Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 421, Czernowitz, 25.05.1905.[Spaltenumbruch]
Redaktion: Rathausstraße 16. Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz Für Deutschland: Für Rumänien und den Balkan: Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigungen: Einzelexemplare Nr. 421. Czernowitz, Donnerstag, den 25. Mai 1905. [Spaltenumbruch] Uebersicht. Der Krieg. Die Japaner sollen mehrere russische Offiziere gefangen Bunte Chronik. Der Streik der Chicagoer Fuhrleute ist von Neuem aus- Letzte Telegramme. Die Audienz des Grafen Andrassy beim Kaiser ist neuer- Zur Landtagskrise. Czernowitz, 24. Mai 1905. Heute veröffentlichen die ehemals "freisinnigen" In derselben Nummer des "Lloyd" versichert Inzwischen behauptet der "freisinnige Verband", Sympathisch ist der neue Städteklub, in [Spaltenumbruch] In der Bankfrage ist nichts Neues zu Vom Abg. Nikolaj v. Wassilko wird eine Montag, den 29. d. M. soll im Rathaussaale Die Mission Burians. Czernowitz, 24. Mai 1905. Die Mission, die Kaiser Franz Josef dem Reichsfinanz- Und was jetzt der Kaiser durch seinen Vertrauensmann Feuilleton. Um hohen Preis. Historische Erzählung aus dem 17. Jahrhundert (Schluß.) Fest und ruhig war sein Blick auf die Richtertribünen Jetzt zeigte der große Zeiger der Turmuhr auf voll. Rastlos, unaufhaltsam stürmte es vorwärts. Keines An- Mit sichtlicher Genugtuung verfolgte Graf Limpurg den Sorglos, mit dem rechtlichen Edelsinn des echten Kavaliers Nur noch zwei Meilen ist er von seinem Ziele entfernt. Während sich diese Vorgänge in Wiener-Neustadt und Es war die Tochter des Generals van der Vehlen, die Die Turmuhr von St. Stephan hub aus zum Schlage. Mit einem gewaltsam unterdrückten Schluchzen sprang [Spaltenumbruch]
Redaktion: Rathausſtraße 16. Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz Für Deutſchland: Für Rumänien und den Balkan: Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigungen: Einzelexemplare Nr. 421. Czernowitz, Donnerſtag, den 25. Mai 1905. [Spaltenumbruch] Ueberſicht. Der Krieg. Die Japaner ſollen mehrere ruſſiſche Offiziere gefangen Bunte Chronik. Der Streik der Chicagoer Fuhrleute iſt von Neuem aus- Letzte Telegramme. Die Audienz des Grafen Andraſſy beim Kaiſer iſt neuer- Zur Landtagskriſe. Czernowitz, 24. Mai 1905. Heute veröffentlichen die ehemals „freiſinnigen“ In derſelben Nummer des „Lloyd“ verſichert Inzwiſchen behauptet der „freiſinnige Verband“, Sympathiſch iſt der neue Städteklub, in [Spaltenumbruch] In der Bankfrage iſt nichts Neues zu Vom Abg. Nikolaj v. Waſſilko wird eine Montag, den 29. d. M. ſoll im Rathausſaale Die Miſſion Burians. Czernowitz, 24. Mai 1905. Die Miſſion, die Kaiſer Franz Joſef dem Reichsfinanz- Und was jetzt der Kaiſer durch ſeinen Vertrauensmann Feuilleton. Um hohen Preis. Hiſtoriſche Erzählung aus dem 17. Jahrhundert (Schluß.) Feſt und ruhig war ſein Blick auf die Richtertribünen Jetzt zeigte der große Zeiger der Turmuhr auf voll. Raſtlos, unaufhaltſam ſtürmte es vorwärts. Keines An- Mit ſichtlicher Genugtuung verfolgte Graf Limpurg den Sorglos, mit dem rechtlichen Edelſinn des echten Kavaliers Nur noch zwei Meilen iſt er von ſeinem Ziele entfernt. Während ſich dieſe Vorgänge in Wiener-Neuſtadt und Es war die Tochter des Generals van der Vehlen, die Die Turmuhr von St. Stephan hub aus zum Schlage. 