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Mährisches Tagblatt. Nr. 17, Olmütz, 21.01.1889.

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Das
"Mährische Tagblatt
mit der illustr. W[o]chenbeilage
"Illustrirt. Sonntagsblatt"
erscheint mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich
Ausgabe 2 Uhr Nachmittags
im Administrations-Locale
Niederring Nr. 41 neu
ober den Fleischbänken.

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Ganzjährig fl. 10.--
Halbjährig fl. 5.
Vierteljährig fl. 2 50
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lich 10 Kreuzer.

Auswärts durch die Post:
Ganzjährig fl. 14.--
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Einzelne Nummer 5 Kreuzer.


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Mährisches
Tagblatt.

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Insert[i]onsgebühren
Die 4mal gespaltene Petitzei[le]
oder deren Raum 6 Kreuzer.




Außerhalb Olmütz überneh-
men Inse[rti]ons-Aufträge
Heinrich Schalek, Annon-
cen Exped. in Wien, I. Woll-
[z]eile Nr. 11, Haasenstein &
Vogler
in Wien, Prag, Buda-
pest, Berl[in], F[ra]nkfurt a. M.
Hamburg, [B]asel und Leipzig
Alois Opellik, in Wien, Rud.
Mosse
in Wien, München u.
Berlin, M. Dukes, Wien I.
Schulerstraße 8. G. L. Daube
u. Co.
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner's Annoncen
bureau in Hamburg, sowie
s[ä]mmtl. conc. Insertions Bu-
reaus des In- u. Auslandes.




Manuscripte werden nicht
zurückgestellt.




Nr. 17. Olmütz, Montag den 21. Jänner 1889. 10. Jahrgang.



[Spaltenumbruch]
Antisemitismus und Schule.

(Orig.-Corr.)

Antisemitismus und Schule -- wie reimt
sich das zusammen? Man sollte glauben, daß es
das Bestreben aller ehrlichen Menschen, eines jeden
Jugendfreundes sein muß, der Leidenschaft an der
Schulpfoste Halt zu gebieten und namentlich Alles
zu vermeiden, damit das leicht empfängliche jugend-
liche Gemüth nicht verwildert und verroht werde.
Und doch finden sich Personen, welche kein Be-
denken tragen, den Haß und die Zwietracht selbst
in die Schule zu verpflanzen! Sie machen alle Ver-
suche eine Vertretung in den Schulbehörden zu
erlangen, um von hier aus ihre Minirarbeit
gegen die Erziehungs- und Bildungs-Anstalten
ins Werk setzen zu können. Freilich will ihnen
dieses unpatriotische und unmenschliche Be-
ginnen nicht immer und überall gelingen. Als
kürzlich die Wahlen für den Bezirksschulrath
Krems abgehalten wurden, boten die Antisemiten
des Bezirkes alle Mittel der Agitation auf, um
ihren Candidaten zum Siege zu verhelfen. Allein
Dank der Energie der fortschrittlichen Partei ge[-]
lang es, die Reactionäre vollständig zu schlagen
und dadurch das Attentat auf den bisherigen
guten Geist in der dortigen Schulverwaltung
abzuwehren. Nur ein gegnerischer Candidat --
der Abg. Vergani, ergatterte im 2. Wahlgange
ein Mandat, während alle anderen Stellen wieder
in bewährten Händen liberaler Bürger sich be-
finden. Die Wahl des Abg. Vergani steht im
geistigen Zusammenhange mit einem Aufsatze der
[Spaltenumbruch] "niederösterreichischen Schulzeitung", dem wir
folgende Stellen entnehmen.

