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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 933, Czernowitz, 20.02.1907.

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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 20. Februar 1907.

[Spaltenumbruch]
[Ein Dampfer festgefroren.]

Ein eigentümlicher
Schiffsunfall wird aus Danzig gemeldet: Der Bremer
Dampfer "Hermes", der mit Getreide auslaufen sollte, geriet,
als er gerade die aufgezogene Brücke passierte, auf Grund
und fror, ehe er abgeschleppt werden konnte, vollständig fest,
nunmehr ein schweres Hindernis für den Schiffsverkehr sowie
den Straßenverkehr bilden. Alle Losschleppungsversuche waren
bisher vergeblich.

[Der Roman eines Testaments.]

Großes Auf-
sehen erregt in ganz Frankreich die Verurteilung des Abbe
Gouttenoire, der in Gemeinschaft mit einer Frau Briery
angeklagt war, in einem Erbschaftsprozeß einen Meineid ge-
leistet zu haben. Die Vorgeschichte dieses Prozesses liest sich
wie die Einleitung zu einem Hintertreppe[n]roman. Im Jahre
1892 starb in C[r]emeaux ein junger, vermögender Gutsbesitzer
namens Claudius Chartre, der mit einem Fräulein Augustine
Truffet verlobt war. Die Hochzeit, die bereits zu wiederholten
Malen angesetzt worden war, hatte infolge des Widerspruchs
der Mutter Chartres immer wieder hinausgeschoben werden
müssen. Als die Papiere des Verstorbenen in Gegenwart
Abbe Gouttenoires und einer Nachbarin, Frau Briery, von
der Mutter Chartres durchgesehen wurden, kam ein Testament
zum Vorschein, in dem Chartre sein gesamtes Vermögen seiner
Verlobten vermachte. Die alte Frau Chartre soll über dieses
Testament, in dem sie völlig übergangen wurde, in die größte
Wut versetzt worden sein und das Dokument in Gegenwart
des Priesters mit Frau Briery verbrannt haben. Fräulein
Truffet war von ihrem Verlobten von der Aufsetzung des
Testaments benachrichtigt worden und strengte einen Prozeß
gegen die alte Frau Chartre an, um über den Verbleib des
Dokuments Aufschluß zu erhalten. Nach vierzehnjährigem
Prozessieren wurde ihr das Vermögen ihres Verlobten zu-
gesprochen, gegen Abbe Gouttenoire und Frau Briery wurde
jedoch ein Meineidsverfahren anhängig gemacht, da beide
unter Eid ausgesagt hatten, daß ihnen nichts davon bekannt
sei, das Frau Chartre das Testament verbrannt habe. Der
Pfarrer erhielt sechs Monate Gefängnis, Frau Briery zwei
Monate. Beide Angeklagten wurden jedoch sofort in Freiheit
gesetzt, da in Anbetracht ihrer bisherigen Unbescholtenheit der
Strafvollzug vorläufig ausgesetzt wurde.

[Die Nachmittagsvorstellung.]

Einer schicken
Schauspielerin eines Berliner Theaters ist, so erzählt der
Bühnen-Indiskretionär der "Mrgpst.", eine peinliche Geschichte
passiert. Die Dame ist im angenehmen Besitz eines Ehegatten,
was in den letzten Jahren noch nie zu Komplika[t]ionen geführt
hat, da der Herr Gemahl alles, was man ihm erzählt, glaubt,
und die Frau Gemahlin im Ersinnen von Ausreden eine
Phantasie erweist, die den Ruhm von Jules Verne erschüttern
könnte. Am letzten Sonntag wurde die Künstlerin von einigen
Herren der Lebewelt zu einem Diner nach einem fashionablen
Restaurant unter den Linden geladen und teilte infolgedessen
ihrem Manne mit, daß in der Nachmittagsvorstellung beschäftigt
sei. Ein Manöver, das sie schon öfter mit Erfolg ausgeführt
hatte. Auch diesmal ging der Gatte, wie gewöhnlich, sein
Nachmittagsspielchen machen. Mochte er nun zu arg in Verlust
geraten sein, oder wandelte ihn merkwürdigerweise die Sehnsucht
nach seiner Frau an, er erhob sich gegen 51/2 Uhr und ging an den
Bühnenausgang, um die Teure abzuholen. Man braucht gar nicht
viel Phantasie zu haben, um sich denken zu können, daß sie
nicht kam. Statt ihrer kam aber eine Kollegin, die dem
Wartenden mit harmloser Selbstverständlichkeit sagte, seine
Frau hätte heute gar nicht gespielt. Bei Empfang dieser
Nachricht zeigte sich der Mann seiner Frau auf der Höhe
der Situation. Wie Sherlock Holmes wußte er sofort, wo er
die Spur der Ungetreuen zu suchen habe. Man braucht wieder
nicht viel Phantasie zu haben, um sich denken zu können, daß
dies schon öfter vorgekommen sein muß. Der Zürnende eilte
also spornstreichs nach den Linden und erwies sich dort als
glänzender Stratege: er faßte nämlich auf dem Trottoir
derart Posten, daß er die Ausgänge von zwei benachbarten
Restaurants bequem überwachen konnte. Es dauerte auch gar
nicht lange, als seine Gattin, mit zwei Begleitern und einem
niedlichen Schwips behaftet, erschien. Der zürnende Gatte
[Spaltenumbruch] erwies sich abermals als tüchtiger Stratege, indem er sofort
zum Angriff überging und seine bessere Hälfte jämmerlich
verprügelte, während ihre Bedeckungsmannschaft schleunigst
das Weite suchte. An deren Stelle war alsbald die Straßen-
jugend getreten, die der ehelichen Auseinandersetzung mit vielem
Interesse folgte, so daß die Künstlerin schließlich doch noch
eine -- wenn auch unfreiwillige -- Nachmittagsvorstellung
gegeben hat.

[Kindermodelle.]

Allen Müttern, die ihre Garderobe
für ihre Kinder im Hause selbst anfertigen wollen, wird das
soeben erschienene Kinderheft der bekannten Frauenzeitschrift "Das
Blatt der Hausfrau" hochwillkommen sein. Es bringt nicht nur
50 der schönsten Modelle für Mädchen und Knaben, sondern
bietet auch Gelegenheit, zu allen diesen Abbildungen vollkommen
gebrauchsfertige Schnittmuster für den geringen Preis von 20
Hellern zu be[z]iehen. Das Hest (Nr. 19 vom 10. Februar) ist
durch alle Buchhandlungen und durch den Verlag Ullstein & Ko.,
Wien I. Rosenbursenstraße 8, für 20 Heller erhältlich.




Czernowitzer Angelegenheiten.


Zur Wahlbewegung.

In der heutigen "Cz. Z." ist die Kundmachung für die
Vornahme der Reichsratswahlen in der Bukowina publi-
ziert. Sie hat folgenden Wortlaut:

Se. k. und k. Apostolische Majestät haben mit dem
Allerhöchsten Patente vom 30. Jänner 1907 das Abgeordneten-
haus des Reichsrates aufzulösen und die sofortige Einleitung
und Durchführung der allgemeinen Neuwahlen an-
zuordnen geruht.

In Ausführung dieser Allerhöchsten Anordnung hat der
herr Minister des Innnern die allgemeinen Wahlen
für das Abgeordnetenhaus des Reichsrates

ausgeschrieben und gemäß § 9 der neuen Reichsrats-Wahl-
ordnung vom 26. Jänner 1907, R. G. Bl. Nr. 17, für die
Vornahme derselben den 14. Mai 1907, für die eventuelle
engere Wahl aber den 23. Mai 1907 anberaumt.
Als Tag der Ausschreibung der Wahlen gilt der Tag der
Verlautbarung der bezüglichen Kundmachung des Ministeriums
des Innern im Reichsgesetzblatte.

