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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905.

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Dr. Eduard David: Das kollektivistische Wirtschaftsprinzip.
geistigen Urheber der Erfurter Prinzipienerklärung unbedingt in Schutz
nehmen.

Kulemann sieht einen großen Fehler darin, daß das Programm das
" Kapital " als solches als Quelle des Uebels ansieht und bekämpft. Nicht
das "Kapital", sondern nur der "Kapital zins " sei zu bekämpfen, wobei
außerdem noch zu beachten sei, daß im Zins eine ökonomisch notwendige " Risiko-
prämie " stecke. "Gegenstand der Angriffs sollte deshalb lediglich der reine
Zins sein."

Ein noch größerer Fehler aber steckt nach Kulemann in der Behandlung
des zweiten Produktionsfaktors, der Arbeit. "Wie das Programm nur vom
Kapital und nicht vom Kapitalzins spricht und noch weniger zwischen rohem
Zins und reinem Zins unterscheidet, so kennt es auch nur eine Art von
Arbeit. Der Gegensatz zwischen dispositiver und ausführender
Arbeit ist ihm fremd; der Ausdruck "Unternehmer" kommt in ihm überhaupt
nicht vor. Berücksichtigt man nun, daß als Gegner der Arbeit nur die Ka-
pitalisten und Großgrundbesitzer genannt werden, daß aber der Unternehmer
offenbar zu den Arbeitern nicht gezählt wird, so ergibt sich völlig klar, daß
die Aus drücke
" Kapitalist " und " Unter'nehmer " als gleich-
bedeutend behan delt werden.
Das ist ein volkswirtschaftlicher Di-
lettantismus, der doch eigentlich die höchsten Pappelbäume übersteigt."

Wenn sich Herr Kulemann einigermaßen in die ökonomische Theorie hinein-
gedacht hätte, aus der das Programm abgeleitet ist, deren Sprache es spricht
und deren Schlußfolgen es in äußerster Kürze wiedergibt, so hätte er, dessen
bin ich gewiß, die zitierten Ausführungen ungeschrieben gelassen.

Er hätte sich dann aber auch sicherlich seine weiteren Auseinander-
setzungen geschenkt, über das Auseinanderfallen von Kapitaleigentum und Un-
ternehmertätigkeit, über "Brutto=Unternehmergewinn", "Kapitalzins", " Risiko-
prämie ", "Dirigentengehalt" und "reinen Unternehmergewinn". All dies fin-
det sich in der denkbar schärfsten Weise analysiert und präzisiert in den
Schriften der geistigen Urheber der Erfurter Programmerklärung. Und es
wäre doch auch geradezu ein Naturwunder, wenn diese Männer, die
doch wahrhaftig nicht zu den Dümmsten unter den ökonomischen Theoretikern
zählen, und die zudem mit dem Rüstzeug der ganzen vorangegangenen und
zeitgenössischen Fachwissenschaft ausgestattet waren, diese simplen Dinge über-
sehen hätten. Herr Kulemann möge einmal den fünften Abschnitt des dritten
Bandes des "Kapital" über die "Spaltung des Profits in Zins und Unter-
nehmergewinn " nachlesen. Er wird erstaunt sein, mit welcher Gründlichkeit
Karl Marx dort die Unterscheidung des "Geldkapitalisten" als des Verleihers
und des "fungierenden Kapitalisten" als des Anwenders des Kapitals vor-
nimmt und bis in die kleinsten Einzelheiten verfolgt.

Was Kulemann als "rohen Zins" bezeichnet, ist nach der Marxschen
richtigeren Terminologie der "Profit", dessen letzte Quelle der im gesellschaft-
lichen Produktionsprozeß erzeugte Mehrwert ist. Bei der Teilung des Pro-
fits zwischen "Geldkapitalist" und "fungierendem Kapitalisten" erscheint der
eine Teil, der " Zins ", als bloße Frucht des Kapital eigentums, wäh-
rend sich der andere Teil, der " Unternehmergewinn ", als Frucht
des bloßen Fungierens des Geldes als Kapital darstellt. "Das zinstragende

Dr. Eduard David: Das kollektivistische Wirtschaftsprinzip.
geistigen Urheber der Erfurter Prinzipienerklärung unbedingt in Schutz
nehmen.

