahnen<lb/> zu belaſſen,</hi> wozu er nach dem Geſetz von 1903 berech-<lb/> tigt ſei. Denn die Armee würde dadurch um nicht weniger<lb/> als 225.000 Mann verringert werden, was eine zu große<lb/> Einbuße gegenüber der deutſchen Effektivſtärke bedeuten<lb/> würde. Im übrigen wiederholt das Blatt ſeine Drohungen,<lb/> wenn auch in etwas veränderter Form,, und beteuert, daß<lb/> ſich Frankreich nicht einſchüchtern laſſen werde. Noch nie<lb/> hätte die Regierung auf einen ſo allgemeinen patriotiſchen<lb/> Enthuſiasmus zählen können wie jetzt, wo <hi rendition="#g">England</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Rußland</hi> nur auf den <hi rendition="#g">Wink Frankreichs</hi><lb/> warten, um zuſammen mit Frankreich zu marſchieren.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Deutſchfeindlicher Artikel eines belgiſchen Blattes.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Brüſſel,</hi> 19. Auguſt.</dateline> <p>Das vielgeleſene liberale Blatt<lb/> „La Chronique“, welches ſchon ſeit Langem ſeinem Deut-<lb/> ſchenhaß nicht mehr die notwendige Reſerve der politiſchen<lb/> Neutralität Belgiens auferlegt, übertrifft heute alle ſeine<lb/> früheren Leiſtungen mit einem Leitartikel, betitelt „1815<lb/> und 1915“, worin es der Diktatur Napoleons, unter der<lb/> ganz Europa ſeufzte, die Diktatur Deutſchlands und ſeines<lb/> Kaiſers gegenüberſtellt, deſſen Handlungen und unauf-<lb/> hörliche Bedrohungen den Weltfrieden erſchüttern. Der<lb/> Artikel ſchließt mit der Aufforderung, friedlich oder even-<lb/> tuell auch kraftvoll die <hi rendition="#g">Diktatur Deutſchlands<lb/> niederzuſchlagen.</hi> </p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Beilegung des Toskenaufſtandes in<lb/> Südalbanien.</hi> </head><lb/> <head>KB.</head> <dateline><hi rendition="#b">Saloniki,</hi> 21. Auguſt.</dateline> <bibl>(Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)</bibl><lb/> <p>Infolge Vermittlung einflußreicher Derwiſche ſowie gemachter<lb/><hi rendition="#g">Zugeſtändniſſe</hi> kehrten 1000 <hi rendition="#g">Tosken</hi> nach <hi rendition="#g">Argiro-<lb/> kaſtro</hi> und anderen Ortſchaften zurück. Nur einige <hi rendition="#g">kleine<lb/> Banden</hi> verbleiben in den Bergen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Royaliſtiſche Tumulte in Nordportugal.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Liſſabon,</hi> 20. Auguſt.</dateline> <p>Diario Noticias meldet aus<lb/> Guimaraes, daß ſich am letzten Sonntag dort ein ernſter<lb/> monarchiſtiſcher Tumult ereignete, hervorgerufen durch<lb/> das Abſpielen der neuen republikaniſchen Hymne bei einem<lb/> öffentlichen Konzert einer Militärkapelle. Ein Unter-<lb/> offizier des 20. Regiments brachte den Ruf aus: „Nieder<lb/> mit Paiva Couzeiro!“, worauf er ſofort niedergeſchlagen<lb/> wurde, während die Menge tauſendfach den Ruf: „Es lebe<lb/> Paiva Couzeiro, <hi rendition="#g">es lebe die Monarchie, nieder<lb/> die Republik!“</hi> ausſtieß. Die Klänge der Muſik wur-<lb/> den durch das Pfeifen der alten <hi rendition="#g">Königshymne</hi> über-<lb/> tönt. Die Glocken läuteten Sturm. Die Polizei war macht-<lb/> los, ſie mußte <hi rendition="#g">Militär</hi> zur notdürftigen Wiederherſtel-<lb/> lung der Ordnung requirieren. Unzählige Verhaftungen<lb/> wurden vorgenommen. In Oporto ſind alle Truppen<lb/> alarmbereit. Es ſcheint, daß die <hi rendition="#g">Präſidentenwahl</hi><lb/><cb/> Anfang nächſter Woche ſtattfindet, und daß die Kandidatur<lb/> von Anſelmo Braancamp die meiſten Ausſichten hat.<lb/> Braancamp gilt als gemäßigt konſervativ, was den radi-<lb/> kalen Elementen, die bisher die Oberhand hatten, ein<lb/> Dorn im Auge iſt.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Kurze Nachrichten</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Sofia,</hi> 19. Auguſt.</dateline> <p>Gerüchtweiſe verlautet, daß der<lb/> bulgariſche Thronfolger Kronprinz Boris ſich mit der<lb/> älteſten Tochter des rumäniſchen Thronfolgers, der Prin-<lb/> zeſſin Eliſabeth von Rumänien, verloben ſoll. Kronprinz<lb/> Boris ſteht im 18. Lebensjahre, die Prinzeſſin iſt um acht<lb/> Monate jünger als er.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Budapeſt,</hi> 20. Auguſt.</dateline> <p>Die Regierung hat das oppo-<lb/> ſitionelle Blatt „A Nap“ ſtreng gemaßregelt. Das Blatt<lb/> wurde vorgeſtern wegen des Leitartikels „Blutige Erin-<lb/> nerungen“, in welchem der Kaiſer angegriffen wurde, kon-<lb/> fisziert. Der Bürgermeiſter hat nun dem Blatte auch das<lb/> Kolportagerecht entzogen, da er der Verbreitung eines den<lb/> Kaiſer beleidigenden Blattes nicht Vorſchub leiſten könne.