Nach den Bestimmung der §§ 6 und 7 des durch das
Gesetz vom 26. Jänner 1907, R. G. Bl. Nr. 15, abge-
änderten Grundgesetzes über die Reichsvertretung sind im
Herzogtume Bukowina vierzehn Abgeordnete zu wählen
und ist zur Wahl eines Abgeordneten jede Person männlichen
Geschlechtes wahlberechtigt, welche das 24. Lebensjahr
zurückgelegt hat, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt,
nach den Bestimmungen der Reichsrats-Wahlordnung vom
Wahlrechte nicht ausgenommen oder ausgeschlossen ist und
innerhalb der im Reichrate vertretenen Königreiche und
Länder in der Gemeinde (Gutsgebiet), in welcher das Wahl-
recht auszuüben ist, am Tage der Ausschreibung der Wahl
seit mindestens einem Jahre ihren Wohnsitz hat.

Gemäß § 1 der Reichsrats-Wahlordnung bilden die
Wahlberechtigten eines jeden Wahlbezirkes einen Wahlkörper
und sind für die Bukowina nachstehende Wahlbezirke festgesetzt,
in welchen je ein Abgeordneter zu wählen ist: (Wir haben die
einzelnen Wahlbezirke am Tage der Sanktionierung der
Wahlreform publizierte -- Anm. d. Red.) Die Inwohner
eines dem Gemeindeverbande nicht einverleibten Gutsgebietes
üben das Wahlrecht in jener Gemeinde aus, mit welcher das
Gutsgebiet eine Ortschaft bildet, oder falls dieser Umstand
nicht zutrifft, in der von der politischen Landesbehörde be-
stimmten Ortsgemeinde. (§ 6, Abs. 2, Reichrats-Wahl-
ordnung.)

Wegen Bestimmung mehrerer Wahllokalitäten und Be-
stellung mehrerer Wahlkommissionen in größeren Gemeinden
oder Ortsgebieten im Sinne der Bestimmungen des § 11,
[Spaltenumbruch] Abs. 2 und § 16, Abs. 4, der Reichsrats-Wahlordnung wird
in den betreffenden Gemeinden abgesondert die ortsübliche
Verlautbarung erfolgen.

Die Wahlberechtigung wird durch die Eintragung in die
Wählerliste festgestellt.

In Gemeinden mit mehr als 5000 Einwnhnern ist die
Wählerliste gemäß § 12, Abs. 3, Reichsrats-Wahlordnung
rechtzeitig zu vervielfältigen und auf Verlangen Jedermann
vom Beginne der Reklamationsfrist an, gegen Ersatz der auf
das eine Exemplar entfallenden Herstellungskosten auszufolgen.

Wer die Ausfolgung einer vervielfältigten
Wählerliste
beansprucht, hat dies dem Gemeinde-
vorsteher
binnen acht Tagen nach Ausschreibung
der Wahl anzuzeigen;
die erfolgte Anmeldung ver-
pflichtet den Anmelder zur Abnahme und Bezahlung der auf
die bestellten Exemplare entfallenden Herstellungskosten
der Liste.

Nach dieser Zeit einlangende Anmeldungen sind nicht
zu berücksichtigen.

Das Wahlrecht kann nur persönlich ausgeübt
werden.

Jeder Wahlberechtigte hat das Recht auf eine Stimme.
(§ 5, Reichsratswahlordnung.)

Das Gesamtergebnis aller zusammenhängenden Ab-
stimmungsakte wird in jedem der oben augeführten Wahl-
bezirke, in welchem die Stimmgebung in mehr als einer
Wahlversammlung stattfindet, von einer Hauptwahlkommission
ermittelt,

Die Bestimmung der Orte, an welchen sich die Haupt-
wahlkommissionen gemäß § 32, Abs. 2, Reichsratswahlordnung
zu versammeln haben, wird nachfolgen.

Dem Wahlkommissär der Hauptwahlkommission obliegt
auch die Einleitung einer eventuellen engeren Wahl.

Gleichzeitig mit der vorstehenden Kundmachung wird
auch das Gesetz vom 26. Jänner 1907, R.-G.-Bl. Nr. 18,
betreffend strafrechtliche Bestimmungen zum Schutze der
Wahl- und Versammlungsfreiheit in allen Ge-
meinden des Landes durch Anschlag öffentlich bekannt gemacht.

Czernowitz, am 19. Februar 1907.

Der k. k. Landespräsident im Herzogtume Bukowina:
Dr. Oktavian Ritter v. Bleyleben.




Zu unserem gestrigen Berichte über die Radautzer Wähler
versammlungen tragen wir noch nach, daß sich in Radautz
Bürgermeister Des Loges mit 22 Suczawaer Bürgern und
Bürgermeister Beill mit 18 Serether Bürgern eingefunden
hatten. In der Versammlung, die im deutschen Hause stattfand,
sprach Advokat Dr. Dische aus Suczawa, der in einer
großangelegten Rede für Dr. Skedl eintrat, ferner Doktor
Benkendorf aus Sereth, Kultusvorsteher Terner,
cand. iur. Brunstein und die Gemeinderäte Kirbus und
Larioniscul. Dr. Skedl berief sich, nachdem er seinen
Rechenschaftsbericht erstattet hatte, hauptsächlich darauf, daß
er gegen die Zertrümmerung des Städtemandates Radautz--
Suczawa--Sereth energisch Stellung genommen und es so
erhalten habe, wie es ihm vor sechs Jahren übergeben wurde.
Er lege es in die Hände seiner Wähler zurück und hoffe auf
ihr Vertrauen. Im Gemeinderatssaale tagte inzwischen eine
jüdische Wählerversammlung, in welche sich Dr. Skedl
ebenfalls begab. Nach dem Referate des Dr. Kinsbrunner,
welches in der Forderung nach einem zweiten jüdischen Mandate
gipfelte, sprachen noch die Herren Dr. Bierer und Menschel,
welche die Nominierung eines Kandidaten für die Städte auch
von der Schaffung eines zweiten jüdischen Mandates abhängig
machten. Dr. Lupul aus Suczawa trat hierauf sehr warm
für Dr. Skedl ein, desgleichen Dr. Benkendorf aus
Sereth, gegen den sehr viele Zwischenrufe laut wurden. Ueber
Antrag des Dr. Spitzer wurde dem Dr. Skedl das Ver-
trauen votiert, gleichzeitig aber eine Resolution angenommen,
daß die Nominierung eines Kandidaten für die Städtegruppe
erst nach Schaffung eines zweiten jüdischen Mandates zu er-
folgen habe.






[Spaltenumbruch]
Der Teufelskopf.
21]

Nachdruck verboten.

"Hättest du sie angesprochen, würde dein Argwohn über
alle Zweifel erhaben sein; aber so sahst du die Gestalt doch
nur in der Entfernung und in einem schwachen ungewissen
Lichte. Du weißt ja, Büsche oder Steine sehen oft aus wie
menschliche Wesen, wenn man sie in halber Dunkelheit sieht,
und es ist besonders schwierig, Personen in einem solchen
Lichte zu erkennen. Zufällig trifft es sich auch gerade so, daß
die Dame, die du gesehen zu haben glaubst, in der Nacht
krank war -- zu krank, um ihr Zimmer zu verlassen
und den Mann, den sie bald heiraten wollte, bei Tisch zu
begrüßen. Daß sie an diesem Abend im Park hat umher-
wandern sollen, ist höchst unwahrscheinlich, ja unmöglich."

Rigel sprach mit dem eifrigsten Ernste eines Menschen,
der eine folgenschwere Sache vertritt, und seine Worte machten
Eindruck auf seinen Zuhörer, der ihnen mit verständnisvollem
Interesse folgte. Einige Augenblicke hielt Fouls[h]am den Blick
auf den Teppich gesenkt und schlug mit der Pelzkappe sinnend
gegen seine Knie, als wäre er mit sich selbst noch nicht ganz
im Klaren. Dann plötzlich, als hätte er einer Entschluß
gefaßt, sagte er:

"Aber das Taschentuch -- -- --?"

"Du hast nicht gesehen, daß die Gestalt es fallen ließ?"

"Nein."

"Nun gut; der Eigentümer hat es vielleicht schon lange
vorher verloren, ehe es gefunden ist."

Foulsham trat unruhig von einem Fuß auf den anderen,
während Rigel ihn mit größter Spannung beobachtete.

"Entschuldigen Sie, Sir Rigel, aber mir liegt noch
etwas im Sinne", sagte der Wildhüter endlich zögernd.

