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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2811, Czernowitz, 27.01.1913.

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27. Jänner 1913. "Czernowitzer Allgemeine Zeitung"

[Spaltenumbruch]

daß der Linienschiffsleutnant Teufl mit dem Mechaniker
bei einem Probeflug auf dem Eiland "Katarina" aus
einer Höhe von 15 Metern abstürzte. Der Linienschiffs-
leutnant erlitt eine leichte Verletzt[u]ng am Fuß, der Mecha-
niker blieb unverletzt, der Apparat ist beschädigt.

Neuerlicher Flug über die Alpen.

(Priv.-Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Der Aviatiker Bjelovucic überflog die Alpen.
Er stieg in Orieg auf und landete in Domodossola.




KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Ein Teil der im Baue befindlichen öffentlichen Bibliothek
ist eingestürzt. Bisher wurden fünf Tote geborgen.




Czernowitzer Angelegenheiten.


Abermals ein Aeroplan.

Gestern wurde in den
Abe[n]dstunden über Czernowitz ein Aeroplan gesichtet, der
mit einem Scheinwerfer arbeitete. Es haben zwar viele
Beobachter der Meinung Ausdruck gegeben, daß sie einen
Kometen (andere sagten: ein Meteor) gesehen hätten,
aber die gleichzeitig von verschiedenen Gegenden der Stadt
eintreffenden Nachrichten ergaben mit Sicherheit, daß es
sich wieder um ein Flugfahrzeug handelte. Der Aeroplan
flog über den Kasernen in einer Höhe von ungefähr 300
Metern und zwar sowohl über dem Volksgarten als auch
über Rosch. Da bekanntlich seit einigen Tagen die Buko-
wina zur Verbotzone erlkärt wurde, kann der Aeroplan
kein österreichischer, sondern nur ein ausländischer gewe-
sen sein, und so liegt die Vermutung nahe, daß er ein
Russe war.




Theater, Kunst und Literatur.


Gastspiel Grete Petrowits.

"Napoleon und die Frauen". Text und Musik von
H. Reinhardt. Spielleiter J. Basch, Dirigent A.
Jemnitz. Ohne Gattungsbezeichnung, ein Mittelding
zwischen Operette und Volksstück mit Gesang, liebäugelnd
mit der Spieloper. In drei Abteilungen (beim Volksstück
hat man das früher drei Bilder genannt). 1. Die Frau
Oberst. 2. Die Putzmacherin. 3. Die Wienerin. Daß der
Komponist sich den Text selbst macht, ist eine ideale Forde-
rung, die bei diesem Genre nicht erfüllt zu werden braucht,
wenn ihr aber Folge geleistet wird, so darf man nicht nur,
sondern man muß einen in mancher Hinsicht strengeren
Maßstab anlegen. Also: das Ding ist wirklich nicht so
schlecht gemacht, das Buch sogar etwas besser als die Musik.
Eigentlich wär' es ja so übel nicht, wenn die Vermählung
von Operette und primitivem Volksstück ein brauchbares
Kind hervorbrächte. Was nun den Stoff betrifft, so hat
der Autor recht hoch gegriffen. Napoleon, und das neueste,
der singende Napoleon. Daß einem alle möglichen schönen
Bearbeitungen der Napoleontragödie einfallen, von
Grabbe über die Madame Sans-Gene bis zum Jungen
Medardus, ist selbstverständlich und mit diesen approbier-
ten Werken soll der singende Napoleon nicht erschlagen
werden, weil er ja kein Kunstwerk sein will. Daß er von
der Oeffentlichkeit scheinbar dazu gemacht wird -- 100
Aufführungen in der Wiener Volksoper mit veritabeln
Spieloper-Kräften pflegen in der breiten Masse so gewer-
tet zu werden -- tut nichts zur Sache und ist nur ein neuer
Beweis gegen das künstlerische Empfinden der Oeffentlich-
[Spaltenumbruch] keit. Aber wäre nur ein Funken Nestroy oder Offenbach
oder Shaw oder Simplizissimus in Herrn Reinhardt, so
hätte eine ganz feine Sache draus werden können, eine
Parodie auf die ernsten Napoleon-Dramatiker. Gewiß
blinzelt "Napoleon und die Frauen" vergnügt zum Burg-
theater hinüber, wo Schnitzlers Junger Medardus höchste
Wirkungen auslöste, aber nur als Kassenkonkurrent. Aus
diesem Gesichtswinkel sind auch viele Sepkulationen in
dem theatralischen Geschäftsartikel unternommen worden,
die auch von Glück begleitet worden sind: ein bischen
stolze Mannhaftigkeit und Kavaliersehre, ein bischen
Weltgeschichte im Westentaschenformate, ein bischen öster-
reichischer Patriotismus, ein bischen tapferes Entsagen
eines braven Mädels, recht viel kaiserliche Großmut. Im
Grunde genommen ist die Arbeit ein Nachkomme der
"Försterchristl". Da man leider bei den aufgezählten Spe-
kulationen von dem Gefühl der Absichtlichkeit nicht los-
kommt und überdies einige Geschmacklosigkeiten unter-
laufen, so schneidet schließlich und endlich das Ding nicht
gut ab; das hätte vermieden werden können, wenn das
Bild wenigstens mit einem parodistischen Ton oder nur
mit einem Schimmer von so etwas überzogen worden
wäre.

Die Musik ist ansprechend, unaufdringlich, hat im
ersten Bild, das musikalisch das beste ist, ein witziges
Spottlied, im zweiten eine hübsche Tanznummer und geht
mit dem Stoff immer hübsch Hand in Hand. Ihre Faktur
ist gefällig und frei vom Gesuchten. Schwerlich wird man
sich aber Nummern daraus merken.

Die Aufführung war gut. Die Spielleitung hat alles
herausgeholt, was das Buch hergab, auch der Dirigent tat
das Seinige. Die Darsteller legten sich offenbar mit Lust
ins Zeug. Herr Adler sah im zweiten und dritten Bild
als Napoleon sehr gut aus, war vorzüglich bei Stimme und
deutete auch den Charakter glücklich an. Frl. Petrowits
gab mit dem vollen Einsatz ihrer bereits dargelegten
Fähigkeiten zwei von den Frauen aus dem Volke, die das
Wohlgefallen Napoleons finden, eine Pariser Putzmache-
rin und ein Wiener Mädl. Man spricht in diesen Tagen
von der Absicht, den Gast dauernd fürs Stadttheater zu
gewinnen. Nun ist wohl nicht daran zu denken, daß Fräu-
lein Petrowits ihre Stellung am Raimundtheater auf-
geben würde, um hieher zu kommen und selbst wenn die
Künstlerin nicht abgeneigt wäre, einem solchen Antrag,
der unseres Wissens nicht gestellt wurde, zuzustimmen,
würde sie es doch nur unter glänzenden Bedingungen tun,
die über den Rahmen des Budgets der Bühne hinaus-
gehen; überdies wäre das Engagement für beide Teile
nicht glücklich: Frl. Petrowits steht am Beginne einer
Bahn, die sie zur Spezialität führen wird, das Czerno-
witzer Stadttheater muß aber eine Vielseitigkeit von seiner
Soubrette fordern und eine Bereitwilligkeit zu verschie-
denartigsten Rollen, die dem widersprechen. -- Im ersten
Bilde sang Frl. Lang wunderhübsch den Part einer kleinen
Näherin, Frau Mannert-Brodowska figurierte imponie-
rend als Kaiserin Josephine im zweiten. Von den Herren
ist Herr Schönhof mit einer entzückenden Studie (alter
Oberst) im ersten, Herr Morgan mit einer solchen im
zweiten (Sekretär Vauban) zu nennen, auch Herr Kober
trug viel zur heiteren Wirkung bei.