<lb/> Wie verlautet, ſoll dem Blatte auch die Begünſtigung der<lb/> Bahn- und Poſtbeförderung entzogen worden ſein. Der<lb/> Fall dürfte ſchon in der nächſten Sitzung des Abgeordneten-<lb/> hauſes von der Oppoſition zur Sprache gebracht werden.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#g">[Der 10. Zioniſtenkongreß.]</hi> </head> <p>Dem ſitzungs-<lb/> freien Samstag folgt ein Arbeitstag erſter Güte. Die Er-<lb/> öffnungsworte Nordaus bilden einen Nachruf für Joſef<lb/> Iſraels, den er als jüdiſches Künſtlertemperament feiert.<lb/> Nach Erledigung diverſer Formalitäten gelang unter Um-<lb/> ſtellung der Tagesordnung der Referent Dr. Katzenelſohn<lb/> über die Emigrationsfrage zu Worte. Ausgehend von den<lb/> unzureichenden Vorarbeiten konſtatiert er die Unzuläng-<lb/> lichkeit aller der ſyſtemloſen Verſuche einer Emigration<lb/> nach den verſchiedenen Ländern und Weltteilen und be-<lb/> zeichnet als einzige Möglichkeit zu dauernder Löſung dieſer<lb/> brennendſten aller jüdiſchen Fragen die geregelte Ein-<lb/> wanderung nach Paläſtina. Es wurde folgende <hi rendition="#g">Reſolu-<lb/> tion</hi> einſtimmig angenommen: „Der 10. Zioniſtenkon-<lb/> greß konſtatiert, daß die bisherigen Verſuche zur Regelung<lb/> der jüdiſchen Auswanderung bei weitem ungenügend und<lb/> nicht einheitlich waren. Die Organiſationen, die ſich mit die-<lb/> ſem Werke befaſſen, müſſen eine großzügige Arbeit, die<lb/> dem Ernſt und der Wichtigkeit der Aufgabe entſpricht, in<lb/> die Wege leiten. Der Kongreß fordert beſonders von den<lb/> Zioniſten und den zioniſtiſchen Organen eine ernſte Mit-<lb/> wirkung bei den Emigrationsfragen, insbeſondere ſoweit<lb/> ſie die Förderung der Emigration nach dem nahen Orient,<lb/> vorzüglich nach Paläſtina und Syrien, betreffen.“ Die<lb/> Nachmittagsſitzung iſt ausſchließlich dem Referate und der<lb/> Debatte über die geiſtig-kulturelle Renaiſſance gewidmet.<lb/> Referent Nahum Sokolow ſpricht hebräiſch; Vorſitzender<lb/> und Debattenredner bedienen ſich gleichfalls ausnahms-<lb/> los der hebräiſchen Sprache. Sämtliche Redner propagieren<lb/> es als Pflicht der Organiſation der Ausbreitung der he-<lb/> bräiſchen Sprache und Literatur die Wege zu ebnen. —<lb/> Am 5. Kongreßtage hält Frl. Prof. Schach ein Referat<lb/> über „Frauenarbeit im Zionismus“. Die Referentin weiſt<lb/> auf den in Haag begründeten Frauenverband für jüdiſche<lb/> Kulturarbeit in Paläſtina hin, und bezeichnet als die<lb/> nächſte Aufgabe den Zuſammenſchluß aller zioniſtiſchen<lb/> Frauen und die Errichtung einer Zentralſtelle für zioni-<lb/> ſtiſche Frauenarbeit. Das Referat findet allgemeinen Bei-<lb/> fall. Der Antrag wird faſt einſtimmig angenommen. Dr.<lb/> Emil Margulies, Referent der Organiſationskommiſſion,<lb/> erſtattet einen Bericht über das <hi rendition="#g">neue Organiſa-<lb/> tionsſtatut,</hi> welches dem Kongreß vorlag. Das lei-<lb/> tende Organ der Bewegung ſoll ein Kollegium von 5 oder<lb/><cb/> 7 Mitgliedern bilden, deren Mehrzahl an demſelben Orte<lb/> wohnen ſoll. Dieſes Organ ſoll einem Aktionskomitee von<lb/> 25 Mitgliedern verantwortlich ſein, dieſe Mitglieder ſollen<lb/> die Möglichkeit haben, öfters zwecks Beratung zuſammen<lb/> zu kommen, und ein Zentralkomitee aus Vertretern aller<lb/> Landesorganiſationen beſtehend, ſoll einmal im Jahre zu-<lb/> ſammentreten. Nach längerer Debatte nimmt der Kongreß<lb/> das neue Statut mit einigen Modifikationen en bloc an.<lb/> Gegen dreiviertel 10 Uhr abends erklärt der Vorſitzende<lb/> Dr. Marmorek, Paris, die Arbeitsſitzung für geſchloſſen.<lb/> Sämtliche Vorlagen ſind reſtlos erledigt, das Budget für<lb/> die neue Leitung bewilligt und die Wahlen für Kongreß-<lb/> gericht, Ehrengericht und Nationalbibliothek vorgenom-<lb/> men. So erübrigt nur noch die <hi rendition="#g">Wahl der Leitung,</hi><lb/> die altem Brauche gemäß einer eigenen Feſtſitzung vorbe-<lb/> halten bleibt. Wenige Minuten nach 10 Uhr eröffnet Dr.<lb/><hi rendition="#g">Bodenheimer,</hi> Köln, dieſe Sitzung. Unter lautloſer<lb/> Stille erhält Prof. <hi rendition="#g">Weizmann,</hi> Mancheſter, das Wort.