"Dann heraus damit", stieß Rigel hervor.


[Spaltenumbruch]

"Sie glauben also nicht, daß die junge Dame irgend
etwas mit dem zu tun hatte, was sich in der Nacht er-
eignete?"

Rigel fuhr auf, seine Stirnadern schwollen vor unter-
drückter Gemütsbewegung.

"Gott im Himmel, Mann, nein!" rief er heiser.

"Ich bitte um Verzeihung, Sir Rigel", sagte Foulsham,
als er die Bestürzung des Barons sah.

"Wie konnte dir ein solch schrecklicher Gedanke kommen?"

"Es passieren manchmal seltsame Dinge", antwortete
der Wildhüter ausweichend.

"Aber wir müssen unseren Verstand dabei brauchen. Selbst
wenn die Dame, die du nennst, fähig wäre, solch ein entsetzliches
Verbrechen zu begehen, und selbst wenn sie die körperliche
Kraft hätte, einen starken Mann über den Abhang zu stoßen,
was sollte wohl ihr Grund sein, den Mann zu töten, den sie
liebte?"

"Das weiß ich nicht, Sir Rigel", gestand Foulsham
beschämt. Die Frostigkeit des schattenhaft erleuchteten Zimmers,
aber mehr noch die magnetische Kraft des Mannes vor ihm
gaben ihm ein unbehagliches Gefühl. Er fühlte sein Denken
und Wollen beeinflußt.

"Aber du begreifst doch", fuhr Rigel fort, daß ein Ver-
brechen niemals ohne Grund begangen wird. Hier kann doch
aber keiner sein. Sie verlor alles durch Sir Philipps Tod:
einen Gatten, der sie verehrte, einen Titel, ein großes Ein-
kommen, ein schönes Heim. Ich sehe, Foulsham, du glaubst
immer noch, daß es die Dame war, die du ihm Park gesehen
hast. Bedenke doch -- Sir Philipp muß in dem Augenblicke
gefallen sein, in dem du den Vogelschrei gehört hast, und
fast unmittelbar darnach hast du die Gestalt in einiger Ent-
fernung von der Unglücksstätte gesehen, was klar beweist, daß
sie nicht zu der Zeit auf dem Teufelskopf hat sein können,
in der Sir Philipp verunglückt ist. Wäre sie zu irgend einer
Stunde der Nacht dort gewesen und hätte gewünscht, diese
[Spaltenumbruch] Tatsache geheim zu halten, so würde sie auch auf dem kurzen
Wege nach Hause geeilt sein, anstatt auf dem Wege die
Gefahr einer Entdeckung zu laufen, auf dem du sie gesehen
hast. Sieh die Sache an, von welcher Seite du willst, du
kannst die Dame nicht in Verbindung bringen mit der traurigen
Begebenheit, die uns alle so tief bekümmert und ganz besonders
aber ihre schrecklichen Folgen auf diese Dame ausübte; sie
ist kaum vor einer Gehirnentzündung bewahrt geblieben."

"Ich hoffe, Sie verzeihen mir", erwiderte Foulsham,
der wohl verstand, daß sich hinter Rigels Zurückhaltung eine
furchtbare Aufregung verbarg. "Aber dieser Zweifel lag mir
schwer auf dem Herzen," fügte er hinzu.

"Es ist gut, daß du ihn ausgesprochen hast, denn ich hoffe,
meine Gründe haben diesen Zweifel zur Ruhe gebracht."

"Ja, Sir Rigel, ich fühle mich sehr erleichtert."

Der andere merkte, daß diese Antwort zweideutig war,
aber er hatte seine Ueberredungskunst erschöpft und wußte
nicht, was für Worte er wählen sollte, um Foulsham zu über-
zeugen. Dem jedoch schien dessen Zweifel von geringerer
Wichtigkeit, so lange er nicht anderen mitgeteilt wurde, und
dies zu verhindern, war Rigels dringender Wunsch.

"Du wirst einsehen", fuhr er deshalb eindringlich fort,
"welch' ein furchtbares Unrecht du dieser jungen Dame tun
kannst, wenn du anderen gegenüber erwähnst, was du mir
erzählt hast. Ein geflügeltes Wort verbreitet sich bald, und
böser Leumund kann den Unschuldigsten verderben. Als ein
ehrlicher Mann wirst du eine leidende Frau nicht verderben
wollen, deshalb versprich mir, über das, was du mir soeben
erzählt hast, zu schweigen!"

"Das verspreche ich", erwiderte Foulsham, jetzt ganz
besiegt.

"Willst du das beschwören?" fragte Rigel, dem viel
daran lag, dieses Versprechen in möglichst weihevoller Weise
besiegeln zu lassen, so lange der Mann noch unter seinem
Einflusse stand.

(Fortsetzung folgt.)


Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 20. Februar 1907.

[Spaltenumbruch]
[Ein Dampfer feſtgefroren.]

Ein eigentümlicher
Schiffsunfall wird aus Danzig gemeldet: Der Bremer
Dampfer „Hermes“, der mit Getreide auslaufen ſollte, geriet,
als er gerade die aufgezogene Brücke paſſierte, auf Grund
und fror, ehe er abgeſchleppt werden konnte, vollſtändig feſt,
nunmehr ein ſchweres Hindernis für den Schiffsverkehr ſowie
den Straßenverkehr bilden. Alle Losſchleppungsverſuche waren
bisher vergeblich.

[Der Roman eines Teſtaments.]

Großes Auf-
ſehen erregt in ganz Frankreich die Verurteilung des Abbé
Gouttenoire, der in Gemeinſchaft mit einer Frau Briéry
angeklagt war, in einem Erbſchaftsprozeß einen Meineid ge-
leiſtet zu haben. Die Vorgeſchichte dieſes Prozeſſes lieſt ſich
wie die Einleitung zu einem Hintertreppe[n]roman. Im Jahre
1892 ſtarb in C[r]emeaux ein junger, vermögender Gutsbeſitzer
namens Claudius Chartre, der mit einem Fräulein Auguſtine
Truffet verlobt war. Die Hochzeit, die bereits zu wiederholten
Malen angeſetzt worden war, hatte infolge des Widerſpruchs
der Mutter Chartres immer wieder hinausgeſchoben werden
müſſen. Als die Papiere des Verſtorbenen in Gegenwart
Abbé Gouttenoires und einer Nachbarin, Frau Briéry, von
der Mutter Chartres durchgeſehen wurden, kam ein Teſtament
zum Vorſchein, in dem Chartre ſein geſamtes Vermögen ſeiner
Verlobten vermachte. Die alte Frau Chartre ſoll über dieſes
Teſtament, in dem ſie völlig übergangen wurde, in die größte
Wut verſetzt worden ſein und das Dokument in Gegenwart
des Prieſters mit Frau Briéry verbrannt haben. Fräulein
Truffet war von ihrem Verlobten von der Aufſetzung des
Teſtaments benachrichtigt worden und ſtrengte einen Prozeß
gegen die alte Frau Chartre an, um über den Verbleib des
Dokuments Aufſchluß zu erhalten. Nach vierzehnjährigem
Prozeſſieren wurde ihr das Vermögen ihres Verlobten zu-
geſprochen, gegen Abbé Gouttenoire und Frau Briéry wurde
jedoch ein Meineidsverfahren anhängig gemacht, da beide
unter Eid ausgeſagt hatten, daß ihnen nichts davon bekannt
ſei, das Frau Chartre das Teſtament verbrannt habe. Der
Pfarrer erhielt ſechs Monate Gefängnis, Frau Briéry zwei
Monate. Beide Angeklagten wurden jedoch ſofort in Freiheit
geſetzt, da in Anbetracht ihrer bisherigen Unbeſcholtenheit der
Strafvollzug vorläufig ausgeſetzt wurde.

[Die Nachmittagsvorſtellung.]