Vergani's Wahl ist nicht von dem Stand-
puncte aufzufassen, daß die Mehrzahl der Ge-
meindevertreter unseres politischen Bezirkes im
Bürgermeister von Mühldorf eine geeignete Per-
sönlichkeit erblickte, zur Vertretung ihrer Inte-
ressen im Bezirksschulrathe. Der Bürgermeister
von Mühldorf ist es nicht, den wir meinen, wenn
wir seine Wahl mit aufrichtigen Bedauern zur
Kenntniß nehmen. Es ist der Vertreter einer
politischen Richtung, die als der Fundamentalsatz
ihrer Bestrebungen, den Antisemitismus, die Be-
kämpfung des Judenthums, auf allen Gebieten
des öffentlichen Lebens hinstellt. Und von diesem
Standpuncte aus bedauern wir die Wahl dieser
Persönlichkeit in eine so wichtige Schulbehörde
ganz ebenso, als wenn ein clericaler Hetzer der
schlimmsten Sorte gewählt worden wäre. Ja es ist
gewissermaßen noch schlechter, denn ein Clerikaler,
sagen wir ein Candidat unseres regsamen "kath.
patriotischen" Preßvereines kämpft mit offenem
Visir. Man weiß, der Mann ist freiwilliges oder
gezwungenes Werkzeug der großen schwarzen In-
ternationale. Gut, so werden sich vorurtheilsfreie,
denkende, Freiheit- und Fortschritt liebende Männer
finden, die Bestrebungen a la Liechtenstein mit
Entschiedenheit zurückweisen.

Nun aber wird ein Mann im Bezirksschul-
rathe Krems sitzen, der scheinbar nicht Clerikaler
ist und doch die reactionären Tendenzen derselben
fördert, der sich wenigstens als Politiker von Fach
dünkt und der seine politischen Ansichten überall
und jederzeit zur Geltung zu bringen suchen
[Spaltenumbruch] wird, der die gerade seiner Partei eigentümliche
Rücksichtslosigkeit und deren lärmendes Gebahren
hier gerade so wie sonst bethätigen wird. In wird
sich vielleicht mancher unserer Leser fragen, hätte
er diesem Rufe nicht Folge leisten sollen? Nein!
Herr Vergani gehört zur Partei, deren Wortführer
so oft gegen die Anhäufung von Aemtern in
einer Person so heftig donnert. Nun ist der gute
Mann Bergwerkbesitzer, Landwirth, Bürgermeister,
Landtags- und Reichsraths-Abgeordneter, Heraus-
geber eines Tagblattes, und wer weiß was dies
beißt, der mag sich fragen, was ihn nun anders
bewogen haben kann, auch noch die Wahl in den
Bezirksschulrath Krems mit solchem Eifer anzu-
streben, daß er es bis zur engeren Wahl kommen
ließ, daß seine Gesinnungsgenossen, der National-
verein, mit solchem Nachdrucke seine Wahl be-
trieben? In den meisten Bezirksschulräthen Nie-
derösterreichs versuchten jetzt die Antisemiten
Stellen nach Möglichkeit zu erreichen, freilich fast
ohne Erfolg. Aber man möge dort, wo man
Verständniß für die Schule hat und deren Be-
deutung kennt, sie nicht ausliefern. Jeder Erfolg der
Antisemiten bildet eine neue ernste Mahnung.
Dieser Partei handelt es sich, wie wir schon oft
gezeigt darum, jeden Posten, der sich erobern läßt,
in die Hand zu bekommen -- sie haben Recht
von ihrem Standpuncte.

Eine ganz andere Frage ist, ob die Sache
der Schule dieser so hochwichtigen und so arg
gefährdeten Institution des modernen Staates
durch die Wahl eines antisemitischen Wortführers
gewinnt. Wir sagen offen: Nein! Es ist gar
nicht möglich. Wer will leugnen, daß die österr.




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
In den Wolken.

Paris, im Januar.

Es handelt sich hier nicht um Politik, noch
auch um einen Congreß von Meteorologen, der
die Aussicht auf endlose Discussionen über das
Wetter böte; es ist einfach der Eiffelthurm, von
dem hier die Rede ist, von ihm und von den
Hunderten von Menschen, welche trotz Wind, Re-
gen und Schnee immer höher dringen und rastlos
an der Vollendung dieses ungeheuren babyloni-
schen Thurmes arbeiten, an dessen Fuße bereits
jetzt ein Gewirre von Sprachen herrscht.