<lb/> Den Beſchlüſſen des Permanenzausſchuſſes gemäß bean-<lb/> tragt er vorerſt die Wahl des Aktionskomitees, das nun-<lb/> mehr aus 25 Mitgliedern beſtehen ſoll; dann erſtattet er<lb/> den Vorſchlag für die neue Leitung. Da Präſident <hi rendition="#g">Wolf-<lb/> ſohn</hi> und <hi rendition="#g">Jakobus Kann</hi> auf ihrem Beſchluſſe be-<lb/> harren, in die engere Parteileitung nicht einzutreten, wird<lb/> ein 5-gliedriges Kollegium an die Spitze der Organiſation<lb/> treten. Prof. <hi rendition="#g">Warburg,</hi> Rechtsanwalt <hi rendition="#g">Hantke,</hi> Dr.<lb/> Schemarjahn <hi rendition="#g">Lewin,</hi> Nahum <hi rendition="#g">Sokolow</hi> und Doktor<lb/><hi rendition="#g">Jakobſohn,</hi> Konſtantinopel, ſind die Männer, die für<lb/> die nächſte Periode die Verantwortung tragen ſollen. Pro-<lb/> feſſor Warburg erklärt ſich namens der neuen Leitung be-<lb/> reit, die ſchwere Aufgabe zu übernehmen. Seine program-<lb/> matiſchen Erklärungen enden mit Worten des Dankes an<lb/> den bisherigen Präſidenten David Wolfſohn, die in ihrer<lb/> ſchlichten Treue allgemeine Rührung erwecken. Nach ihm<lb/> ſpricht Dr. Tſchlenow, Moskau, zum Schluſſe der einſtige<lb/> Oppoſitionelle Ing. <hi rendition="#g">Uſſiſchkin,</hi> der mit Wolfſohn den<lb/> Bruderkuß tauſcht. Die letzten Worte des Vorſitzenden gehen<lb/> in minutenlangem Jubel unter. Mit dem „Liede der Hoff-<lb/> nung“ ſchließt die Tagung.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Bunte Chronik.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline>Czernowitz, 21. Auguſt.</dateline><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Cholera.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Neue Krankheitsfälle in Oeſterreich-Ungarn.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 20. Auguſt.</dateline> <p>In <hi rendition="#g">Pola, Fiume</hi> und <hi rendition="#g">Mar-<lb/> burg</hi> ereignete ſich je ein Fall von <hi rendition="#g">Cholera.</hi> </p> </div><lb/> <div xml:id="cholerapanik1" next="#cholerapanik2" type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Cholerapanik in einem Eiſenbahnzuge.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 20. Auguſt.</dateline> <p>In dem Perſonenzuge der Süd-<lb/> bahn, der um halb 2 Uhr nachmittags in Wien eintrifft,<lb/> gab es geſtern in Payerbach eine förmliche <hi rendition="#g">Cholera-<lb/> panik.</hi> In einem Wagen dritter Klaſſe ſaßen mit an-<lb/> deren Paſſagieren zwei Ehepaare aus Trieſt. Vor Mürz-<lb/> zuſchlag erkrankte eine der Frauen an heftigen <hi rendition="#g">Erbre-<lb/> chen</hi> und <hi rendition="#g">Durchfall.</hi> Da man Choleraverdacht hegte,<lb/> wurde der Wagen in Mürzzuſchlag abgeſperrt und ſämt-<lb/> lichen darin befindlichen Paſſagieren aufgetragen, behufs<lb/> Iſolierung und Beobachtung die Reiſe bis Wien mitzu-<lb/> machen, was unter den Paſſagieren große Aufregung her-<lb/> vorief. Auf unaufgeklärte Weiſe kamen in Payerbach noch<lb/> vier Perſonen in dieſen Wagen. Als ſie von den getroffe-<lb/> nen Maßregeln hörten, wurden ſie ſehr erregt. Zwei<lb/> Männer ſpranegn hinter der Station <hi rendition="#g">durch das Kou-<lb/> peefenſter aus dem fahrenden Zuge</hi> und</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Die Goldmühle</hi> </hi> </head><lb/> <byline>Roman von <hi rendition="#b">Margarete Gehring.</hi> </byline><lb/> <p> <hi rendition="#b">66] <hi rendition="#et">(Nachdruck verboten.)</hi> </hi> </p><lb/> <p>Sie ſtanden noch eine Weile in ſtiller Andacht am<lb/> Hügel. Ehe ſie ſich zum Gehen wandten, zog er ein kleines<lb/> Etui aus der Taſche. „Schau her, Roſemarie, was ich dir<lb/> mitgebracht hab’!“ ſagte er und öffnete das Etui. Ein<lb/> leiſer Freudenruf kam über ihre Lippen. „Da nimm ihn,<lb/> Herzliebſte! Komm, ich will ihn dir an den Finger ſtecken<lb/> — ſo! Und komm, den andern ſollſt du mir anſtecken!“<lb/> Zitternd vor Freude nahm ſie den goldenen Reifen aus<lb/> ſeiner Hand und ſchob ihn an den dargebotenen Finger.<lb/> „Hier an Hanſis Grabe ſoll der Bund geſchloſſen ſein,“<lb/> ſagte er leiſe, „und ſo wahr wir ihn beide liebgehabt haben,<lb/> wollen auch wir uns ewig lieben!“</p><lb/> <p>„Amen!“ hauchte ſie leiſe, und eine klare Träne fiel<lb/> auf ſeine Hand.</p><lb/> <p>Schweigend verließen ſie den Friedhof. Im Walde<lb/> nahm er ſie in ſeine Arme, und ſie ruhte lange an ſeinem<lb/> Herzen. „Ach, wie ſüß träumt ſich’s an deinem Herzen!“<lb/> flüſterte ſie und ſah glückſtrahlend zu ihm empor.</p><lb/> <p>„Träume nur,“ ſagte er zärtlich, „und Gott gebe, daß<lb/> all deine Träumen holde Wirklichkeit wird!