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Mährisches Tagblatt. Nr. 100, Olmütz, 02.05.1892.

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Vom Tage.
(Berline Gabillon +.)

Die k. k. Hofschau-
spielerin Frau Zerline Gabillon ist Samstag in
Meran gestorben, wo die Leidende sich seit einiger
Zeit befunden hatte. Sie wurde am 18. August
1835 zu Güstrow in Mecklenburg-Schwerin ge-
boren. Fünfzehn Jahre alt, betrat Zerline Würz-
burg in Hamburg als Parthenia im "Sohn der
Wildniß" die Bühne und wurde sofort engagirt.
Nach Ablauf ihres Hamburger Contractes gastirte
Zerline Würzburg an dem Dresdner Hoftheater.
Anfangs November d. J. spielte sie in Wien im
Burgtheater als Gast die Parthenia, die Jung-
frau von Orleans und Donna Diana und er-
zielte Erfolg. Die Folge des Gastspieles war ein
Engagement an der Wierer Hofbühne, der sie
von da ab bis zum Tode angehörte. Drei Jahre
nach ihrem Engagement am Burgtheater heiratete
sie Herrn Ludwig Gabillon. Allmälig ging die
Schauspielerin vom Fache der Liebhaberinnen
und Heroinen in das Characterfach über. Ihre
Begabung verwies sie namentlich auf die ränke-
vollen Frauen und Salondamen der neueren
französischen Bühnendichtung: die Herzogin von
Marlborough in "Ein Glas Wasser", die Vir-
ginia in "Lady Tartuffe", die Loise in "Die
Fesseln", die Camille in "Flattersucht", die
Herzogin in "Die Welt" in der man sich lang-
weilt". Frau Gabillon war Meisterin scharf
pointirter Rede, feinkomischer Characteristik. Außer
ihrem Gatten hinterläßt sie zwei Töchter, von
denen die ältere mit dem Schrifsteller Dr. Anton
Bettelheim, die jüngere mit dem Professor Dr.
Fonrnier verheiratet ist.

(Verurtheilung eines Revolver-Jour-
nalisien.)

Der Wiener Revolver-Journalist Adolf
Deymel, welcher den "Oesterreichischen
Phönix"
in einer Brochure und in mebreren
Artikeln der "Fabrikanten-Zeitung" auf das Hef-
tigste angegriffen hatte, wurde deshalb am 30.
April l. J. vom Schwurgerichte in Wien ein-
stimmig schuldig erkannt und zu 6 Monaten
schweren Kerkers verurtheilt.




Nachtrag.
FML. Ludwig Sembratowicz. &20202;


Nach hier eingelangten Privatnachrichten ist
der Commandant der 12. Infanterie-Truppen-
Division F. M. Lt. Ludwig Sembrato-
wicz heute Nachts
in Krakau an einer
Lungen-Entzündung verstorben. Nä-
here Nachrichten fehlen noch.




Sprechsaal.
Danksagung.

Die Gefertigten sehen sich verpflichtet dem
löblichen deutschen Vorschußvereine in Nebotein
für die namhafte Spende von 100 fl. 50 kr. ö. W.,
welche derselbe der hiesigen deutschen Volksschule
zur Anschaffung von Lehrmitteln und zur Bei-
stellung von Schulrequisiten für arme Schüler
widmete, den verbindlichsten Dank auszusprechen.

Nebotein am 1. Mai.




Telegramme
des "Mährischen Tagblattes."
Anarchistisches aus Frankreich.
(Priv.-Tel. d. "M. T.")

In Saint-Ouen fand man gestern zwei Dyna-
mit-Patronen im Sitzungssaale des Gemeinde-
rathes. -- In Raincy, nächst Paris wurde ge-
stern ein Anarchist verhaftet, der einen Poli-
zisten
mit dem Rufe: "Es lebe die Anar-
chie!"
niedergestochen hatte. -- In den Provin-
zen dauern die Anarchisten-Verhaftungen fort.
-- Auf den Gruben von Montrambert bei
St. Etienne drohten die Arbeiter die
Grube zu sprengen, wenn fünf deutsche Ar-
beiter nicht entlassen werden. -- Bei der
[Spaltenumbruch] Polizei sind fünfhundert Drohbriefe
eingelaufen. Auch Präsident Carnot erhielt
Drohbriefe. Die Zugänge zum Elysee sind stark
bewacht. Die Familie des deutschen Grafen
Keßler empfing einen Brief, worin es heißt:
"Wir lieben aus Gründen keine Spione.
In kurzer Frist werden Sie und Ihr Haus
in die Luft fliegen." -- Der Maire von
Argenteuil erhielt vor einigen Tagen einen
Drohbrief, daß die Mairie in die Luft gesprengt
werden wird. Gestern warf ein Passant, der bis
jetzt unentdeckt geblieben ist, in den Saal der
Mairie eine große Bombe. Die in dem Saale
befindlichen Kanzleidiener stürzten sich sofort auf
die Höllenmaschine und löschten noch rechtzeitig
die brennende Lunte ehe die Bombe explodirte.

(Priv.-T. des "M. T.")

Bei der Maifeier ergab sich kein Zwischenfall
und wurde die Ruhe nirgends gestört Um 9 Uhr
Abends rückte das Militär in die Kasernen ab.

Explosion in einer Kirche.
(Priv.-Tel. d. "M. T.")

Heute Nachts 10 Uhr erfolgte in der Kirche
St. Martin eine furchtbare Explosion.
Glasmalereien
im Werthe von 100.000
Frc. wurden vernichtet. In der Umgebung
der Kirche wurden in den Häusern Hunderte von
Fensterscheiben zertrümmert. Man befürchtet neue
Explosionen. Die Panik, welche dieses Attentat
hervorrief, ist unbeschreiblich.

(Privattelegr. d. "Mähr.
Tagbl.")

Die Maitresse des durchgegangenen
Rothschildschen Cassiers Jäger wurde hier ver-
haftet.

(Priv-Tel. d. "M. T.")

Die Maifeier wurde durch keinen Zwischen-
fall gestört. Auch die Nacht ist ruhig
verlaufen.
Die Arbeiter begaben sich ruhig
nach Hause.

(Priv.Tel. des "M. T.")

Hier verlautet, daß Graf Ferdinand Kinsky,
der jüngste Sohn des Fürsten Ferd. Kinsky sich
gestern mit der Jugendgespielin der Frau Erz-
herzogin Marie Valerie, der Prinzessin Aglaja
Auersperg
verlobt habe.

(Vom Correspondenz-Burean.)

Der Kaiser ist gestern
Abends um 10 Uhr hier eingetroffen.

Das Befinden des
Großfürsten Georg Alexandrowitsch hatte sich
durch das Eintreten eines starken Bluthustens
derart verschlimmert, daß die Reise des Kaisers
nach Kopenhagen fraglich erschien. In den letzten
Tagen ist indessen eine berechtigte Aussicht zur
Besserung eingetreten.

Die bulgarische Regie-
rung hat bisher von der Pforte keinerlei Ant-
wort bezüglich der von Rußland verlangten Aus-
lieferung der der Theilnahme an der Ermordung
des bulgarischen Agenten Vulkovitsch verdächtigen
Brüder Tufektschieff erhalten. -- Die Unter-
suchung in der Rustschuker Dynamitangelegenheit
hat ergeben, daß 36 Bomben von dort nach
Constantinopel geschickt wurden.

Die Maschinenfabrik
Nicholson ist heute Nachmittag gänzlich abge-
brannt.

Der 1. Mai.
Der 1. Mai in Frankreich.

Um 6 Morgens bietet
Paris den gewöhnlichen Anblick. Die Journale
fahren fort, der Ansicht Ausdruck zu geben, daß
der heutige Tag ohne ernsten Zwischenfall ver-
laufen werde. Nur an jenen Punkten der Stadt,
auf welchen sich die Corporationen etwa versam-
meln sollten, um sich zu dem Meeting in der
Salle de Pavie zu begeben, dürfte es möglicher-
weise zu unbedeutenden Schlägereien kommen, da
die Polizei Befehl hat, die Formirung eines
Zuges nicht zu dulden. Auch die letzten Nachrich-
ten aus den Departements lassen erwarten, daß
keine ernsten Ordnungsstörungen vorfallen wer-
den. Man hegt jedoch die Besorgniß, daß es in
den Umgbungen von Paris, wo die Polizei über
geringere Kräfte verfügt, zu Ausschreitung en
kommen könnte.

(3 Uhr Nachmittags.)
Die Straßen sind jetzt noch weniger belebt als
Vormittags. Wagen und Fußgänger sind nur selten
zu sehen. Depeschen aus Lyon, St. Etienne,
[Spaltenumbruch] Marseille und Lille besagen, daß in diesen Städ-
ten vollständige Ruhe herrsche. -- In Tours ist
in der vergangenen Nacht auf einem Anstands-
orte eine Bombe geplatzt; der Urheber des Atten-
tates wurde schwer verletzt. -- In Chartres
explodirte heute in der Kathedrale während der
Messe eine Petarde, wodurch eine Panik entstand;
ein Unfall ist jedoch nicht zu verzeichnen.

Die Stadt bietet das ge-
wohnte Sonntagsbild. Die Straßen sind wenig
belebt. Die Omnibusse und Miethwagen verkehren
wie gewöhnlich. Wie an jedem Sonntage ziehen
die Pariser auch heute aufs Land. Man bemerkt
keinerlei Aufgebot von Polizei oder Truppen. --
Kammerpräsident Floquet ist ungeachtet der
Parlamentsferien nach Paris zurückgehrt, um im
Palais Bourbon Arbeiterabordnungen, falls sich
solche vorstellen sollten, zu empfangen.

Der 1. Mai in Italien.

Die Behörde verbot die
Conferenz. welche der Deputirte Barzilai im
Locale der Bäckergenossenschaft, deren Ehrenprä-
sident er ist, heute Früh abhalten sollte. Dem
"Folchetto" zufolge habe Barzilai deshalb an
den Kammerpräsidenten ein Interpellations-Ver-
langen gestellt.

Gestern Abend platzte in
Forli (Romagna) vor dem Gefängnisse eine
Petarde. Die Gefängnißwache trat heraus und
gab Feuer. Es wurde niemand verletzt.

Der 1. Mai in Deutschland.