Ein interessantes Jubiläum.

Vierzig Jahre The-
ater.
Wer einst die Entwicklungsgeschichte unseres The-
aters wird schreiben wollen, der wird in dem noch heute,
trotz seines vorgerückten Alters noch immer in aktiven
Diensten stehenden Logenschließer Engler eine will-
kommene Auskunftsperson finden. Engler kann jedoch
nicht bloß Zeugnis über die Entwicklung des Theaters
allein ablegen; sein Beruf als Logenbilleteur setzt ihn




[Spaltenumbruch]

ken, abschoß, kam Tante Vally ächzend zum Kupee her-
aus.

"Diese Höhe, diese Höhe", klagte sie, "man kann sich
ja den ganzen Leib verrenken. Guten Tag, mein Kind",
und Lisette fühlte etwas Feuchtes auf ihrer Backe.

Hanna sprang, ein großes Schirmpaket im Arm, die
hohen Stufen mit zierlichem Hupf herunter. Sie umarmte
Lisette kichernd und sagte, auf das leere Kupee des fort-
rollenden Zuges deutend: "Hast du den entzückenden, fre-
chen Kerl da, mit dem blonden Bärtchen gesehen? Die
ganze Zeit fixierte er mich. Ich wußte nicht, wohin ich gut-
ken sollte."

Es dauerte lange, ehe alle die kleinen und großen Ge-
päckstücke, vor dem Herunterrutschen gesichert, auf den
Wagen getürmt waren, so daß dieser sich endlich in Be-
wegung setzen konnte, womit für einen Haufen Greifs-
walder Straßenkinder ein angenehmes Schauspiel endete.

Der Wagen rollte zwischen den feierlich steifen Pap-
pelreihen dahin, die sich wie hellgrüne Schnüre unter dem
blauen Himmel spannten. Vögel zwitscherten und das
ganze Land sang ein Lied vom Frühling.

Die Tanten sahen nicht über den Wagenrand, son-
dern waren damit beschäftigt, ihre Wintersorgen auszu-
kramen. Es waren sechsunddreißig Tage gewesen, an de-
nen Tante Aurelie allein in einen einzigen Ofen fünf-
undvierzig Briketts hatte legen müssen. Und Tante Vally
die auch ein halbes Vermögen verheizte, hatte sich trotz-
dem einen Schnupfen zugezogen, bei dem sie täglich vier-
zehn Taschentücher brauchte, große Herrentücher, die noch
von ihrem seligen Gatten stammten. Lisette ließ unge-
rührt ihre blanken Augen draußen im Grünen umher-
schweifen. Dann und wann guckte sie unruhig über die
runde Schachtel, die jetzt in Tante Aureliens Schoß ruhte.
Wenn sie eine Torte enthielt, war es sicher ein konservier-
tes Weihnachtsgeschenk. Aber im Laufe der Fahrt erfuhr
[Spaltenumbruch] sie, daß sie die "echten Familienspitzen" enthielt, von denen
sich die Tante nicht mehr trennte, seit bei ihrer Freundin
eingebrochen war und man ihr eine dreireihige Schnur
von Similibrillanten gestohlen hatte. "Die Arme hat[t]e
eben keine echt en Edelsteine, niemanden kann mehr ge-
stohlen werden, als er besitzt", fügte die Tante hinzu. Und
bald darauf sagte Tante Vally spitz: "Nun wie war denn
eure italienische Reise?"

Und Tante Aurelie fiel ein und meinte: "Ja, wir
haben immer eine besondere Nachricht erwartet. Denn
ohne Nebenzweck macht man doch in euren Verhältnissen
keine solche kostspielige Reise."

Da war denn wieder Lisette dem Weinen näher als
dem Lachen und recht schweigsam fuhr man endlich am
Hause vor, in dessen Tür Herr von Brinken mit möglichst
heiterer Miene stand.

Wenige Tage später kamen Tante Marie und Gusti.
Ihnen war Lisette leichteren Herzens entgegengefahren.
Tante Marie, die jüngste Schwester des Vaters, war viel
gutmütiger als ihre Schwestern. Gusti aber war beinahe
gleichaltrig mit Lisette, und die beiden Mädchen hatten
sich immer gut vertragen, so verschieden wie sie waren.

Gusti war ganz die höhere Kleinstadttochter. Sie
hatte Kränzelfreundinnen, mit denen sie ihre Gedanken
über die Liebe und Ehe zugleich mit neuen Häkelmustern
austauschte, sie wußte, ob dieser oder jener ihrer Bekannt-
schaft eine gute Partie sei oder nicht, und sie kümmerte
sich mit schwatzhaft neugierigem Behagen um die Ver[l]o-
bungs- und Ehegeschiten der kleinen Stadt. Aber sie war
ein gutmütiges Mädchen. Lisette erinnerte sich manch
fröhlichen Spazierganges, manch wagehalsiger Schwimm-
tour mit der Cousine, und sie empfing sie mit einem herz-
lichen Kuß.

(Fortsetzung folgt.)


[Spaltenumbruch]