“</p><lb/> <p>„Ach, Schatz,“ ſagte ſie endlich, ſich aus ſeiner Um-<lb/> armung löſend, „verzeih mir, daß ich in meinem Glück gar<lb/> net daran gedacht hab’ — der Wind geht ſo eiſig und du<lb/> biſt warm geworden auf dem Wege! Wenn du dir nur net<lb/> einen Schaden zugefügt haſt an deiner Geſundheit! Komm,<lb/> laß uns nun lieber heimgehen!“</p><lb/> <p>„Wo mir’s im Herzen ſo warm iſt, Schatz? Aber du<lb/> haſt recht, laß uns gehen! Wir müſſen doch nun vor allem<lb/> die Eltern bitten, daß ſie uns ihr ſegnendes Jawort nicht<lb/> vorenthalten.“</p><lb/> <p>Sie ſchritten Hand in Hand den einſamen Talweg<lb/> hinauf, bis die Mühle vor ihren Blicken auftauchte.</p><lb/> <p>Es war eine ſtille Verlobung, die dort gefeiert wurde.<lb/><cb/> Aber ein Hauch des Friedens ging an dieſem Abend durch<lb/> das ſtille Haus, das ſchon ſoviel Unfrieden und Herzeleid<lb/> geſehen.</p><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Vierzehntes Kapitel.</hi> </hi> </p><lb/> <p>Die Auflöſung der Muhme ſchien nahe bevorzuſtehen.<lb/> Eva konnte kaum noch von ihrem Bette weichen. Als hät-<lb/> ten ſie Blei an den Füßen, ſo träge ſchlichen die Stunden<lb/> dahin, und hätte ihr nicht Florian ab und zu ein Buch<lb/> aus der Güldenthaler Schulbibliothek mit auf den Berg<lb/> gebracht, die Einſamkeit wär oft unerträglich geweſen —<lb/> ein Tag wie der andere.</p><lb/> <p>Sie machte ſich in dieſen Tagen beſonders ernſte Ge-<lb/> danken darüber, wie es nun mit ihr werden würde, wenn<lb/> erſt die Muhme nicht mehr wäre. Daß deren Tage gezählt<lb/> waren und jeder Tag die Entſcheidung bringen konnte,<lb/> ſah ſie ja deutlich vor Augen. Dann war ſie ganz einſam<lb/> und verlaſſen, aber ſie war auch ganz frei. „In die Fremde<lb/> geh ich und ſuch’ mir mein Brot bei fremden Leuten!“<lb/> ſagte ſie ſich, „und nie und nimmer kehr’ ich wieder, und<lb/> wenn mir die Sehnſucht das Herz verzehrt. Ich hann die<lb/> Sünd’ net länger tragen auf meinem Gewiſſen, daß ich den<lb/> Flori ſo heiß liebe, net wie meinen Bruder, wie ich mich<lb/> anſtellen muß, nein, ganz, ganz anders. Ich kann net ne-<lb/> ben ihm ſtehen und mit ihm plaudern, wie eine Schweſter,<lb/> wenn ſie mit ihrem Bruder redt, wo mir, während ich mit<lb/> ihm red’, innerlich das ganze Herz verbrennt vor heißer<lb/> Liebesglut, ſchlimmer, als es Anfang war, wo er noch net<lb/> mein „Bruder“ war — ich wußt’s wenigſtens net, daß er’s<lb/> war. Und das war net anders, net beſſer, eher noch ſchlim-<lb/> mer mit jedem Tag. Es iſt beſſer, ich geh ihm ganz aus<lb/> den Augen, daß ich ihn gar nimmer ſeh’, vielleicht wird<lb/> alsdann mein Herz ruhiger. Und er, er muß es auch tra-<lb/> gen, wenn ich’s tragen kann, er iſt doch ein Mann und net<lb/> ein ſchwaches Weib, wie ich arme Dirn. Ich ſag’s ihm,<lb/> wenn er wieder heraufkommt — ja, ich ſag’s! Ganz be-<lb/> ſtimmt, ich ſag’s! Es iſt beſſer, er weiß es beizeiten, daß<lb/> er net gar zu arg erſchrickt, wenn es ſo weit iſt, daß es ge-<lb/> ſchieden ſein muß. Das Häusle und das Feld werd’ ich<lb/> ſchnell los, es ſpekuliert ſchon mehr als einer darauf, die<lb/><cb/> die Zeit net erwarten können, bis die Muhme entſchlafen<lb/> iſt, und Vermögen hab’ ich alsdann mit meinem eigenen<lb/> Erſparten ſo viel, daß ich beſtehen kann und mich net der<lb/> erſten beſten Herrſchaft an den Hals zu werfen brauch’.<lb/> Ich muß Frieden haben!“</p><lb/> <p>Aber ſie ſagte es ihm doch nicht, ſooft ſie ſich’s auch<lb/> vornahm, ſooft er auch kam. Er kam oft nur auf einen<lb/> kurzen Augenblick, um guten Tag zu ſagen und nach dem<lb/> Rechten zu ſehen, und verabſchiedete ſich bald wieder mit<lb/> einem Händedruck und einem herzlichen „Leb wohl, Eva,<lb/> und behalt mich lieb, bis wir uns wiederſehen!“ Dann<lb/> hätte ſie einmal aufſchreien mögen, wenn er von ihr ging,<lb/> ſo ruhig, als ob er von ſeiner Schweſter ginge, die er mor-<lb/> gen wiederſieht. Sie wußte ja nicht, wie er an ſich hielt<lb/> und was in ſeiner Seele vorging, ſo wenig er durch ihr<lb/> ruhig blickendes Auge einen Blick auf den tiefſten Grund<lb/> ihrer Seele zu tun vermochte.</p><lb/> <p>So war denn endlich Weihnachten herangekommen,<lb/> und die Berge ſchimmerten weiß. Florian hatte Eva einige<lb/> Tage vor dem Feſte ein Tannenbäumchen gebracht. „Bei<lb/> uns unten wird kein Baum geputzt,“ hatte er geſagt; „für<lb/> wen denn auch? Bis auf die Roſemarie iſt alles in trüber<lb/> Stimmung, und Kinder ſind net da, die ſich daran freuen<lb/> könnten. Das Geſinde iſt zufrieden, wenn es ſeine Zuge-<lb/> hörigen reichlich bekommt. Aber du ſollſt ein Bäumchen<lb/> haben; Roſen haſt ja genug, und Aepfel auch, und Nüſſe<lb/> und Lichte bring’ ich dir noch mit herauf. Vielleicht macht’s<lb/> der Muhme Freude.