(Mittags.) Die sociali-
stische Maifeier ist äußerlich bisher kaum wahr-
zunehmen. Die Physiognomie der Stadt ist in
Folge des kalten und regnerischen Wetters we-
niger lebhaft als sonst. Die Socialisten machen
mit den Familienmitglidern Ausflüge in die
Umgegend, die Männer mit einer rothen Tulpe
im Knopfloche, die Frauen und Kinder mit
rothen Bändern geschmückt. Die Zahl der Aus-
flügler ist eine erheblich geringere als in den
Vorjahren. Es hat keinerlei Ansammlung
stattgefunden, die Ruhe wurde nirgends gestört.

Der 1. Mai in Spanien.

Die Stadt bietet den
gewohnten Anblick. Die Truppen sind consignirt.
Weder in Madrid noch in den Provinzen hat
sich ein Zwischenfall ereignet.

Der 1. Mai in Oesterreich-Ungarn.

Aus verschiedenen
Städten des Landes wird gemeldet, daß die
Arbeiter überhaupt keine Maifeier veranstalteten.
Wo eine solche stattgefunden hat, verlief dieselbe
in vollster Ordnung.

Die hiesige Arbeiterschaft
hielt um 9 Uhr Vormittags eine große Ver-
sammlung mit folgendem Programm ab: 1. Der
1. Mai und seine Bedeutung. 2. Die Lage der
croatischen Arbeiter. 3. Vortheil und Nothwen-
digkeit der Arbeiterpresse. 4. Die Wichtigkeit des
allgemeinen Staatsrechtes. Die Versammlung
verlief ruhig. Die Arbeiter unternahmen um 2
Uhr Nachmittags einen gemeinsamen Ausflug in
die Umgebung. An demselben betheiligten sich
beiläufig 2000 Personen.

10 Uhr Vorm. In
der Stadt herrscht vollständige Ruhe. In den
Straßen sieht man wenige Arbeiter, dagegen
finden in einzelnen Versammlungslocalen und
Gasthäusern Ansammlungen der Arbeiter statt.
Bisher wurde nirgends die Ruhe gestört. Das
Wetter ist regnerisch.

Die für heute von den
Führern der Socialdemocraten einberufenen 32
Versammlungen wurden von der Polizei verboten.
Trotzdem erschienen an den bezeichneten Orten
Arbeiter, jedoch in spärlicher Anzahl und be-
gaben sich nach der Erklärung des Polizeibeamten,
daß die Versammlungen nicht abgehalten werden
dürften, in die naheliegenden Wirthshäuser, um
die Mittagsstunde abzuwarten, wo sie dann in
kleinen Gruppen nach dem außerhalb der Stadt
liegenden Nußdorfer Parke hinauszogen. Die
socialistischen Führer rechneten darauf, daß gegen
15.000 Arbeiter im Nußdorfer Parke erscheinen
würden. Thatsächlich erschienen jedoch, vorwiegend
wegen des strömenden Regens, die Arbeiter in
sehr geringer Anzahl, und auch von diesen schaarten
sich die meisten um die brennende Nicholsonische
Fabrik. Nachmittags war der Park besuchter. In

[Spaltenumbruch]
Vom Tage.
(Berline Gabillon †.)

Die k. k. Hofſchau-
ſpielerin Frau Zerline Gabillon iſt Samſtag in
Meran geſtorben, wo die Leidende ſich ſeit einiger
Zeit befunden hatte. Sie wurde am 18. Auguſt
1835 zu Güſtrow in Mecklenburg-Schwerin ge-
boren. Fünfzehn Jahre alt, betrat Zerline Würz-
burg in Hamburg als Parthenia im „Sohn der
Wildniß“ die Bühne und wurde ſofort engagirt.
Nach Ablauf ihres Hamburger Contractes gaſtirte
Zerline Würzburg an dem Dresdner Hoftheater.
Anfangs November d. J. ſpielte ſie in Wien im
Burgtheater als Gaſt die Parthenia, die Jung-
frau von Orleans und Donna Diana und er-
zielte Erfolg. Die Folge des Gaſtſpieles war ein
Engagement an der Wierer Hofbühne, der ſie
von da ab bis zum Tode angehörte. Drei Jahre
nach ihrem Engagement am Burgtheater heiratete
ſie Herrn Ludwig Gabillon. Allmälig ging die
Schauſpielerin vom Fache der Liebhaberinnen
und Heroinen in das Characterfach über. Ihre
Begabung verwies ſie namentlich auf die ränke-
vollen Frauen und Salondamen der neueren
franzöſiſchen Bühnendichtung: die Herzogin von
Marlborough in „Ein Glas Waſſer“, die Vir-
ginia in „Lady Tartuffe“, die Loiſe in „Die
Feſſeln“, die Camille in „Flatterſucht“, die
Herzogin in „Die Welt“ in der man ſich lang-
weilt“. Frau Gabillon war Meiſterin ſcharf
pointirter Rede, feinkomiſcher Characteriſtik. Außer
ihrem Gatten hinterläßt ſie zwei Töchter, von
denen die ältere mit dem Schrifſteller Dr. Anton
Bettelheim, die jüngere mit dem Profeſſor Dr.
Fonrnier verheiratet iſt.

(Verurtheilung eines Revolver-Jour-
naliſien.)

Der Wiener Revolver-Journaliſt Adolf
Deymel, welcher den „Oeſterreichiſchen
Phönix“
in einer Brochure und in mebreren
Artikeln der „Fabrikanten-Zeitung“ auf das Hef-
tigſte angegriffen hatte, wurde deshalb am 30.
April l. J. vom Schwurgerichte in Wien ein-
ſtimmig ſchuldig erkannt und zu 6 Monaten
ſchweren Kerkers verurtheilt.




Nachtrag.
FML. Ludwig Sembratowicz. &20202;


Nach hier eingelangten Privatnachrichten iſt
der Commandant der 12. Infanterie-Truppen-
Diviſion F. M. Lt. Ludwig Sembrato-
wicz heute Nachts
in Krakau an einer
Lungen-Entzündung verſtorben. Nä-
here Nachrichten fehlen noch.




Sprechſaal.
Dankſagung.

Die Gefertigten ſehen ſich verpflichtet dem
löblichen deutſchen Vorſchußvereine in Nebotein
für die namhafte Spende von 100 fl. 50 kr. ö. W.,
welche derſelbe der hieſigen deutſchen Volksſchule
zur Anſchaffung von Lehrmitteln und zur Bei-
ſtellung von Schulrequiſiten für arme Schüler
widmete, den verbindlichſten Dank auszuſprechen.

Nebotein am 1. Mai.




Telegramme
des „Mähriſchen Tagblattes.“
Anarchiſtiſches aus Frankreich.
(Priv.-Tel. d. „M. T.“)

In Saint-Ouen fand man geſtern zwei Dyna-
mit-Patronen im Sitzungsſaale des Gemeinde-
rathes. — In Raincy, nächſt Paris wurde ge-
ſtern ein Anarchiſt verhaftet, der einen Poli-
ziſten
mit dem Rufe: „Es lebe die Anar-
chie!“
niedergeſtochen hatte. — In den Provin-
zen dauern die Anarchiſten-Verhaftungen fort.
— Auf den Gruben von Montrambert bei
St. Etienne drohten die Arbeiter die
Grube zu ſprengen, wenn fünf deutſche Ar-
beiter nicht entlaſſen werden. — Bei der
[Spaltenumbruch] Polizei ſind fünfhundert Drohbriefe
eingelaufen. Auch Präſident Carnot erhielt
Drohbriefe. Die Zugänge zum Elyſée ſind ſtark
bewacht. Die Familie des deutſchen Grafen
Keßler empfing einen Brief, worin es heißt:
„Wir lieben aus Gründen keine Spione.
In kurzer Friſt werden Sie und Ihr Haus
in die Luft fliegen.“ — Der Maire von
Argenteuil erhielt vor einigen Tagen einen
Drohbrief, daß die Mairie in die Luft geſprengt
werden wird. Geſtern warf ein Paſſant, der bis
jetzt unentdeckt geblieben iſt, in den Saal der
Mairie eine große Bombe. Die in dem Saale
befindlichen Kanzleidiener ſtürzten ſich ſofort auf
die Höllenmaſchine und löſchten noch rechtzeitig
die brennende Lunte ehe die Bombe explodirte.

(Priv.-T. des „M. T.“)

Bei der Maifeier ergab ſich kein Zwiſchenfall
und wurde die Ruhe nirgends geſtört Um 9 Uhr
Abends rückte das Militär in die Kaſernen ab.

Exploſion in einer Kirche.
(Priv.-Tel. d. „M. T.“)

Heute Nachts 10 Uhr erfolgte in der Kirche
St. Martin eine furchtbare Exploſion.
Glasmalereien
im Werthe von 100.000
Frc. wurden vernichtet. In der Umgebung
der Kirche wurden in den Häuſern Hunderte von
Fenſterſcheiben zertrümmert. Man befürchtet neue
Exploſionen. Die Panik, welche dieſes Attentat
hervorrief, iſt unbeſchreiblich.

(Privattelegr. d. „Mähr.
Tagbl.“)

Die Maitreſſe des durchgegangenen
Rothſchildſchen Caſſiers Jäger wurde hier ver-
haftet.

(Priv-Tel. d. „M. T.“)

Die Maifeier wurde durch keinen Zwiſchen-
fall geſtört. Auch die Nacht iſt ruhig
verlaufen.
Die Arbeiter begaben ſich ruhig
nach Hauſe.

(Priv.Tel. des „M. T.“)

Hier verlautet, daß Graf Ferdinand Kinsky,
der jüngſte Sohn des Fürſten Ferd. Kinsky ſich
geſtern mit der Jugendgeſpielin der Frau Erz-
herzogin Marie Valerie, der Prinzeſſin Aglaja
Auersperg
verlobt habe.

(Vom Correſpondenz-Burean.)

Der Kaiſer iſt geſtern
Abends um 10 Uhr hier eingetroffen.

Das Befinden des
Großfürſten Georg Alexandrowitſch hatte ſich
durch das Eintreten eines ſtarken Bluthuſtens
derart verſchlimmert, daß die Reiſe des Kaiſers
nach Kopenhagen fraglich erſchien. In den letzten
Tagen iſt indeſſen eine berechtigte Ausſicht zur
Beſſerung eingetreten.

Die bulgariſche Regie-
rung hat bisher von der Pforte keinerlei Ant-
wort bezüglich der von Rußland verlangten Aus-
lieferung der der Theilnahme an der Ermordung
des bulgariſchen Agenten Vulkovitſch verdächtigen
Brüder Tufektſchieff erhalten. — Die Unter-
ſuchung in der Ruſtſchuker Dynamitangelegenheit
hat ergeben, daß 36 Bomben von dort nach
Conſtantinopel geſchickt wurden.