Einer ſchicken
Schauſpielerin eines Berliner Theaters iſt, ſo erzählt der
Bühnen-Indiskretionär der „Mrgpſt.“, eine peinliche Geſchichte
paſſiert. Die Dame iſt im angenehmen Beſitz eines Ehegatten,
was in den letzten Jahren noch nie zu Komplika[t]ionen geführt
hat, da der Herr Gemahl alles, was man ihm erzählt, glaubt,
und die Frau Gemahlin im Erſinnen von Ausreden eine
Phantaſie erweiſt, die den Ruhm von Jules Verne erſchüttern
könnte. Am letzten Sonntag wurde die Künſtlerin von einigen
Herren der Lebewelt zu einem Diner nach einem faſhionablen
Reſtaurant unter den Linden geladen und teilte infolgedeſſen
ihrem Manne mit, daß in der Nachmittagsvorſtellung beſchäftigt
ſei. Ein Manöver, das ſie ſchon öfter mit Erfolg ausgeführt
hatte. Auch diesmal ging der Gatte, wie gewöhnlich, ſein
Nachmittagsſpielchen machen. Mochte er nun zu arg in Verluſt
geraten ſein, oder wandelte ihn merkwürdigerweiſe die Sehnſucht
nach ſeiner Frau an, er erhob ſich gegen 5½ Uhr und ging an den
Bühnenausgang, um die Teure abzuholen. Man braucht gar nicht
viel Phantaſie zu haben, um ſich denken zu können, daß ſie
nicht kam. Statt ihrer kam aber eine Kollegin, die dem
Wartenden mit harmloſer Selbſtverſtändlichkeit ſagte, ſeine
Frau hätte heute gar nicht geſpielt. Bei Empfang dieſer
Nachricht zeigte ſich der Mann ſeiner Frau auf der Höhe
der Situation. Wie Sherlock Holmes wußte er ſofort, wo er
die Spur der Ungetreuen zu ſuchen habe. Man braucht wieder
nicht viel Phantaſie zu haben, um ſich denken zu können, daß
dies ſchon öfter vorgekommen ſein muß. Der Zürnende eilte
alſo ſpornſtreichs nach den Linden und erwies ſich dort als
glänzender Stratege: er faßte nämlich auf dem Trottoir
derart Poſten, daß er die Ausgänge von zwei benachbarten
Reſtaurants bequem überwachen konnte. Es dauerte auch gar
nicht lange, als ſeine Gattin, mit zwei Begleitern und einem
niedlichen Schwips behaftet, erſchien. Der zürnende Gatte
[Spaltenumbruch] erwies ſich abermals als tüchtiger Stratege, indem er ſofort
zum Angriff überging und ſeine beſſere Hälfte jämmerlich
verprügelte, während ihre Bedeckungsmannſchaft ſchleunigſt
das Weite ſuchte. An deren Stelle war alsbald die Straßen-
jugend getreten, die der ehelichen Auseinanderſetzung mit vielem
Intereſſe folgte, ſo daß die Künſtlerin ſchließlich doch noch
eine — wenn auch unfreiwillige — Nachmittagsvorſtellung
gegeben hat.

[Kindermodelle.]

Allen Müttern, die ihre Garderobe
für ihre Kinder im Hauſe ſelbſt anfertigen wollen, wird das
ſoeben erſchienene Kinderheft der bekannten Frauenzeitſchrift „Das
Blatt der Hausfrau“ hochwillkommen ſein. Es bringt nicht nur
50 der ſchönſten Modelle für Mädchen und Knaben, ſondern
bietet auch Gelegenheit, zu allen dieſen Abbildungen vollkommen
gebrauchsfertige Schnittmuſter für den geringen Preis von 20
Hellern zu be[z]iehen. Das Heſt (Nr. 19 vom 10. Februar) iſt
durch alle Buchhandlungen und durch den Verlag Ullſtein & Ko.,
Wien I. Roſenburſenſtraße 8, für 20 Heller erhältlich.




Czernowitzer Angelegenheiten.


Zur Wahlbewegung.

In der heutigen „Cz. Z.“ iſt die Kundmachung für die
Vornahme der Reichsratswahlen in der Bukowina publi-
ziert. Sie hat folgenden Wortlaut:

Se. k. und k. Apoſtoliſche Majeſtät haben mit dem
Allerhöchſten Patente vom 30. Jänner 1907 das Abgeordneten-
haus des Reichsrates aufzulöſen und die ſofortige Einleitung
und Durchführung der allgemeinen Neuwahlen an-
zuordnen geruht.

In Ausführung dieſer Allerhöchſten Anordnung hat der
herr Miniſter des Innnern die allgemeinen Wahlen
für das Abgeordnetenhaus des Reichsrates

ausgeſchrieben und gemäß § 9 der neuen Reichsrats-Wahl-
ordnung vom 26. Jänner 1907, R. G. Bl. Nr. 17, für die
Vornahme derſelben den 14. Mai 1907, für die eventuelle
engere Wahl aber den 23. Mai 1907 anberaumt.
Als Tag der Ausſchreibung der Wahlen gilt der Tag der
Verlautbarung der bezüglichen Kundmachung des Miniſteriums
des Innern im Reichsgeſetzblatte.

Nach den Beſtimmung der §§ 6 und 7 des durch das
Geſetz vom 26. Jänner 1907, R. G. Bl. Nr. 15, abge-
änderten Grundgeſetzes über die Reichsvertretung ſind im
Herzogtume Bukowina vierzehn Abgeordnete zu wählen
und iſt zur Wahl eines Abgeordneten jede Perſon männlichen
Geſchlechtes wahlberechtigt, welche das 24. Lebensjahr
zurückgelegt hat, die öſterreichiſche Staatsbürgerſchaft beſitzt,
nach den Beſtimmungen der Reichsrats-Wahlordnung vom
Wahlrechte nicht ausgenommen oder ausgeſchloſſen iſt und
innerhalb der im Reichrate vertretenen Königreiche und
Länder in der Gemeinde (Gutsgebiet), in welcher das Wahl-
recht auszuüben iſt, am Tage der Ausſchreibung der Wahl
ſeit mindeſtens einem Jahre ihren Wohnſitz hat.

Gemäß § 1 der Reichsrats-Wahlordnung bilden die
Wahlberechtigten eines jeden Wahlbezirkes einen Wahlkörper
und ſind für die Bukowina nachſtehende Wahlbezirke feſtgeſetzt,
in welchen je ein Abgeordneter zu wählen iſt: (Wir haben die
einzelnen Wahlbezirke am Tage der Sanktionierung der
Wahlreform publizierte — Anm. d. Red.) Die Inwohner
eines dem Gemeindeverbande nicht einverleibten Gutsgebietes
üben das Wahlrecht in jener Gemeinde aus, mit welcher das
Gutsgebiet eine Ortſchaft bildet, oder falls dieſer Umſtand
nicht zutrifft, in der von der politiſchen Landesbehörde be-
ſtimmten Ortsgemeinde. (§ 6, Abſ. 2, Reichrats-Wahl-
ordnung.)

Wegen Beſtimmung mehrerer Wahllokalitäten und Be-
ſtellung mehrerer Wahlkommiſſionen in größeren Gemeinden
oder Ortsgebieten im Sinne der Beſtimmungen des § 11,
[Spaltenumbruch] Abſ. 2 und § 16, Abſ. 4, der Reichsrats-Wahlordnung wird
in den betreffenden Gemeinden abgeſondert die ortsübliche
Verlautbarung erfolgen.

Die Wahlberechtigung wird durch die Eintragung in die
Wählerliſte feſtgeſtellt.

In Gemeinden mit mehr als 5000 Einwnhnern iſt die
Wählerliſte gemäß § 12, Abſ. 3, Reichsrats-Wahlordnung
rechtzeitig zu vervielfältigen und auf Verlangen Jedermann
vom Beginne der Reklamationsfriſt an, gegen Erſatz der auf
das eine Exemplar entfallenden Herſtellungskoſten auszufolgen.

Wer die Ausfolgung einer vervielfältigten
Wählerliſte
beanſprucht, hat dies dem Gemeinde-
vorſteher
binnen acht Tagen nach Ausſchreibung
der Wahl anzuzeigen;
die erfolgte Anmeldung ver-
pflichtet den Anmelder zur Abnahme und Bezahlung der auf
die beſtellten Exemplare entfallenden Herſtellungskoſten
der Liſte.

Nach dieſer Zeit einlangende Anmeldungen ſind nicht
zu berückſichtigen.