“</p><lb/> <p>„Ich dank’ dir, Flori!“ hatte Eva geantwortet; „aber<lb/> mit den Lichten und Nüſſen laß das ſein, denn ich glaub’<lb/> kaum, daß die Muhme überhaupt darauf achtet. Sie ſchläft<lb/> ja beinah den ganzen Tag, und wenn ſie wach iſt, ſo fragt<lb/> ſie nach nichts, ſondern betet oder ſchwatzt allerlei wirres<lb/> Zeug. Ich will das Bäumchen in den Garten ſtellen und<lb/> Aehren darauf tun, wenn du mir einen Strauß mitbrin-<lb/> gen willſt, daß die Vögel eine Freud’ haben. Und ich ſelbſt<lb/> ich freu’ mich mit, wenn ich ſeh’, wie luſtig die armen hung-<lb/> rigen Tierle in den Aehren zauſen.“</p><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c">(Fortſetzung folgt).</hi> </ref> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
22. Auguſt 1911. Czernowitzer Allgemeine Zeitung
und es verſteht ſich von ſelbſt, daß der Vergleich zugunſten
der letzteren Macht ausfällt, die alles getan habe, um mit
dem Deutſchen Reiche zu einer Verſtändigung zu gelangen,
allein in Berlin habe es an gutem Willen gefehlt. Darum
raſſelt der „Matin“ am Schluſſe gewaltig mit dem Säbel,
indem er wörtlich ſagt: „Die Lektion, die alle Großmächte
aus dieſer Angelegenheit ziehen können, iſt folgende: Man
muß es ſo viel wie nur möglich vermeiden, mit einer Re-
gierung, wie es die Berliner iſt, in Unterhandlungen einzu-
treten, es iſt vielmehr das Beſte, über eine ſtarke
Armee und Flotte zu verfügen, um mit dem ent-
ſprechenden Nach drucke auftreten zu können.“
Das „Echo de Paris“ warnt davor, die ausge-
dienten Soldaten zu entlaſſen, und fordert den
Kriegsminiſter auf, dieſe weiter bei den Fahnen
zu belaſſen, wozu er nach dem Geſetz von 1903 berech-
tigt ſei. Denn die Armee würde dadurch um nicht weniger
als 225.000 Mann verringert werden, was eine zu große
Einbuße gegenüber der deutſchen Effektivſtärke bedeuten
würde. Im übrigen wiederholt das Blatt ſeine Drohungen,
wenn auch in etwas veränderter Form,, und beteuert, daß
ſich Frankreich nicht einſchüchtern laſſen werde. Noch nie
hätte die Regierung auf einen ſo allgemeinen patriotiſchen
Enthuſiasmus zählen können wie jetzt, wo England
und Rußland nur auf den Wink Frankreichs
warten, um zuſammen mit Frankreich zu marſchieren.
Deutſchfeindlicher Artikel eines belgiſchen Blattes.
Brüſſel, 19. Auguſt. Das vielgeleſene liberale Blatt
„La Chronique“, welches ſchon ſeit Langem ſeinem Deut-
ſchenhaß nicht mehr die notwendige Reſerve der politiſchen
Neutralität Belgiens auferlegt, übertrifft heute alle ſeine
früheren Leiſtungen mit einem Leitartikel, betitelt „1815
und 1915“, worin es der Diktatur Napoleons, unter der
ganz Europa ſeufzte, die Diktatur Deutſchlands und ſeines
Kaiſers gegenüberſtellt, deſſen Handlungen und unauf-
hörliche Bedrohungen den Weltfrieden erſchüttern. Der
Artikel ſchließt mit der Aufforderung, friedlich oder even-
tuell auch kraftvoll die Diktatur Deutſchlands
niederzuſchlagen.
Beilegung des Toskenaufſtandes in
Südalbanien.
KB. Saloniki, 21. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)
Infolge Vermittlung einflußreicher Derwiſche ſowie gemachter
Zugeſtändniſſe kehrten 1000 Tosken nach Argiro-
kaſtro und anderen Ortſchaften zurück. Nur einige kleine
Banden verbleiben in den Bergen.
Royaliſtiſche Tumulte in Nordportugal.
Liſſabon, 20. Auguſt. Diario Noticias meldet aus
Guimaraes, daß ſich am letzten Sonntag dort ein ernſter
monarchiſtiſcher Tumult ereignete, hervorgerufen durch
das Abſpielen der neuen republikaniſchen Hymne bei einem
öffentlichen Konzert einer Militärkapelle. Ein Unter-
offizier des 20. Regiments brachte den Ruf aus: „Nieder
mit Paiva Couzeiro!“, worauf er ſofort niedergeſchlagen
wurde, während die Menge tauſendfach den Ruf: „Es lebe
Paiva Couzeiro, es lebe die Monarchie, nieder
die Republik!“ ausſtieß. Die Klänge der Muſik wur-
den durch das Pfeifen der alten Königshymne über-
tönt. Die Glocken läuteten Sturm. Die Polizei war macht-
los, ſie mußte Militär zur notdürftigen Wiederherſtel-
lung der Ordnung requirieren. Unzählige Verhaftungen
wurden vorgenommen. In Oporto ſind alle Truppen
alarmbereit. Es ſcheint, daß die Präſidentenwahl
Anfang nächſter Woche ſtattfindet, und daß die Kandidatur
von Anſelmo Braancamp die meiſten Ausſichten hat.