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Ohne uns nun vorläufig in eine<lb/> Diskuſſion über die Nützlichkeit oder Schädlichkeit<lb/> einer rutheniſch-jüdiſch-deutſchen Allianz einlaſſen zu<lb/> wollen, ſei uns nur die Bemerkung geſtattet, daß<lb/> ein <hi rendition="#g">alle</hi> Nationen umfaſſender Verband ein Un-<lb/> ding war, der Torſo eines ſolchen „Verbandes“, dem<lb/> die beiden deutſchnationalen Abgeordneten und die<lb/> Rumänen nicht angehören, iſt eine <hi rendition="#aq">contradictio in<lb/> adjecto.</hi> Nur in dieſem Tohowabohu konnte dieſes<lb/> neue parlamentariſche Gebilde entſtehen, das der<lb/> erſte ſtärkere Lufthauch über den Haufen werfen<lb/> muß. Die Beſtellung des Abg. 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Das edle Tier ſchien zu wiſſen, daß viel, unendlich<lb/> viel, von ſeiner Kraft, von ſeiner Schnelligkeit und Ausdauer<lb/> abhänge. Mit geblähten Nüſtern kämpfte es, erſt auf dem<lb/> freien Felde angelangt, gegen die Gewalt des Windes, der,<lb/> ſich ihm in die Seite legend, es mit Gewalt vom Wege ab-<lb/> zubringen bemühte. Wirbelnd flog der glitzernde Schnee, von<lb/> den flüchtigen Hufen des Renners emporgeſchleudert, in die<lb/> Luft, um ſich hier mit dem tollen Reigen der fallenden Flocken<lb/> zu vereinen.</p><lb/> <p>Mit ſichtlicher Genugtuung verfolgte Graf Limpurg den<lb/> Lauf ſeines Pferdes. Feſt hatte er ſich den weiten Kaiſer-<lb/><cb/> mantel um den Körper gezogen und ſich tief auf den Hals<lb/> ſeines Tieres niedergebeugt. Der eiſige Wind ſchien ihm das<lb/> Geſicht zerſchneiden zu wollen. Knappe fünfundzwanzig Minuten<lb/> währte der Ritt erſt und doch liegt ein Drittel des Weges<lb/> bereits hinter ihm. Trotz Schnee und Eis blitzen die Augen<lb/> des Grafen freudig über die weiße Fläche. Noch zeigt ſein<lb/> braves Tier nicht die geringſten Spuren von Ermüdung. Noch<lb/> jagt es in unvermindertem Tempo über die verwehte Straße,<lb/> ohne Anruf, ohne Sporn. Dort jener Stamm, Graf Limpurg<lb/> weiß es genau, das iſt die Hälfte des Weges. Gigantiſch,<lb/> nebelhaft verſchwommen durch den Schleier der fallenden,<lb/> tollenden Flocken, reckt er ſeine kahlen Aeſte gen Himmel empor;<lb/> näher und näher. Jetzt iſt er erreicht. Graf Limpurg zieht<lb/> ſeine Uhr. Einundvierzig Minuten nach neun zeigt dieſelbe,<lb/> und ein Gefühl froher Zuverſicht, ſtolzer Freude durchzieht<lb/> ſeine Bruſt, leuchtet aus den blauen Augen. Ueber elf Minuten<lb/> gewonnen jubelt es in ſeinem Innern. Wenn es ſo weiter<lb/> geht, dann habe ich geſiegt. Mit Gewalt muß er ſein edles<lb/> Tier halten, um es einige Augenblicke verſchnaufen zu laſſen;<lb/> dann gibt er ihm die Zügel, und weiter geht es, mit dem<lb/> Sturmwinde um die Wette.</p><lb/> <p>Sorglos, mit dem rechtlichen Edelſinn des echten Kavaliers<lb/> jagt Graf Limpurg dahin. Er denkt nicht im entfernteſten<lb/> daran, daß ſein Gegner den glühenden Wunſch hegen kann,<lb/> die Wette zu gewinnen; daß ſich ihm menſchliche Tücke<lb/> hindernd in den Weg ſtellen könne.