Das Wahlrecht kann nur perſönlich ausgeübt
werden.

Jeder Wahlberechtigte hat das Recht auf eine Stimme.
(§ 5, Reichsratswahlordnung.)

Das Geſamtergebnis aller zuſammenhängenden Ab-
ſtimmungsakte wird in jedem der oben augeführten Wahl-
bezirke, in welchem die Stimmgebung in mehr als einer
Wahlverſammlung ſtattfindet, von einer Hauptwahlkommiſſion
ermittelt,

Die Beſtimmung der Orte, an welchen ſich die Haupt-
wahlkommiſſionen gemäß § 32, Abſ. 2, Reichsratswahlordnung
zu verſammeln haben, wird nachfolgen.

Dem Wahlkommiſſär der Hauptwahlkommiſſion obliegt
auch die Einleitung einer eventuellen engeren Wahl.

Gleichzeitig mit der vorſtehenden Kundmachung wird
auch das Geſetz vom 26. Jänner 1907, R.-G.-Bl. Nr. 18,
betreffend ſtrafrechtliche Beſtimmungen zum Schutze der
Wahl- und Verſammlungsfreiheit in allen Ge-
meinden des Landes durch Anſchlag öffentlich bekannt gemacht.

Czernowitz, am 19. Februar 1907.

Der k. k. Landespräſident im Herzogtume Bukowina:
Dr. Oktavian Ritter v. Bleyleben.




Zu unſerem geſtrigen Berichte über die Radautzer Wähler
verſammlungen tragen wir noch nach, daß ſich in Radautz
Bürgermeiſter Des Loges mit 22 Suczawaer Bürgern und
Bürgermeiſter Beill mit 18 Serether Bürgern eingefunden
hatten. In der Verſammlung, die im deutſchen Hauſe ſtattfand,
ſprach Advokat Dr. Diſche aus Suczawa, der in einer
großangelegten Rede für Dr. Skedl eintrat, ferner Doktor
Benkendorf aus Sereth, Kultusvorſteher Terner,
cand. iur. Brunſtein und die Gemeinderäte Kirbus und
Larioniscul. Dr. Skedl berief ſich, nachdem er ſeinen
Rechenſchaftsbericht erſtattet hatte, hauptſächlich darauf, daß
er gegen die Zertrümmerung des Städtemandates Radautz—
Suczawa—Sereth energiſch Stellung genommen und es ſo
erhalten habe, wie es ihm vor ſechs Jahren übergeben wurde.
Er lege es in die Hände ſeiner Wähler zurück und hoffe auf
ihr Vertrauen. Im Gemeinderatsſaale tagte inzwiſchen eine
jüdiſche Wählerverſammlung, in welche ſich Dr. Skedl
ebenfalls begab. Nach dem Referate des Dr. Kinsbrunner,
welches in der Forderung nach einem zweiten jüdiſchen Mandate
gipfelte, ſprachen noch die Herren Dr. Bierer und Menſchel,
welche die Nominierung eines Kandidaten für die Städte auch
von der Schaffung eines zweiten jüdiſchen Mandates abhängig
machten. Dr. Lupul aus Suczawa trat hierauf ſehr warm
für Dr. Skedl ein, desgleichen Dr. Benkendorf aus
Sereth, gegen den ſehr viele Zwiſchenrufe laut wurden. Ueber
Antrag des Dr. Spitzer wurde dem Dr. Skedl das Ver-
trauen votiert, gleichzeitig aber eine Reſolution angenommen,
daß die Nominierung eines Kandidaten für die Städtegruppe
erſt nach Schaffung eines zweiten jüdiſchen Mandates zu er-
folgen habe.






[Spaltenumbruch]
Der Teufelskopf.
21]

Nachdruck verboten.

„Hätteſt du ſie angeſprochen, würde dein Argwohn über
alle Zweifel erhaben ſein; aber ſo ſahſt du die Geſtalt doch
nur in der Entfernung und in einem ſchwachen ungewiſſen
Lichte. Du weißt ja, Büſche oder Steine ſehen oft aus wie
menſchliche Weſen, wenn man ſie in halber Dunkelheit ſieht,
und es iſt beſonders ſchwierig, Perſonen in einem ſolchen
Lichte zu erkennen. Zufällig trifft es ſich auch gerade ſo, daß
die Dame, die du geſehen zu haben glaubſt, in der Nacht
krank war — zu krank, um ihr Zimmer zu verlaſſen
und den Mann, den ſie bald heiraten wollte, bei Tiſch zu
begrüßen. Daß ſie an dieſem Abend im Park hat umher-
wandern ſollen, iſt höchſt unwahrſcheinlich, ja unmöglich.“

Rigel ſprach mit dem eifrigſten Ernſte eines Menſchen,
der eine folgenſchwere Sache vertritt, und ſeine Worte machten
Eindruck auf ſeinen Zuhörer, der ihnen mit verſtändnisvollem
Intereſſe folgte. Einige Augenblicke hielt Foulſ[h]am den Blick
auf den Teppich geſenkt und ſchlug mit der Pelzkappe ſinnend
gegen ſeine Knie, als wäre er mit ſich ſelbſt noch nicht ganz
im Klaren. Dann plötzlich, als hätte er einer Entſchluß
gefaßt, ſagte er:

„Aber das Taſchentuch — — —?“

„Du haſt nicht geſehen, daß die Geſtalt es fallen ließ?“

„Nein.“

„Nun gut; der Eigentümer hat es vielleicht ſchon lange
vorher verloren, ehe es gefunden iſt.“

Foulſham trat unruhig von einem Fuß auf den anderen,
während Rigel ihn mit größter Spannung beobachtete.

„Entſchuldigen Sie, Sir Rigel, aber mir liegt noch
etwas im Sinne“, ſagte der Wildhüter endlich zögernd.

„Dann heraus damit“, ſtieß Rigel hervor.


[Spaltenumbruch]

„Sie glauben alſo nicht, daß die junge Dame irgend
etwas mit dem zu tun hatte, was ſich in der Nacht er-
eignete?“

Rigel fuhr auf, ſeine Stirnadern ſchwollen vor unter-
drückter Gemütsbewegung.

„Gott im Himmel, Mann, nein!“ rief er heiſer.

„Ich bitte um Verzeihung, Sir Rigel“, ſagte Foulſham,
als er die Beſtürzung des Barons ſah.

„Wie konnte dir ein ſolch ſchrecklicher Gedanke kommen?“

„Es paſſieren manchmal ſeltſame Dinge“, antwortete
der Wildhüter ausweichend.

„Aber wir müſſen unſeren Verſtand dabei brauchen. Selbſt
wenn die Dame, die du nennſt, fähig wäre, ſolch ein entſetzliches
Verbrechen zu begehen, und ſelbſt wenn ſie die körperliche
Kraft hätte, einen ſtarken Mann über den Abhang zu ſtoßen,
was ſollte wohl ihr Grund ſein, den Mann zu töten, den ſie
liebte?“

„Das weiß ich nicht, Sir Rigel“, geſtand Foulſham
beſchämt. Die Froſtigkeit des ſchattenhaft erleuchteten Zimmers,
aber mehr noch die magnetiſche Kraft des Mannes vor ihm
gaben ihm ein unbehagliches Gefühl. Er fühlte ſein Denken
und Wollen beeinflußt.