Braancamp gilt als gemäßigt konſervativ, was den radi-
kalen Elementen, die bisher die Oberhand hatten, ein
Dorn im Auge iſt.
Kurze Nachrichten
Sofia, 19. Auguſt. Gerüchtweiſe verlautet, daß der
bulgariſche Thronfolger Kronprinz Boris ſich mit der
älteſten Tochter des rumäniſchen Thronfolgers, der Prin-
zeſſin Eliſabeth von Rumänien, verloben ſoll. Kronprinz
Boris ſteht im 18. Lebensjahre, die Prinzeſſin iſt um acht
Monate jünger als er.
Budapeſt, 20. Auguſt. Die Regierung hat das oppo-
ſitionelle Blatt „A Nap“ ſtreng gemaßregelt. Das Blatt
wurde vorgeſtern wegen des Leitartikels „Blutige Erin-
nerungen“, in welchem der Kaiſer angegriffen wurde, kon-
fisziert. Der Bürgermeiſter hat nun dem Blatte auch das
Kolportagerecht entzogen, da er der Verbreitung eines den
Kaiſer beleidigenden Blattes nicht Vorſchub leiſten könne.
Wie verlautet, ſoll dem Blatte auch die Begünſtigung der
Bahn- und Poſtbeförderung entzogen worden ſein. Der
Fall dürfte ſchon in der nächſten Sitzung des Abgeordneten-
hauſes von der Oppoſition zur Sprache gebracht werden.
[Der 10. Zioniſtenkongreß.] Dem ſitzungs-
freien Samstag folgt ein Arbeitstag erſter Güte. Die Er-
öffnungsworte Nordaus bilden einen Nachruf für Joſef
Iſraels, den er als jüdiſches Künſtlertemperament feiert.
Nach Erledigung diverſer Formalitäten gelang unter Um-
ſtellung der Tagesordnung der Referent Dr. Katzenelſohn
über die Emigrationsfrage zu Worte. Ausgehend von den
unzureichenden Vorarbeiten konſtatiert er die Unzuläng-
lichkeit aller der ſyſtemloſen Verſuche einer Emigration
nach den verſchiedenen Ländern und Weltteilen und be-
zeichnet als einzige Möglichkeit zu dauernder Löſung dieſer
brennendſten aller jüdiſchen Fragen die geregelte Ein-
wanderung nach Paläſtina. Es wurde folgende Reſolu-
tion einſtimmig angenommen: „Der 10. Zioniſtenkon-
greß konſtatiert, daß die bisherigen Verſuche zur Regelung
der jüdiſchen Auswanderung bei weitem ungenügend und
nicht einheitlich waren. Die Organiſationen, die ſich mit die-
ſem Werke befaſſen, müſſen eine großzügige Arbeit, die
dem Ernſt und der Wichtigkeit der Aufgabe entſpricht, in
die Wege leiten. Der Kongreß fordert beſonders von den
Zioniſten und den zioniſtiſchen Organen eine ernſte Mit-
wirkung bei den Emigrationsfragen, insbeſondere ſoweit
ſie die Förderung der Emigration nach dem nahen Orient,
vorzüglich nach Paläſtina und Syrien, betreffen.“ Die
Nachmittagsſitzung iſt ausſchließlich dem Referate und der
Debatte über die geiſtig-kulturelle Renaiſſance gewidmet.
Referent Nahum Sokolow ſpricht hebräiſch; Vorſitzender
und Debattenredner bedienen ſich gleichfalls ausnahms-
los der hebräiſchen Sprache. Sämtliche Redner propagieren
es als Pflicht der Organiſation der Ausbreitung der he-
bräiſchen Sprache und Literatur die Wege zu ebnen. —
Am 5. Kongreßtage hält Frl. Prof. Schach ein Referat
über „Frauenarbeit im Zionismus“. Die Referentin weiſt
auf den in Haag begründeten Frauenverband für jüdiſche
Kulturarbeit in Paläſtina hin, und bezeichnet als die
nächſte Aufgabe den Zuſammenſchluß aller zioniſtiſchen
Frauen und die Errichtung einer Zentralſtelle für zioni-
ſtiſche Frauenarbeit. Das Referat findet allgemeinen Bei-
fall. Der Antrag wird faſt einſtimmig angenommen. Dr.
Emil Margulies, Referent der Organiſationskommiſſion,
erſtattet einen Bericht über das neue Organiſa-
tionsſtatut, welches dem Kongreß vorlag. Das lei-
tende Organ der Bewegung ſoll ein Kollegium von 5 oder
7 Mitgliedern bilden, deren Mehrzahl an demſelben Orte
wohnen ſoll. Dieſes Organ ſoll einem Aktionskomitee von
25 Mitgliedern verantwortlich ſein, dieſe Mitglieder ſollen
die Möglichkeit haben, öfters zwecks Beratung zuſammen
zu kommen, und ein Zentralkomitee aus Vertretern aller
Landesorganiſationen beſtehend, ſoll einmal im Jahre zu-
ſammentreten. Nach längerer Debatte nimmt der Kongreß
das neue Statut mit einigen Modifikationen en bloc an.
Gegen dreiviertel 10 Uhr abends erklärt der Vorſitzende
Dr. Marmorek, Paris, die Arbeitsſitzung für geſchloſſen.