Die Maſchinenfabrik
Nicholſon iſt heute Nachmittag gänzlich abge-
brannt.

Der 1. Mai.
Der 1. Mai in Frankreich.

Um 6 Morgens bietet
Paris den gewöhnlichen Anblick. Die Journale
fahren fort, der Anſicht Ausdruck zu geben, daß
der heutige Tag ohne ernſten Zwiſchenfall ver-
laufen werde. Nur an jenen Punkten der Stadt,
auf welchen ſich die Corporationen etwa verſam-
meln ſollten, um ſich zu dem Meeting in der
Salle de Pavie zu begeben, dürfte es möglicher-
weiſe zu unbedeutenden Schlägereien kommen, da
die Polizei Befehl hat, die Formirung eines
Zuges nicht zu dulden. Auch die letzten Nachrich-
ten aus den Departements laſſen erwarten, daß
keine ernſten Ordnungsſtörungen vorfallen wer-
den. Man hegt jedoch die Beſorgniß, daß es in
den Umgbungen von Paris, wo die Polizei über
geringere Kräfte verfügt, zu Ausſchreitung en
kommen könnte.

(3 Uhr Nachmittags.)
Die Straßen ſind jetzt noch weniger belebt als
Vormittags. Wagen und Fußgänger ſind nur ſelten
zu ſehen. Depeſchen aus Lyon, St. Etienne,
[Spaltenumbruch] Marſeille und Lille beſagen, daß in dieſen Städ-
ten vollſtändige Ruhe herrſche. — In Tours iſt
in der vergangenen Nacht auf einem Anſtands-
orte eine Bombe geplatzt; der Urheber des Atten-
tates wurde ſchwer verletzt. — In Chartres
explodirte heute in der Kathedrale während der
Meſſe eine Petarde, wodurch eine Panik entſtand;
ein Unfall iſt jedoch nicht zu verzeichnen.

Die Stadt bietet das ge-
wohnte Sonntagsbild. Die Straßen ſind wenig
belebt. Die Omnibuſſe und Miethwagen verkehren
wie gewöhnlich. Wie an jedem Sonntage ziehen
die Pariſer auch heute aufs Land. Man bemerkt
keinerlei Aufgebot von Polizei oder Truppen. —
Kammerpräſident Floquet iſt ungeachtet der
Parlamentsferien nach Paris zurückgehrt, um im
Palais Bourbon Arbeiterabordnungen, falls ſich
ſolche vorſtellen ſollten, zu empfangen.

Der 1. Mai in Italien.

Die Behörde verbot die
Conferenz. welche der Deputirte Barzilai im
Locale der Bäckergenoſſenſchaft, deren Ehrenprä-
ſident er iſt, heute Früh abhalten ſollte. Dem
„Folchetto“ zufolge habe Barzilai deshalb an
den Kammerpräſidenten ein Interpellations-Ver-
langen geſtellt.

Geſtern Abend platzte in
Forli (Romagna) vor dem Gefängniſſe eine
Petarde. Die Gefängnißwache trat heraus und
gab Feuer. Es wurde niemand verletzt.

Der 1. Mai in Deutſchland.

(Mittags.) Die ſociali-
ſtiſche Maifeier iſt äußerlich bisher kaum wahr-
zunehmen. Die Phyſiognomie der Stadt iſt in
Folge des kalten und regneriſchen Wetters we-
niger lebhaft als ſonſt. Die Socialiſten machen
mit den Familienmitglidern Ausflüge in die
Umgegend, die Männer mit einer rothen Tulpe
im Knopfloche, die Frauen und Kinder mit
rothen Bändern geſchmückt. Die Zahl der Aus-
flügler iſt eine erheblich geringere als in den
Vorjahren. Es hat keinerlei Anſammlung
ſtattgefunden, die Ruhe wurde nirgends geſtört.

Der 1. Mai in Spanien.

Die Stadt bietet den
gewohnten Anblick. Die Truppen ſind conſignirt.
Weder in Madrid noch in den Provinzen hat
ſich ein Zwiſchenfall ereignet.

Der 1. Mai in Oeſterreich-Ungarn.

Aus verſchiedenen
Städten des Landes wird gemeldet, daß die
Arbeiter überhaupt keine Maifeier veranſtalteten.
Wo eine ſolche ſtattgefunden hat, verlief dieſelbe
in vollſter Ordnung.

Die hieſige Arbeiterſchaft
hielt um 9 Uhr Vormittags eine große Ver-
ſammlung mit folgendem Programm ab: 1. Der
1. Mai und ſeine Bedeutung. 2. Die Lage der
croatiſchen Arbeiter. 3. Vortheil und Nothwen-
digkeit der Arbeiterpreſſe. 4. Die Wichtigkeit des
allgemeinen Staatsrechtes. Die Verſammlung
verlief ruhig. Die Arbeiter unternahmen um 2
Uhr Nachmittags einen gemeinſamen Ausflug in
die Umgebung. An demſelben betheiligten ſich
beiläufig 2000 Perſonen.

10 Uhr Vorm. In
der Stadt herrſcht vollſtändige Ruhe. In den
Straßen ſieht man wenige Arbeiter, dagegen
finden in einzelnen Verſammlungslocalen und
Gaſthäuſern Anſammlungen der Arbeiter ſtatt.
Bisher wurde nirgends die Ruhe geſtört. Das
Wetter iſt regneriſch.

Die für heute von den
Führern der Socialdemocraten einberufenen 32
Verſammlungen wurden von der Polizei verboten.
Trotzdem erſchienen an den bezeichneten Orten
Arbeiter, jedoch in ſpärlicher Anzahl und be-
gaben ſich nach der Erklärung des Polizeibeamten,
daß die Verſammlungen nicht abgehalten werden
dürften, in die naheliegenden Wirthshäuſer, um
die Mittagsſtunde abzuwarten, wo ſie dann in
kleinen Gruppen nach dem außerhalb der Stadt
liegenden Nußdorfer Parke hinauszogen. Die
ſocialiſtiſchen Führer rechneten darauf, daß gegen
15.000 Arbeiter im Nußdorfer Parke erſcheinen
würden. Thatſächlich erſchienen jedoch, vorwiegend
wegen des ſtrömenden Regens, die Arbeiter in
ſehr geringer Anzahl, und auch von dieſen ſchaarten
ſich die meiſten um die brennende Nicholſoniſche
Fabrik. Nachmittags war der Park beſuchter. In

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</TEI>
[[6]/0006] Vom Tage. (Berline Gabillon †.) Die k. k. Hofſchau- ſpielerin Frau Zerline Gabillon iſt Samſtag in Meran geſtorben, wo die Leidende ſich ſeit einiger Zeit befunden hatte. Sie wurde am 18. Auguſt 1835 zu Güſtrow in Mecklenburg-Schwerin ge- boren. Fünfzehn Jahre alt, betrat Zerline Würz- burg in Hamburg als Parthenia im „Sohn der Wildniß“ die Bühne und wurde ſofort engagirt. Nach Ablauf ihres Hamburger Contractes gaſtirte Zerline Würzburg an dem Dresdner Hoftheater. Anfangs November d. J. ſpielte ſie in Wien im Burgtheater als Gaſt die Parthenia, die Jung- frau von Orleans und Donna Diana und er- zielte Erfolg. Die Folge des Gaſtſpieles war ein Engagement an der Wierer Hofbühne, der ſie von da ab bis zum Tode angehörte. Drei Jahre nach ihrem Engagement am Burgtheater heiratete ſie Herrn Ludwig Gabillon. Allmälig ging die Schauſpielerin vom Fache der Liebhaberinnen und Heroinen in das Characterfach über. Ihre Begabung verwies ſie namentlich auf die ränke- vollen Frauen und Salondamen der neueren franzöſiſchen Bühnendichtung: die Herzogin von Marlborough in „Ein Glas Waſſer“, die Vir- ginia in „Lady Tartuffe“, die Loiſe in „Die Feſſeln“, die Camille in „Flatterſucht“, die Herzogin in „Die Welt“ in der man ſich lang- weilt“. Frau Gabillon war Meiſterin ſcharf pointirter Rede, feinkomiſcher Characteriſtik. Außer ihrem Gatten hinterläßt ſie zwei Töchter, von denen die ältere mit dem Schrifſteller Dr. Anton Bettelheim, die jüngere mit dem Profeſſor Dr. Fonrnier verheiratet iſt. (Verurtheilung eines Revolver-Jour- naliſien.) Der Wiener Revolver-Journaliſt Adolf Deymel, welcher den „Oeſterreichiſchen Phönix“ in einer Brochure und in mebreren Artikeln der „Fabrikanten-Zeitung“ auf das Hef- tigſte angegriffen hatte, wurde deshalb am 30. April l. J. vom Schwurgerichte in Wien ein- ſtimmig ſchuldig erkannt und zu 6 Monaten ſchweren Kerkers verurtheilt. Nachtrag. FML. Ludwig Sembratowicz. &20202; Olmütz, 2. Mai. Nach hier eingelangten Privatnachrichten iſt der Commandant der 12. Infanterie-Truppen- Diviſion F. M. Lt. Ludwig Sembrato- wicz heute Nachts in Krakau an einer Lungen-Entzündung verſtorben. Nä- here Nachrichten fehlen noch. Sprechſaal. Dankſagung. Die Gefertigten ſehen ſich verpflichtet dem löblichen deutſchen Vorſchußvereine in Nebotein für die namhafte Spende von 100 fl. 50 kr. ö. W., welche derſelbe der hieſigen deutſchen Volksſchule zur Anſchaffung von Lehrmitteln und zur Bei- ſtellung von Schulrequiſiten für arme Schüler widmete, den verbindlichſten Dank auszuſprechen. Nebotein am 1. Mai. Iſidor Krček, Andreas Kreuzer, Oberlehrer. Obmann des Ortsſchulrathes. Telegramme des „Mähriſchen Tagblattes.“ Anarchiſtiſches aus Frankreich. Paris, 1. Mai (Priv.-Tel. d. „M. T.“) In Saint-Ouen fand man geſtern zwei Dyna- mit-Patronen im Sitzungsſaale des Gemeinde- rathes. — In Raincy, nächſt Paris wurde ge- ſtern ein Anarchiſt verhaftet, der einen Poli- ziſten mit dem Rufe: „Es lebe die Anar- chie!“ niedergeſtochen hatte. — In den Provin- zen dauern die Anarchiſten-Verhaftungen fort. — Auf den Gruben von Montrambert bei St. Etienne drohten die Arbeiter die Grube zu ſprengen, wenn fünf deutſche Ar- beiter nicht entlaſſen werden. — Bei der Polizei ſind fünfhundert Drohbriefe eingelaufen. Auch Präſident Carnot erhielt Drohbriefe. Die Zugänge zum Elyſée ſind ſtark bewacht. Die Familie des deutſchen Grafen Keßler empfing einen Brief, worin es heißt: „Wir lieben aus Gründen keine Spione. In kurzer Friſt werden Sie und Ihr Haus in die Luft fliegen.“ — Der Maire von Argenteuil erhielt vor einigen Tagen einen Drohbrief, daß die Mairie in die Luft geſprengt werden wird. Geſtern warf ein Paſſant, der bis jetzt unentdeckt geblieben iſt, in den Saal der Mairie eine große Bombe. Die in dem Saale befindlichen Kanzleidiener ſtürzten ſich ſofort auf die Höllenmaſchine und löſchten noch rechtzeitig die brennende Lunte ehe die Bombe explodirte. Paris, 2. Mai. (Priv.-T. des „M. T.“) Bei der Maifeier ergab ſich kein Zwiſchenfall und wurde die Ruhe nirgends geſtört Um 9 Uhr Abends rückte das Militär in die Kaſernen ab. Exploſion in einer Kirche. Lüttich, 2. Mai (Priv.-Tel. d. „M. T.“) Heute Nachts 10 Uhr erfolgte in der Kirche St. Martin eine furchtbare Exploſion. Glasmalereien im Werthe von 100.000 Frc. wurden vernichtet. In der Umgebung der Kirche wurden in den Häuſern Hunderte von Fenſterſcheiben zertrümmert. Man befürchtet neue Exploſionen. Die Panik, welche dieſes Attentat hervorrief, iſt unbeſchreiblich. Brüſſel, 1. Mai. (Privattelegr. d. „Mähr. Tagbl.“) Die Maitreſſe des durchgegangenen Rothſchildſchen Caſſiers Jäger wurde hier ver- haftet. Wien, 2. Mai. (Priv-Tel. d. „M. T.“) Die Maifeier wurde durch keinen Zwiſchen- fall geſtört. Auch die Nacht iſt ruhig verlaufen. Die Arbeiter begaben ſich ruhig nach Hauſe. Wien, 2. Mai. (Priv.Tel. des „M. T.