Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 379, Czernowitz, 04.04.1905.[Spaltenumbruch]
Redaktion: Rathausstraße 16. Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz Für Deutschland: Für Rumänien und den Balkan: Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigungen: Einzelexemplare Nr. 379. Czernowitz, Dienstag, den 4. April 1905. [Spaltenumbruch] Uebersicht. Die Vorgänge in Rußland. Im Stadttheater zu Saratow kommt es zu großen Lärm- Der Krieg. Die Mobilmachung der zweiten Gardeinfanterie-Division Letzte Telegramme. Die ungarische Opposition lehnte einen neuerlichen Kom- Die Krise dauert fort. Czernowitz, 3. April 1905. Der Beschluß des leitenden Komitees der koalierten [Spaltenumbruch] Die Klippe, woran die Annahme des Kompromißvor- "Die vorgeschlagene Lösung", sagt Abg. Dr. Bakonyi, "Was wird nun werden", fragt man sich in Cis Auf jeden Fall wird Oesterreich in kurzer Zeit das "Wenn das bloße Wechselseitigkeitsverhältnis aufrecht- [Spaltenumbruch] Feuilleton. Ariadne. Georges de Sommiere war von Paris in der Absicht abge- Er hatte unzweifelhaft noch eine lebhafte Zärtlichkeit für Während sich Sommiere in Nizza aufhielt, führten ihn Auf das Ersuchen Sommiere's stellte man ihn der jungen Bei jedem Besuche empfing sie Sommiere mit einem Mit der impulsiven Bewegung eines schmeichelnden -- Auch ich habe mich vom ersten Tage an zu Ihnen -- Und können Sie nicht die Scheidung erwirken? -- Das hat mir immer widerstrebt, wegen meiner -- Es ist schlecht im Leben eingerichtet, seufzte Sommiere; Und da ihn die Offenherzigkeit von Madame Michalis -- Sie sehen, sagte er am Schlusse, auch ich bin (Schluß folgt.) [Spaltenumbruch]
Redaktion: Rathausſtraße 16. Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz Für Deutſchland: Für Rumänien und den Balkan: Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigungen: Einzelexemplare Nr. 379. Czernowitz, Dienſtag, den 4. April 1905. [Spaltenumbruch] Ueberſicht. Die Vorgänge in Rußland. Im Stadttheater zu Saratow kommt es zu großen Lärm- Der Krieg. Die Mobilmachung der zweiten Gardeinfanterie-Diviſion Letzte Telegramme. Die ungariſche Oppoſition lehnte einen neuerlichen Kom- Die Kriſe dauert fort. Czernowitz, 3. April 1905. Der Beſchluß des leitenden Komitees der koalierten [Spaltenumbruch] Die Klippe, woran die Annahme des Kompromißvor- „Die vorgeſchlagene Löſung“, ſagt Abg. Dr. Bakonyi, „Was wird nun werden“, fragt man ſich in Cis Auf jeden Fall wird Oeſterreich in kurzer Zeit das „Wenn das bloße Wechſelſeitigkeitsverhältnis aufrecht- [Spaltenumbruch] Feuilleton. Ariadne. Georges de Sommiere war von Paris in der Abſicht abge- Er hatte unzweifelhaft noch eine lebhafte Zärtlichkeit für Während ſich Sommiere in Nizza aufhielt, führten ihn Auf das Erſuchen Sommiere’s ſtellte man ihn der jungen Bei jedem Beſuche empfing ſie Sommiere mit einem Mit der impulſiven Bewegung eines ſchmeichelnden — Auch ich habe mich vom erſten Tage an zu Ihnen — Und können Sie nicht die Scheidung erwirken? — Das hat mir immer widerſtrebt, wegen meiner — Es iſt ſchlecht im Leben eingerichtet, ſeufzte Sommiere; Und da ihn die Offenherzigkeit von Madame Michalis — Sie ſehen, ſagte er am Schluſſe, auch ich bin (Schluß folgt.) <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jEditorialStaff"> <p> <hi rendition="#b">Redaktion: Rathausſtraße 16.<lb/> Adminiſtration: Tempelg. 8.</hi> </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p> <hi rendition="#b">Telephon-Nummer 161.</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jExpedition"> <head> <hi rendition="#b">Abonnementsbedingungen:</hi> </head><lb/> <p>Für Czernowitz<lb/> (mit Zuſtellung ins Haus):<lb/> monatl. 