Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

Bild:
<< vorherige Seite
diese Lebens-Art erwehlen, und sich einem breternen Hause anvertrauen.
Daher kömt es auch, daß die See-Officiers in Holland selten eine ga-
lante und artige Aufführung haben, und es ist bekand, daß die weltbe-
rühmten Admirals Ruyter und Tromp eben dergleichen Weise an sich
gehabt. Die Kauffleute sind in Ansehung der Sitten von diesen wie-
derum gäntzlich unterschieden. Bey diesen regiert hauptsächlich die Spar-
samkeit,
und ihr Reichthum verführet sie nicht so weit, mehr zu verthun,
als sie bequemlich entbehren können. Die Ausländer selbst, wenn sie
auch sonst wacker das Geld zu verschleudern und die Mutter-Pfennige
durchzubringen gewohnt gewesen, lernen alhier menagiren. Sie sehen nichts
anders, und hören nichts anders, als von Profit, und wie man sich be-
müht, denselbigen auch in einem Bagatell zu finden, dahero sie endlich
aufmercksam, und sparsam zugleich werden. Bey den hiesigen Gasterey-
en
siehet man nicht auf solche unnöthige Depensen, wie in Teutschland und
anderwerts geschicht, sondern man ist mit einigen Gerichten zu frieden,
und verlanget nicht, daß die Tafeln vor der Last der übereinander gehäufften
Speisen zerbrechen mögten. Es ist keine Nothwendigkeit, daß man sich
allezeit bey Festins recht volltrincken, oder wenigstens ein Christlich Räusch-
gen mit nach Hause bringen müsse, sondern man hält davor, daß auch ei-
ner ohne Uberladung vergnügt und lustig gewesen seyn könne. Die Kauf-
leute halten vor eine Schande, wenn einer alles verthut, was er jährlich
einnimmt, geschweige wenn er noch mehr verthut, sondern es wird durchge-
hends erfordert, daß er noch etwas zurücke legen, und wenn es möglich ist,
noch einige saubere Meublen dazu schaffen müsse. Daher kömts, daß in
Holland so ausnehmend viel von der Reinlichkeit gehalten wird. Die Häu-
ser werden offtmahls gewaschen, und so gar die Ziegeln zu Zeiten gefärbet.
Die Glaß-Scheiben spiegeln wie ein Cristall, und an jeden Fenster ist ent-
weder ein roth oder grün gemahlter Sonnenschirm, welches das Gesicht über-
aus vergnügt. Jn ihren Schiffen wird es so nett und sauber gehalten, als
immermehr in den Häusern. Es werden so gar die Ställe gescheuert, und
den Kühen die Schwäntze durch ein oben an der Decke befestigtes Strickgen
angezogen, damit sie selbige ja nicht etwa unrein machen. Jhre Küchen
sehen so gut als die artigsten Zimmer, und die Boden gläntzen, daß man
sich darinnen bespiegeln könte, dahero sie nicht gerne leyden, wenn man aus-
speyet, und also Flecken darauf macht.
Bingley.
Da könte man zu weilen jenem lustigen Kopf folgen, welcher gleich-
fals
J 3
dieſe Lebens-Art erwehlen, und ſich einem breternen Hauſe anvertrauen.