Der Tag beginnt jetzt um 6 Uhr. Um diese
Zeit ist es auf der noch schlummernden Baustätte
todtenstill; die schlammigen Furchen, die Tags zu-
vor von den Rädern der Karren gezogen wurden,
sind durch den Frost so hart geworden, wie die
Unmassen von Eisen, die durch den Reif wie kan-
dirt auf den Schienen schlummern, und in dem
noch unbestimmten Lichte des werdenden Tages
gewinnt der Thurm fast das Aussehen eines rie-
sigen Spinngewebes, dessen Silberfäden sich von
dem nebeligen Hintergrunde abheben. Das Ther-
mometer zeigt 4 Grad unter Null.

Nach und nach treffen die Arbeiter ein; sie
sind fast halb erstarrt vor Kälte, ihre Gesichter
sind fast verborgen unter d[e]n Mützen aus Otter-
fell, deren Krämpen über die Ohren hinabgezogen
sind; ihr Leib ist in dichte Tricotstoffe gehüllt
und ihre Hände sind in den Taschen verborgen.
So schreiten sie mit gebeugtem Oberkö[r]per heran,
[Spaltenumbruch] um dem Winde weniger Spielraum zu bieten,
und klimmen dann den Thurm empor, langsam,
schweigend, anscheinend fast unbewußt, als ob sie
Nachtwandler wären.

Dergestalt klettern sie jeden Morgen die
960 Stufen empor, welche sie von der zweiten
Plattform trennen; ihre schweren, eisenbeschlagenen
Schuhe knitschen auf den Eisen der Treppe,
während das Marsfeld, dieser ungeheuere Bienen-
korb mit seinen Galerien und Dächern, das
während der Nacht wie von einer Riesenhand
mit Zucker bestreut worden zu sein scheint, vor
ihnen langsam versinkt.

Dieser erste Aufstieg nimmt eine Viertelstunde
in Anspruch.

Wir befinden uns jetzt in einer Höhe von
hundertfünfzehn Metern. Das Thermometer zeigt
6 Grad unter Null.

Hier beginnt die deutlich erkennbare Arbeits-
theilung.

Ungefähr fünfzig Männer bleiben in diesem
zweiten Stockwerke, um dasselbe zu vollenden.
In der ersten Etage wird jetzt der französisch-
amerikanische Pavillon errichtet, welcher eines der
vier Restaurationslocale bilden wird, die im
Thurm[e] angebracht sein werden; dieselben wer-
den, den Plänen nach, geräumig genug angelegt
sein, um jedes zweihundertfünfzig Tischchen, für
je zwei Gäste berechnet, zu fassen, und jetzt wird
eben die letzte Hand an die prachtvolle Rund-
galerie gelegt, deren vergoldete Plafondfelder und
farbige Glasmalereien die allgemeine Bewunderung
erregen werden. Auf der zweiten P[l]attfor[m] regeln
einige Arbeiter den Gang der Maschinen und
[Spaltenumbruch] überwachen die Arbeit der Krahne und Flaschen-
züge, die Werkstücke von drei- bis viertausend
Tonnen Gewicht emporziehen; andere wieder
schieben kleine, mit Holz oder Eisen beladene
kleine Waggons auf Schienen bis an den Fuß
der Pfeiler, wo die Kettenhaken der hoch oben
postirt[e]n beweglichen Krahne diese Lasten erfassen
und geräuschlos in die Höhe ziehen, als ob sie
ein leichtes Strohbündel wären.

Auf derselben Plattform befindet sich die be-
rühmte Cantine, welche seit vierzehn Tagen daselbst
für die Arbeiter errichtet ist; es ist dies ein langes
und niedriges Gemach, in welchem unausgesetzt
das Feuer zweier Oefen brennt und wo die Werk-
leute ihre Mahlzeiten mit einem sehr bedeutenden
Nachlaß erhalten. Dem Restaurateur wurde die
Verpflichtung auferlegt, den Arbeitern nur die
Hälfte des Tarifes zu rechnen, wie er in den
Wirthshäusern der Umgebung üblich ist, und blos
unter dieser Bedingung liefert ihm Herr Ciffel
das Brennmaterial unentgeltlich und zahlt dem
Restaurateur außerdem einen Zuschuß von 60
Centimes für jede Mahlzeit. Der Arbeiter hat
also hier für sein Mittagessen blos einen ganz
unbedeutenden Betrag auszugeben und er verliert
weder seine Zeit, noch seine Kräfte mit dem wie-
derholten Hinauf- und Herabsteigen.