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Nach<lb/> einer Verſion ſoll er ſich bloß gegen die Perſon des Mittlers,<lb/> gegen <hi rendition="#g">Lukacz</hi> wenden, den die Oppoſition als ein noch im<lb/> Amte befindliches Mitglied des Kabinetts Tisza ablehnt,<lb/> nach einer anderen will die Oppoſition es auf eine äußerſte<lb/> Kraftprobe ankommen laſſen, welche die Krone darüber<lb/> belehren ſoll, daß es mit der Gleichſtellung zwiſchen ihren<lb/> Wünſchen und denen der parlamentariſchen Majorität<lb/> vorüber ſei.</p><lb/> <cb/> <p>Die Klippe, woran die Annahme des Kompromißvor-<lb/> ſchlages geſcheitert iſt, dürfte aber in den militäriſchen<lb/> Forderungen zu ſuchen ſein. Das Angebot, welches die Krone<lb/> den vereinigten Parteien machte, hatte auf den erſten Blick<lb/> viel Verlockendes. Für zwei Jahre ſollten die militäriſchen<lb/> Fragen ausgeſchaltet werden. Die Oppoſition hätte dabei<lb/> auf nichts verzichtet. Die Annahme des normalen Budgets<lb/> und Rekrutenkontingents konnte doch unmöglich als „Ent-<lb/> ſagung“ angeſehen werden. Die Hinausſchiebung des ent-<lb/> ſcheidenden Kampfes um die Nationaliſierung der ungariſchen<lb/> Truppen käme noch weniger einer Rechtseinbuſſe gleich, da<lb/> die Verwirklichung des ungariſchen Heeresbefehls bei dem<lb/> Mangel an magyariſch ſprechenden Offizieren ohnehin zur<lb/> Zeit undenkbar wäre. Darin aber ſchaffen die nächſten Jahre<lb/> inſofern Wandel, als ſeit dem vorigen Jahre über<lb/> 1000 Stiftungsplätze für magyariſche Zöglinge an den<lb/> Militärbildungsanſtalten errichtet wurden. Nach Ablauf der<lb/> Warteperiode wäre alſo der Stab der brauchbaren Offiziere<lb/> weſentlich erweitert. Nichtsdeſtoweniger ſtellt ſich die Oppoſition<lb/> auf den Standpunkt, daß Gabe und Gegengabe nicht gleich-<lb/> wertig ſeien.</p><lb/> <p>„Die vorgeſchlagene Löſung“, ſagt Abg. Dr. <hi rendition="#g">Bakonyi,</hi><lb/> eines der hervorragendſten Mitglieder der intranſingenten<lb/> Gruppe, zu einem Interviewer, die Ausſchaltung der<lb/> Sprachenfrage gegen eine Stundung der Flüſſigmachung des<lb/> von den Delegationen beſtimmten, aber vom Parlamente noch<lb/> nicht votierten Kredits auf zwei Jahre zu gewähren, kann<lb/> nicht eine geeignete Rektifikation genannt werden. Dieſe Ver-<lb/> ſchiebung der Fälligkeit des Kredits iſt noch eine illuſoriſche.<lb/> Ein namhafter Teil dieſes Betrages, an hundert Millionen,<lb/> iſt ſchon verausgabt, für einen weiteren großen Teil ſind<lb/> bereits die Beſtellungen gemacht, und es wäre das <hi rendition="#g">prak-<lb/> tiſche Reſultat</hi> der ganzen finanziellen Aktion<lb/> lediglich jenes, daß <hi rendition="#g">die Gläubiger des Staates<lb/> ein zweijähriges Moratorium gewähren<lb/> würden,</hi> wofür wir durch die Ratifikation des Kom-<lb/> promiſſes gewiſſermaßen die feierliche Garantie über-<lb/> nehmen würden. Denn darüber, daß die für die In-<lb/><cb/> veſtitionen erforderlichen Beiträge früher oder ſpäter gezahlt<lb/> werden müſſen, herrſcht kein Zweifel und ebenſowenig iſt es<lb/> für jeden von uns, welcher Partei er immer angehört und<lb/> der ſich ernſtlich mit militäriſchen Fragen beſchäftigt, zweifel-<lb/> haft, daß die erforderlichen Inveſtitionen in der Tat gemacht<lb/> werden müſſen, da namentlich unſere Artillerie unabwendbar<lb/> einer Umgeſtaltung, wenn nicht einer Neugeſtaltung bedarf,<lb/> und ſo können wir uns unmöglich dem Vorwurfe ausſetzen<lb/> daß wir der Ausbildung unſerer Mehrkraft hindernd Weg<lb/> geſtanden wären. Dieſe Zurückſtellung des Fälligkeitstermins<lb/> der unvermeidlichen Ausgaben allein kann uns ſomit für<lb/> das Ausſchalten unſerer nationalen Forderungen in ſprach-<lb/> licher Hinſicht keineswegs als eine Kompenſation gelten“</p><lb/> <p>„Was wird nun werden“, fragt man ſich in Cis<lb/> und Trans. Der Reichstag wird morgen zuſammentreten,<lb/> und entgegen dem bei Verhandlungen geübten Modus, für<lb/> die Dauer derſelben alles auszuſchalten, was die Herbei-<lb/> führung einer Einigung erſchweren könnte, wird in die<lb/> Adreßdebatte eingegangen werden, die zu einem recht artigen<lb/> Schriftenwechſel zwiſchen Reichstag und Krone führen dürfte.