</p><lb/> <p>Nur noch zwei Meilen iſt er von ſeinem Ziele entfernt.<lb/> An der einen Seite des Weges zieht ſich ein dichtes Gehölz<lb/> hin. Vor ihm liegt der Wiener Berg, der, weil ziemlich ſteil,<lb/> die ſchwierigſte Stelle des Weges bildet. Da plötzlich kracht<lb/> es zu ſeiner Linken raſch hintereinander einige Male auf.<lb/> Sein edles Tier fährt erſchrocken zuſammen, ſchlägt wild mit<lb/> den Hufen um ſich und jagt dann in wahnſinniger Karriere<lb/><cb/> querfeldein, ſtatt nach Norden nach Weſten, davon, keinem<lb/> Drucke des Zügels gehorchend.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Während ſich dieſe Vorgänge in Wiener-Neuſtadt und<lb/> auf der Heerſtraße nach Wien zutrug, ſaß in einem traulich<lb/> eingerichteten, eleganten Boudoir ein blaſſes, junges Mädchen<lb/> und blickte mit tränenumflorten Augen hinaus in das wilde<lb/> Schneegeſtöber.</p><lb/> <p>Es war die Tochter des Generals van der Vehlen, die<lb/> Braut des Grafen von Limpurg-Styrum, die mit ſorgendem<lb/> Gedankengange ihren Verlobten auf ſeinem Ritte begleitete.<lb/> Wie mochte dieſelbe ablaufen? Würde der Mann ihres Herzens<lb/> ſiegreich aus dem Kampfe hervorgehen oder würde ſie verdammt<lb/> werden, ihren Traum von Glück und Liebe in unendlich langen<lb/> Jahren weiter zu träumen, um vielleicht nicht die Erfüllung<lb/> desſelben zu erreichen? Unendlich qualvoll krampfte ſich ihr<lb/> Herz bei ſolchen Gedanken zuſammen. Wohl hatte ſie, als<lb/> echtes Soldatenkind, ſich mit der Handlungsweiſe ihres<lb/> Bräutigams vollkommen einverſtanden erklärt. Es galt ja<lb/> nicht allein ſein Wort, das Wort eines Kavaliers, ſondern<lb/> auch die Ehre der geſamten deutſchen Reiterei, die zu ver-<lb/> teidigen er mit hohem Sinne übernommen hatte, ohne zu ge-<lb/> wärtigen, daß ihm juſt dieſer Edelſinn zum Fallſtrick gedreht<lb/> werden ſollte.</p><lb/> <p>Die Turmuhr von St. Stephan hub aus zum Schlage.<lb/> Aufmerkſam lauſchend neigte das junge Mädchen das Haupt<lb/> zur Seite. Zehn dumpfe Schläge hallten durch die Luft. Noch<lb/> fünfundvierzig qualvolle, lange Minuten. Wo mochte er ſein?<lb/> Fegten nicht vielleicht jetzt ſchon der Sturmwind, die Schnee-<lb/> wolken über ſein geſtürztes Pferd, womöglich über beide, Roß<lb/> und Reiter?</p><lb/> <p>Mit einem gewaltſam unterdrückten Schluchzen ſprang<lb/> ſie empor. Sie konnte es nicht länger mehr ertragen in</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
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Nr. 421. Czernowitz, Donnerſtag, den 25. Mai 1905.
Ueberſicht.
Der Krieg.
Die Japaner ſollen mehrere ruſſiſche Offiziere gefangen
haben. — Admiral Birilew wurde zum Chef der Flotte des
Stillen Oceans ernannt.
Bunte Chronik.
Der Streik der Chicagoer Fuhrleute iſt von Neuem aus-
gebrochen.
Letzte Telegramme.
Die Audienz des Grafen Andraſſy beim Kaiſer iſt neuer-
dings reſultatlos verlaufen. — Koſſuth bringt einen Antrag auf
Ausarbeitung eines ungariſchen Zolltarifs ein. — Dr. Porzer
wurde zum zweiten Vizebürgermeiſter von Wien gewählt.
Zur Landtagskriſe.
Czernowitz, 24. Mai 1905.