auch in den Stand, die Geschichte der Gesellschaft zu schil-
dern, da er allabendlich seit fast vierzig Jahren mit den
oberen Zehntausend, die es sich leisten können, von einer
Loge aus die Bühnenkunst zu genießen, in Berührung
kommt. Und seiner reichen Erfahrung wegen, die er im
steten Kontakt mit dem Publikum gesammelt hat, wird
er auch von jedem Theater als zuverlässiger Experte in
Angelegenheiten des Geschmacks oder der Laune des Pu-
blikums herangezogen. Im Jahre 1873 begann Engler
seine Tätigkeit; im Saale des Hotels "Moldavie", neben
der Hauptwache, wo damals viermal wöchentlich unter der
Direktion Kanderla Theater gespielt wurde, versah
er den Billeteurdienst; Engler erzählt, daß dazumal nur
Possen, Schau- und Lustspiele aufgeführt wurden; auch
an die Theaterpreise erinnert sich der Jubilar: ein vor-
derer Sitz kostete achtzig Kreuzer, ein rückwärtiger Sitz
sechzig Kreuzer und eine Loge vier Gulden. Wie man
also sieht, war die Teuerung noch nicht eingetreten. Erst
im Jahre 1875, erzählt Engler, unter der Direktion Ditz,
wurde in Czernowitz zum erstenmal eine Operette, und
zwar "Die Fledermaus" aufgeführt. Am 10. November
1876 wurde der Musentempel in der Schulgasse, der jetzt
in ein Kino umgewandelt ist, mit der Operette "Groß-
herzogin von Gerolstein" eröffnet. Das neue Theater
blieb hierauf zwei Jahre hindurch unter der Direktion
Ditz, hatte jedoch nachher ein gar wechselvolles
Schicksal, indem die Theaterdirektoren einander rasch ab-
lösten. Da kam Direktor Weißberger, der es nur bis
zur Hälfte der Saison aushielt, Direktor Dorn, Hel-
ler
und Arnauti Anzinger, die alle nur eine Saison
hindurch die Direktion führten; Direktor Morawetz
konnte es nur vier Wochen aushalten, dann "ging er ab"
-- und die Mitglieder mußten auf Teilung spielen, und
so kamen noch eine Reihe von Direktoren, die bald besser,
bald weniger gut das ihrige taten, um die Kunst in Czer-
nowitz aufrechtzuerhalten. Direktor Ranzenhofer er-
öffnete das neue Theater 1905; 1907 übernahm Direktor
Martin Klein die Leitung, nach ihm die Direktoren
Faber und Bartholdy. -- In Anbetracht der scho-
nen Verdienste, die sich diese wahre Theaterveteran um
die Kunst erworben hat, zögerten die beiden jetzigen Di-
rektoren nicht, ihm einen Ehrenabend zu geben. Es ist
vorauszusehen, daß das Theaterpublikum dem Manne,
der für Baumeister, Lewinski, Reimers,
Barsescu
u. a. Karten verkauft hat, mindestens alle
Karten abkaufen wird. -- Der Ehrenabend zugunsten des
Herrn Engler findet Samstag, den 1. Februar statt.
Zur Aufführung gelangt "Ein armes Mädel".




Korrespondenzen.


(Todesfall.)

Heute fand
hier unter zahlreicher Beteiligung das Begräbnis des im
46. Lebensjahre verschiedenen Oberlehrers Herrn Con-
stantiu Grigorovici statt. Dem Zuge voran schritten
die Schulkinder, geführt vom Lehrkörper, dann zahlreiche
Kollegen aus dem ganzen Bezirke als Sänger, ferner folg-
ten die Leidtragenden, unter welchen man den Reichs-
ratsabgeordneten Georg Grigorovici, einen Bruder des
Verblichenen sah und eine große Zahl von Kollegen aus
der Umgebung, sowie Vertreter aller Aemter und Ver-
eine. Eine zahlreiche Menschenmenge gab dem allgemein
beliebten und geachteten Verblichenen das letzte Geleite.
Unter vielen von Verwandten und Bekannten gespende-
ten Kränzen, die den Leichenwagen schmückten, sah man
Kränze, die gespendet wurden vom k. k. Bezirksschulrate
und den Bezirkslehrervereinen in Kimpolung, dem hier-
ortigen Ortsschulrate und dem Lehrkörper, sowie den
Schulkindern, ferner von den Kollegen aus Dorna-Kand-
reny und P.-Stampi, der hierortigen Gemeinde, der
Dampfsäge vorm. Götz & Co. u. a. m.

(Mord.)

Seit 14 Tagen war
der hiesige Grundwirt Nikolai Neskoromna ab-
gängig und alle Nachforschungen nach einer Spur von
ihm blieben erfolglos. Gestern wurde seine Leiche in einem
Bache aufgefunden. Die gerichtsärztliche Obduktion der-
selben ergab, daß Neskoromna vor 14 Tagen ermordet
und hierauf in den Bach geworfen wurde. Als der Tat
dringend verdächtig erscheinen seine Stiefsöhne, von denen
einer bereits in Haft genommen wurde.




[]
27. Jänner 1913. „Czernowitzer Allgemeine Zeitung“

[Spaltenumbruch]

daß der Linienſchiffsleutnant Teufl mit dem Mechaniker
bei einem Probeflug auf dem Eiland „Katarina“ aus
einer Höhe von 15 Metern abſtürzte. Der Linienſchiffs-
leutnant erlitt eine leichte Verletzt[u]ng am Fuß, der Mecha-
niker blieb unverletzt, der Apparat iſt beſchädigt.

Neuerlicher Flug über die Alpen.

(Priv.-Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Der Aviatiker Bjelovucic überflog die Alpen.
Er ſtieg in Orieg auf und landete in Domodoſſola.




KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Ein Teil der im Baue befindlichen öffentlichen Bibliothek
iſt eingeſtürzt. Bisher wurden fünf Tote geborgen.




Czernowitzer Angelegenheiten.


Abermals ein Aeroplan.

Geſtern wurde in den
Abe[n]dſtunden über Czernowitz ein Aeroplan geſichtet, der
mit einem Scheinwerfer arbeitete. Es haben zwar viele
Beobachter der Meinung Ausdruck gegeben, daß ſie einen
Kometen (andere ſagten: ein Meteor) geſehen hätten,
aber die gleichzeitig von verſchiedenen Gegenden der Stadt
eintreffenden Nachrichten ergaben mit Sicherheit, daß es
ſich wieder um ein Flugfahrzeug handelte. Der Aeroplan
flog über den Kaſernen in einer Höhe von ungefähr 300
Metern und zwar ſowohl über dem Volksgarten als auch
über Roſch. Da bekanntlich ſeit einigen Tagen die Buko-
wina zur Verbotzone erlkärt wurde, kann der Aeroplan
kein öſterreichiſcher, ſondern nur ein ausländiſcher gewe-
ſen ſein, und ſo liegt die Vermutung nahe, daß er ein
Ruſſe war.




Theater, Kunſt und Literatur.


Gaſtſpiel Grete Petrowits.