Kulemann sieht einen großen Fehler darin, daß das Programm das
Kapital “ als solches als Quelle des Uebels ansieht und bekämpft. Nicht
das „Kapital“, sondern nur der „Kapital zins “ sei zu bekämpfen, wobei
außerdem noch zu beachten sei, daß im Zins eine ökonomisch notwendige „ Risiko-
prämie “ stecke. „Gegenstand der Angriffs sollte deshalb lediglich der reine
Zins sein.“

Ein noch größerer Fehler aber steckt nach Kulemann in der Behandlung
des zweiten Produktionsfaktors, der Arbeit. „Wie das Programm nur vom
Kapital und nicht vom Kapitalzins spricht und noch weniger zwischen rohem
Zins und reinem Zins unterscheidet, so kennt es auch nur eine Art von
Arbeit. Der Gegensatz zwischen dispositiver und ausführender
Arbeit ist ihm fremd; der Ausdruck „Unternehmer“ kommt in ihm überhaupt
nicht vor. Berücksichtigt man nun, daß als Gegner der Arbeit nur die Ka-
pitalisten und Großgrundbesitzer genannt werden, daß aber der Unternehmer
offenbar zu den Arbeitern nicht gezählt wird, so ergibt sich völlig klar, daß
die Aus drücke
KapitalistundUnter'nehmerals gleich-
bedeutend behan delt werden.
Das ist ein volkswirtschaftlicher Di-
lettantismus, der doch eigentlich die höchsten Pappelbäume übersteigt.“

Wenn sich Herr Kulemann einigermaßen in die ökonomische Theorie hinein-
gedacht hätte, aus der das Programm abgeleitet ist, deren Sprache es spricht
und deren Schlußfolgen es in äußerster Kürze wiedergibt, so hätte er, dessen
bin ich gewiß, die zitierten Ausführungen ungeschrieben gelassen.

Er hätte sich dann aber auch sicherlich seine weiteren Auseinander-
setzungen geschenkt, über das Auseinanderfallen von Kapitaleigentum und Un-
ternehmertätigkeit, über „Brutto=Unternehmergewinn“, „Kapitalzins“, „ Risiko-
prämie “, „Dirigentengehalt“ und „reinen Unternehmergewinn“. All dies fin-
det sich in der denkbar schärfsten Weise analysiert und präzisiert in den
Schriften der geistigen Urheber der Erfurter Programmerklärung. Und es
wäre doch auch geradezu ein Naturwunder, wenn diese Männer, die
doch wahrhaftig nicht zu den Dümmsten unter den ökonomischen Theoretikern
zählen, und die zudem mit dem Rüstzeug der ganzen vorangegangenen und
zeitgenössischen Fachwissenschaft ausgestattet waren, diese simplen Dinge über-
sehen hätten. Herr Kulemann möge einmal den fünften Abschnitt des dritten
Bandes des „Kapital“ über die „Spaltung des Profits in Zins und Unter-
nehmergewinn “ nachlesen. Er wird erstaunt sein, mit welcher Gründlichkeit
Karl Marx dort die Unterscheidung des „Geldkapitalisten“ als des Verleihers
und des „fungierenden Kapitalisten“ als des Anwenders des Kapitals vor-
nimmt und bis in die kleinsten Einzelheiten verfolgt.