Heute veröffentlichen die ehemals „freiſinnigen“
fünf Rumänen, denen ſich die zwei deutſchen Abge-
ordneten Wiedmann und Landwehr angeſchloſſen
haben, eine „Gegenerklärung“, in der ſie die Gründe
ihres Austritts aus dem „freiſinnigen Verbande“
darlegen. Dieſe Gründe decken ſich im Großen und
Ganzen mit den in unſerer vorgeſtrigen Nummer
dargelegten Informationen. Sie gipfeln darin, daß
die Rumänen das drohende rutheniſche Uebergewicht
fürchteten. Wenn dies wahr iſt, ſo trägt — es
wurde in dieſem Blatte bereits dargelegt — nur
Herr Aurel v. Onciul die Schuld, und ein ver-
nichtender Beweis für die Ungeſchicklichkeit, die er
beging, iſt wohl der, daß er gerade in dem
Momente, da er ſich ſeines Rumänentums erinnert,
den Vorwurf der Selbſtſucht mit in den Kauf
nehmen muß. Weshalb hat ſich Herr v. Onciul
nicht ſchon im vorigen Jahre und vor zwei Jahren
an ſein Rumänentum erinnert?
In derſelben Nummer des „Lloyd“ verſichert
Herr v. Onciul, daß der „freiſinnige Verband“
ſeinen Zweck bereits erfüllt habe. Darüber ernſtlich
zu ſtreiten, iſt ſchon deswegen überflüſſig, weil dieſer
„Zweck“ ſtets durch einen dichten Nebelſchleier ver-
hüllt war.
Inzwiſchen behauptet der „freiſinnige Verband“,
dem auch der Abgeordnete Dr. Weidenfeld
unter allerlei Vorbehalten beigetreten iſt, noch weiter
zu beſtehen. Außer den ſechs Ruthenen, die allein
in dem Verbande über die Majorität verfügen,
gehören demſelben nunmehr noch die drei jüdiſchen Ab-
geordneten und die Abgeordneten Langenhan
und Skedl an. Erſterer wurde ſogar zum Ob-
manne des „Verbandes“ gewählt und Dr. Straucher
zum zweiten Obmannſtellvertreter. Damit ſoll die
Fiktion aufrechterhalten werden, als ob es ſich nicht
um einen durch fünf Nichtruthenen verſtärkten
Ruthenenklub, ſondern um einen wirklichen „Ver-
band“ handle. Ohne uns nun vorläufig in eine
Diskuſſion über die Nützlichkeit oder Schädlichkeit
einer rutheniſch-jüdiſch-deutſchen Allianz einlaſſen zu
wollen, ſei uns nur die Bemerkung geſtattet, daß
ein alle Nationen umfaſſender Verband ein Un-
ding war, der Torſo eines ſolchen „Verbandes“, dem
die beiden deutſchnationalen Abgeordneten und die
Rumänen nicht angehören, iſt eine contradictio in
adjecto. Nur in dieſem Tohowabohu konnte dieſes
neue parlamentariſche Gebilde entſtehen, das der
erſte ſtärkere Lufthauch über den Haufen werfen
muß. Die Beſtellung des Abg. Dr. Weidenfeld,
— der ſich übrigens ſonſt die vernünftige
reservatio ausbedang, daß perſönliche Fragen aus-
geſchaltet werden müſſen — zum ex-offo Vertreter
rumäniſch-nationaler Intereſſen im Verbands-Torſo
iſt ein ſchöner Scherz, rückt aber den ganzen „Ver-
band“ in ein ſonderbares Licht.
Sympathiſch iſt der neue Städteklub, in
welchem Prof. Dr. Skedl zum Obmanne und
Dr. Straucher zum Obmann-Stellvertreter
gewählt wurde, zu begrüßen. Zu wünſchen wäre nur,
daß dieſer Klub nicht blos ein Anhängſel des
Ruthenenklubs bleibe und daß die beiden Abgeordneten
Wiedmann und Landwehr unbeſchadet ihrer
Sympathien für die Rumänen demſelben beitreten.
Dieſer Städteklub könnte, auf ſelbſtändiger Baſis
aufgebaut, eine hochwichtige politiſche Miſſion erfüllen:
die Iſolierſchicht zwiſchen den gegen einander drängen-
den nationalen Intereſſen der Rumänen und Ruthenen
zu bilden.
In der Bankfrage iſt nichts Neues zu
verzeichnen. So viel iſt blos bekannt geworden, daß
die vier Armenopolen ſich in der Frage der „Lebens-
länglichkeit“ der Abſtimmung zu enthalten gedenken,
die konſervativen Großgrundbeſitzer haben noch keine
Beſchlüſſe gefaßt. Es heißt jedoch, daß ſowohl die
Wahl Lupu’s zum ſtändigen Bankpräſidenten,
als auch die Fuſion durchdringen werden. Montag
dürfte die entſcheidende Sitzung ſtattfinden.