„Napoleon und die Frauen“. Text und Muſik von
H. Reinhardt. Spielleiter J. Baſch, Dirigent A.
Jemnitz. Ohne Gattungsbezeichnung, ein Mittelding
zwiſchen Operette und Volksſtück mit Geſang, liebäugelnd
mit der Spieloper. In drei Abteilungen (beim Volksſtück
hat man das früher drei Bilder genannt). 1. Die Frau
Oberſt. 2. Die Putzmacherin. 3. Die Wienerin. Daß der
Komponiſt ſich den Text ſelbſt macht, iſt eine ideale Forde-
rung, die bei dieſem Genre nicht erfüllt zu werden braucht,
wenn ihr aber Folge geleiſtet wird, ſo darf man nicht nur,
ſondern man muß einen in mancher Hinſicht ſtrengeren
Maßſtab anlegen. Alſo: das Ding iſt wirklich nicht ſo
ſchlecht gemacht, das Buch ſogar etwas beſſer als die Muſik.
Eigentlich wär’ es ja ſo übel nicht, wenn die Vermählung
von Operette und primitivem Volksſtück ein brauchbares
Kind hervorbrächte. Was nun den Stoff betrifft, ſo hat
der Autor recht hoch gegriffen. Napoleon, und das neueſte,
der ſingende Napoleon. Daß einem alle möglichen ſchönen
Bearbeitungen der Napoleontragödie einfallen, von
Grabbe über die Madame Sans-Gene bis zum Jungen
Medardus, iſt ſelbſtverſtändlich und mit dieſen approbier-
ten Werken ſoll der ſingende Napoleon nicht erſchlagen
werden, weil er ja kein Kunſtwerk ſein will. Daß er von
der Oeffentlichkeit ſcheinbar dazu gemacht wird — 100
Aufführungen in der Wiener Volksoper mit veritabeln
Spieloper-Kräften pflegen in der breiten Maſſe ſo gewer-
tet zu werden — tut nichts zur Sache und iſt nur ein neuer
Beweis gegen das künſtleriſche Empfinden der Oeffentlich-
[Spaltenumbruch] keit. Aber wäre nur ein Funken Neſtroy oder Offenbach
oder Shaw oder Simpliziſſimus in Herrn Reinhardt, ſo
hätte eine ganz feine Sache draus werden können, eine
Parodie auf die ernſten Napoleon-Dramatiker. Gewiß
blinzelt „Napoleon und die Frauen“ vergnügt zum Burg-
theater hinüber, wo Schnitzlers Junger Medardus höchſte
Wirkungen auslöſte, aber nur als Kaſſenkonkurrent. Aus
dieſem Geſichtswinkel ſind auch viele Sepkulationen in
dem theatraliſchen Geſchäftsartikel unternommen worden,
die auch von Glück begleitet worden ſind: ein bischen
ſtolze Mannhaftigkeit und Kavaliersehre, ein bischen
Weltgeſchichte im Weſtentaſchenformate, ein bischen öſter-
reichiſcher Patriotismus, ein bischen tapferes Entſagen
eines braven Mädels, recht viel kaiſerliche Großmut. Im
Grunde genommen iſt die Arbeit ein Nachkomme der
„Förſterchriſtl“. Da man leider bei den aufgezählten Spe-
kulationen von dem Gefühl der Abſichtlichkeit nicht los-
kommt und überdies einige Geſchmackloſigkeiten unter-
laufen, ſo ſchneidet ſchließlich und endlich das Ding nicht
gut ab; das hätte vermieden werden können, wenn das
Bild wenigſtens mit einem parodiſtiſchen Ton oder nur
mit einem Schimmer von ſo etwas überzogen worden
wäre.

Die Muſik iſt anſprechend, unaufdringlich, hat im
erſten Bild, das muſikaliſch das beſte iſt, ein witziges
Spottlied, im zweiten eine hübſche Tanznummer und geht
mit dem Stoff immer hübſch Hand in Hand. Ihre Faktur
iſt gefällig und frei vom Geſuchten. Schwerlich wird man
ſich aber Nummern daraus merken.

Die Aufführung war gut. Die Spielleitung hat alles
herausgeholt, was das Buch hergab, auch der Dirigent tat
das Seinige. Die Darſteller legten ſich offenbar mit Luſt
ins Zeug. Herr Adler ſah im zweiten und dritten Bild
als Napoleon ſehr gut aus, war vorzüglich bei Stimme und
deutete auch den Charakter glücklich an. Frl. Petrowits
gab mit dem vollen Einſatz ihrer bereits dargelegten
Fähigkeiten zwei von den Frauen aus dem Volke, die das
Wohlgefallen Napoleons finden, eine Pariſer Putzmache-
rin und ein Wiener Mädl. Man ſpricht in dieſen Tagen
von der Abſicht, den Gaſt dauernd fürs Stadttheater zu
gewinnen. Nun iſt wohl nicht daran zu denken, daß Fräu-
lein Petrowits ihre Stellung am Raimundtheater auf-
geben würde, um hieher zu kommen und ſelbſt wenn die
Künſtlerin nicht abgeneigt wäre, einem ſolchen Antrag,
der unſeres Wiſſens nicht geſtellt wurde, zuzuſtimmen,
würde ſie es doch nur unter glänzenden Bedingungen tun,
die über den Rahmen des Budgets der Bühne hinaus-
gehen; überdies wäre das Engagement für beide Teile
nicht glücklich: Frl. Petrowits ſteht am Beginne einer
Bahn, die ſie zur Spezialität führen wird, das Czerno-
witzer Stadttheater muß aber eine Vielſeitigkeit von ſeiner
Soubrette fordern und eine Bereitwilligkeit zu verſchie-
denartigſten Rollen, die dem widerſprechen. — Im erſten
Bilde ſang Frl. Lang wunderhübſch den Part einer kleinen
Näherin, Frau Mannert-Brodowska figurierte imponie-
rend als Kaiſerin Joſephine im zweiten. Von den Herren
iſt Herr Schönhof mit einer entzückenden Studie (alter
Oberſt) im erſten, Herr Morgan mit einer ſolchen im
zweiten (Sekretär Vauban) zu nennen, auch Herr Kober
trug viel zur heiteren Wirkung bei.




Ein intereſſantes Jubiläum.

Vierzig Jahre The-
ater.
Wer einſt die Entwicklungsgeſchichte unſeres The-
aters wird ſchreiben wollen, der wird in dem noch heute,
trotz ſeines vorgerückten Alters noch immer in aktiven
Dienſten ſtehenden Logenſchließer Engler eine will-
kommene Auskunftsperſon finden. Engler kann jedoch
nicht bloß Zeugnis über die Entwicklung des Theaters
allein ablegen; ſein Beruf als Logenbilleteur ſetzt ihn




[Spaltenumbruch]

ken, abſchoß, kam Tante Vally ächzend zum Kupee her-
aus.

„Dieſe Höhe, dieſe Höhe“, klagte ſie, „man kann ſich
ja den ganzen Leib verrenken. Guten Tag, mein Kind“,
und Liſette fühlte etwas Feuchtes auf ihrer Backe.

Hanna ſprang, ein großes Schirmpaket im Arm, die
hohen Stufen mit zierlichem Hupf herunter. Sie umarmte
Liſette kichernd und ſagte, auf das leere Kupee des fort-
rollenden Zuges deutend: „Haſt du den entzückenden, fre-
chen Kerl da, mit dem blonden Bärtchen geſehen? Die
ganze Zeit fixierte er mich. Ich wußte nicht, wohin ich gut-
ken ſollte.“

Es dauerte lange, ehe alle die kleinen und großen Ge-
päckſtücke, vor dem Herunterrutſchen geſichert, auf den
Wagen getürmt waren, ſo daß dieſer ſich endlich in Be-
wegung ſetzen konnte, womit für einen Haufen Greifs-
walder Straßenkinder ein angenehmes Schauſpiel endete.