Sämtliche Vorlagen ſind reſtlos erledigt, das Budget für
die neue Leitung bewilligt und die Wahlen für Kongreß-
gericht, Ehrengericht und Nationalbibliothek vorgenom-
men. So erübrigt nur noch die Wahl der Leitung,
die altem Brauche gemäß einer eigenen Feſtſitzung vorbe-
halten bleibt. Wenige Minuten nach 10 Uhr eröffnet Dr.
Bodenheimer, Köln, dieſe Sitzung. Unter lautloſer
Stille erhält Prof. Weizmann, Mancheſter, das Wort.
Den Beſchlüſſen des Permanenzausſchuſſes gemäß bean-
tragt er vorerſt die Wahl des Aktionskomitees, das nun-
mehr aus 25 Mitgliedern beſtehen ſoll; dann erſtattet er
den Vorſchlag für die neue Leitung. Da Präſident Wolf-
ſohn und Jakobus Kann auf ihrem Beſchluſſe be-
harren, in die engere Parteileitung nicht einzutreten, wird
ein 5-gliedriges Kollegium an die Spitze der Organiſation
treten. Prof. Warburg, Rechtsanwalt Hantke, Dr.
Schemarjahn Lewin, Nahum Sokolow und Doktor
Jakobſohn, Konſtantinopel, ſind die Männer, die für
die nächſte Periode die Verantwortung tragen ſollen. Pro-
feſſor Warburg erklärt ſich namens der neuen Leitung be-
reit, die ſchwere Aufgabe zu übernehmen. Seine program-
matiſchen Erklärungen enden mit Worten des Dankes an
den bisherigen Präſidenten David Wolfſohn, die in ihrer
ſchlichten Treue allgemeine Rührung erwecken. Nach ihm
ſpricht Dr. Tſchlenow, Moskau, zum Schluſſe der einſtige
Oppoſitionelle Ing. Uſſiſchkin, der mit Wolfſohn den
Bruderkuß tauſcht. Die letzten Worte des Vorſitzenden gehen
in minutenlangem Jubel unter. Mit dem „Liede der Hoff-
nung“ ſchließt die Tagung.
Bunte Chronik.
Czernowitz, 21. Auguſt.
Die Cholera.
Neue Krankheitsfälle in Oeſterreich-Ungarn.
Wien, 20. Auguſt. In Pola, Fiume und Mar-
burg ereignete ſich je ein Fall von Cholera.
Cholerapanik in einem Eiſenbahnzuge.
Wien, 20. Auguſt. In dem Perſonenzuge der Süd-
bahn, der um halb 2 Uhr nachmittags in Wien eintrifft,
gab es geſtern in Payerbach eine förmliche Cholera-
panik. In einem Wagen dritter Klaſſe ſaßen mit an-
deren Paſſagieren zwei Ehepaare aus Trieſt. Vor Mürz-
zuſchlag erkrankte eine der Frauen an heftigen Erbre-
chen und Durchfall. Da man Choleraverdacht hegte,
wurde der Wagen in Mürzzuſchlag abgeſperrt und ſämt-
lichen darin befindlichen Paſſagieren aufgetragen, behufs
Iſolierung und Beobachtung die Reiſe bis Wien mitzu-
machen, was unter den Paſſagieren große Aufregung her-
vorief. Auf unaufgeklärte Weiſe kamen in Payerbach noch
vier Perſonen in dieſen Wagen. Als ſie von den getroffe-
nen Maßregeln hörten, wurden ſie ſehr erregt. Zwei
Männer ſpranegn hinter der Station durch das Kou-
peefenſter aus dem fahrenden Zuge und
Die Goldmühle
Roman von Margarete Gehring.
66] (Nachdruck verboten.)
Sie ſtanden noch eine Weile in ſtiller Andacht am
Hügel. Ehe ſie ſich zum Gehen wandten, zog er ein kleines
Etui aus der Taſche. „Schau her, Roſemarie, was ich dir
mitgebracht hab’!“ ſagte er und öffnete das Etui. Ein
leiſer Freudenruf kam über ihre Lippen. „Da nimm ihn,
Herzliebſte! Komm, ich will ihn dir an den Finger ſtecken
— ſo! Und komm, den andern ſollſt du mir anſtecken!“
Zitternd vor Freude nahm ſie den goldenen Reifen aus
ſeiner Hand und ſchob ihn an den dargebotenen Finger.
„Hier an Hanſis Grabe ſoll der Bund geſchloſſen ſein,“
ſagte er leiſe, „und ſo wahr wir ihn beide liebgehabt haben,
wollen auch wir uns ewig lieben!“
„Amen!“ hauchte ſie leiſe, und eine klare Träne fiel
auf ſeine Hand.
Schweigend verließen ſie den Friedhof. Im Walde
nahm er ſie in ſeine Arme, und ſie ruhte lange an ſeinem
Herzen. „Ach, wie ſüß träumt ſich’s an deinem Herzen!“
flüſterte ſie und ſah glückſtrahlend zu ihm empor.
„Träume nur,“ ſagte er zärtlich, „und Gott gebe, daß
all deine Träumen holde Wirklichkeit wird!“
„Ach, Schatz,“ ſagte ſie endlich, ſich aus ſeiner Um-
armung löſend, „verzeih mir, daß ich in meinem Glück gar
net daran gedacht hab’ — der Wind geht ſo eiſig und du
biſt warm geworden auf dem Wege! Wenn du dir nur net
einen Schaden zugefügt haſt an deiner Geſundheit! Komm,
laß uns nun lieber heimgehen!“
„Wo mir’s im Herzen ſo warm iſt, Schatz? Aber du
haſt recht, laß uns gehen! Wir müſſen doch nun vor allem
die Eltern bitten, daß ſie uns ihr ſegnendes Jawort nicht
vorenthalten.“
Sie ſchritten Hand in Hand den einſamen Talweg
hinauf, bis die Mühle vor ihren Blicken auftauchte.
