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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905.

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Allostis: Der Zweck heiligt das Mittel.
kenntnis noch nicht lebendig, daß die Menschen verschieden sind, daß jeder seine
eigene Sittlichkeit und Unsittlichkeit in sich trägt, die nicht nach einem Bilde des
Menschen bemessen werden dürfen. Hat jeder Einzelne von Natur das Be-
streben, sein Selbst zu entfalten und zu genießen, so kann er dies nur in dem
Rahmen seiner Vorstellungen und nach dem Maße seiner Kräfte. Die
Entwicklung der Verschiedenheit ist aber nicht nur für den Einzelnen, sondern
auch für die Gesamtheit zur Bereicherung des Lebens notwendig, die Gleich-
macherei ist im Sinne der höheren Zwecke unsittlich. Nicht vor der Ausnahme
müssen wir uns entsetzen, vor dem Anderssein, sondern den Regelgefühlen miß-
trauen und Armut und Mangel an Würde in dem Gleichsein erblicken. Alles,
was triebhaft in uns drängt, nicht als Ausfluß unseres eigenen Glücksstrebens,
sondern als belastendes Erbe überwundener Zeiten und Vorstellungen, sollen
wir durch die Erkenntnis der Zwecke beherrschen lernen. Wir sehen dann, daß
vieles nur Mittel ist, was jetzt als heiliger Zweck verehrt wird. Die "ewigen,
allgemein gültigen, unumstößlichen" Sittengesetze der Menschen werden als
vorübergehende, von bestimmten Zwecken erzeugte und nur für gewisse Ver-
hältnisse notwendige oder nützliche Erscheinungen erkannt, und wenn ein Satz
als ewiges Naturgesetz übrig bleibt, so ist es der, daß der Zweck das Mittel
heiligt.

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Allostis: Der Zweck heiligt das Mittel.
kenntnis noch nicht lebendig, daß die Menschen verschieden sind, daß jeder seine
eigene Sittlichkeit und Unsittlichkeit in sich trägt, die nicht nach einem Bilde des
Menschen bemessen werden dürfen. Hat jeder Einzelne von Natur das Be-
streben, sein Selbst zu entfalten und zu genießen, so kann er dies nur in dem
Rahmen seiner Vorstellungen und nach dem Maße seiner Kräfte. Die
Entwicklung der Verschiedenheit ist aber nicht nur für den Einzelnen, sondern
auch für die Gesamtheit zur Bereicherung des Lebens notwendig, die Gleich-
macherei ist im Sinne der höheren Zwecke unsittlich. Nicht vor der Ausnahme
müssen wir uns entsetzen, vor dem Anderssein, sondern den Regelgefühlen miß-
trauen und Armut und Mangel an Würde in dem Gleichsein erblicken. Alles,
was triebhaft in uns drängt, nicht als Ausfluß unseres eigenen Glücksstrebens,
sondern als belastendes Erbe überwundener Zeiten und Vorstellungen, sollen
wir durch die Erkenntnis der Zwecke beherrschen lernen. Wir sehen dann, daß
vieles nur Mittel ist, was jetzt als heiliger Zweck verehrt wird. Die „ewigen,
allgemein gültigen, unumstößlichen“ Sittengesetze der Menschen werden als
vorübergehende, von bestimmten Zwecken erzeugte und nur für gewisse Ver-
hältnisse notwendige oder nützliche Erscheinungen erkannt, und wenn ein Satz
als ewiges Naturgesetz übrig bleibt, so ist es der, daß der Zweck das Mittel
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[625/0033] Allostis: Der Zweck heiligt das Mittel. kenntnis noch nicht lebendig, daß die Menschen verschieden sind, daß jeder seine eigene Sittlichkeit und Unsittlichkeit in sich trägt, die nicht nach einem Bilde des Menschen bemessen werden dürfen. Hat jeder Einzelne von Natur das Be- streben, sein Selbst zu entfalten und zu genießen, so kann er dies nur in dem Rahmen seiner Vorstellungen und nach dem Maße seiner Kräfte. Die Entwicklung der Verschiedenheit ist aber nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesamtheit zur Bereicherung des Lebens notwendig, die Gleich- macherei ist im Sinne der höheren Zwecke unsittlich. Nicht vor der Ausnahme müssen wir uns entsetzen, vor dem Anderssein, sondern den Regelgefühlen miß- trauen und Armut und Mangel an Würde in dem Gleichsein erblicken. Alles, was triebhaft in uns drängt, nicht als Ausfluß unseres eigenen Glücksstrebens, sondern als belastendes Erbe überwundener Zeiten und Vorstellungen, sollen wir durch die Erkenntnis der Zwecke beherrschen lernen. Wir sehen dann, daß vieles nur Mittel ist, was jetzt als heiliger Zweck verehrt wird. Die „ewigen, allgemein gültigen, unumstößlichen“ Sittengesetze der Menschen werden als vorübergehende, von bestimmten Zwecken erzeugte und nur für gewisse Ver- hältnisse notwendige oder nützliche Erscheinungen erkannt, und wenn ein Satz als ewiges Naturgesetz übrig bleibt, so ist es der, daß der Zweck das Mittel heiligt. [Abbildung]

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0113_1905/33>, abgerufen am 21.11.2024.