Der Wagen rollte zwiſchen den feierlich ſteifen Pap-
pelreihen dahin, die ſich wie hellgrüne Schnüre unter dem
blauen Himmel ſpannten. Vögel zwitſcherten und das
ganze Land ſang ein Lied vom Frühling.

Die Tanten ſahen nicht über den Wagenrand, ſon-
dern waren damit beſchäftigt, ihre Winterſorgen auszu-
kramen. Es waren ſechsunddreißig Tage geweſen, an de-
nen Tante Aurelie allein in einen einzigen Ofen fünf-
undvierzig Briketts hatte legen müſſen. Und Tante Vally
die auch ein halbes Vermögen verheizte, hatte ſich trotz-
dem einen Schnupfen zugezogen, bei dem ſie täglich vier-
zehn Taſchentücher brauchte, große Herrentücher, die noch
von ihrem ſeligen Gatten ſtammten. Liſette ließ unge-
rührt ihre blanken Augen draußen im Grünen umher-
ſchweifen. Dann und wann guckte ſie unruhig über die
runde Schachtel, die jetzt in Tante Aureliens Schoß ruhte.
Wenn ſie eine Torte enthielt, war es ſicher ein konſervier-
tes Weihnachtsgeſchenk. Aber im Laufe der Fahrt erfuhr
[Spaltenumbruch] ſie, daß ſie die „echten Familienſpitzen“ enthielt, von denen
ſich die Tante nicht mehr trennte, ſeit bei ihrer Freundin
eingebrochen war und man ihr eine dreireihige Schnur
von Similibrillanten geſtohlen hatte. „Die Arme hat[t]e
eben keine echt en Edelſteine, niemanden kann mehr ge-
ſtohlen werden, als er beſitzt“, fügte die Tante hinzu. Und
bald darauf ſagte Tante Vally ſpitz: „Nun wie war denn
eure italieniſche Reiſe?“

Und Tante Aurelie fiel ein und meinte: „Ja, wir
haben immer eine beſondere Nachricht erwartet. Denn
ohne Nebenzweck macht man doch in euren Verhältniſſen
keine ſolche koſtſpielige Reiſe.“

Da war denn wieder Liſette dem Weinen näher als
dem Lachen und recht ſchweigſam fuhr man endlich am
Hauſe vor, in deſſen Tür Herr von Brinken mit möglichſt
heiterer Miene ſtand.

Wenige Tage ſpäter kamen Tante Marie und Guſti.
Ihnen war Liſette leichteren Herzens entgegengefahren.
Tante Marie, die jüngſte Schweſter des Vaters, war viel
gutmütiger als ihre Schweſtern. Guſti aber war beinahe
gleichaltrig mit Liſette, und die beiden Mädchen hatten
ſich immer gut vertragen, ſo verſchieden wie ſie waren.

Guſti war ganz die höhere Kleinſtadttochter. Sie
hatte Kränzelfreundinnen, mit denen ſie ihre Gedanken
über die Liebe und Ehe zugleich mit neuen Häkelmuſtern
austauſchte, ſie wußte, ob dieſer oder jener ihrer Bekannt-
ſchaft eine gute Partie ſei oder nicht, und ſie kümmerte
ſich mit ſchwatzhaft neugierigem Behagen um die Ver[l]o-
bungs- und Ehegeſchiten der kleinen Stadt. Aber ſie war
ein gutmütiges Mädchen. Liſette erinnerte ſich manch
fröhlichen Spazierganges, manch wagehalſiger Schwimm-
tour mit der Couſine, und ſie empfing ſie mit einem herz-
lichen Kuß.

(Fortſetzung folgt.)


[Spaltenumbruch]

auch in den Stand, die Geſchichte der Geſellſchaft zu ſchil-
dern, da er allabendlich ſeit faſt vierzig Jahren mit den
oberen Zehntauſend, die es ſich leiſten können, von einer
Loge aus die Bühnenkunſt zu genießen, in Berührung
kommt. Und ſeiner reichen Erfahrung wegen, die er im
ſteten Kontakt mit dem Publikum geſammelt hat, wird
er auch von jedem Theater als zuverläſſiger Experte in
Angelegenheiten des Geſchmacks oder der Laune des Pu-
blikums herangezogen. Im Jahre 1873 begann Engler
ſeine Tätigkeit; im Saale des Hotels „Moldavie“, neben
der Hauptwache, wo damals viermal wöchentlich unter der
Direktion Kanderla Theater geſpielt wurde, verſah
er den Billeteurdienſt; Engler erzählt, daß dazumal nur
Poſſen, Schau- und Luſtſpiele aufgeführt wurden; auch
an die Theaterpreiſe erinnert ſich der Jubilar: ein vor-
derer Sitz koſtete achtzig Kreuzer, ein rückwärtiger Sitz
ſechzig Kreuzer und eine Loge vier Gulden. Wie man
alſo ſieht, war die Teuerung noch nicht eingetreten. Erſt
im Jahre 1875, erzählt Engler, unter der Direktion Ditz,
wurde in Czernowitz zum erſtenmal eine Operette, und
zwar „Die Fledermaus“ aufgeführt. Am 10. November
1876 wurde der Muſentempel in der Schulgaſſe, der jetzt
in ein Kino umgewandelt iſt, mit der Operette „Groß-
herzogin von Gerolſtein“ eröffnet. Das neue Theater
blieb hierauf zwei Jahre hindurch unter der Direktion
Ditz, hatte jedoch nachher ein gar wechſelvolles
Schickſal, indem die Theaterdirektoren einander raſch ab-
löſten. Da kam Direktor Weißberger, der es nur bis
zur Hälfte der Saiſon aushielt, Direktor Dorn, Hel-
ler
und Arnauti Anzinger, die alle nur eine Saiſon
hindurch die Direktion führten; Direktor Morawetz
konnte es nur vier Wochen aushalten, dann „ging er ab“
— und die Mitglieder mußten auf Teilung ſpielen, und
ſo kamen noch eine Reihe von Direktoren, die bald beſſer,
bald weniger gut das ihrige taten, um die Kunſt in Czer-
nowitz aufrechtzuerhalten. Direktor Ranzenhofer er-
öffnete das neue Theater 1905; 1907 übernahm Direktor
Martin Klein die Leitung, nach ihm die Direktoren
Faber und Bartholdy. — In Anbetracht der ſcho-
nen Verdienſte, die ſich dieſe wahre Theaterveteran um
die Kunſt erworben hat, zögerten die beiden jetzigen Di-
rektoren nicht, ihm einen Ehrenabend zu geben. Es iſt
vorauszuſehen, daß das Theaterpublikum dem Manne,
der für Baumeiſter, Lewinski, Reimers,
Barſescu
u. a. Karten verkauft hat, mindeſtens alle
Karten abkaufen wird. — Der Ehrenabend zugunſten des
Herrn Engler findet Samſtag, den 1. Februar ſtatt.
Zur Aufführung gelangt „Ein armes Mädel“.




