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Das Heller-Blatt. Nr. 15. Breslau, 12. April 1834.

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[Beginn Spaltensatz] zeugnisse beitragen. Bekanntlich werden die schönsten,
feinsten und dauerhaftesten Strohhüte in Jtalien ver-
fertigt, und zwar giebt es zwei Gattungen derselben:
Florentiner Strohhüte, welche zu den schönsten,
kräftigsten und vollkommensten, aber auch zu den theuer-
sten Fabrikaten ihrer Art gehören, und Venetianische
Strohhüte, die nicht ganz denselben Grad von Schön-
heit und Festigteit haben, mithin auch verhältnißmäßig
wohlfeiler sind.

Die Manufaktur der berühmtesten Strohhüte und
Strohbänder wird in Jtalien in der Sette communi
betrieben. Jn diesem kleinen Ländchen von3 3 / 4 Geviert-
meilen und einer Bevölkerung von 10,000 Seelen, be-
steht das Haupt=Gewerbe und die vorzüglichste Nah-
rungsquelle in der Fabricirung der Strohhüte und
Strohbänder. Man berechnet dort den jährlichen Be-
trag dieser Fabrikation, den Werth des Strohes mit-
begriffen, auf 720,000 Gulden. Diese Fabrikation
hat dort ihren Hauptsitz, in den zwei Gemeinden Lu-
siana und Giacomo, wo auch die besondere Art von
Waitzen gedeiht, aus deren Stroh diese Hüte und Bän-
der gemacht werden können. Das Stroh wird mit
Sorgfalt gesammel, sortirt, und in Halmen von glei-
cher Länge, bündelweise an die Bandflechter, das Pfund
von 12 Unzen für 1 Floren, verkauft.

Bei der großen Ausdehnung, welche diese Fabri-
kation in der Sette communi hat, sind die Arbeiten
sehr abgetheilt. Diejenigen, welche das Stroh sorti-
ren, verkaufen es an die Bandflechter, diese verkaufen
die Bänder an die Hutmacher, und die Fabrikanten
überlassen die Waaren an die Handlungshäuser, welche
sie bis nach Frankreich, England, Deutschland und im
ganzen Norden debitiren.

Die Flechten in den italienischen Strohhüten sind
auf eine eigene Art bereitet und zusammengenäht, und
die daraus verfertigten Fabrikate haben, neben dem
Vorzug einer glänzenden Farbe und einer hohen Gleich-
heit, Regelmäßigkeit und Schönheit des Geflechts, noch
den einer bedeutenden Stärke, Kräftigkeit und Elastici-
tät. Zu diesen Geflechten bleiben die Halme ungespal-
ten, welches mit zu den angeführten Eigenschaften bei-
trägt. Sie können deshalb auch ohne Appretur getra-
gen werden, und unterscheiden sich dadurch von allen
Fabrikaten ähnlicher Art, die in andern Gegenden er-
zeugt werden. Man hat ihre Nachahmung zwar viel-
fältig versucht, aber bis jetzt noch nirgends Fabrikate
liefern können, die die Schönheit der Florentiner Stroh-
hüte erreichen. Jn der Schweiz, in der Gegend von
Zürich, wird z. B. die Fabrikation von Strohwaaren
eifrig betrieben, und unsere Fabriken beziehen von daher
sehr viele Geflechte, die sie zusammennähn lassen, und
in Hüte verarbeiten. Das Material in diesen Geflech-
ten besteht in gespaltenem Stroh, und dieses sowohl,
als die andere Art von Zusammensetzung der Platten,
die man beobachtet, verursacht, daß die deutschen
[Spaltenumbruch] Strohhüte von den ächt italienischen wesentlich ver-
schieden sind. Auch im Königreich Baiern, in Linden-
berg im Landgericht Weiler, im Jllerkreise, werden
viel Strohhüte fabricirt. Das Material ist Waitzen-
stroh. Eben so geschieht dieses im Königreich Sachsen
aus inländischem Stroh. Aber überall kommt das
Material und die Arbeit den italienischen Erzeugnissen
nicht bei, und die deutsche Fabrikation ist daher bis
dahin nur auf gröbere Strohhüte und Strohwaaren be-
schränkt geblieben.