<lb/> Möglich auch, daß die Krone von der Auffaſſung ausgehend,<lb/> daß die Situation durch Neuwahlen nicht ſchlechter werden<lb/> könne, das Haus auflöſt. Ja, es fehlt nicht an Stimmen,<lb/> welche ſagen, daß die liberale Partei durch eine kräftige,<lb/> von den Agrariern geſchürte Agitation gegen die Zolltrennung<lb/> vielleicht bei Neuwahlen gewinnen könnte.</p><lb/> <p>Auf jeden Fall wird Oeſterreich in kurzer Zeit das<lb/> wirtſchaftliche Verhältnis zu Ungarn ins Reine bringen<lb/> müſſen. Im Herbſte iſt der äußerſte Termin für die parla-<lb/> mentariſche Annahme der neuen Handelsverträge. Bis dahin<lb/> ſoll es ſich entſchieden haben, ob die Zollſchranken zwiſchen<lb/> Cis- und Transleithanien ſchon jetzt erſtehen ſollen oder<lb/> nicht. Mit dem „wirtſchaftlichen“ Ausgleich iſt aber die<lb/> Quotenfrage eng verknüpft. Zu dieſer Frage äußert ſich in<lb/> der „N. F. P.“ ein hervorragender Staatsmann, wie folgt:</p><lb/> <p>„Wenn das bloße Wechſelſeitigkeitsverhältnis aufrecht-<lb/> erhalten würde, ſo müßte wie jetzt die Quote alljährlich durch<lb/> den Kaiſer feſtgeſetzt werden, da eine Vereinbarung über die</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Feuilleton.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Ariadne.</hi> </hi> </head><lb/> <byline>Von <hi rendition="#b">Andr<hi rendition="#aq">é</hi> Thenriet.</hi> </byline><lb/> <p>Georges de Sommiere war von Paris in der Abſicht abge-<lb/> reiſt, in Florenz ſeine ſchöne Freundin, Gräfin Olivieri,<lb/> wiederzufinden, mit welcher er ſeit fünf Jahren ein intimes<lb/> Verhältnis hatte. Auf der Reiſe hielt er in Nizza an, um<lb/> ſich von den Strapazen der Fahrt zu erholen und um einige<lb/> Freunde zu beſuchen, welche daſelbſt den Winter zubrachten.<lb/> Sommiere war ein junger Mann von dreißig Jahren,<lb/> elegant, reich, ein liebenswürdiger Geſellſchafter, ein Lebe-<lb/> mann, mit einiger romantiſchen Ueberſpanntheit, die ihm noch<lb/> um einen Reiz mehr verlieh in einer Zeit, in welcher der<lb/> Enthuſiasmus eine immer ſeltenere Waare wird. Man fetierte<lb/> ihn in Nizza ſehr und er ließ es gewähren. Auf dem Punkte,<lb/> die nahezu eheliche Feſſel wieder auf ſich zu nehmen, die ihn<lb/> ſo lange mit Gräfin Olivieri verband, war er gar nicht böſe<lb/> darüber, einige Tage ungebunder Freiheit zu genießen und<lb/> ſich während derſelben einzubilden, daß er ſich der vollkommenen<lb/> Ungebundenheit eines Junggeſellen erfreue.</p><lb/> <p>Er hatte unzweifelhaft noch eine lebhafte Zärtlichkeit für<lb/> die Gräfin Olivieri, allein ſeine Liebe, die eine große Leiden-<lb/> ſchaft geweſen, trat nun in jene Periode der Abdämpfung ein,<lb/> in welcher die Anweſenheit weniger als eine ſchmerzliche Ent-<lb/> behrung, denn als eine Ruhepauſe erſcheint. Gräfin Olivieri<lb/> war eine blonde Venezianerin mit ſchwarzen Augen, ge-<lb/> ſchmeidig und doch üppig, gebieteriſch und leidenſchaftlich, eine<lb/> jener Frauen, von welchen man ſagt, daß ſie himmliſche<lb/> Augenblicke und böſe Viertelſtunden haben. Körperlich und<lb/> geiſtig übte ſie einen beſtrickenden Zauber aus, allein der<lb/> berauſchende Liebesduft, der von ihr ausging, glich dem<lb/> ſchweren Aroma mancher exotiſcher Blumen, welche Den-<lb/> jenigen, der ihren Duft zu lange einatmet, zu Kopfe ſteigen<lb/> und ihn ermüden. Fern von ihr empfand Sommiere eine<lb/> geheime Erleichterung, allein wenn er ſie wieder ſah, begann<lb/> der Zauber wieder zu wirken. Sie hatte ſeinen Leib und ſeine<lb/> Seele in ihre Feſſeln geſchlagen; Thereſa hatte ihm ein<lb/> Zaubermittel in die Adern gegoſſen, das in der Ferne nicht<lb/><cb/> wirkte, das aber Georges zu ihrem Sklaven machte, ſo wie<lb/> ſeine Augen denjenigen der Zauberin begegnete.