Es war eine ſtille Verlobung, die dort gefeiert wurde.
Aber ein Hauch des Friedens ging an dieſem Abend durch
das ſtille Haus, das ſchon ſoviel Unfrieden und Herzeleid
geſehen.
Vierzehntes Kapitel.
Die Auflöſung der Muhme ſchien nahe bevorzuſtehen.
Eva konnte kaum noch von ihrem Bette weichen. Als hät-
ten ſie Blei an den Füßen, ſo träge ſchlichen die Stunden
dahin, und hätte ihr nicht Florian ab und zu ein Buch
aus der Güldenthaler Schulbibliothek mit auf den Berg
gebracht, die Einſamkeit wär oft unerträglich geweſen —
ein Tag wie der andere.
Sie machte ſich in dieſen Tagen beſonders ernſte Ge-
danken darüber, wie es nun mit ihr werden würde, wenn
erſt die Muhme nicht mehr wäre. Daß deren Tage gezählt
waren und jeder Tag die Entſcheidung bringen konnte,
ſah ſie ja deutlich vor Augen. Dann war ſie ganz einſam
und verlaſſen, aber ſie war auch ganz frei. „In die Fremde
geh ich und ſuch’ mir mein Brot bei fremden Leuten!“
ſagte ſie ſich, „und nie und nimmer kehr’ ich wieder, und
wenn mir die Sehnſucht das Herz verzehrt. Ich hann die
Sünd’ net länger tragen auf meinem Gewiſſen, daß ich den
Flori ſo heiß liebe, net wie meinen Bruder, wie ich mich
anſtellen muß, nein, ganz, ganz anders. Ich kann net ne-
ben ihm ſtehen und mit ihm plaudern, wie eine Schweſter,
wenn ſie mit ihrem Bruder redt, wo mir, während ich mit
ihm red’, innerlich das ganze Herz verbrennt vor heißer
Liebesglut, ſchlimmer, als es Anfang war, wo er noch net
mein „Bruder“ war — ich wußt’s wenigſtens net, daß er’s
war. Und das war net anders, net beſſer, eher noch ſchlim-
mer mit jedem Tag. Es iſt beſſer, ich geh ihm ganz aus
den Augen, daß ich ihn gar nimmer ſeh’, vielleicht wird
alsdann mein Herz ruhiger. Und er, er muß es auch tra-
gen, wenn ich’s tragen kann, er iſt doch ein Mann und net
ein ſchwaches Weib, wie ich arme Dirn. Ich ſag’s ihm,
wenn er wieder heraufkommt — ja, ich ſag’s! Ganz be-
ſtimmt, ich ſag’s! Es iſt beſſer, er weiß es beizeiten, daß
er net gar zu arg erſchrickt, wenn es ſo weit iſt, daß es ge-
ſchieden ſein muß. Das Häusle und das Feld werd’ ich
ſchnell los, es ſpekuliert ſchon mehr als einer darauf, die
die Zeit net erwarten können, bis die Muhme entſchlafen
iſt, und Vermögen hab’ ich alsdann mit meinem eigenen
Erſparten ſo viel, daß ich beſtehen kann und mich net der
erſten beſten Herrſchaft an den Hals zu werfen brauch’.
Ich muß Frieden haben!“
Aber ſie ſagte es ihm doch nicht, ſooft ſie ſich’s auch
vornahm, ſooft er auch kam. Er kam oft nur auf einen
kurzen Augenblick, um guten Tag zu ſagen und nach dem
Rechten zu ſehen, und verabſchiedete ſich bald wieder mit
einem Händedruck und einem herzlichen „Leb wohl, Eva,
und behalt mich lieb, bis wir uns wiederſehen!“ Dann
hätte ſie einmal aufſchreien mögen, wenn er von ihr ging,
ſo ruhig, als ob er von ſeiner Schweſter ginge, die er mor-
gen wiederſieht. Sie wußte ja nicht, wie er an ſich hielt
und was in ſeiner Seele vorging, ſo wenig er durch ihr
ruhig blickendes Auge einen Blick auf den tiefſten Grund
ihrer Seele zu tun vermochte.
So war denn endlich Weihnachten herangekommen,
und die Berge ſchimmerten weiß. Florian hatte Eva einige
Tage vor dem Feſte ein Tannenbäumchen gebracht. „Bei
uns unten wird kein Baum geputzt,“ hatte er geſagt; „für
wen denn auch? Bis auf die Roſemarie iſt alles in trüber
Stimmung, und Kinder ſind net da, die ſich daran freuen
könnten. Das Geſinde iſt zufrieden, wenn es ſeine Zuge-
hörigen reichlich bekommt. Aber du ſollſt ein Bäumchen
haben; Roſen haſt ja genug, und Aepfel auch, und Nüſſe
und Lichte bring’ ich dir noch mit herauf. Vielleicht macht’s
der Muhme Freude.“
„Ich dank’ dir, Flori!“ hatte Eva geantwortet; „aber
mit den Lichten und Nüſſen laß das ſein, denn ich glaub’
kaum, daß die Muhme überhaupt darauf achtet. Sie ſchläft
ja beinah den ganzen Tag, und wenn ſie wach iſt, ſo fragt
ſie nach nichts, ſondern betet oder ſchwatzt allerlei wirres
Zeug. Ich will das Bäumchen in den Garten ſtellen und
Aehren darauf tun, wenn du mir einen Strauß mitbrin-
gen willſt, daß die Vögel eine Freud’ haben. Und ich ſelbſt
ich freu’ mich mit, wenn ich ſeh’, wie luſtig die armen hung-
rigen Tierle in den Aehren zauſen.“
(Fortſetzung folgt).
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).
(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |