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Das Heller-Blatt. Nr. 40. Breslau, 4. Oktober 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] die Hauptstadt der niedern Grafschaft Katzenellbogen.
Sie hat eine katholische Kirche, 180 Häuser und 1300 Ein-
wohner, auch ist das Kreis=Amt und ein Friedensgericht
da. Die Lederfabrikation, die Baumwollenspinnerei,
der Lachsfang und die Schifffahrt beschäftigen und er-
nähren die Bewohner. Die Stadt hat ihren Na[m]en
einem im Jahr 517 aus Aquitanien kommenden Prie-
ster Namens Goar zu verdanken, der hier eine Kapelle
errichtete, um die nach und nach die nach ihm benannte
Stadt entstand. Jn uralter Zeit hieß die Umgegend
Trichorium, später Trichen oder Trachau. Auf einem
hohen Felsen über der Stadt liegt die im Jahre 1795
von den Franzosen zerstörte Festung Rheinfels, ihre
Trümmer gewähren dem Reisenden einen malerischen
Anblick. Oberhalb Goar hat der Rhein einen bekann-
ten Wirbel, gefährlich für die Schifffahrt br[e]chen sich
hier seine Wellen an verborgenen Klippen, welche den
Namen St. Goa[r]bank führen. Das Bild gewährt
eine Ansicht von St. Goar.



Krustenthiere und Jnsekten.

Jn Brasilien ißt man die Larve eines Holzbocks
und überhaupt werden die Larven der größern Arten
der Holzbockfamilie in vielen Ländern für sehr delikat
gehalten; die Heuschrecken dienen öfters ganzen Völker-
schaften, z. B. den Arabern und Hottentotten während
eines Theils des Jahres zur ausschließlichen Nahrung;
Schmetterlingsraupen werd[e]n, nach Sparrmann, von
den Buschmännern, auch auf Neuholland und in China
gegessen; dasselbe gilt an vielen Orten von den Stermi-
ten=Weibchen. Daß mehrere Völker das Ungeziefer
ihres Leibes ohne Schaden genießen, ist bekannt. La-
billardi ere erzählt von den N[e]u=Kataloniern, daß sie
Zoll lange Spinnen auf und über dem Feuer rösten.
Fast aus allen Ländern Europas hat man Beispiele,
daß einzelne Personen Kreuzspinnen ohne Schaden v[e]r-
zehrten, so oft sie deren habhaft werden konnten. Kir-
by und Spenie erzählen davon viele Fälle, wovon ich
nur anführe, daß der berühmte Astronom Lalande, nach
Latreil's Erzählung, sehr versessen auf diese Leckerbissen
war, und daß unser Landsmann Rösel von einem Mann
in Nürnberg erzählt, welcher nicht nur einzelne Spin-
nen, sondern auch manchmal als Laxirmittel eine ganze
Handvoll Spinnen von allerlei Arten auf Brod gestri-
chen zu sich nimmt. -

Ein Jnsekten=Erzeugniß, das ein Gegenstand der
medizinischen Polizei auch bei uns seyn sollte, ist der
Honig, dessen Genuß zuweilen schädliche Folgen hat. -
Kirby kannte ein Frauenzimmer, auf welches der Ho-
nig wie Gift wirkte, und er hörte von vielen Fällen, in
denen der Tod die Folge war. Wenn Bienen den Ho-
nig aus Giftpflanzen sogen, fand man solche Folgen
nicht blos auf Jndividuen von einer besondern Beschaf-
[Spaltenumbruch] fenheit oder Körper=Anlage beschränkt. Eine merkwür-
dige Probe hiervon giebt Dr. Barton folgendermaßen:
"Jm Herbst und Winter des Jahres 1790 war eine
sehr ausgebreitete Sterblichkeit eingerissen unter denen,
welche von dem in der Nähe von Philadelphia gesam-
melten Honig genossen hatten. Die Aufmerksamkeit
der amerikanischen Regierung wurde durch das allge-
meine Uebel aufgeregt, eine genaue Untersuchung über
die Ursache der Sterblichkeit erfolgte; und man über-
zeugte sich, daß der Honig vorzüglich von den Blumen
der calmia latisolia ausgesogen worden war.



Woche.

8. Oktober 1789. Eroberung Belgrads von Laudon.

9. Oktober 1708. Die Russen unter Peter I. siegen
über die Schweden unter Löwenhaupt bei Liesna.

10. Oktober 1784. Die Polen unter Kosciusko wer-
den entscheidend von den Russen unter Fersen bei
Matschiewieze besiegt.

- Oktober 1806. Prinz Louis von Preußen fällt
kämpfend bei Saalfeld.



Naturhistorische Merkwürdigkeit.

Bei St. Valery an der Somme, im französischen
Depart[e]ment Somme, steht ein Baum, dessen Herstam-
mung unbekannt ist. Der Baum etwa vierzig Jahr alt,
gleicht dem Aeußern nach, in der Gestalt der Blätter
und der Stellung der Blüthen, völlig dem gemeinen
Apfelbaum; man vermißt in den Blüthen jedoch Blu-
menblätter und Staubfäden; sie haben vierzehn Pistille
und einen Kelch, der aus zehn unten zusammen gewach-
senen Blättchen besteht. Diese Organisation muß
nothwendig die Unfruchtbarkeit des Baumes bedingen.
Einst rieth jedoch ein Arzt, die Blüthen des unfrucht-
baren Baumes mittelst Blumenstaubes von andern Ae-
pfelblüthen künstlich zu befruchten; es entwickelten sich
in der That vollkommene Früchte, und seit der Zeit ist
diese Operation in jedem Frühjahr ein kleines Fest für
die Frauen und Mädchen von St. Valery. Sie kom-
men um die Wette, jede mit einer vollkommenen Apfel-
blüthe, mit Blumenblättern und Staubfäden, die bei
trockenem Wetter von einem Apfelbaum in der Nähe ge-
brochen ist; man bringt sie auf einen Blüthenbüschel
des unfruchtbaren Baumes und läßt sie darauf, bis sie
nach vollendeter Befruchtung selbst abfällt; dann befe-
festigt man ein farbiges Band an dem befruchteten
Strauß, damit im kommenden Herbst jede die Früchte
selbst herausfinden kann, die ihr freundlicher Dienst ge-
schaffen hat.

Die Früchte dieses Baumes, welche auf solche
Weise gewonnen werden, sind hinsichtlich der Größe,
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] die Hauptstadt der niedern Grafschaft Katzenellbogen.
Sie hat eine katholische Kirche, 180 Häuser und 1300 Ein-
wohner, auch ist das Kreis=Amt und ein Friedensgericht
da. Die Lederfabrikation, die Baumwollenspinnerei,
der Lachsfang und die Schifffahrt beschäftigen und er-
nähren die Bewohner. Die Stadt hat ihren Na[m]en
einem im Jahr 517 aus Aquitanien kommenden Prie-
ster Namens Goar zu verdanken, der hier eine Kapelle
errichtete, um die nach und nach die nach ihm benannte
Stadt entstand. Jn uralter Zeit hieß die Umgegend
Trichorium, später Trichen oder Trachau. Auf einem
hohen Felsen über der Stadt liegt die im Jahre 1795
von den Franzosen zerstörte Festung Rheinfels, ihre
Trümmer gewähren dem Reisenden einen malerischen
Anblick. Oberhalb Goar hat der Rhein einen bekann-
ten Wirbel, gefährlich für die Schifffahrt br[e]chen sich
hier seine Wellen an verborgenen Klippen, welche den
Namen St. Goa[r]bank führen. Das Bild gewährt
eine Ansicht von St. Goar.



Krustenthiere und Jnsekten.

Jn Brasilien ißt man die Larve eines Holzbocks
und überhaupt werden die Larven der größern Arten
der Holzbockfamilie in vielen Ländern für sehr delikat
gehalten; die Heuschrecken dienen öfters ganzen Völker-
schaften, z. B. den Arabern und Hottentotten während
eines Theils des Jahres zur ausschließlichen Nahrung;
Schmetterlingsraupen werd[e]n, nach Sparrmann, von
den Buschmännern, auch auf Neuholland und in China
gegessen; dasselbe gilt an vielen Orten von den Stermi-
ten=Weibchen. Daß mehrere Völker das Ungeziefer
ihres Leibes ohne Schaden genießen, ist bekannt. La-
billardi ére erzählt von den N[e]u=Kataloniern, daß sie
Zoll lange Spinnen auf und über dem Feuer rösten.
Fast aus allen Ländern Europas hat man Beispiele,
daß einzelne Personen Kreuzspinnen ohne Schaden v[e]r-
zehrten, so oft sie deren habhaft werden konnten. Kir-
by und Spenie erzählen davon viele Fälle, wovon ich
nur anführe, daß der berühmte Astronom Lalande, nach
Latreil's Erzählung, sehr versessen auf diese Leckerbissen
war, und daß unser Landsmann Rösel von einem Mann
in Nürnberg erzählt, welcher nicht nur einzelne Spin-
nen, sondern auch manchmal als Laxirmittel eine ganze
Handvoll Spinnen von allerlei Arten auf Brod gestri-
chen zu sich nimmt. –

Ein Jnsekten=Erzeugniß, das ein Gegenstand der
medizinischen Polizei auch bei uns seyn sollte, ist der
Honig, dessen Genuß zuweilen schädliche Folgen hat. –
Kirby kannte ein Frauenzimmer, auf welches der Ho-
nig wie Gift wirkte, und er hörte von vielen Fällen, in
denen der Tod die Folge war. Wenn Bienen den Ho-
nig aus Giftpflanzen sogen, fand man solche Folgen
nicht blos auf Jndividuen von einer besondern Beschaf-
[Spaltenumbruch] fenheit oder Körper=Anlage beschränkt. Eine merkwür-
dige Probe hiervon giebt Dr. Barton folgendermaßen:
„Jm Herbst und Winter des Jahres 1790 war eine
sehr ausgebreitete Sterblichkeit eingerissen unter denen,
welche von dem in der Nähe von Philadelphia gesam-
melten Honig genossen hatten. Die Aufmerksamkeit
der amerikanischen Regierung wurde durch das allge-
meine Uebel aufgeregt, eine genaue Untersuchung über
die Ursache der Sterblichkeit erfolgte; und man über-
zeugte sich, daß der Honig vorzüglich von den Blumen
der calmia latiſolia ausgesogen worden war.