Vom Abg. Nikolaj v. Waſſilko wird eine
bezeichnende Aeußerung wiedererzählt, die derſelbe im
volkswirtſchaftlichen Ausſchuſſe machte. Er ſagte: „Ich
kenne überhaupt nur zwei Landesſprachen,
das Rutheniſche und Rumäniſche. Das
Deutſche wird bald auf das Niveau des Polniſchen
in der Bukowina herabſinken.“
Montag, den 29. d. M. ſoll im Rathausſaale
eine von Aurel von Onciul einberufene Volks-
verſammlung mit der Tagesordnung: „Die
Bank“ ſtattfinden.
Die Miſſion Burians.
Czernowitz, 24. Mai 1905.
Die Miſſion, die Kaiſer Franz Joſef dem Reichsfinanz-
miniſter Freiherrn von Burian übertragen, hat bei der
ſonſt ſo ſtarrköpfigen ungariſchen Koalition eine unerwartet
gute Aufnahme gefunden. Die Berichte aus Budapeſt ſprechen
von einem vollſtändigen Dekorationswechſel, der ſeit der An-
weſenheit des Herrn von Burian eingetreten iſt. Noch vor
Kurzem erſchien alles vereiſt und verkruſtet, und nun ſind
beſte Ausſichten auf eine Verſtändigung zwiſchen der Krone
und der ungariſchen Parlamentsmajorität vorhanden. Man
muß es dem Kaiſer laſſen: Er kennt ſeine Magyaren und
weiß ſie zu behandeln. In den vier Monaten, welche die
gegenwärtige Kriſe ſchon andauert, hat der Kaiſer ein Maß
von Langmut, Geduld und Faſſung bewahrt, wie ſie wirklich
nur die Reife des erfahrenen Alters aufzubringen vermag.
Und was jetzt der Kaiſer durch ſeinen Vertrauensmann
von der Koalition fordern ließ, iſt wenig genug. Nichts
Feuilleton.
Um hohen Preis.
Hiſtoriſche Erzählung aus dem 17. Jahrhundert
von Hans Hiſſong.
(Schluß.)
Feſt und ruhig war ſein Blick auf die Richtertribünen
gerichtet.
Jetzt zeigte der große Zeiger der Turmuhr auf voll.
Einige Sekunden ſpäter durchzitterte, halb zerriſſen vom fau-
chenden Winde, der erſte Glockenſchlag der neunten Stunde
die eiſige Luft. Im ſelben Augenblick aber ſank auch ſchon
die rote Fahne in der Hand des einen der Kampfrichter, und
wie ein vom Bogen geſchnellter Pfeil flog das feurige Roß,
als habe es ſelbſt das Zeichen zum Beginne des Kampfes
bemerkt, mit ſeinem Reiter hinein in Sturm und Schnee-
geſtöber, verfolgt von den brauſenden Rufen der Menge.
Raſtlos, unaufhaltſam ſtürmte es vorwärts. Keines An-
ſporns, keiner Aufmunterung bedurfte es von Seiten des
Grafen. Das edle Tier ſchien zu wiſſen, daß viel, unendlich
viel, von ſeiner Kraft, von ſeiner Schnelligkeit und Ausdauer
abhänge. Mit geblähten Nüſtern kämpfte es, erſt auf dem
freien Felde angelangt, gegen die Gewalt des Windes, der,
ſich ihm in die Seite legend, es mit Gewalt vom Wege ab-
zubringen bemühte. Wirbelnd flog der glitzernde Schnee, von
den flüchtigen Hufen des Renners emporgeſchleudert, in die
Luft, um ſich hier mit dem tollen Reigen der fallenden Flocken
zu vereinen.