Daher koͤmt es auch, daß die See-Officiers in Holland ſelten eine ga-
lante und artige Auffuͤhrung haben, und es iſt bekand, daß die weltbe-
ruͤhmten Admirals Ruyter und Tromp eben dergleichen Weiſe an ſich
gehabt. Die Kauffleute ſind in Anſehung der Sitten von dieſen wie-
derum gaͤntzlich unterſchieden. Bey dieſen regiert hauptſaͤchlich die Spar-
ſamkeit,
und ihr Reichthum verfuͤhret ſie nicht ſo weit, mehr zu verthun,
als ſie bequemlich entbehren koͤnnen. Die Auslaͤnder ſelbſt, wenn ſie
auch ſonſt wacker das Geld zu verſchleudern und die Mutter-Pfennige
durchzubringen gewohnt geweſen, lernen alhier menagiren. Sie ſehen nichts
anders, und hoͤren nichts anders, als von Profit, und wie man ſich be-
muͤht, denſelbigen auch in einem Bagatell zu finden, dahero ſie endlich
aufmerckſam, und ſparſam zugleich werden. Bey den hieſigen Gaſterey-
en
ſiehet man nicht auf ſolche unnoͤthige Depenſen, wie in Teutſchland und
anderwerts geſchicht, ſondern man iſt mit einigen Gerichten zu frieden,
und verlanget nicht, daß die Tafeln vor der Laſt der uͤbereinander gehaͤufften
Speiſen zerbrechen moͤgten. Es iſt keine Nothwendigkeit, daß man ſich
allezeit bey Feſtins recht volltrincken, oder wenigſtens ein Chriſtlich Raͤuſch-
gen mit nach Hauſe bringen muͤſſe, ſondern man haͤlt davor, daß auch ei-
ner ohne Uberladung vergnuͤgt und luſtig geweſen ſeyn koͤnne. Die Kauf-
leute halten vor eine Schande, wenn einer alles verthut, was er jaͤhrlich
einnimmt, geſchweige wenn er noch mehr verthut, ſondern es wird durchge-
hends erfordert, daß er noch etwas zuruͤcke legen, und wenn es moͤglich iſt,
noch einige ſaubere Meublen dazu ſchaffen muͤſſe. Daher koͤmts, daß in
Holland ſo ausnehmend viel von der Reinlichkeit gehalten wird. Die Haͤu-
ſer werden offtmahls gewaſchen, und ſo gar die Ziegeln zu Zeiten gefaͤrbet.
Die Glaß-Scheiben ſpiegeln wie ein Criſtall, und an jeden Fenſter iſt ent-
weder ein roth oder gruͤn gemahlter Sonnenſchirm, welches das Geſicht uͤber-
aus vergnuͤgt. Jn ihren Schiffen wird es ſo nett und ſauber gehalten, als
immermehr in den Haͤuſern. Es werden ſo gar die Staͤlle geſcheuert, und
den Kuͤhen die Schwaͤntze durch ein oben an der Decke befeſtigtes Strickgen
angezogen, damit ſie ſelbige ja nicht etwa unrein machen. Jhre Kuͤchen
ſehen ſo gut als die artigſten Zimmer, und die Boden glaͤntzen, daß man
ſich darinnen beſpiegeln koͤnte, dahero ſie nicht gerne leyden, wenn man aus-
ſpeyet, und alſo Flecken darauf macht.
Bingley.
Da koͤnte man zu weilen jenem luſtigen Kopf folgen, welcher gleich-
fals
J 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0079" n="69"/>
die&#x017F;e Lebens-Art erwehlen, und &#x017F;ich einem <hi rendition="#fr">breternen</hi> Hau&#x017F;e anvertrauen.<lb/>
Daher ko&#x0364;mt es auch, daß die <hi rendition="#fr">See-Officiers</hi> in Holland &#x017F;elten eine ga-<lb/>
lante und artige Auffu&#x0364;hrung haben, und es i&#x017F;t bekand, daß die weltbe-<lb/>
ru&#x0364;hmten <hi rendition="#fr">Admirals Ruyter</hi> und <hi rendition="#fr">Tromp</hi> eben dergleichen Wei&#x017F;e an &#x017F;ich<lb/>
gehabt. Die <hi rendition="#fr">Kauffleute</hi> &#x017F;ind in An&#x017F;ehung der Sitten von die&#x017F;en wie-<lb/>