Was Kulemann als „rohen Zins“ bezeichnet, ist nach der Marxschen
richtigeren Terminologie der „Profit“, dessen letzte Quelle der im gesellschaft-
lichen Produktionsprozeß erzeugte Mehrwert ist. Bei der Teilung des Pro-
fits zwischen „Geldkapitalist“ und „fungierendem Kapitalisten“ erscheint der
eine Teil, der „ Zins “, als bloße Frucht des Kapital eigentums, wäh-
rend sich der andere Teil, der „ Unternehmergewinn “, als Frucht
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[610/0018] Dr. Eduard David: Das kollektivistische Wirtschaftsprinzip. geistigen Urheber der Erfurter Prinzipienerklärung unbedingt in Schutz nehmen. Kulemann sieht einen großen Fehler darin, daß das Programm das „ Kapital “ als solches als Quelle des Uebels ansieht und bekämpft. Nicht das „Kapital“, sondern nur der „Kapital zins “ sei zu bekämpfen, wobei außerdem noch zu beachten sei, daß im Zins eine ökonomisch notwendige „ Risiko- prämie “ stecke. „Gegenstand der Angriffs sollte deshalb lediglich der reine Zins sein.“ Ein noch größerer Fehler aber steckt nach Kulemann in der Behandlung des zweiten Produktionsfaktors, der Arbeit. „Wie das Programm nur vom Kapital und nicht vom Kapitalzins spricht und noch weniger zwischen rohem Zins und reinem Zins unterscheidet, so kennt es auch nur eine Art von Arbeit. Der Gegensatz zwischen dispositiver und ausführender Arbeit ist ihm fremd; der Ausdruck „Unternehmer“ kommt in ihm überhaupt nicht vor. Berücksichtigt man nun, daß als Gegner der Arbeit nur die Ka- pitalisten und Großgrundbesitzer genannt werden, daß aber der Unternehmer offenbar zu den Arbeitern nicht gezählt wird, so ergibt sich völlig klar, daß die Aus drücke „ Kapitalist “ und „ Unter'nehmer “ als gleich- bedeutend behan delt werden. Das ist ein volkswirtschaftlicher Di- lettantismus, der doch eigentlich die höchsten Pappelbäume übersteigt.“ Wenn sich Herr Kulemann einigermaßen in die ökonomische Theorie hinein- gedacht hätte, aus der das Programm abgeleitet ist, deren Sprache es spricht und deren Schlußfolgen es in äußerster Kürze wiedergibt, so hätte er, dessen bin ich gewiß, die zitierten Ausführungen ungeschrieben gelassen. Er hätte sich dann aber auch sicherlich seine weiteren Auseinander- setzungen geschenkt, über das Auseinanderfallen von Kapitaleigentum und Un- ternehmertätigkeit, über „Brutto=Unternehmergewinn“, „Kapitalzins“, „ Risiko- prämie “, „Dirigentengehalt“ und „reinen Unternehmergewinn“. All dies fin- det sich in der denkbar schärfsten Weise analysiert und präzisiert in den Schriften der geistigen Urheber der Erfurter Programmerklärung. Und es wäre doch auch geradezu ein Naturwunder, wenn diese Männer, die doch wahrhaftig nicht zu den Dümmsten unter den ökonomischen Theoretikern zählen, und die zudem mit dem Rüstzeug der ganzen vorangegangenen und zeitgenössischen Fachwissenschaft ausgestattet waren, diese simplen Dinge über- sehen hätten. Herr Kulemann möge einmal den fünften Abschnitt des dritten Bandes des „Kapital“ über die „Spaltung des Profits in Zins und Unter- nehmergewinn “ nachlesen. Er wird erstaunt sein, mit welcher Gründlichkeit Karl Marx dort die Unterscheidung des „Geldkapitalisten“ als des Verleihers und des „fungierenden Kapitalisten“ als des Anwenders des Kapitals vor- nimmt und bis in die kleinsten Einzelheiten verfolgt. Was Kulemann als „rohen Zins“ bezeichnet, ist nach der Marxschen richtigeren Terminologie der „Profit“, dessen letzte Quelle der im gesellschaft- lichen Produktionsprozeß erzeugte Mehrwert ist. Bei der Teilung des Pro- fits zwischen „Geldkapitalist“ und „fungierendem Kapitalisten“ erscheint der eine Teil, der „ Zins “, als bloße Frucht des Kapital eigentums, wäh- rend sich der andere Teil, der „ Unternehmergewinn “, als Frucht des bloßen Fungierens des Geldes als Kapital darstellt. „Das zinstragende

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0113_1905/18>, abgerufen am 01.11.2024.