Die Arbeit macht seither weit raschere Fort-
schritte.

In dieser ungemein regen Werkstätte, welche
sich in einer Höhe von hundertfünfzehn Meter
über dem Boden befindet und die mit Dampf-
maschinen und Aufzugswinden angefüllt ist, hat
der Arbeiter noch nicht viel von der Kälte zu


[Spaltenumbruch]

Das
„Mähriſche Tagblatt
mit der illuſtr. W[o]chenbeilage
„Illuſtrirt. Sonntagsblatt“
erſcheint mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich
Ausgabe 2 Uhr Nachmittags
im Adminiſtrations-Locale
Niederring Nr. 41 neu
ober den Fleiſchbänken.

Abonnement für Olmütz:
Ganzjährig fl. 10.—
Halbjährig fl. 5.
Vierteljährig fl. 2 50
Monatlich fl. —.90

Zuſtellung ins Haus monat-
lich 10 Kreuzer.

Auswärts durch die Poſt:
Ganzjährig fl. 14.—
Halbjährig „ 7.—
Vierteljährig „ 3.50

Einzelne Nummer 5 Kreuzer.


[Spaltenumbruch]
Mähriſches
Tagblatt.

[Spaltenumbruch]

Inſert[i]onsgebühren
Die 4mal geſpaltene Petitzei[le]
oder deren Raum 6 Kreuzer.




Außerhalb Olmütz überneh-
men Inſe[rti]ons-Aufträge
Heinrich Schalek, Annon-
cen Exped. in Wien, I. Woll-
[z]eile Nr. 11, Haasenstein &
Vogler
in Wien, Prag, Buda-
peſt, Berl[in], F[ra]nkfurt a. M.
Hamburg, [B]aſel und Leipzig
Alois Opellik, in Wien, Rud.
Mosse
in Wien, München u.
Berlin, M. Dukes, Wien I.
Schulerſtraße 8. G. L. Daube
u. Co.
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner’s Annoncen
bureau in Hamburg, ſowie
ſ[ä]mmtl. conc. Inſertions Bu-
reaus des In- u. Auslandes.




Manuſcripte werden nicht
zurückgeſtellt.




Nr. 17. Olmütz, Montag den 21. Jänner 1889. 10. Jahrgang.



[Spaltenumbruch]
Antiſemitismus und Schule.

(Orig.-Corr.)

Antiſemitismus und Schule — wie reimt
ſich das zuſammen? Man ſollte glauben, daß es
das Beſtreben aller ehrlichen Menſchen, eines jeden
Jugendfreundes ſein muß, der Leidenſchaft an der
Schulpfoſte Halt zu gebieten und namentlich Alles
zu vermeiden, damit das leicht empfängliche jugend-
liche Gemüth nicht verwildert und verroht werde.
Und doch finden ſich Perſonen, welche kein Be-
denken tragen, den Haß und die Zwietracht ſelbſt
in die Schule zu verpflanzen! Sie machen alle Ver-
ſuche eine Vertretung in den Schulbehörden zu
erlangen, um von hier aus ihre Minirarbeit
gegen die Erziehungs- und Bildungs-Anſtalten
ins Werk ſetzen zu können. Freilich will ihnen
dieſes unpatriotiſche und unmenſchliche Be-
ginnen nicht immer und überall gelingen. Als
kürzlich die Wahlen für den Bezirksſchulrath
Krems abgehalten wurden, boten die Antiſemiten
des Bezirkes alle Mittel der Agitation auf, um
ihren Candidaten zum Siege zu verhelfen. Allein
Dank der Energie der fortſchrittlichen Partei ge[-]
lang es, die Reactionäre vollſtändig zu ſchlagen
und dadurch das Attentat auf den bisherigen
guten Geiſt in der dortigen Schulverwaltung
abzuwehren. Nur ein gegneriſcher Candidat —
der Abg. Vergani, ergatterte im 2. Wahlgange
ein Mandat, während alle anderen Stellen wieder
in bewährten Händen liberaler Bürger ſich be-
finden. Die Wahl des Abg. Vergani ſteht im
geiſtigen Zuſammenhange mit einem Aufſatze der
[Spaltenumbruch] „niederöſterreichiſchen Schulzeitung“, dem wir
folgende Stellen entnehmen.

