[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.
nen gerne ausländische Sprachen, und die andern sinnreichen Zeitvertreibe, als Stücken, Mahlen etc. werden keines weges auf die Seite gesetzet. Das bürgerliche Frauenzimmer ist von diesem so wohl am Stande als Sit- ten weit unterschieden. Denn ob es ihnen gleich auch nicht an Schönheit fehlet, so wissen doch die wenigsten sich derselben, wie ausländische zu ge- brauchen. Denn ihre Minen zeigen öffters von einem so spröden und ver- ächtlichen Hochmuth, daß die Liebhaber von einer gantz besondern Bestän- digkeit und Geschmack seyn müssen, denen sie auf ewig gefallen sollen. Sie machen inzwischen gerne Amour, und ihr Entzweck geht hauptsächlich auf eine Heyrath, welche sie bloß nach ihrem Vergnügen vollziehen, und ihrer Eltern und Vorgesetzten Meynung selten erst darüber vernehmen. Bingley. Jch halte dieses vor nichts unbilliges, daß sie nach ihrem Gemüthe freyen, indem doch ein vor allemahl richtig ist, daß dergleichen Personen öffters weit glückseeliger in nachfolgenden Ehestande mit einander leben, als die, so bloß der Eltern Caprice folgen müssen, und nicht diejenige Person er- wehlen dürffen, denen sie doch ihr Hertze gewidmet. Raminio. Ja man kan nicht tadeln, daß zwey junge Leute, so einander Zeit Le- bens zugesellet werden sollen, vorher sich zusammen verbinden, doch muß es mit der Bedingung geschehen, wenn die Eltern darein willigen würden. Jn- dem es, doch ein vor allemahl wider die Gesetze ist, diejenigen, denen man Leben und Auferziehung schuldig ist, in einem so wichtigen Wercke, da man öffters bloß den Augen trauet, zu übergehen. Bingley. Jch will euch darinnen, weil es der Billigkeit gemäß, nicht widerspre- chen, aber da wir jetzo ohnedem nichts anders vorzunehmen haben, euch ein Exempel erzehlen, da dergleichen Ehe, nach vielen ausgestandenen Zufällen glücklich abgelaufen, und noch jetzo in vollkommenen Flor dauret, ob sie gleich bloß auf die Augen gebauet, und eine schleunig entstandene Liebe der Grund und Ursprung davon ist. Victoria, ein junges Frauenzimmer aus einem alten und vornehmen Geschlechte, dessen Nahmen ich um gewisser Umstände zu nennen Beden- cken trage, hatte sich nach dem frühzeitigen Absterben ihres Gemahls in ein prächtiges Schloß begeben, welches von den vorbey fliessenden Wellen ei- nes grossen Flusses benetzet wurde, und dadurch nebst der schönen Aussicht zu einem
nen gerne auslaͤndiſche Sprachen, und die andern ſinnreichen Zeitvertreibe, als Stuͤcken, Mahlen ꝛc. werden keines weges auf die Seite geſetzet. Das buͤrgerliche Frauenzimmer iſt von dieſem ſo wohl am Stande als Sit- ten weit unterſchieden. Denn ob es ihnen gleich auch nicht an Schoͤnheit fehlet, ſo wiſſen doch die wenigſten ſich derſelben, wie auslaͤndiſche zu ge- brauchen. Denn ihre Minen zeigen oͤffters von einem ſo ſproͤden und ver- aͤchtlichen Hochmuth, daß die Liebhaber von einer gantz beſondern Beſtaͤn- digkeit und Geſchmack ſeyn muͤſſen, denen ſie auf ewig gefallen ſollen. Sie machen inzwiſchen gerne Amour, und ihr Entzweck geht hauptſaͤchlich auf eine Heyrath, welche ſie bloß nach ihrem Vergnuͤgen vollziehen, und ihrer Eltern und Vorgeſetzten Meynung ſelten erſt daruͤber vernehmen. Bingley. Jch halte dieſes vor nichts unbilliges, daß ſie nach ihrem Gemuͤthe freyen, indem doch ein vor allemahl richtig iſt, daß dergleichen Perſonen oͤffters weit gluͤckſeeliger in nachfolgenden Eheſtande mit einander leben, als die, ſo bloß der Eltern Caprice folgen muͤſſen, und nicht diejenige Perſon er- wehlen duͤrffen, denen ſie doch