Der Umstand des bedeutend starken Verbrauchs des
fremden Strohgeflechts und der italienischen Strohhüte
im Lande, verbunden mit dem, daß die Strohflechterei
eine Arbeit ist, die in jedem Lande eben so wohl, wie
in Jtalien, als eine Nebenbeschäftigung der Frauen
und Kinder auf dem Lande, so wie der Armen und
Schwachen in den öffentlichen Anstalten, sehr wohl aus-
geführt werden kann, macht es wünschenswerth, daß
auf diese Fabrikation eine größere Aufmerksamkeit ge-
richtet werde, und sie im Lande mehr zu erheben und
zu verbreiten suche. Jn England, wo man nichts für
gering hält, was zur Erhöhung und Erweiterung der
Betriebsamkeit und des Gewerbfleißes beitragen kann,
hat man die Sache in der letzten Zeit mit ganz besonde-
rem Eifer aufgefaßt, und scheint in der That ernstlich
darauf bedacht zu seyn, die Fabrikation von Stroh-
Geflechten nnd Hüten, nach italienischer Art, dort zu
einem Zweige der Beschäftigung zu machen, und zwar
so, daß das hierzu erforderliche Material zugleich im
Lande selbst erzeugt und gewonnen werde.

Zu dieser Auffassung hat eine Frau in Nordamerika,
Mistreß Wells genannt, die zu Weatherfield in Con-
necticut wohnt, Veranlassung gegeben. Sie hatte
nämlich versucht, Strohgeflecht aus den Halmen einer
in Nordamerika wildwachsenden Grasart zu verferti-
gen, und übersandte der Gesellschaft zur Beförderung
der Künste in London, Proben von ihren Hüten, die
solche von Sachverständigen untersuchen ließ, welche
sie mit ächt italienischen Fabrikaten verglichen, und
für weit vorzüglicher erklärten, als die aus nicht ita-
lienischem Strohgeflecht, sowohl hinsichts der Feinheit,
als der Farbe. Die Societät votirte der Erfinderin
für diese Mittheilung ihre silberne Medaille, und eine
Prämie von 20 Guineen, verband aber damit zugleich
die Rücksicht, die Erfindung für Großbritannien zu ge-
winnen, und machte es daher der Empfängerin zur Be-
dingung, eine Quantität Saamen der Grasart, wor-
aus das Geflecht verfertigt war, einzusenden, und über
deren Kultur und Verarbeitung die nöthige Anleitung
zu geben. Dies geschah; der nordamerikanische Saa-
men ward in England ausgesäet, und es ergab sich,
daß das Gras das bekannte Wiesen=Rispengras war,
welches auch in Deutschland überall auf Wiesen, nie-
drigen Triften u. s. w. wächst. Es wurden darauf in
England, aus den von dem amerikanischen Saamen ge-
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] zeugnisse beitragen. Bekanntlich werden die schönsten,
feinsten und dauerhaftesten Strohhüte in Jtalien ver-
fertigt, und zwar giebt es zwei Gattungen derselben:
Florentiner Strohhüte, welche zu den schönsten,
kräftigsten und vollkommensten, aber auch zu den theuer-
sten Fabrikaten ihrer Art gehören, und Venetianische
Strohhüte, die nicht ganz denselben Grad von Schön-
heit und Festigteit haben, mithin auch verhältnißmäßig
wohlfeiler sind.

Die Manufaktur der berühmtesten Strohhüte und
Strohbänder wird in Jtalien in der Sette communi
betrieben. Jn diesem kleinen Ländchen von3 3 / 4 Geviert-
meilen und einer Bevölkerung von 10,000 Seelen, be-
steht das Haupt=Gewerbe und die vorzüglichste Nah-
rungsquelle in der Fabricirung der Strohhüte und
Strohbänder. Man berechnet dort den jährlichen Be-
trag dieser Fabrikation, den Werth des Strohes mit-
begriffen, auf 720,000 Gulden. Diese Fabrikation
hat dort ihren Hauptsitz, in den zwei Gemeinden Lu-
siana und Giacomo, wo auch die besondere Art von
Waitzen gedeiht, aus deren Stroh diese Hüte und Bän-
der gemacht werden können. Das Stroh wird mit
Sorgfalt gesammel, sortirt, und in Halmen von glei-
cher Länge, bündelweise an die Bandflechter, das Pfund
von 12 Unzen für 1 Floren, verkauft.

Bei der großen Ausdehnung, welche diese Fabri-
kation in der Sette communi hat, sind die Arbeiten
sehr abgetheilt. Diejenigen, welche das Stroh sorti-
ren, verkaufen es an die Bandflechter, diese verkaufen
die Bänder an die Hutmacher, und die Fabrikanten
überlassen die Waaren an die Handlungshäuser, welche
sie bis nach Frankreich, England, Deutschland und im
ganzen Norden debitiren.