Korreſpondenzen.


(Todesfall.)

Heute fand
hier unter zahlreicher Beteiligung das Begräbnis des im
46. Lebensjahre verſchiedenen Oberlehrers Herrn Con-
ſtantiu Grigorovici ſtatt. Dem Zuge voran ſchritten
die Schulkinder, geführt vom Lehrkörper, dann zahlreiche
Kollegen aus dem ganzen Bezirke als Sänger, ferner folg-
ten die Leidtragenden, unter welchen man den Reichs-
ratsabgeordneten Georg Grigorovici, einen Bruder des
Verblichenen ſah und eine große Zahl von Kollegen aus
der Umgebung, ſowie Vertreter aller Aemter und Ver-
eine. Eine zahlreiche Menſchenmenge gab dem allgemein
beliebten und geachteten Verblichenen das letzte Geleite.
Unter vielen von Verwandten und Bekannten geſpende-
ten Kränzen, die den Leichenwagen ſchmückten, ſah man
Kränze, die geſpendet wurden vom k. k. Bezirksſchulrate
und den Bezirkslehrervereinen in Kimpolung, dem hier-
ortigen Ortsſchulrate und dem Lehrkörper, ſowie den
Schulkindern, ferner von den Kollegen aus Dorna-Kand-
reny und P.-Stampi, der hierortigen Gemeinde, der
Dampfſäge vorm. Götz & Co. u. a. m.

(Mord.)

Seit 14 Tagen war
der hieſige Grundwirt Nikolai Neskoromna ab-
gängig und alle Nachforſchungen nach einer Spur von
ihm blieben erfolglos. Geſtern wurde ſeine Leiche in einem
Bache aufgefunden. Die gerichtsärztliche Obduktion der-
ſelben ergab, daß Neskoromna vor 14 Tagen ermordet
und hierauf in den Bach geworfen wurde. Als der Tat
dringend verdächtig erſcheinen ſeine Stiefſöhne, von denen
einer bereits in Haft genommen wurde.