derum ga&#x0364;ntzlich unter&#x017F;chieden. Bey die&#x017F;en regiert haupt&#x017F;a&#x0364;chlich die <hi rendition="#fr">Spar-<lb/>
&#x017F;amkeit,</hi> und ihr Reichthum verfu&#x0364;hret &#x017F;ie nicht &#x017F;o weit, mehr zu verthun,<lb/>
als &#x017F;ie bequemlich entbehren ko&#x0364;nnen. Die <hi rendition="#fr">Ausla&#x0364;nder</hi> &#x017F;elb&#x017F;t, wenn &#x017F;ie<lb/>
auch &#x017F;on&#x017F;t wacker das Geld zu ver&#x017F;chleudern und die <hi rendition="#fr">Mutter-Pfennige</hi><lb/>
durchzubringen gewohnt gewe&#x017F;en, lernen alhier menagiren. Sie &#x017F;ehen nichts<lb/>
anders, und ho&#x0364;ren nichts anders, als von <hi rendition="#fr">Profit,</hi> und wie man &#x017F;ich be-<lb/>
mu&#x0364;ht, den&#x017F;elbigen auch in einem <hi rendition="#fr">Bagatell</hi> zu finden, dahero &#x017F;ie endlich<lb/>
aufmerck&#x017F;am, und &#x017F;par&#x017F;am zugleich werden. Bey den hie&#x017F;igen <hi rendition="#fr">Ga&#x017F;terey-<lb/>
en</hi> &#x017F;iehet man nicht auf &#x017F;olche unno&#x0364;thige Depen&#x017F;en, wie in Teut&#x017F;chland und<lb/>
anderwerts ge&#x017F;chicht, &#x017F;ondern man i&#x017F;t mit einigen <hi rendition="#fr">Gerichten</hi> zu frieden,<lb/>
und verlanget nicht, daß die Tafeln vor der La&#x017F;t der u&#x0364;bereinander geha&#x0364;ufften<lb/>
Spei&#x017F;en zerbrechen mo&#x0364;gten. Es i&#x017F;t keine Nothwendigkeit, daß man &#x017F;ich<lb/>
allezeit bey Fe&#x017F;tins recht volltrincken, oder wenig&#x017F;tens ein Chri&#x017F;tlich Ra&#x0364;u&#x017F;ch-<lb/>
gen mit nach Hau&#x017F;e bringen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ondern man ha&#x0364;lt davor, daß auch ei-<lb/>
ner ohne Uberladung vergnu&#x0364;gt und lu&#x017F;tig gewe&#x017F;en &#x017F;eyn ko&#x0364;nne. Die Kauf-<lb/>
leute halten vor eine Schande, wenn einer alles verthut, was er ja&#x0364;hrlich<lb/>
einnimmt, ge&#x017F;chweige wenn er noch mehr verthut, &#x017F;ondern es wird durchge-<lb/>
hends erfordert, daß er noch etwas zuru&#x0364;cke legen, und wenn es mo&#x0364;glich i&#x017F;t,<lb/>
noch einige &#x017F;aubere Meublen dazu &#x017F;chaffen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Daher ko&#x0364;mts, daß in<lb/>
Holland &#x017F;o ausnehmend viel von der Reinlichkeit gehalten wird. Die Ha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;er werden offtmahls gewa&#x017F;chen, und &#x017F;o gar die Ziegeln zu Zeiten gefa&#x0364;rbet.<lb/>
Die Glaß-Scheiben &#x017F;piegeln wie ein Cri&#x017F;tall, und an jeden Fen&#x017F;ter i&#x017F;t ent-<lb/>
weder ein roth oder gru&#x0364;n gemahlter Sonnen&#x017F;chirm, welches das Ge&#x017F;icht u&#x0364;ber-<lb/>
aus vergnu&#x0364;gt. Jn ihren Schiffen wird es &#x017F;o nett und &#x017F;auber gehalten, als<lb/>
immermehr in den Ha&#x0364;u&#x017F;ern. Es werden &#x017F;o gar die Sta&#x0364;lle ge&#x017F;cheuert, und<lb/>
den Ku&#x0364;hen die Schwa&#x0364;ntze durch ein oben an der Decke befe&#x017F;tigtes Strickgen<lb/>
angezogen, damit &#x017F;ie &#x017F;elbige ja nicht etwa unrein machen. Jhre Ku&#x0364;chen<lb/>
&#x017F;ehen &#x017F;o gut als die artig&#x017F;ten Zimmer, und die Boden gla&#x0364;ntzen, daß man<lb/>
&#x017F;ich darinnen be&#x017F;piegeln ko&#x0364;nte, dahero &#x017F;ie nicht gerne leyden, wenn man aus-<lb/>