Die Flechten in den italienischen Strohhüten sind
auf eine eigene Art bereitet und zusammengenäht, und
die daraus verfertigten Fabrikate haben, neben dem
Vorzug einer glänzenden Farbe und einer hohen Gleich-
heit, Regelmäßigkeit und Schönheit des Geflechts, noch
den einer bedeutenden Stärke, Kräftigkeit und Elastici-
tät. Zu diesen Geflechten bleiben die Halme ungespal-
ten, welches mit zu den angeführten Eigenschaften bei-
trägt. Sie können deshalb auch ohne Appretur getra-
gen werden, und unterscheiden sich dadurch von allen
Fabrikaten ähnlicher Art, die in andern Gegenden er-
zeugt werden. Man hat ihre Nachahmung zwar viel-
fältig versucht, aber bis jetzt noch nirgends Fabrikate
liefern können, die die Schönheit der Florentiner Stroh-
hüte erreichen. Jn der Schweiz, in der Gegend von
Zürich, wird z. B. die Fabrikation von Strohwaaren
eifrig betrieben, und unsere Fabriken beziehen von daher
sehr viele Geflechte, die sie zusammennähn lassen, und
in Hüte verarbeiten. Das Material in diesen Geflech-
ten besteht in gespaltenem Stroh, und dieses sowohl,
als die andere Art von Zusammensetzung der Platten,
die man beobachtet, verursacht, daß die deutschen
[Spaltenumbruch] Strohhüte von den ächt italienischen wesentlich ver-
schieden sind. Auch im Königreich Baiern, in Linden-
berg im Landgericht Weiler, im Jllerkreise, werden
viel Strohhüte fabricirt. Das Material ist Waitzen-
stroh. Eben so geschieht dieses im Königreich Sachsen
aus inländischem Stroh. Aber überall kommt das
Material und die Arbeit den italienischen Erzeugnissen
nicht bei, und die deutsche Fabrikation ist daher bis
dahin nur auf gröbere Strohhüte und Strohwaaren be-
schränkt geblieben.

Der Umstand des bedeutend starken Verbrauchs des
fremden Strohgeflechts und der italienischen Strohhüte
im Lande, verbunden mit dem, daß die Strohflechterei
eine Arbeit ist, die in jedem Lande eben so wohl, wie
in Jtalien, als eine Nebenbeschäftigung der Frauen
und Kinder auf dem Lande, so wie der Armen und
Schwachen in den öffentlichen Anstalten, sehr wohl aus-
geführt werden kann, macht es wünschenswerth, daß
auf diese Fabrikation eine größere Aufmerksamkeit ge-
richtet werde, und sie im Lande mehr zu erheben und
zu verbreiten suche. Jn England, wo man nichts für
gering hält, was zur Erhöhung und Erweiterung der
Betriebsamkeit und des Gewerbfleißes beitragen kann,
hat man die Sache in der letzten Zeit mit ganz besonde-
rem Eifer aufgefaßt, und scheint in der That ernstlich
darauf bedacht zu seyn, die Fabrikation von Stroh-
Geflechten nnd Hüten, nach italienischer Art, dort zu
einem Zweige der Beschäftigung zu machen, und zwar
so, daß das hierzu erforderliche Material zugleich im
Lande selbst erzeugt und gewonnen werde.

Zu dieser Auffassung hat eine Frau in Nordamerika,
Mistreß Wells genannt, die zu Weatherfield in Con-
necticut wohnt, Veranlassung gegeben. Sie hatte
nämlich versucht, Strohgeflecht aus den Halmen einer
in Nordamerika wildwachsenden Grasart zu verferti-
gen, und übersandte der Gesellschaft zur Beförderung
der Künste in London, Proben von ihren Hüten, die
solche von Sachverständigen untersuchen ließ, welche
sie mit ächt italienischen Fabrikaten verglichen, und
für weit vorzüglicher erklärten, als die aus nicht ita-
lienischem Strohgeflecht, sowohl hinsichts der Feinheit,
als der Farbe. Die Societät votirte der Erfinderin
für diese Mittheilung ihre silberne Medaille, und eine
Prämie von 20 Guineen, verband aber damit zugleich
die Rücksicht, die Erfindung für Großbritannien zu ge-
winnen, und machte es daher der Empfängerin zur Be-
dingung, eine Quantität Saamen der Grasart, wor-
aus das Geflecht verfertigt war, einzusenden, und über
deren Kultur und Verarbeitung die nöthige Anleitung
zu geben. Dies geschah; der nordamerikanische Saa-
men ward in England ausgesäet, und es ergab sich,
daß das Gras das bekannte Wiesen=Rispengras war,
welches auch in Deutschland überall auf Wiesen, nie-
drigen Triften u. s. w. wächst. Es wurden darauf in
England, aus den von dem amerikanischen Saamen ge-
[Ende Spaltensatz]