“) Hier verlautet, daß Graf Ferdinand Kinsky, der jüngſte Sohn des Fürſten Ferd. Kinsky ſich geſtern mit der Jugendgeſpielin der Frau Erz- herzogin Marie Valerie, der Prinzeſſin Aglaja Auersperg verlobt habe. (Vom Correſpondenz-Burean.) Potsdam, 1. Mai. Der Kaiſer iſt geſtern Abends um 10 Uhr hier eingetroffen. Petersburg, 1. Mai. Das Befinden des Großfürſten Georg Alexandrowitſch hatte ſich durch das Eintreten eines ſtarken Bluthuſtens derart verſchlimmert, daß die Reiſe des Kaiſers nach Kopenhagen fraglich erſchien. In den letzten Tagen iſt indeſſen eine berechtigte Ausſicht zur Beſſerung eingetreten. Sophia, 1. Mai. Die bulgariſche Regie- rung hat bisher von der Pforte keinerlei Ant- wort bezüglich der von Rußland verlangten Aus- lieferung der der Theilnahme an der Ermordung des bulgariſchen Agenten Vulkovitſch verdächtigen Brüder Tufektſchieff erhalten. — Die Unter- ſuchung in der Ruſtſchuker Dynamitangelegenheit hat ergeben, daß 36 Bomben von dort nach Conſtantinopel geſchickt wurden. Budapeſt, 1. Mai. Die Maſchinenfabrik Nicholſon iſt heute Nachmittag gänzlich abge- brannt. Der 1. Mai. Der 1. Mai in Frankreich. Paris, 1. Mai. Um 6 Morgens bietet Paris den gewöhnlichen Anblick. Die Journale fahren fort, der Anſicht Ausdruck zu geben, daß der heutige Tag ohne ernſten Zwiſchenfall ver- laufen werde. Nur an jenen Punkten der Stadt, auf welchen ſich die Corporationen etwa verſam- meln ſollten, um ſich zu dem Meeting in der Salle de Pavie zu begeben, dürfte es möglicher- weiſe zu unbedeutenden Schlägereien kommen, da die Polizei Befehl hat, die Formirung eines Zuges nicht zu dulden. Auch die letzten Nachrich- ten aus den Departements laſſen erwarten, daß keine ernſten Ordnungsſtörungen vorfallen wer- den. Man hegt jedoch die Beſorgniß, daß es in den Umgbungen von Paris, wo die Polizei über geringere Kräfte verfügt, zu Ausſchreitung en kommen könnte. Paris, 1. Mai. (3 Uhr Nachmittags.) Die Straßen ſind jetzt noch weniger belebt als Vormittags. Wagen und Fußgänger ſind nur ſelten zu ſehen. Depeſchen aus Lyon, St. Etienne, Marſeille und Lille beſagen, daß in dieſen Städ- ten vollſtändige Ruhe herrſche. — In Tours iſt in der vergangenen Nacht auf einem Anſtands- orte eine Bombe geplatzt; der Urheber des Atten- tates wurde ſchwer verletzt. — In Chartres explodirte heute in der Kathedrale während der Meſſe eine Petarde, wodurch eine Panik entſtand; ein Unfall iſt jedoch nicht zu verzeichnen. Paris, 1. Mai. Die Stadt bietet das ge- wohnte Sonntagsbild. Die Straßen ſind wenig belebt. Die Omnibuſſe und Miethwagen verkehren wie gewöhnlich. Wie an jedem Sonntage ziehen die Pariſer auch heute aufs Land. Man bemerkt keinerlei Aufgebot von Polizei oder Truppen. — Kammerpräſident Floquet iſt ungeachtet der Parlamentsferien nach Paris zurückgehrt, um im Palais Bourbon Arbeiterabordnungen, falls ſich ſolche vorſtellen ſollten, zu empfangen. Der 1. Mai in Italien. Rom, 1. Mai. Die Behörde verbot die Conferenz. welche der Deputirte Barzilai im Locale der Bäckergenoſſenſchaft, deren Ehrenprä- ſident er iſt, heute Früh abhalten ſollte. Dem „Folchetto“ zufolge habe Barzilai deshalb an den Kammerpräſidenten ein Interpellations-Ver- langen geſtellt. Rom, 1. Mai. Geſtern Abend platzte in Forli (Romagna) vor dem Gefängniſſe eine Petarde. Die Gefängnißwache trat heraus und gab Feuer. Es wurde niemand verletzt. Der 1. Mai in Deutſchland. Berlin, 1. Mai. (Mittags.) Die ſociali- ſtiſche Maifeier iſt äußerlich bisher kaum wahr- zunehmen. Die Phyſiognomie der Stadt iſt in Folge des kalten und regneriſchen Wetters we- niger lebhaft als ſonſt. Die Socialiſten machen mit den Familienmitglidern Ausflüge in die Umgegend, die Männer mit einer rothen Tulpe im Knopfloche, die Frauen und Kinder mit rothen Bändern geſchmückt. Die Zahl der Aus- flügler iſt eine erheblich geringere als in den Vorjahren. Es hat keinerlei Anſammlung ſtattgefunden, die Ruhe wurde nirgends geſtört. Der 1. Mai in Spanien. Madrid, 1. Mai. Die Stadt bietet den gewohnten Anblick. Die Truppen ſind conſignirt. Weder in Madrid noch in den Provinzen hat ſich ein Zwiſchenfall ereignet. Der 1. Mai in Oeſterreich-Ungarn. Budapeſt, 1. Mai. Aus verſchiedenen Städten des Landes wird gemeldet, daß die Arbeiter überhaupt keine Maifeier veranſtalteten. Wo eine ſolche ſtattgefunden hat, verlief dieſelbe in vollſter Ordnung. Agram, 1. Mai. Die hieſige Arbeiterſchaft hielt um 9 Uhr Vormittags eine große Ver- ſammlung mit folgendem Programm ab: 1. Der 1. Mai und ſeine Bedeutung. 2. Die Lage der croatiſchen Arbeiter. 3. Vortheil und Nothwen- digkeit der Arbeiterpreſſe. 4. Die Wichtigkeit des allgemeinen Staatsrechtes. Die Verſammlung verlief ruhig. Die Arbeiter unternahmen um 2 Uhr Nachmittags einen gemeinſamen Ausflug in die Umgebung. An demſelben betheiligten ſich beiläufig 2000 Perſonen. Budapeſt, 1. Mai. 10 Uhr Vorm. In der Stadt herrſcht vollſtändige Ruhe. In den Straßen ſieht man wenige Arbeiter, dagegen finden in einzelnen Verſammlungslocalen und Gaſthäuſern Anſammlungen der Arbeiter ſtatt. Bisher wurde nirgends die Ruhe geſtört. Das Wetter iſt regneriſch. Budapeſt, 1. Mai. Die für heute von den Führern der Socialdemocraten einberufenen 32 Verſammlungen wurden von der Polizei verboten. Trotzdem erſchienen an den bezeichneten Orten Arbeiter, jedoch in ſpärlicher Anzahl und be- gaben ſich nach der Erklärung des Polizeibeamten, daß die Verſammlungen nicht abgehalten werden dürften, in die naheliegenden Wirthshäuſer, um die Mittagsſtunde abzuwarten, wo ſie dann in kleinen Gruppen nach dem außerhalb der Stadt liegenden Nußdorfer Parke hinauszogen. Die ſocialiſtiſchen Führer rechneten darauf, daß gegen 15.000 Arbeiter im Nußdorfer Parke erſcheinen würden. Thatſächlich erſchienen jedoch, vorwiegend wegen des ſtrömenden Regens, die Arbeiter in ſehr geringer Anzahl, und auch von dieſen ſchaarten ſich die meiſten um die brennende Nicholſoniſche Fabrik. Nachmittags war der Park beſuchter. In

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 100, Olmütz, 02.05.1892, S. [6]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches100_1892/6>, abgerufen am 21.11.2024.