</p><lb/> <p>Während ſich Sommiere in Nizza aufhielt, führten ihn<lb/> ſeine Freunde zu einer <hi rendition="#aq">garden-party,</hi> welche ein Amerikaner<lb/> in einer jener herrlichen Villen gab, deren Gärten ſich vom<lb/> Gebirge bis ans Meer, zwiſchen Wäldern von Zitronen-<lb/> bäumen und herrlichen Roſenlauben hinziehen. Unſichtbar<lb/> hinter Azaleenbüſchen ſpielte eine Zigeunerbande feurige<lb/> Csardaſe. Die Luft vibrierte von Muſikklängen und war<lb/> von ſüßen Frühlingsdüften geſchwängert; zwiſchen der<lb/> Wölbung der Roſenlauben erblickte man einen tiefblauen<lb/> Himmel und dort unten, hinter dem üppigen Grün leuchtete<lb/> das Meer im blauen Schimmer des Saphirs. In einer dieſer<lb/> blühenden Alleen war es, daß Georges de Sommiere einer<lb/> jungen, zarten, weißen Frau mit Veilchenaugen begegnete, mit<lb/> wundervollem, kaſtanienbraunem Haar, das in einem ſchweren<lb/> Knoten auf ihren Nacken herabfiel. Sie machte gleich beim<lb/> erſten Augenblicke einen ſehr lebhaften Eindruck auf ihn. Ein<lb/> ſüßer poetiſcher Hauch umſchwebte ſie. Ihre großen Augen<lb/> waren aufrichtig, vertrauensvoll und rein, wie diejenigen eines<lb/> Kindes. Sie glich einer jener Lilien, die im Gebirge in der<lb/> Nähe von Gletſchern wachſen, deren ſüße Anmut und reines<lb/> Weiß etwas ſo Jungfräuliches an ſich haben, daß man zaudert,<lb/> ſie zu pflücken.</p><lb/> <p>Auf das Erſuchen Sommiere’s ſtellte man ihn der jungen<lb/> Dame vor, die eine Griechin von Geburt war und Helene<lb/> Michalis hieß. Er ging den ganzen Nachmittag nicht von<lb/> ihrer Seite, indem er von jener Freiheit des Flirtens<lb/> Gebrauch machte, welche in der kosmopolitiſchen Geſellſchaft<lb/> der Azurküſte ſo unbeſchränkt herrſcht. Wenn Georges wollte,<lb/> war er ein verführeriſcher Cauſeur und diesmal legte er ſeine<lb/> ganze Seele in ſeine Plauderei. Die junge Dame unterlag<lb/> dem Zauber dieſes geiſtvollen und enthuſiaſtiſchen jungen<lb/> Mannes. Mit der Aufrichtigkeit, welche den Grund ihres<lb/> Charakters bildete, ließ ſie ihn das merken und öffnete ihm<lb/> ihre reine Seele. Als ſie ſich trennten, waren ſie bereits<lb/> Freunde. Sommiere erbat ſich die Erlaubnis, Madame<lb/> Michaelis zu beſuchen und ſie teilte ihm mit, daß ſie von<lb/> fünf bis ſieben immer zuhauſe ſei. Er beſuchte ſie am nächſten<lb/> und an den folgenden Tagen; er dachte nicht mehr daran,<lb/> daß man ihn in Florenz erwarte. Tereſa Olivieri ſchien in<lb/> einem fernen Nebel zu verſchwimmen. Georges dachte nur<lb/><cb/> noch an dieſe zarte byzantiniſche Jungfrau mit den reinen<lb/> und milden Augen, der er unter den Roſenlauben von<lb/> Beaulieu begegnet war. Er ſprach nicht von Liebe zu ihr,<lb/> aber er legte eine ſo ſchmelzende Zärtlichkeit in ſeine Stimme,<lb/> in ſeine Blicke, daß Helene Michalis ſich darüber täuſchen<lb/> konnte und daß ſie ſich ſelbſt durch dieſe Zärtlichkeit in ihrem<lb/> inneren Weſen getroffen fühlte.