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Die Flechten in den italienischen Strohhüten sind auf eine eigene Art bereitet und zusammengenäht, und die daraus verfertigten Fabrikate haben, neben dem Vorzug einer glänzenden Farbe und einer hohen Gleich- heit, Regelmäßigkeit und Schönheit des Geflechts, noch den einer bedeutenden Stärke, Kräftigkeit und Elastici- tät. Zu diesen Geflechten bleiben die Halme ungespal- ten, welches mit zu den angeführten Eigenschaften bei- trägt. Sie können deshalb auch ohne Appretur getra- gen werden, und unterscheiden sich dadurch von allen Fabrikaten ähnlicher Art, die in andern Gegenden er- zeugt werden. Man hat ihre Nachahmung zwar viel- fältig versucht, aber bis jetzt noch nirgends Fabrikate liefern können, die die Schönheit der Florentiner Stroh- hüte erreichen. Jn der Schweiz, in der Gegend von Zürich, wird z. B. die Fabrikation von Strohwaaren eifrig betrieben, und unsere Fabriken beziehen von daher sehr viele Geflechte, die sie zusammennähn lassen, und in Hüte verarbeiten. Das Material in diesen Geflech- ten besteht in gespaltenem Stroh, und dieses sowohl, als die andere Art von Zusammensetzung der Platten, die man beobachtet, verursacht, daß die deutschen Strohhüte von den ächt italienischen wesentlich ver- schieden sind. Auch im Königreich Baiern, in Linden- berg im Landgericht Weiler, im Jllerkreise, werden viel Strohhüte fabricirt. Das Material ist Waitzen- stroh. Eben so geschieht dieses im Königreich Sachsen aus inländischem Stroh. Aber überall kommt das Material und die Arbeit den italienischen Erzeugnissen nicht bei, und die deutsche Fabrikation ist daher bis dahin nur auf gröbere Strohhüte und Strohwaaren be- schränkt geblieben. 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Jn England, wo man nichts für gering hält, was zur Erhöhung und Erweiterung der Betriebsamkeit und des Gewerbfleißes beitragen kann, hat man die Sache in der letzten Zeit mit ganz besonde- rem Eifer aufgefaßt, und scheint in der That ernstlich darauf bedacht zu seyn, die Fabrikation von Stroh- Geflechten nnd Hüten, nach italienischer Art, dort zu einem Zweige der Beschäftigung zu machen, und zwar so, daß das hierzu erforderliche Material zugleich im Lande selbst erzeugt und gewonnen werde. Zu dieser Auffassung hat eine Frau in Nordamerika, Mistreß Wells genannt, die zu Weatherfield in Con- necticut wohnt, Veranlassung gegeben. Sie hatte nämlich versucht, Strohgeflecht aus den Halmen einer in Nordamerika wildwachsenden Grasart zu verferti- gen, und übersandte der Gesellschaft zur Beförderung der Künste in London, Proben von ihren Hüten, die solche von Sachverständigen untersuchen ließ, welche sie mit ächt italienischen Fabrikaten verglichen, und für weit vorzüglicher erklärten, als die aus nicht ita- lienischem Strohgeflecht, sowohl hinsichts der Feinheit, als der Farbe. Die Societät votirte der Erfinderin für diese Mittheilung ihre silberne Medaille, und eine Prämie von 20 Guineen, verband aber damit zugleich die Rücksicht, die Erfindung für Großbritannien zu ge- winnen, und machte es daher der Empfängerin zur Be- dingung, eine Quantität Saamen der Grasart, wor- aus das Geflecht verfertigt war, einzusenden, und über deren Kultur und Verarbeitung die nöthige Anleitung zu geben. Dies geschah; der nordamerikanische Saa- men ward in England ausgesäet, und es ergab sich, daß das Gras das bekannte Wiesen=Rispengras war, welches auch in Deutschland überall auf Wiesen, nie- drigen Triften u. s. w. wächst. Es wurden darauf in England, aus den von dem amerikanischen Saamen ge-

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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 15. Breslau, 12. April 1834, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller15_1834/6>, abgerufen am 01.06.2024.