„Aber du begreifſt doch“, fuhr Rigel fort, daß ein Ver-
brechen niemals ohne Grund begangen wird. Hier kann doch
aber keiner ſein. Sie verlor alles durch Sir Philipps Tod:
einen Gatten, der ſie verehrte, einen Titel, ein großes Ein-
kommen, ein ſchönes Heim. Ich ſehe, Foulſham, du glaubſt
immer noch, daß es die Dame war, die du ihm Park geſehen
haſt. Bedenke doch — Sir Philipp muß in dem Augenblicke
gefallen ſein, in dem du den Vogelſchrei gehört haſt, und
faſt unmittelbar darnach haſt du die Geſtalt in einiger Ent-
fernung von der Unglücksſtätte geſehen, was klar beweiſt, daß
ſie nicht zu der Zeit auf dem Teufelskopf hat ſein können,
in der Sir Philipp verunglückt iſt. Wäre ſie zu irgend einer
Stunde der Nacht dort geweſen und hätte gewünſcht, dieſe
[Spaltenumbruch] Tatſache geheim zu halten, ſo würde ſie auch auf dem kurzen
Wege nach Hauſe geeilt ſein, anſtatt auf dem Wege die
Gefahr einer Entdeckung zu laufen, auf dem du ſie geſehen
haſt. Sieh die Sache an, von welcher Seite du willſt, du
kannſt die Dame nicht in Verbindung bringen mit der traurigen
Begebenheit, die uns alle ſo tief bekümmert und ganz beſonders
aber ihre ſchrecklichen Folgen auf dieſe Dame ausübte; ſie
iſt kaum vor einer Gehirnentzündung bewahrt geblieben.“

„Ich hoffe, Sie verzeihen mir“, erwiderte Foulſham,
der wohl verſtand, daß ſich hinter Rigels Zurückhaltung eine
furchtbare Aufregung verbarg. „Aber dieſer Zweifel lag mir
ſchwer auf dem Herzen,“ fügte er hinzu.

„Es iſt gut, daß du ihn ausgeſprochen haſt, denn ich hoffe,
meine Gründe haben dieſen Zweifel zur Ruhe gebracht.“

„Ja, Sir Rigel, ich fühle mich ſehr erleichtert.“

Der andere merkte, daß dieſe Antwort zweideutig war,
aber er hatte ſeine Ueberredungskunſt erſchöpft und wußte
nicht, was für Worte er wählen ſollte, um Foulſham zu über-
zeugen. Dem jedoch ſchien deſſen Zweifel von geringerer
Wichtigkeit, ſo lange er nicht anderen mitgeteilt wurde, und
dies zu verhindern, war Rigels dringender Wunſch.

„Du wirſt einſehen“, fuhr er deshalb eindringlich fort,
„welch’ ein furchtbares Unrecht du dieſer jungen Dame tun
kannſt, wenn du anderen gegenüber erwähnſt, was du mir
erzählt haſt. Ein geflügeltes Wort verbreitet ſich bald, und
böſer Leumund kann den Unſchuldigſten verderben. Als ein
ehrlicher Mann wirſt du eine leidende Frau nicht verderben
wollen, deshalb verſprich mir, über das, was du mir ſoeben
erzählt haſt, zu ſchweigen!“

„Das verſpreche ich“, erwiderte Foulſham, jetzt ganz
beſiegt.

„Willſt du das beſchwören?“ fragte Rigel, dem viel
daran lag, dieſes Verſprechen in möglichſt weihevoller Weiſe
beſiegeln zu laſſen, ſo lange der Mann noch unter ſeinem
Einfluſſe ſtand.

(Fortſetzung folgt.)