</p><lb/> <p>Bei jedem Beſuche empfing ſie Sommiere mit einem<lb/> innigeren Händedrucke. Eines Abends, als ſie ihm dankte,<lb/> daß er gekommen ſei, und ihm ſagte, wie gerührt ſie von<lb/> ſeinen ſympathiſchen Aufmerkſamkeiten ſei, vermochte Georges<lb/> nicht mehr an ſich zu halten. Er zog die junge Frau an ſich,<lb/> drückte ſie an ſeine Bruſt, indem er ihr geſtand, daß er ſie<lb/> anbete, daß ſie allein es ſei, die ihn begreifen gemacht habe,<lb/> was wahre Liebe ſei und daß er ſich glücklich ſchätzen würde,<lb/> ihr ſein Leben zu weihen.</p><lb/> <p>Mit der impulſiven Bewegung eines ſchmeichelnden<lb/> Kindes ließ Helene ihren Kopf auf Georges’ Schulter ſinken<lb/> und entgegnete lebhaft bewegt:</p><lb/> <p>— Auch ich habe mich vom erſten Tage an zu Ihnen<lb/> hingezogen gefühlt und ich würde nichts Beſſeres verlangen,<lb/> als Ihnen anzugehören. Aber ich bin leider nicht frei. Ich<lb/> bin in Rumänien an einen Mann verheiratet, den ich ver-<lb/> abſcheue und von dem ich getrennt lebe.</p><lb/> <p>— Und können Sie nicht die Scheidung erwirken?</p><lb/> <p>— Das hat mir immer widerſtrebt, wegen meiner<lb/> Familie, welche den Skandal eines Prozeſſes fürchtet.</p><lb/> <p>— Es iſt ſchlecht im Leben eingerichtet, ſeufzte Sommiere;<lb/> warum haben wir uns nicht vor fünf Jahren kennen<lb/> gelernt?</p><lb/> <p>Und da ihn die Offenherzigkeit von Madame Michalis<lb/> ebenfalls vertrauensvoll geſtimmt hatte, geſtand er ihr ſein<lb/> Verhältnis mit der Gräfin Olivieri.</p><lb/> <p>— Sie ſehen, ſagte er am Schluſſe, auch ich bin<lb/> ſozuſagen verheiratet, allein obwohl es mir ſehr ſchwer fällt,<lb/> einer alten Freundin Kummer zu bereiten, die mich noch liebt,<lb/> werde ich keinen Augenblick zögern, mit ihr zu brechen, da ich<lb/> von jetzt ab nur Sie lieben kann.</p><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c">(Schluß folgt.)</hi> </ref> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
Redaktion: Rathausſtraße 16.
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verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
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pelgaſſe 8) erhältlich. In Wien
im Zeitungsburean Goldſchmidt,
Wollzeile 11.
Einzelexemplare
8 Heller für Czernowitz.
Nr. 379. Czernowitz, Dienſtag, den 4. April 1905.
Ueberſicht.
Die Vorgänge in Rußland.
Im Stadttheater zu Saratow kommt es zu großen Lärm-
ſzenen. — In Riga kommt es zu einem wilden Kampfe zwiſchen
Koſaken und Streikenden. — Auf den Polizeikommiſſär von
Lodz wird ein Attentat verübt.
Der Krieg.
Die Mobilmachung der zweiten Gardeinfanterie-Diviſion
gilt als beſchloſſene Sache.
Letzte Telegramme.
Die ungariſche Oppoſition lehnte einen neuerlichen Kom-
promißantrag ab. — Zwiſchen Sozialiſten und Soldaten kommt
es in Warſchau zu einem blutigen Zuſammenſtoß. — In Süd-
rußland zirkulieren Aufrufe gegen Juden, Polen und Armenier. —
In Lodz ſchießen die Truppen auf ein Volksmeeting.
Die Kriſe dauert fort.
Czernowitz, 3. April 1905.
Der Beſchluß des leitenden Komitees der koalierten
Oppoſition hat alle Hoffnungen, die ſich an den nach ſo
langen und von ſo vielen Zwiſchenfällen unterbrochenen Be-
ratungen zuſtandegebrachten Kompromißvorſchlag knüpften,
zunichte gemacht. Die Kriſe in Ungarn iſt auf demſelben
Punkte angelangt, von dem ſie ausgegangen iſt, und unver-
richteter Dinge wird der Kaiſer Budapeſt verlaſſen. Durch
welche Umſtände der Beſchluß des Exekutivkomitees veranlaßt
wurde, darüber gehen die Meinungen auseinander. Nach
einer Verſion ſoll er ſich bloß gegen die Perſon des Mittlers,
gegen Lukacz wenden, den die Oppoſition als ein noch im
Amte befindliches Mitglied des Kabinetts Tisza ablehnt,
nach einer anderen will die Oppoſition es auf eine äußerſte
Kraftprobe ankommen laſſen, welche die Krone darüber
belehren ſoll, daß es mit der Gleichſtellung zwiſchen ihren
Wünſchen und denen der parlamentariſchen Majorität
vorüber ſei.