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[3/0003] 27. Jänner 1913. „Czernowitzer Allgemeine Zeitung“ daß der Linienſchiffsleutnant Teufl mit dem Mechaniker bei einem Probeflug auf dem Eiland „Katarina“ aus einer Höhe von 15 Metern abſtürzte. Der Linienſchiffs- leutnant erlitt eine leichte Verletztung am Fuß, der Mecha- niker blieb unverletzt, der Apparat iſt beſchädigt. Neuerlicher Flug über die Alpen. Mailand, 26. Jänner. (Priv.-Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der Aviatiker Bjelovucic überflog die Alpen. Er ſtieg in Orieg auf und landete in Domodoſſola. KB. Warſchau, 26. Jänner. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Ein Teil der im Baue befindlichen öffentlichen Bibliothek iſt eingeſtürzt. Bisher wurden fünf Tote geborgen. Czernowitzer Angelegenheiten. Czernowitz, 27. Jänner. Abermals ein Aeroplan. Geſtern wurde in den Abendſtunden über Czernowitz ein Aeroplan geſichtet, der mit einem Scheinwerfer arbeitete. Es haben zwar viele Beobachter der Meinung Ausdruck gegeben, daß ſie einen Kometen (andere ſagten: ein Meteor) geſehen hätten, aber die gleichzeitig von verſchiedenen Gegenden der Stadt eintreffenden Nachrichten ergaben mit Sicherheit, daß es ſich wieder um ein Flugfahrzeug handelte. Der Aeroplan flog über den Kaſernen in einer Höhe von ungefähr 300 Metern und zwar ſowohl über dem Volksgarten als auch über Roſch. Da bekanntlich ſeit einigen Tagen die Buko- wina zur Verbotzone erlkärt wurde, kann der Aeroplan kein öſterreichiſcher, ſondern nur ein ausländiſcher gewe- ſen ſein, und ſo liegt die Vermutung nahe, daß er ein Ruſſe war. Theater, Kunſt und Literatur. Czernowitz, 27. Jänner. Gaſtſpiel Grete Petrowits. „Napoleon und die Frauen“. Text und Muſik von H. Reinhardt. Spielleiter J. Baſch, Dirigent A. Jemnitz. Ohne Gattungsbezeichnung, ein Mittelding zwiſchen Operette und Volksſtück mit Geſang, liebäugelnd mit der Spieloper. In drei Abteilungen (beim Volksſtück hat man das früher drei Bilder genannt). 1. Die Frau Oberſt. 2. Die Putzmacherin. 3. Die Wienerin. Daß der Komponiſt ſich den Text ſelbſt macht, iſt eine ideale Forde- rung, die bei dieſem Genre nicht erfüllt zu werden braucht, wenn ihr aber Folge geleiſtet wird, ſo darf man nicht nur, ſondern man muß einen in mancher Hinſicht ſtrengeren Maßſtab anlegen. Alſo: das Ding iſt wirklich nicht ſo ſchlecht gemacht, das Buch ſogar etwas beſſer als die Muſik. Eigentlich wär’ es ja ſo übel nicht, wenn die Vermählung von Operette und primitivem Volksſtück ein brauchbares Kind hervorbrächte. Was nun den Stoff betrifft, ſo hat der Autor recht hoch gegriffen. Napoleon, und das neueſte, der ſingende Napoleon. Daß einem alle möglichen ſchönen Bearbeitungen der Napoleontragödie einfallen, von Grabbe über die Madame Sans-Gene bis zum Jungen Medardus, iſt ſelbſtverſtändlich und mit dieſen approbier- ten Werken ſoll der ſingende Napoleon nicht erſchlagen werden, weil er ja kein Kunſtwerk ſein will. Daß er von der Oeffentlichkeit ſcheinbar dazu gemacht wird — 100 Aufführungen in der Wiener Volksoper mit veritabeln Spieloper-Kräften pflegen in der breiten Maſſe ſo gewer- tet zu werden — tut nichts zur Sache und iſt nur ein neuer Beweis gegen das künſtleriſche Empfinden der Oeffentlich- keit. Aber wäre nur ein Funken Neſtroy oder Offenbach oder Shaw oder Simpliziſſimus in Herrn Reinhardt, ſo hätte eine ganz feine Sache draus werden können, eine Parodie auf die ernſten Napoleon-Dramatiker. Gewiß blinzelt „Napoleon und die Frauen“ vergnügt zum Burg- theater hinüber, wo Schnitzlers Junger Medardus höchſte Wirkungen auslöſte, aber nur als Kaſſenkonkurrent. Aus dieſem Geſichtswinkel ſind auch viele Sepkulationen in dem theatraliſchen Geſchäftsartikel unternommen worden, die auch von Glück begleitet worden ſind: ein bischen ſtolze Mannhaftigkeit und Kavaliersehre, ein bischen Weltgeſchichte im Weſtentaſchenformate, ein bischen öſter- reichiſcher Patriotismus, ein bischen tapferes Entſagen eines braven Mädels, recht viel kaiſerliche Großmut. Im Grunde genommen iſt die Arbeit ein Nachkomme der „Förſterchriſtl“. Da man leider bei den aufgezählten Spe- kulationen von dem Gefühl der Abſichtlichkeit nicht los- kommt und überdies einige Geſchmackloſigkeiten unter- laufen, ſo ſchneidet ſchließlich und endlich das Ding nicht gut ab; das hätte vermieden werden können, wenn das Bild wenigſtens mit einem parodiſtiſchen Ton oder nur mit einem Schimmer von ſo etwas überzogen worden wäre. Die Muſik iſt anſprechend, unaufdringlich, hat im erſten Bild, das muſikaliſch das beſte iſt, ein witziges Spottlied, im zweiten eine hübſche Tanznummer und geht mit dem Stoff immer hübſch Hand in Hand. Ihre Faktur iſt gefällig und frei vom Geſuchten. Schwerlich wird man ſich aber Nummern daraus merken. Die Aufführung war gut. Die Spielleitung hat alles herausgeholt, was das Buch hergab, auch der Dirigent tat das Seinige. Die Darſteller legten ſich offenbar mit Luſt ins Zeug. Herr Adler ſah im zweiten und dritten Bild als Napoleon ſehr gut aus, war vorzüglich bei Stimme und deutete auch den Charakter glücklich an. Frl. Petrowits gab mit dem vollen Einſatz ihrer bereits dargelegten Fähigkeiten zwei von den Frauen aus dem Volke, die das Wohlgefallen Napoleons finden, eine Pariſer Putzmache- rin und ein Wiener Mädl. Man ſpricht in dieſen Tagen von der Abſicht, den Gaſt dauernd fürs Stadttheater zu gewinnen. Nun iſt wohl nicht daran zu denken, daß Fräu- lein Petrowits ihre Stellung am Raimundtheater auf- geben würde, um hieher zu kommen und ſelbſt wenn die Künſtlerin nicht abgeneigt wäre, einem ſolchen Antrag, der unſeres Wiſſens nicht geſtellt wurde, zuzuſtimmen, würde ſie es doch nur unter glänzenden Bedingungen tun, die über den Rahmen des Budgets der Bühne hinaus- gehen; überdies wäre das Engagement für beide Teile nicht glücklich: Frl. Petrowits ſteht am Beginne einer Bahn, die ſie zur Spezialität führen wird, das Czerno- witzer Stadttheater muß aber eine Vielſeitigkeit von ſeiner Soubrette fordern und eine Bereitwilligkeit zu verſchie- denartigſten Rollen, die dem widerſprechen. — Im erſten Bilde ſang Frl. Lang wunderhübſch den Part einer kleinen Näherin, Frau Mannert-Brodowska figurierte imponie- rend als Kaiſerin Joſephine im zweiten. Von den Herren iſt Herr Schönhof mit einer entzückenden Studie (alter Oberſt) im erſten, Herr Morgan mit einer ſolchen im zweiten (Sekretär Vauban) zu nennen, auch Herr Kober trug viel zur heiteren Wirkung bei. F. M. Ein intereſſantes Jubiläum. Vierzig Jahre The- ater. Wer einſt die Entwicklungsgeſchichte unſeres The- aters wird ſchreiben wollen, der wird in dem noch heute, trotz ſeines vorgerückten Alters noch immer in aktiven Dienſten ſtehenden Logenſchließer Engler eine will- kommene Auskunftsperſon finden. Engler kann jedoch nicht bloß Zeugnis über die Entwicklung des Theaters allein ablegen; ſein Beruf als Logenbilleteur ſetzt ihn ken, abſchoß, kam Tante Vally ächzend zum Kupee her- aus. „Dieſe Höhe, dieſe Höhe“, klagte ſie, „man kann ſich ja den ganzen Leib verrenken. Guten Tag, mein Kind“, und Liſette fühlte etwas Feuchtes auf ihrer Backe. Hanna ſprang, ein großes Schirmpaket im Arm, die hohen Stufen mit zierlichem Hupf herunter. Sie umarmte Liſette kichernd und ſagte, auf das leere Kupee des fort- rollenden Zuges deutend: „Haſt du den entzückenden, fre- chen Kerl da, mit dem blonden Bärtchen geſehen? Die ganze Zeit fixierte er mich. Ich wußte nicht, wohin ich gut- ken ſollte.