Woche.

8. Oktober 1789. Eroberung Belgrads von Laudon.

9. Oktober 1708. Die Russen unter Peter I. siegen
über die Schweden unter Löwenhaupt bei Liesna.

10. Oktober 1784. Die Polen unter Kosciusko wer-
den entscheidend von den Russen unter Fersen bei
Matschiewieze besiegt.

– Oktober 1806. Prinz Louis von Preußen fällt
kämpfend bei Saalfeld.



Naturhistorische Merkwürdigkeit.

Bei St. Valery an der Somme, im französischen
Depart[e]ment Somme, steht ein Baum, dessen Herstam-
mung unbekannt ist. Der Baum etwa vierzig Jahr alt,
gleicht dem Aeußern nach, in der Gestalt der Blätter
und der Stellung der Blüthen, völlig dem gemeinen
Apfelbaum; man vermißt in den Blüthen jedoch Blu-
menblätter und Staubfäden; sie haben vierzehn Pistille
und einen Kelch, der aus zehn unten zusammen gewach-
senen Blättchen besteht. Diese Organisation muß
nothwendig die Unfruchtbarkeit des Baumes bedingen.
Einst rieth jedoch ein Arzt, die Blüthen des unfrucht-
baren Baumes mittelst Blumenstaubes von andern Ae-
pfelblüthen künstlich zu befruchten; es entwickelten sich
in der That vollkommene Früchte, und seit der Zeit ist
diese Operation in jedem Frühjahr ein kleines Fest für
die Frauen und Mädchen von St. Valery. Sie kom-
men um die Wette, jede mit einer vollkommenen Apfel-
blüthe, mit Blumenblättern und Staubfäden, die bei
trockenem Wetter von einem Apfelbaum in der Nähe ge-
brochen ist; man bringt sie auf einen Blüthenbüschel
des unfruchtbaren Baumes und läßt sie darauf, bis sie
nach vollendeter Befruchtung selbst abfällt; dann befe-
festigt man ein farbiges Band an dem befruchteten
Strauß, damit im kommenden Herbst jede die Früchte
selbst herausfinden kann, die ihr freundlicher Dienst ge-
schaffen hat.

Die Früchte dieses Baumes, welche auf solche
Weise gewonnen werden, sind hinsichtlich der Größe,
[Ende Spaltensatz]

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Eine merkwür- dige Probe hiervon giebt Dr. Barton folgendermaßen: „Jm Herbst und Winter des Jahres 1790 war eine sehr ausgebreitete Sterblichkeit eingerissen unter denen, welche von dem in der Nähe von Philadelphia gesam- melten Honig genossen hatten. Die Aufmerksamkeit der amerikanischen Regierung wurde durch das allge- meine Uebel aufgeregt, eine genaue Untersuchung über die Ursache der Sterblichkeit erfolgte; und man über- zeugte sich, daß der Honig vorzüglich von den Blumen der calmia latiſolia ausgesogen worden war. Woche. 8. Oktober 1789. Eroberung Belgrads von Laudon. 9. Oktober 1708. Die Russen unter Peter I. siegen über die Schweden unter Löwenhaupt bei Liesna. 10. Oktober 1784. Die Polen unter Kosciusko wer- den entscheidend von den Russen unter Fersen bei Matschiewieze besiegt. – Oktober 1806. Prinz Louis von Preußen fällt kämpfend bei Saalfeld. Naturhistorische Merkwürdigkeit. Bei St. Valery an der Somme, im französischen Departement Somme, steht ein Baum, dessen Herstam- mung unbekannt ist. Der Baum etwa vierzig Jahr alt, gleicht dem Aeußern nach, in der Gestalt der Blätter und der Stellung der Blüthen, völlig dem gemeinen Apfelbaum; man vermißt in den Blüthen jedoch Blu- menblätter und Staubfäden; sie haben vierzehn Pistille und einen Kelch, der aus zehn unten zusammen gewach- senen Blättchen besteht. Diese Organisation muß nothwendig die Unfruchtbarkeit des Baumes bedingen. Einst rieth jedoch ein Arzt, die Blüthen des unfrucht- baren Baumes mittelst Blumenstaubes von andern Ae- pfelblüthen künstlich zu befruchten; es entwickelten sich in der That vollkommene Früchte, und seit der Zeit ist diese Operation in jedem Frühjahr ein kleines Fest für die Frauen und Mädchen von St. Valery. 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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 40. Breslau, 4. Oktober 1834, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller40_1834/2>, abgerufen am 23.11.2024.