Die Klippe, woran die Annahme des Kompromißvor-
ſchlages geſcheitert iſt, dürfte aber in den militäriſchen
Forderungen zu ſuchen ſein. Das Angebot, welches die Krone
den vereinigten Parteien machte, hatte auf den erſten Blick
viel Verlockendes. Für zwei Jahre ſollten die militäriſchen
Fragen ausgeſchaltet werden. Die Oppoſition hätte dabei
auf nichts verzichtet. Die Annahme des normalen Budgets
und Rekrutenkontingents konnte doch unmöglich als „Ent-
ſagung“ angeſehen werden. Die Hinausſchiebung des ent-
ſcheidenden Kampfes um die Nationaliſierung der ungariſchen
Truppen käme noch weniger einer Rechtseinbuſſe gleich, da
die Verwirklichung des ungariſchen Heeresbefehls bei dem
Mangel an magyariſch ſprechenden Offizieren ohnehin zur
Zeit undenkbar wäre. Darin aber ſchaffen die nächſten Jahre
inſofern Wandel, als ſeit dem vorigen Jahre über
1000 Stiftungsplätze für magyariſche Zöglinge an den
Militärbildungsanſtalten errichtet wurden. Nach Ablauf der
Warteperiode wäre alſo der Stab der brauchbaren Offiziere
weſentlich erweitert. Nichtsdeſtoweniger ſtellt ſich die Oppoſition
auf den Standpunkt, daß Gabe und Gegengabe nicht gleich-
wertig ſeien.
„Die vorgeſchlagene Löſung“, ſagt Abg. Dr. Bakonyi,
eines der hervorragendſten Mitglieder der intranſingenten
Gruppe, zu einem Interviewer, die Ausſchaltung der
Sprachenfrage gegen eine Stundung der Flüſſigmachung des
von den Delegationen beſtimmten, aber vom Parlamente noch
nicht votierten Kredits auf zwei Jahre zu gewähren, kann
nicht eine geeignete Rektifikation genannt werden. Dieſe Ver-
ſchiebung der Fälligkeit des Kredits iſt noch eine illuſoriſche.
Ein namhafter Teil dieſes Betrages, an hundert Millionen,
iſt ſchon verausgabt, für einen weiteren großen Teil ſind
bereits die Beſtellungen gemacht, und es wäre das prak-
tiſche Reſultat der ganzen finanziellen Aktion
lediglich jenes, daß die Gläubiger des Staates
ein zweijähriges Moratorium gewähren
würden, wofür wir durch die Ratifikation des Kom-
promiſſes gewiſſermaßen die feierliche Garantie über-
nehmen würden. Denn darüber, daß die für die In-
veſtitionen erforderlichen Beiträge früher oder ſpäter gezahlt
werden müſſen, herrſcht kein Zweifel und ebenſowenig iſt es
für jeden von uns, welcher Partei er immer angehört und
der ſich ernſtlich mit militäriſchen Fragen beſchäftigt, zweifel-
haft, daß die erforderlichen Inveſtitionen in der Tat gemacht
werden müſſen, da namentlich unſere Artillerie unabwendbar
einer Umgeſtaltung, wenn nicht einer Neugeſtaltung bedarf,
und ſo können wir uns unmöglich dem Vorwurfe ausſetzen
daß wir der Ausbildung unſerer Mehrkraft hindernd Weg
geſtanden wären. Dieſe Zurückſtellung des Fälligkeitstermins
der unvermeidlichen Ausgaben allein kann uns ſomit für
das Ausſchalten unſerer nationalen Forderungen in ſprach-
licher Hinſicht keineswegs als eine Kompenſation gelten“
„Was wird nun werden“, fragt man ſich in Cis
und Trans. Der Reichstag wird morgen zuſammentreten,
und entgegen dem bei Verhandlungen geübten Modus, für
die Dauer derſelben alles auszuſchalten, was die Herbei-
führung einer Einigung erſchweren könnte, wird in die
Adreßdebatte eingegangen werden, die zu einem recht artigen
Schriftenwechſel zwiſchen Reichstag und Krone führen dürfte.
Möglich auch, daß die Krone von der Auffaſſung ausgehend,
daß die Situation durch Neuwahlen nicht ſchlechter werden
könne, das Haus auflöſt. Ja, es fehlt nicht an Stimmen,
welche ſagen, daß die liberale Partei durch eine kräftige,
von den Agrariern geſchürte Agitation gegen die Zolltrennung
vielleicht bei Neuwahlen gewinnen könnte.