“ Es dauerte lange, ehe alle die kleinen und großen Ge- päckſtücke, vor dem Herunterrutſchen geſichert, auf den Wagen getürmt waren, ſo daß dieſer ſich endlich in Be- wegung ſetzen konnte, womit für einen Haufen Greifs- walder Straßenkinder ein angenehmes Schauſpiel endete. Der Wagen rollte zwiſchen den feierlich ſteifen Pap- pelreihen dahin, die ſich wie hellgrüne Schnüre unter dem blauen Himmel ſpannten. Vögel zwitſcherten und das ganze Land ſang ein Lied vom Frühling. Die Tanten ſahen nicht über den Wagenrand, ſon- dern waren damit beſchäftigt, ihre Winterſorgen auszu- kramen. Es waren ſechsunddreißig Tage geweſen, an de- nen Tante Aurelie allein in einen einzigen Ofen fünf- undvierzig Briketts hatte legen müſſen. Und Tante Vally die auch ein halbes Vermögen verheizte, hatte ſich trotz- dem einen Schnupfen zugezogen, bei dem ſie täglich vier- zehn Taſchentücher brauchte, große Herrentücher, die noch von ihrem ſeligen Gatten ſtammten. Liſette ließ unge- rührt ihre blanken Augen draußen im Grünen umher- ſchweifen. Dann und wann guckte ſie unruhig über die runde Schachtel, die jetzt in Tante Aureliens Schoß ruhte. Wenn ſie eine Torte enthielt, war es ſicher ein konſervier- tes Weihnachtsgeſchenk. Aber im Laufe der Fahrt erfuhr ſie, daß ſie die „echten Familienſpitzen“ enthielt, von denen ſich die Tante nicht mehr trennte, ſeit bei ihrer Freundin eingebrochen war und man ihr eine dreireihige Schnur von Similibrillanten geſtohlen hatte. „Die Arme hatte eben keine echt en Edelſteine, niemanden kann mehr ge- ſtohlen werden, als er beſitzt“, fügte die Tante hinzu. Und bald darauf ſagte Tante Vally ſpitz: „Nun wie war denn eure italieniſche Reiſe?“ Und Tante Aurelie fiel ein und meinte: „Ja, wir haben immer eine beſondere Nachricht erwartet. Denn ohne Nebenzweck macht man doch in euren Verhältniſſen keine ſolche koſtſpielige Reiſe.“ Da war denn wieder Liſette dem Weinen näher als dem Lachen und recht ſchweigſam fuhr man endlich am Hauſe vor, in deſſen Tür Herr von Brinken mit möglichſt heiterer Miene ſtand. Wenige Tage ſpäter kamen Tante Marie und Guſti. Ihnen war Liſette leichteren Herzens entgegengefahren. Tante Marie, die jüngſte Schweſter des Vaters, war viel gutmütiger als ihre Schweſtern. Guſti aber war beinahe gleichaltrig mit Liſette, und die beiden Mädchen hatten ſich immer gut vertragen, ſo verſchieden wie ſie waren. Guſti war ganz die höhere Kleinſtadttochter. Sie hatte Kränzelfreundinnen, mit denen ſie ihre Gedanken über die Liebe und Ehe zugleich mit neuen Häkelmuſtern austauſchte, ſie wußte, ob dieſer oder jener ihrer Bekannt- ſchaft eine gute Partie ſei oder nicht, und ſie kümmerte ſich mit ſchwatzhaft neugierigem Behagen um die Verlo- bungs- und Ehegeſchiten der kleinen Stadt. Aber ſie war ein gutmütiges Mädchen. Liſette erinnerte ſich manch fröhlichen Spazierganges, manch wagehalſiger Schwimm- tour mit der Couſine, und ſie empfing ſie mit einem herz- lichen Kuß. (Fortſetzung folgt.) auch in den Stand, die Geſchichte der Geſellſchaft zu ſchil- dern, da er allabendlich ſeit faſt vierzig Jahren mit den oberen Zehntauſend, die es ſich leiſten können, von einer Loge aus die Bühnenkunſt zu genießen, in Berührung kommt. Und ſeiner reichen Erfahrung wegen, die er im ſteten Kontakt mit dem Publikum geſammelt hat, wird er auch von jedem Theater als zuverläſſiger Experte in Angelegenheiten des Geſchmacks oder der Laune des Pu- blikums herangezogen. Im Jahre 1873 begann Engler ſeine Tätigkeit; im Saale des Hotels „Moldavie“, neben der Hauptwache, wo damals viermal wöchentlich unter der Direktion Kanderla Theater geſpielt wurde, verſah er den Billeteurdienſt; Engler erzählt, daß dazumal nur Poſſen, Schau- und Luſtſpiele aufgeführt wurden; auch an die Theaterpreiſe erinnert ſich der Jubilar: ein vor- derer Sitz koſtete achtzig Kreuzer, ein rückwärtiger Sitz ſechzig Kreuzer und eine Loge vier Gulden. Wie man alſo ſieht, war die Teuerung noch nicht eingetreten. Erſt im Jahre 1875, erzählt Engler, unter der Direktion Ditz, wurde in Czernowitz zum erſtenmal eine Operette, und zwar „Die Fledermaus“ aufgeführt. Am 10. November 1876 wurde der Muſentempel in der Schulgaſſe, der jetzt in ein Kino umgewandelt iſt, mit der Operette „Groß- herzogin von Gerolſtein“ eröffnet. Das neue Theater blieb hierauf zwei Jahre hindurch unter der Direktion Ditz, hatte jedoch nachher ein gar wechſelvolles Schickſal, indem die Theaterdirektoren einander raſch ab- löſten. Da kam Direktor Weißberger, der es nur bis zur Hälfte der Saiſon aushielt, Direktor Dorn, Hel- ler und Arnauti Anzinger, die alle nur eine Saiſon hindurch die Direktion führten; Direktor Morawetz konnte es nur vier Wochen aushalten, dann „ging er ab“ — und die Mitglieder mußten auf Teilung ſpielen, und ſo kamen noch eine Reihe von Direktoren, die bald beſſer, bald weniger gut das ihrige taten, um die Kunſt in Czer- nowitz aufrechtzuerhalten. Direktor Ranzenhofer er- öffnete das neue Theater 1905; 1907 übernahm Direktor Martin Klein die Leitung, nach ihm die Direktoren Faber und Bartholdy. — In Anbetracht der ſcho- nen Verdienſte, die ſich dieſe wahre Theaterveteran um die Kunſt erworben hat, zögerten die beiden jetzigen Di- rektoren nicht, ihm einen Ehrenabend zu geben. Es iſt vorauszuſehen, daß das Theaterpublikum dem Manne, der für Baumeiſter, Lewinski, Reimers, Barſescu u. a. Karten verkauft hat, mindeſtens alle Karten abkaufen wird. — Der Ehrenabend zugunſten des Herrn Engler findet Samſtag, den 1. Februar ſtatt. Zur Aufführung gelangt „Ein armes Mädel“. Korreſpondenzen. Czernowitz, 27. Jänner. Dorna, 22. Jänner. (Todesfall.) Heute fand hier unter zahlreicher Beteiligung das Begräbnis des im 46. Lebensjahre verſchiedenen Oberlehrers Herrn Con- ſtantiu Grigorovici ſtatt. Dem Zuge voran ſchritten die Schulkinder, geführt vom Lehrkörper, dann zahlreiche Kollegen aus dem ganzen Bezirke als Sänger, ferner folg- ten die Leidtragenden, unter welchen man den Reichs- ratsabgeordneten Georg Grigorovici, einen Bruder des Verblichenen ſah und eine große Zahl von Kollegen aus der Umgebung, ſowie Vertreter aller Aemter und Ver- eine. Eine zahlreiche Menſchenmenge gab dem allgemein beliebten und geachteten Verblichenen das letzte Geleite. Unter vielen von Verwandten und Bekannten geſpende- ten Kränzen, die den Leichenwagen ſchmückten, ſah man Kränze, die geſpendet wurden vom k. k. Bezirksſchulrate und den Bezirkslehrervereinen in Kimpolung, dem hier- ortigen Ortsſchulrate und dem Lehrkörper, ſowie den Schulkindern, ferner von den Kollegen aus Dorna-Kand- reny und P.-Stampi, der hierortigen Gemeinde, der Dampfſäge vorm. Götz & Co. u. a. m. Bojan, 24. Jänner. (Mord.) Seit 14 Tagen war der hieſige Grundwirt Nikolai Neskoromna ab- gängig und alle Nachforſchungen nach einer Spur von ihm blieben erfolglos. Geſtern wurde ſeine Leiche in einem Bache aufgefunden. Die gerichtsärztliche Obduktion der- ſelben ergab, daß Neskoromna vor 14 Tagen ermordet und hierauf in den Bach geworfen wurde. Als der Tat dringend verdächtig erſcheinen ſeine Stiefſöhne, von denen einer bereits in Haft genommen wurde. _

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2811, Czernowitz, 27.01.1913, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer2811_1913/3>, abgerufen am 03.12.2024.