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[4/0004] Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 20. Februar 1907. [Ein Dampfer feſtgefroren.] Ein eigentümlicher Schiffsunfall wird aus Danzig gemeldet: Der Bremer Dampfer „Hermes“, der mit Getreide auslaufen ſollte, geriet, als er gerade die aufgezogene Brücke paſſierte, auf Grund und fror, ehe er abgeſchleppt werden konnte, vollſtändig feſt, nunmehr ein ſchweres Hindernis für den Schiffsverkehr ſowie den Straßenverkehr bilden. Alle Losſchleppungsverſuche waren bisher vergeblich. [Der Roman eines Teſtaments.] Großes Auf- ſehen erregt in ganz Frankreich die Verurteilung des Abbé Gouttenoire, der in Gemeinſchaft mit einer Frau Briéry angeklagt war, in einem Erbſchaftsprozeß einen Meineid ge- leiſtet zu haben. Die Vorgeſchichte dieſes Prozeſſes lieſt ſich wie die Einleitung zu einem Hintertreppenroman. Im Jahre 1892 ſtarb in Cremeaux ein junger, vermögender Gutsbeſitzer namens Claudius Chartre, der mit einem Fräulein Auguſtine Truffet verlobt war. Die Hochzeit, die bereits zu wiederholten Malen angeſetzt worden war, hatte infolge des Widerſpruchs der Mutter Chartres immer wieder hinausgeſchoben werden müſſen. Als die Papiere des Verſtorbenen in Gegenwart Abbé Gouttenoires und einer Nachbarin, Frau Briéry, von der Mutter Chartres durchgeſehen wurden, kam ein Teſtament zum Vorſchein, in dem Chartre ſein geſamtes Vermögen ſeiner Verlobten vermachte. Die alte Frau Chartre ſoll über dieſes Teſtament, in dem ſie völlig übergangen wurde, in die größte Wut verſetzt worden ſein und das Dokument in Gegenwart des Prieſters mit Frau Briéry verbrannt haben. Fräulein Truffet war von ihrem Verlobten von der Aufſetzung des Teſtaments benachrichtigt worden und ſtrengte einen Prozeß gegen die alte Frau Chartre an, um über den Verbleib des Dokuments Aufſchluß zu erhalten. Nach vierzehnjährigem Prozeſſieren wurde ihr das Vermögen ihres Verlobten zu- geſprochen, gegen Abbé Gouttenoire und Frau Briéry wurde jedoch ein Meineidsverfahren anhängig gemacht, da beide unter Eid ausgeſagt hatten, daß ihnen nichts davon bekannt ſei, das Frau Chartre das Teſtament verbrannt habe. Der Pfarrer erhielt ſechs Monate Gefängnis, Frau Briéry zwei Monate. Beide Angeklagten wurden jedoch ſofort in Freiheit geſetzt, da in Anbetracht ihrer bisherigen Unbeſcholtenheit der Strafvollzug vorläufig ausgeſetzt wurde. [Die Nachmittagsvorſtellung.] Einer ſchicken Schauſpielerin eines Berliner Theaters iſt, ſo erzählt der Bühnen-Indiskretionär der „Mrgpſt.“, eine peinliche Geſchichte paſſiert. Die Dame iſt im angenehmen Beſitz eines Ehegatten, was in den letzten Jahren noch nie zu Komplikationen geführt hat, da der Herr Gemahl alles, was man ihm erzählt, glaubt, und die Frau Gemahlin im Erſinnen von Ausreden eine Phantaſie erweiſt, die den Ruhm von Jules Verne erſchüttern könnte. Am letzten Sonntag wurde die Künſtlerin von einigen Herren der Lebewelt zu einem Diner nach einem faſhionablen Reſtaurant unter den Linden geladen und teilte infolgedeſſen ihrem Manne mit, daß in der Nachmittagsvorſtellung beſchäftigt ſei. Ein Manöver, das ſie ſchon öfter mit Erfolg ausgeführt hatte. Auch diesmal ging der Gatte, wie gewöhnlich, ſein Nachmittagsſpielchen machen. Mochte er nun zu arg in Verluſt geraten ſein, oder wandelte ihn merkwürdigerweiſe die Sehnſucht nach ſeiner Frau an, er erhob ſich gegen 5½ Uhr und ging an den Bühnenausgang, um die Teure abzuholen. Man braucht gar nicht viel Phantaſie zu haben, um ſich denken zu können, daß ſie nicht kam. Statt ihrer kam aber eine Kollegin, die dem Wartenden mit harmloſer Selbſtverſtändlichkeit ſagte, ſeine Frau hätte heute gar nicht geſpielt. Bei Empfang dieſer Nachricht zeigte ſich der Mann ſeiner Frau auf der Höhe der Situation. Wie Sherlock Holmes wußte er ſofort, wo er die Spur der Ungetreuen zu ſuchen habe. Man braucht wieder nicht viel Phantaſie zu haben, um ſich denken zu können, daß dies ſchon öfter vorgekommen ſein muß. Der Zürnende eilte alſo ſpornſtreichs nach den Linden und erwies ſich dort als glänzender Stratege: er faßte nämlich auf dem Trottoir derart Poſten, daß er die Ausgänge von zwei benachbarten Reſtaurants bequem überwachen konnte. Es dauerte auch gar nicht lange, als ſeine Gattin, mit zwei Begleitern und einem niedlichen Schwips behaftet, erſchien. Der zürnende Gatte erwies ſich abermals als tüchtiger Stratege, indem er ſofort zum Angriff überging und ſeine beſſere Hälfte jämmerlich verprügelte, während ihre Bedeckungsmannſchaft ſchleunigſt das Weite ſuchte. An deren Stelle war alsbald die Straßen- jugend getreten, die der ehelichen Auseinanderſetzung mit vielem Intereſſe folgte, ſo daß die Künſtlerin ſchließlich doch noch eine — wenn auch unfreiwillige — Nachmittagsvorſtellung gegeben hat. [Kindermodelle.] Allen Müttern, die ihre Garderobe für ihre Kinder im Hauſe ſelbſt anfertigen wollen, wird das ſoeben erſchienene Kinderheft der bekannten Frauenzeitſchrift „Das Blatt der Hausfrau“ hochwillkommen ſein. Es bringt nicht nur 50 der ſchönſten Modelle für Mädchen und Knaben, ſondern bietet auch Gelegenheit, zu allen dieſen Abbildungen vollkommen gebrauchsfertige Schnittmuſter für den geringen Preis von 20 Hellern zu beziehen. Das Heſt (Nr. 19 vom 10. Februar) iſt durch alle Buchhandlungen und durch den Verlag Ullſtein & Ko., Wien I. Roſenburſenſtraße 8, für 20 Heller erhältlich. Czernowitzer Angelegenheiten. Czernowitz, 19. Februar. Zur Wahlbewegung. In der heutigen „Cz. Z.“ iſt die Kundmachung für die Vornahme der Reichsratswahlen in der Bukowina publi- ziert. Sie hat folgenden Wortlaut: Se. k. und k. Apoſtoliſche Majeſtät haben mit dem Allerhöchſten Patente vom 30. Jänner 1907 das Abgeordneten- haus des Reichsrates aufzulöſen und die ſofortige Einleitung und Durchführung der allgemeinen Neuwahlen an- zuordnen geruht. In Ausführung dieſer Allerhöchſten Anordnung hat der herr Miniſter des Innnern die allgemeinen Wahlen für das Abgeordnetenhaus des Reichsrates ausgeſchrieben und gemäß § 9 der neuen Reichsrats-Wahl- ordnung vom 26. Jänner 1907, R. G. Bl. Nr. 17, für die Vornahme derſelben den 14. Mai 1907, für die eventuelle engere Wahl aber den 23. Mai 1907 anberaumt. Als Tag der Ausſchreibung der Wahlen gilt der Tag der Verlautbarung der bezüglichen Kundmachung des Miniſteriums des Innern im Reichsgeſetzblatte. Nach den Beſtimmung der §§ 6 und 7 des durch das Geſetz vom 26. Jänner 1907, R. G. Bl. Nr. 15, abge- änderten Grundgeſetzes über die Reichsvertretung ſind im Herzogtume Bukowina vierzehn Abgeordnete zu wählen und iſt zur Wahl eines Abgeordneten jede Perſon männlichen Geſchlechtes wahlberechtigt, welche das 24. Lebensjahr zurückgelegt hat, die öſterreichiſche Staatsbürgerſchaft beſitzt, nach den Beſtimmungen der Reichsrats-Wahlordnung vom Wahlrechte nicht ausgenommen oder ausgeſchloſſen iſt und innerhalb der im Reichrate vertretenen Königreiche und Länder in der Gemeinde (Gutsgebiet), in welcher das Wahl- recht auszuüben iſt, am Tage der Ausſchreibung der Wahl ſeit mindeſtens einem Jahre ihren Wohnſitz hat. Gemäß § 1 der Reichsrats-Wahlordnung bilden die Wahlberechtigten eines jeden Wahlbezirkes einen Wahlkörper und ſind für die Bukowina nachſtehende Wahlbezirke feſtgeſetzt, in welchen je ein Abgeordneter zu wählen iſt: (Wir haben die einzelnen Wahlbezirke am Tage der Sanktionierung der Wahlreform publizierte — Anm. d. Red.) Die Inwohner eines dem Gemeindeverbande nicht einverleibten Gutsgebietes üben das Wahlrecht in jener Gemeinde aus, mit welcher das Gutsgebiet eine Ortſchaft bildet, oder falls dieſer Umſtand nicht zutrifft, in der von der politiſchen Landesbehörde be- ſtimmten Ortsgemeinde. (§ 6, Abſ. 2, Reichrats-Wahl- ordnung.) Wegen Beſtimmung mehrerer Wahllokalitäten und Be- ſtellung mehrerer Wahlkommiſſionen in größeren Gemeinden oder Ortsgebieten im Sinne der Beſtimmungen des § 11, Abſ. 2 und § 16, Abſ. 4, der Reichsrats-Wahlordnung wird in den betreffenden Gemeinden abgeſondert die ortsübliche Verlautbarung erfolgen. Die Wahlberechtigung wird durch die Eintragung in die Wählerliſte feſtgeſtellt. In Gemeinden mit mehr als 5000 Einwnhnern iſt die Wählerliſte gemäß § 12, Abſ. 3, Reichsrats-Wahlordnung rechtzeitig zu vervielfältigen und auf Verlangen Jedermann vom Beginne der Reklamationsfriſt an, gegen Erſatz der auf das eine Exemplar entfallenden Herſtellungskoſten auszufolgen. Wer die Ausfolgung einer vervielfältigten Wählerliſte beanſprucht, hat dies dem Gemeinde- vorſteher binnen acht Tagen nach Ausſchreibung der Wahl anzuzeigen; die erfolgte Anmeldung ver- pflichtet den Anmelder zur Abnahme und Bezahlung der auf die beſtellten Exemplare entfallenden Herſtellungskoſten der Liſte. Nach dieſer Zeit einlangende Anmeldungen ſind nicht zu berückſichtigen. Das Wahlrecht kann nur perſönlich ausgeübt werden. Jeder Wahlberechtigte hat das Recht auf eine Stimme. (§ 5, Reichsratswahlordnung.) Das Geſamtergebnis aller zuſammenhängenden Ab- ſtimmungsakte wird in jedem der oben augeführten Wahl- bezirke, in welchem die Stimmgebung in mehr als einer Wahlverſammlung ſtattfindet, von einer Hauptwahlkommiſſion ermittelt, Die Beſtimmung der Orte, an welchen ſich die Haupt- wahlkommiſſionen gemäß § 32, Abſ. 2, Reichsratswahlordnung zu verſammeln haben, wird nachfolgen. Dem Wahlkommiſſär der Hauptwahlkommiſſion obliegt auch die Einleitung einer eventuellen engeren Wahl. Gleichzeitig mit der vorſtehenden Kundmachung wird auch das Geſetz vom 26. Jänner 1907, R.