&#x017F;peyet, und al&#x017F;o Flecken darauf macht.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Bingley.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/>
          <p>Da ko&#x0364;nte man zu weilen jenem lu&#x017F;tigen Kopf folgen, welcher gleich-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 3</fw><fw place="bottom" type="catch">fals</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0079] dieſe Lebens-Art erwehlen, und ſich einem breternen Hauſe anvertrauen. Daher koͤmt es auch, daß die See-Officiers in Holland ſelten eine ga- lante und artige Auffuͤhrung haben, und es iſt bekand, daß die weltbe- ruͤhmten Admirals Ruyter und Tromp eben dergleichen Weiſe an ſich gehabt. Die Kauffleute ſind in Anſehung der Sitten von dieſen wie- derum gaͤntzlich unterſchieden. Bey dieſen regiert hauptſaͤchlich die Spar- ſamkeit, und ihr Reichthum verfuͤhret ſie nicht ſo weit, mehr zu verthun, als ſie bequemlich entbehren koͤnnen. Die Auslaͤnder ſelbſt, wenn ſie auch ſonſt wacker das Geld zu verſchleudern und die Mutter-Pfennige durchzubringen gewohnt geweſen, lernen alhier menagiren. Sie ſehen nichts anders, und hoͤren nichts anders, als von Profit, und wie man ſich be- muͤht, denſelbigen auch in einem Bagatell zu finden, dahero ſie endlich aufmerckſam, und ſparſam zugleich werden. Bey den hieſigen Gaſterey- en ſiehet man nicht auf ſolche unnoͤthige Depenſen, wie in Teutſchland und anderwerts geſchicht, ſondern man iſt mit einigen Gerichten zu frieden, und verlanget nicht, daß die Tafeln vor der Laſt der uͤbereinander gehaͤufften Speiſen zerbrechen moͤgten. Es iſt keine Nothwendigkeit, daß man ſich allezeit bey Feſtins recht volltrincken, oder wenigſtens ein Chriſtlich Raͤuſch- gen mit nach Hauſe bringen muͤſſe, ſondern man haͤlt davor, daß auch ei- ner ohne Uberladung vergnuͤgt und luſtig geweſen ſeyn koͤnne. Die Kauf- leute halten vor eine Schande, wenn einer alles verthut, was er jaͤhrlich einnimmt, geſchweige wenn er noch mehr verthut, ſondern es wird durchge- hends erfordert, daß er noch etwas zuruͤcke legen, und wenn es moͤglich iſt, noch einige ſaubere Meublen dazu ſchaffen muͤſſe. Daher koͤmts, daß in Holland ſo ausnehmend viel von der Reinlichkeit gehalten wird. Die Haͤu- ſer werden offtmahls gewaſchen, und ſo gar die Ziegeln zu Zeiten gefaͤrbet. Die Glaß-Scheiben ſpiegeln wie ein Criſtall, und an jeden Fenſter iſt ent- weder ein roth oder gruͤn gemahlter Sonnenſchirm, welches das Geſicht uͤber- aus vergnuͤgt. Jn ihren Schiffen wird es ſo nett und ſauber gehalten, als immermehr in den Haͤuſern. Es werden ſo gar die Staͤlle geſcheuert, und den Kuͤhen die Schwaͤntze durch ein oben an der Decke befeſtigtes Strickgen angezogen, damit ſie ſelbige ja nicht etwa unrein machen. Jhre Kuͤchen ſehen ſo gut als die artigſten Zimmer, und die Boden glaͤntzen, daß man ſich darinnen beſpiegeln koͤnte, dahero ſie nicht gerne leyden, wenn man aus- ſpeyet, und alſo Flecken darauf macht. Bingley. Da koͤnte man zu weilen jenem luſtigen Kopf folgen, welcher gleich- fals J 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/79
Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/79>, abgerufen am 17.06.2024.