Auf jeden Fall wird Oeſterreich in kurzer Zeit das
wirtſchaftliche Verhältnis zu Ungarn ins Reine bringen
müſſen. Im Herbſte iſt der äußerſte Termin für die parla-
mentariſche Annahme der neuen Handelsverträge. Bis dahin
ſoll es ſich entſchieden haben, ob die Zollſchranken zwiſchen
Cis- und Transleithanien ſchon jetzt erſtehen ſollen oder
nicht. Mit dem „wirtſchaftlichen“ Ausgleich iſt aber die
Quotenfrage eng verknüpft. Zu dieſer Frage äußert ſich in
der „N. F. P.“ ein hervorragender Staatsmann, wie folgt:
„Wenn das bloße Wechſelſeitigkeitsverhältnis aufrecht-
erhalten würde, ſo müßte wie jetzt die Quote alljährlich durch
den Kaiſer feſtgeſetzt werden, da eine Vereinbarung über die
Feuilleton.
Ariadne.
Von André Thenriet.
Georges de Sommiere war von Paris in der Abſicht abge-
reiſt, in Florenz ſeine ſchöne Freundin, Gräfin Olivieri,
wiederzufinden, mit welcher er ſeit fünf Jahren ein intimes
Verhältnis hatte. Auf der Reiſe hielt er in Nizza an, um
ſich von den Strapazen der Fahrt zu erholen und um einige
Freunde zu beſuchen, welche daſelbſt den Winter zubrachten.
Sommiere war ein junger Mann von dreißig Jahren,
elegant, reich, ein liebenswürdiger Geſellſchafter, ein Lebe-
mann, mit einiger romantiſchen Ueberſpanntheit, die ihm noch
um einen Reiz mehr verlieh in einer Zeit, in welcher der
Enthuſiasmus eine immer ſeltenere Waare wird. Man fetierte
ihn in Nizza ſehr und er ließ es gewähren. Auf dem Punkte,
die nahezu eheliche Feſſel wieder auf ſich zu nehmen, die ihn
ſo lange mit Gräfin Olivieri verband, war er gar nicht böſe
darüber, einige Tage ungebunder Freiheit zu genießen und
ſich während derſelben einzubilden, daß er ſich der vollkommenen
Ungebundenheit eines Junggeſellen erfreue.
Er hatte unzweifelhaft noch eine lebhafte Zärtlichkeit für
die Gräfin Olivieri, allein ſeine Liebe, die eine große Leiden-
ſchaft geweſen, trat nun in jene Periode der Abdämpfung ein,
in welcher die Anweſenheit weniger als eine ſchmerzliche Ent-
behrung, denn als eine Ruhepauſe erſcheint. Gräfin Olivieri
war eine blonde Venezianerin mit ſchwarzen Augen, ge-
ſchmeidig und doch üppig, gebieteriſch und leidenſchaftlich, eine
jener Frauen, von welchen man ſagt, daß ſie himmliſche
Augenblicke und böſe Viertelſtunden haben. Körperlich und
geiſtig übte ſie einen beſtrickenden Zauber aus, allein der
berauſchende Liebesduft, der von ihr ausging, glich dem
ſchweren Aroma mancher exotiſcher Blumen, welche Den-
jenigen, der ihren Duft zu lange einatmet, zu Kopfe ſteigen
und ihn ermüden. Fern von ihr empfand Sommiere eine
geheime Erleichterung, allein wenn er ſie wieder ſah, begann
der Zauber wieder zu wirken. Sie hatte ſeinen Leib und ſeine
Seele in ihre Feſſeln geſchlagen; Thereſa hatte ihm ein
Zaubermittel in die Adern gegoſſen, das in der Ferne nicht
wirkte, das aber Georges zu ihrem Sklaven machte, ſo wie
ſeine Augen denjenigen der Zauberin begegnete.
Während ſich Sommiere in Nizza aufhielt, führten ihn
ſeine Freunde zu einer garden-party, welche ein Amerikaner
in einer jener herrlichen Villen gab, deren Gärten ſich vom
Gebirge bis ans Meer, zwiſchen Wäldern von Zitronen-
bäumen und herrlichen Roſenlauben hinziehen. Unſichtbar
hinter Azaleenbüſchen ſpielte eine Zigeunerbande feurige
Csardaſe. Die Luft vibrierte von Muſikklängen und war
von ſüßen Frühlingsdüften geſchwängert; zwiſchen der
Wölbung der Roſenlauben erblickte man einen tiefblauen
Himmel und dort unten, hinter dem üppigen Grün leuchtete
das Meer im blauen Schimmer des Saphirs. In einer dieſer
blühenden Alleen war es, daß Georges de Sommiere einer
jungen, zarten, weißen Frau mit Veilchenaugen begegnete, mit
wundervollem, kaſtanienbraunem Haar, das in einem ſchweren
Knoten auf ihren Nacken herabfiel. Sie machte gleich beim
erſten Augenblicke einen ſehr lebhaften Eindruck auf ihn. Ein
ſüßer poetiſcher Hauch umſchwebte ſie. Ihre großen Augen
waren aufrichtig, vertrauensvoll und rein, wie diejenigen eines
Kindes. Sie glich einer jener Lilien, die im Gebirge in der
Nähe von Gletſchern wachſen, deren ſüße Anmut und reines
Weiß etwas ſo Jungfräuliches an ſich haben, daß man zaudert,
ſie zu pflücken.