-G.-Bl. Nr. 18, betreffend ſtrafrechtliche Beſtimmungen zum Schutze der Wahl- und Verſammlungsfreiheit in allen Ge- meinden des Landes durch Anſchlag öffentlich bekannt gemacht. Czernowitz, am 19. Februar 1907. Der k. k. Landespräſident im Herzogtume Bukowina: Dr. Oktavian Ritter v. Bleyleben. Zu unſerem geſtrigen Berichte über die Radautzer Wähler verſammlungen tragen wir noch nach, daß ſich in Radautz Bürgermeiſter Des Loges mit 22 Suczawaer Bürgern und Bürgermeiſter Beill mit 18 Serether Bürgern eingefunden hatten. In der Verſammlung, die im deutſchen Hauſe ſtattfand, ſprach Advokat Dr. Diſche aus Suczawa, der in einer großangelegten Rede für Dr. Skedl eintrat, ferner Doktor Benkendorf aus Sereth, Kultusvorſteher Terner, cand. iur. Brunſtein und die Gemeinderäte Kirbus und Larioniscul. Dr. Skedl berief ſich, nachdem er ſeinen Rechenſchaftsbericht erſtattet hatte, hauptſächlich darauf, daß er gegen die Zertrümmerung des Städtemandates Radautz— Suczawa—Sereth energiſch Stellung genommen und es ſo erhalten habe, wie es ihm vor ſechs Jahren übergeben wurde. Er lege es in die Hände ſeiner Wähler zurück und hoffe auf ihr Vertrauen. Im Gemeinderatsſaale tagte inzwiſchen eine jüdiſche Wählerverſammlung, in welche ſich Dr. Skedl ebenfalls begab. Nach dem Referate des Dr. Kinsbrunner, welches in der Forderung nach einem zweiten jüdiſchen Mandate gipfelte, ſprachen noch die Herren Dr. Bierer und Menſchel, welche die Nominierung eines Kandidaten für die Städte auch von der Schaffung eines zweiten jüdiſchen Mandates abhängig machten. Dr. Lupul aus Suczawa trat hierauf ſehr warm für Dr. Skedl ein, desgleichen Dr. Benkendorf aus Sereth, gegen den ſehr viele Zwiſchenrufe laut wurden. Ueber Antrag des Dr. Spitzer wurde dem Dr. Skedl das Ver- trauen votiert, gleichzeitig aber eine Reſolution angenommen, daß die Nominierung eines Kandidaten für die Städtegruppe erſt nach Schaffung eines zweiten jüdiſchen Mandates zu er- folgen habe. Der Teufelskopf. 21] Roman von Fitzgerald Molloy, deutſch von E. Ebeling. Nachdruck verboten. „Hätteſt du ſie angeſprochen, würde dein Argwohn über alle Zweifel erhaben ſein; aber ſo ſahſt du die Geſtalt doch nur in der Entfernung und in einem ſchwachen ungewiſſen Lichte. Du weißt ja, Büſche oder Steine ſehen oft aus wie menſchliche Weſen, wenn man ſie in halber Dunkelheit ſieht, und es iſt beſonders ſchwierig, Perſonen in einem ſolchen Lichte zu erkennen. Zufällig trifft es ſich auch gerade ſo, daß die Dame, die du geſehen zu haben glaubſt, in der Nacht krank war — zu krank, um ihr Zimmer zu verlaſſen und den Mann, den ſie bald heiraten wollte, bei Tiſch zu begrüßen. Daß ſie an dieſem Abend im Park hat umher- wandern ſollen, iſt höchſt unwahrſcheinlich, ja unmöglich.“ Rigel ſprach mit dem eifrigſten Ernſte eines Menſchen, der eine folgenſchwere Sache vertritt, und ſeine Worte machten Eindruck auf ſeinen Zuhörer, der ihnen mit verſtändnisvollem Intereſſe folgte. Einige Augenblicke hielt Foulſham den Blick auf den Teppich geſenkt und ſchlug mit der Pelzkappe ſinnend gegen ſeine Knie, als wäre er mit ſich ſelbſt noch nicht ganz im Klaren. Dann plötzlich, als hätte er einer Entſchluß gefaßt, ſagte er: „Aber das Taſchentuch — — —?“ „Du haſt nicht geſehen, daß die Geſtalt es fallen ließ?“ „Nein.“ „Nun gut; der Eigentümer hat es vielleicht ſchon lange vorher verloren, ehe es gefunden iſt.“ Foulſham trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, während Rigel ihn mit größter Spannung beobachtete. „Entſchuldigen Sie, Sir Rigel, aber mir liegt noch etwas im Sinne“, ſagte der Wildhüter endlich zögernd. „Dann heraus damit“, ſtieß Rigel hervor. „Sie glauben alſo nicht, daß die junge Dame irgend etwas mit dem zu tun hatte, was ſich in der Nacht er- eignete?“ Rigel fuhr auf, ſeine Stirnadern ſchwollen vor unter- drückter Gemütsbewegung. „Gott im Himmel, Mann, nein!“ rief er heiſer. „Ich bitte um Verzeihung, Sir Rigel“, ſagte Foulſham, als er die Beſtürzung des Barons ſah. „Wie konnte dir ein ſolch ſchrecklicher Gedanke kommen?“ „Es paſſieren manchmal ſeltſame Dinge“, antwortete der Wildhüter ausweichend. „Aber wir müſſen unſeren Verſtand dabei brauchen. Selbſt wenn die Dame, die du nennſt, fähig wäre, ſolch ein entſetzliches Verbrechen zu begehen, und ſelbſt wenn ſie die körperliche Kraft hätte, einen ſtarken Mann über den Abhang zu ſtoßen, was ſollte wohl ihr Grund ſein, den Mann zu töten, den ſie liebte?“ „Das weiß ich nicht, Sir Rigel“, geſtand Foulſham beſchämt. Die Froſtigkeit des ſchattenhaft erleuchteten Zimmers, aber mehr noch die magnetiſche Kraft des Mannes vor ihm gaben ihm ein unbehagliches Gefühl. Er fühlte ſein Denken und Wollen beeinflußt. „Aber du begreifſt doch“, fuhr Rigel fort, daß ein Ver- brechen niemals ohne Grund begangen wird. Hier kann doch aber keiner ſein. Sie verlor alles durch Sir Philipps Tod: einen Gatten, der ſie verehrte, einen Titel, ein großes Ein- kommen, ein ſchönes Heim. Ich ſehe, Foulſham, du glaubſt immer noch, daß es die Dame war, die du ihm Park geſehen haſt. Bedenke doch — Sir Philipp muß in dem Augenblicke gefallen ſein, in dem du den Vogelſchrei gehört haſt, und faſt unmittelbar darnach haſt du die Geſtalt in einiger Ent- fernung von der Unglücksſtätte geſehen, was klar beweiſt, daß ſie nicht zu der Zeit auf dem Teufelskopf hat ſein können, in der Sir Philipp verunglückt iſt. Wäre ſie zu irgend einer Stunde der Nacht dort geweſen und hätte gewünſcht, dieſe Tatſache geheim zu halten, ſo würde ſie auch auf dem kurzen Wege nach Hauſe geeilt ſein, anſtatt auf dem Wege die Gefahr einer Entdeckung zu laufen, auf dem du ſie geſehen haſt. Sieh die Sache an, von welcher Seite du willſt, du kannſt die Dame nicht in Verbindung bringen mit der traurigen Begebenheit, die uns alle ſo tief bekümmert und ganz beſonders aber ihre ſchrecklichen Folgen auf dieſe Dame ausübte; ſie iſt kaum vor einer Gehirnentzündung bewahrt geblieben.“ „Ich hoffe, Sie verzeihen mir“, erwiderte Foulſham, der wohl verſtand, daß ſich hinter Rigels Zurückhaltung eine furchtbare Aufregung verbarg. „Aber dieſer Zweifel lag mir ſchwer auf dem Herzen,“ fügte er hinzu. „Es iſt gut, daß du ihn ausgeſprochen haſt, denn ich hoffe, meine Gründe haben dieſen Zweifel zur Ruhe gebracht.“ „Ja, Sir Rigel, ich fühle mich ſehr erleichtert.“ Der andere merkte, daß dieſe Antwort zweideutig war, aber er hatte ſeine Ueberredungskunſt erſchöpft und wußte nicht, was für Worte er wählen ſollte, um Foulſham zu über- zeugen. Dem jedoch ſchien deſſen Zweifel von geringerer Wichtigkeit, ſo lange er nicht anderen mitgeteilt wurde, und dies zu verhindern, war Rigels dringender Wunſch. „Du wirſt einſehen“, fuhr er deshalb eindringlich fort, „welch’ ein furchtbares Unrecht du dieſer jungen Dame tun kannſt, wenn du anderen gegenüber erwähnſt, was du mir erzählt haſt. Ein geflügeltes Wort verbreitet ſich bald, und böſer Leumund kann den Unſchuldigſten verderben. Als ein ehrlicher Mann wirſt du eine leidende Frau nicht verderben wollen, deshalb verſprich mir, über das, was du mir ſoeben erzählt haſt, zu ſchweigen!“ „Das verſpreche ich“, erwiderte Foulſham, jetzt ganz beſiegt. „Willſt du das beſchwören?“ fragte Rigel, dem viel daran lag, dieſes Verſprechen in möglichſt weihevoller Weiſe beſiegeln zu laſſen, ſo lange der Mann noch unter ſeinem Einfluſſe ſtand. (Fortſetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 933, Czernowitz, 20.02.1907, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer933_1907/4>, abgerufen am 21.11.2024.