ihr Hertze gewidmet. Raminio. Ja man kan nicht tadeln, daß zwey junge Leute, ſo einander Zeit Le- bens zugeſellet werden ſollen, vorher ſich zuſammen verbinden, doch muß es mit der Bedingung geſchehen, wenn die Eltern darein willigen wuͤrden. Jn- dem es, doch ein vor allemahl wider die Geſetze iſt, diejenigen, denen man Leben und Auferziehung ſchuldig iſt, in einem ſo wichtigen Wercke, da man oͤffters bloß den Augen trauet, zu uͤbergehen. Bingley. Jch will euch darinnen, weil es der Billigkeit gemaͤß, nicht widerſpre- chen, aber da wir jetzo ohnedem nichts anders vorzunehmen haben, euch ein Exempel erzehlen, da dergleichen Ehe, nach vielen ausgeſtandenen Zufaͤllen gluͤcklich abgelaufen, und noch jetzo in vollkommenen Flor dauret, ob ſie gleich bloß auf die Augen gebauet, und eine ſchleunig entſtandene Liebe der Grund und Urſprung davon iſt. Victoria, ein junges Frauenzimmer aus einem alten und vornehmen Geſchlechte, deſſen Nahmen ich um gewiſſer Umſtaͤnde zu nennen Beden- cken trage, hatte ſich nach dem fruͤhzeitigen Abſterben ihres Gemahls in ein praͤchtiges Schloß begeben, welches von den vorbey flieſſenden Wellen ei- nes groſſen Fluſſes benetzet wurde, und dadurch nebſt der ſchoͤnen Ausſicht zu einem
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buͤrgerliche Frauenzimmer iſt von dieſem ſo wohl am Stande als Sit-
ten weit unterſchieden. Denn ob es ihnen gleich auch nicht an Schoͤnheit
fehlet, ſo wiſſen doch die wenigſten ſich derſelben, wie auslaͤndiſche zu ge-
brauchen. Denn ihre Minen zeigen oͤffters von einem ſo ſproͤden und ver-
aͤchtlichen Hochmuth, daß die Liebhaber von einer gantz beſondern Beſtaͤn-
digkeit und Geſchmack ſeyn muͤſſen, denen ſie auf ewig gefallen ſollen. Sie
machen inzwiſchen gerne Amour, und ihr Entzweck geht hauptſaͤchlich auf
eine Heyrath, welche ſie bloß nach ihrem Vergnuͤgen vollziehen, und ihrer
Eltern und Vorgeſetzten Meynung ſelten erſt daruͤber vernehmen.
Bingley.
Jch halte dieſes vor nichts unbilliges, daß ſie nach ihrem Gemuͤthe
freyen, indem doch ein vor allemahl richtig iſt, daß dergleichen Perſonen
oͤffters weit gluͤckſeeliger in nachfolgenden Eheſtande mit einander leben, als
die, ſo bloß der Eltern Caprice folgen muͤſſen, und nicht diejenige Perſon er-
wehlen duͤrffen, denen ſie doch ihr Hertze gewidmet.
Raminio.
Ja man kan nicht tadeln, daß zwey junge Leute, ſo einander Zeit Le-
bens zugeſellet werden ſollen, vorher ſich zuſammen verbinden, doch muß es
mit der Bedingung geſchehen, wenn die Eltern darein willigen wuͤrden. Jn-
dem es, doch ein vor allemahl wider die Geſetze iſt, diejenigen, denen man
Leben und Auferziehung ſchuldig iſt, in einem ſo wichtigen Wercke, da man
oͤffters bloß den Augen trauet, zu uͤbergehen.
Bingley.
Jch will euch darinnen, weil es der Billigkeit gemaͤß, nicht widerſpre-
chen, aber da wir jetzo ohnedem nichts anders vorzunehmen haben, euch ein
Exempel erzehlen, da dergleichen Ehe, nach vielen ausgeſtandenen Zufaͤllen
gluͤcklich abgelaufen, und noch jetzo in vollkommenen Flor dauret, ob ſie
gleich bloß auf die Augen gebauet, und eine ſchleunig entſtandene Liebe der
Grund und Urſprung davon iſt.
Victoria, ein junges Frauenzimmer aus einem alten und vornehmen
Geſchlechte, deſſen Nahmen ich um gewiſſer Umſtaͤnde zu nennen Beden-
cken trage, hatte ſich nach dem fruͤhzeitigen Abſterben ihres Gemahls in ein
praͤchtiges Schloß begeben, welches von den vorbey flieſſenden Wellen ei-
nes groſſen Fluſſes benetzet wurde, und dadurch nebſt der ſchoͤnen Ausſicht zu
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