Auf das Erſuchen Sommiere’s ſtellte man ihn der jungen
Dame vor, die eine Griechin von Geburt war und Helene
Michalis hieß. Er ging den ganzen Nachmittag nicht von
ihrer Seite, indem er von jener Freiheit des Flirtens
Gebrauch machte, welche in der kosmopolitiſchen Geſellſchaft
der Azurküſte ſo unbeſchränkt herrſcht. Wenn Georges wollte,
war er ein verführeriſcher Cauſeur und diesmal legte er ſeine
ganze Seele in ſeine Plauderei. Die junge Dame unterlag
dem Zauber dieſes geiſtvollen und enthuſiaſtiſchen jungen
Mannes. Mit der Aufrichtigkeit, welche den Grund ihres
Charakters bildete, ließ ſie ihn das merken und öffnete ihm
ihre reine Seele. Als ſie ſich trennten, waren ſie bereits
Freunde. Sommiere erbat ſich die Erlaubnis, Madame
Michaelis zu beſuchen und ſie teilte ihm mit, daß ſie von
fünf bis ſieben immer zuhauſe ſei. Er beſuchte ſie am nächſten
und an den folgenden Tagen; er dachte nicht mehr daran,
daß man ihn in Florenz erwarte. Tereſa Olivieri ſchien in
einem fernen Nebel zu verſchwimmen. Georges dachte nur
noch an dieſe zarte byzantiniſche Jungfrau mit den reinen
und milden Augen, der er unter den Roſenlauben von
Beaulieu begegnet war. Er ſprach nicht von Liebe zu ihr,
aber er legte eine ſo ſchmelzende Zärtlichkeit in ſeine Stimme,
in ſeine Blicke, daß Helene Michalis ſich darüber täuſchen
konnte und daß ſie ſich ſelbſt durch dieſe Zärtlichkeit in ihrem
inneren Weſen getroffen fühlte.
Bei jedem Beſuche empfing ſie Sommiere mit einem
innigeren Händedrucke. Eines Abends, als ſie ihm dankte,
daß er gekommen ſei, und ihm ſagte, wie gerührt ſie von
ſeinen ſympathiſchen Aufmerkſamkeiten ſei, vermochte Georges
nicht mehr an ſich zu halten. Er zog die junge Frau an ſich,
drückte ſie an ſeine Bruſt, indem er ihr geſtand, daß er ſie
anbete, daß ſie allein es ſei, die ihn begreifen gemacht habe,
was wahre Liebe ſei und daß er ſich glücklich ſchätzen würde,
ihr ſein Leben zu weihen.
Mit der impulſiven Bewegung eines ſchmeichelnden
Kindes ließ Helene ihren Kopf auf Georges’ Schulter ſinken
und entgegnete lebhaft bewegt:
— Auch ich habe mich vom erſten Tage an zu Ihnen
hingezogen gefühlt und ich würde nichts Beſſeres verlangen,
als Ihnen anzugehören. Aber ich bin leider nicht frei. Ich
bin in Rumänien an einen Mann verheiratet, den ich ver-
abſcheue und von dem ich getrennt lebe.
— Und können Sie nicht die Scheidung erwirken?
— Das hat mir immer widerſtrebt, wegen meiner
Familie, welche den Skandal eines Prozeſſes fürchtet.
— Es iſt ſchlecht im Leben eingerichtet, ſeufzte Sommiere;
warum haben wir uns nicht vor fünf Jahren kennen
gelernt?
Und da ihn die Offenherzigkeit von Madame Michalis
ebenfalls vertrauensvoll geſtimmt hatte, geſtand er ihr ſein
Verhältnis mit der Gräfin Olivieri.
— Sie ſehen, ſagte er am Schluſſe, auch ich bin
ſozuſagen verheiratet, allein obwohl es mir ſehr ſchwer fällt,
einer alten Freundin Kummer zu bereiten, die mich noch liebt,
werde ich keinen Augenblick zögern, mit ihr zu brechen, da ich
von jetzt ab nur Sie lieben kann.
(Schluß folgt.)
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Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
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