Mit ſichtlicher Genugtuung verfolgte Graf Limpurg den
Lauf ſeines Pferdes. Feſt hatte er ſich den weiten Kaiſer-
mantel um den Körper gezogen und ſich tief auf den Hals
ſeines Tieres niedergebeugt. Der eiſige Wind ſchien ihm das
Geſicht zerſchneiden zu wollen. Knappe fünfundzwanzig Minuten
währte der Ritt erſt und doch liegt ein Drittel des Weges
bereits hinter ihm. Trotz Schnee und Eis blitzen die Augen
des Grafen freudig über die weiße Fläche. Noch zeigt ſein
braves Tier nicht die geringſten Spuren von Ermüdung. Noch
jagt es in unvermindertem Tempo über die verwehte Straße,
ohne Anruf, ohne Sporn. Dort jener Stamm, Graf Limpurg
weiß es genau, das iſt die Hälfte des Weges. Gigantiſch,
nebelhaft verſchwommen durch den Schleier der fallenden,
tollenden Flocken, reckt er ſeine kahlen Aeſte gen Himmel empor;
näher und näher. Jetzt iſt er erreicht. Graf Limpurg zieht
ſeine Uhr. Einundvierzig Minuten nach neun zeigt dieſelbe,
und ein Gefühl froher Zuverſicht, ſtolzer Freude durchzieht
ſeine Bruſt, leuchtet aus den blauen Augen. Ueber elf Minuten
gewonnen jubelt es in ſeinem Innern. Wenn es ſo weiter
geht, dann habe ich geſiegt. Mit Gewalt muß er ſein edles
Tier halten, um es einige Augenblicke verſchnaufen zu laſſen;
dann gibt er ihm die Zügel, und weiter geht es, mit dem
Sturmwinde um die Wette.
Sorglos, mit dem rechtlichen Edelſinn des echten Kavaliers
jagt Graf Limpurg dahin. Er denkt nicht im entfernteſten
daran, daß ſein Gegner den glühenden Wunſch hegen kann,
die Wette zu gewinnen; daß ſich ihm menſchliche Tücke
hindernd in den Weg ſtellen könne.
Nur noch zwei Meilen iſt er von ſeinem Ziele entfernt.
An der einen Seite des Weges zieht ſich ein dichtes Gehölz
hin. Vor ihm liegt der Wiener Berg, der, weil ziemlich ſteil,
die ſchwierigſte Stelle des Weges bildet. Da plötzlich kracht
es zu ſeiner Linken raſch hintereinander einige Male auf.
Sein edles Tier fährt erſchrocken zuſammen, ſchlägt wild mit
den Hufen um ſich und jagt dann in wahnſinniger Karriere
querfeldein, ſtatt nach Norden nach Weſten, davon, keinem
Drucke des Zügels gehorchend.
Während ſich dieſe Vorgänge in Wiener-Neuſtadt und
auf der Heerſtraße nach Wien zutrug, ſaß in einem traulich
eingerichteten, eleganten Boudoir ein blaſſes, junges Mädchen
und blickte mit tränenumflorten Augen hinaus in das wilde
Schneegeſtöber.
Es war die Tochter des Generals van der Vehlen, die
Braut des Grafen von Limpurg-Styrum, die mit ſorgendem
Gedankengange ihren Verlobten auf ſeinem Ritte begleitete.
Wie mochte dieſelbe ablaufen? Würde der Mann ihres Herzens
ſiegreich aus dem Kampfe hervorgehen oder würde ſie verdammt
werden, ihren Traum von Glück und Liebe in unendlich langen
Jahren weiter zu träumen, um vielleicht nicht die Erfüllung
desſelben zu erreichen? Unendlich qualvoll krampfte ſich ihr
Herz bei ſolchen Gedanken zuſammen. Wohl hatte ſie, als
echtes Soldatenkind, ſich mit der Handlungsweiſe ihres
Bräutigams vollkommen einverſtanden erklärt. Es galt ja
nicht allein ſein Wort, das Wort eines Kavaliers, ſondern
auch die Ehre der geſamten deutſchen Reiterei, die zu ver-
teidigen er mit hohem Sinne übernommen hatte, ohne zu ge-
wärtigen, daß ihm juſt dieſer Edelſinn zum Fallſtrick gedreht
werden ſollte.
Die Turmuhr von St. Stephan hub aus zum Schlage.
Aufmerkſam lauſchend neigte das junge Mädchen das Haupt
zur Seite. Zehn dumpfe Schläge hallten durch die Luft. Noch
fünfundvierzig qualvolle, lange Minuten. Wo mochte er ſein?
Fegten nicht vielleicht jetzt ſchon der Sturmwind, die Schnee-
wolken über ſein geſtürztes Pferd, womöglich über beide, Roß
und Reiter?
Mit einem gewaltſam unterdrückten Schluchzen ſprang
ſie empor. Sie konnte es nicht länger mehr ertragen in
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