Vergani’s Wahl iſt nicht von dem Stand-
puncte aufzufaſſen, daß die Mehrzahl der Ge-
meindevertreter unſeres politiſchen Bezirkes im
Bürgermeiſter von Mühldorf eine geeignete Per-
ſönlichkeit erblickte, zur Vertretung ihrer Inte-
reſſen im Bezirksſchulrathe. Der Bürgermeiſter
von Mühldorf iſt es nicht, den wir meinen, wenn
wir ſeine Wahl mit aufrichtigen Bedauern zur
Kenntniß nehmen. Es iſt der Vertreter einer
politiſchen Richtung, die als der Fundamentalſatz
ihrer Beſtrebungen, den Antiſemitismus, die Be-
kämpfung des Judenthums, auf allen Gebieten
des öffentlichen Lebens hinſtellt. Und von dieſem
Standpuncte aus bedauern wir die Wahl dieſer
Perſönlichkeit in eine ſo wichtige Schulbehörde
ganz ebenſo, als wenn ein clericaler Hetzer der
ſchlimmſten Sorte gewählt worden wäre. Ja es iſt
gewiſſermaßen noch ſchlechter, denn ein Clerikaler,
ſagen wir ein Candidat unſeres regſamen „kath.
patriotiſchen“ Preßvereines kämpft mit offenem
Viſir. Man weiß, der Mann iſt freiwilliges oder
gezwungenes Werkzeug der großen ſchwarzen In-
ternationale. Gut, ſo werden ſich vorurtheilsfreie,
denkende, Freiheit- und Fortſchritt liebende Männer
finden, die Beſtrebungen á la Liechtenſtein mit
Entſchiedenheit zurückweiſen.

Nun aber wird ein Mann im Bezirksſchul-
rathe Krems ſitzen, der ſcheinbar nicht Clerikaler
iſt und doch die reactionären Tendenzen derſelben
fördert, der ſich wenigſtens als Politiker von Fach
dünkt und der ſeine politiſchen Anſichten überall
und jederzeit zur Geltung zu bringen ſuchen
[Spaltenumbruch] wird, der die gerade ſeiner Partei eigentümliche
Rückſichtsloſigkeit und deren lärmendes Gebahren
hier gerade ſo wie ſonſt bethätigen wird. In wird
ſich vielleicht mancher unſerer Leſer fragen, hätte
er dieſem Rufe nicht Folge leiſten ſollen? Nein!
Herr Vergani gehört zur Partei, deren Wortführer
ſo oft gegen die Anhäufung von Aemtern in
einer Perſon ſo heftig donnert. Nun iſt der gute
Mann Bergwerkbeſitzer, Landwirth, Bürgermeiſter,
Landtags- und Reichsraths-Abgeordneter, Heraus-
geber eines Tagblattes, und wer weiß was dies
beißt, der mag ſich fragen, was ihn nun anders
bewogen haben kann, auch noch die Wahl in den
Bezirksſchulrath Krems mit ſolchem Eifer anzu-
ſtreben, daß er es bis zur engeren Wahl kommen
ließ, daß ſeine Geſinnungsgenoſſen, der National-
verein, mit ſolchem Nachdrucke ſeine Wahl be-
trieben? In den meiſten Bezirksſchulräthen Nie-
deröſterreichs verſuchten jetzt die Antiſemiten
Stellen nach Möglichkeit zu erreichen, freilich faſt
ohne Erfolg. Aber man möge dort, wo man
Verſtändniß für die Schule hat und deren Be-
deutung kennt, ſie nicht ausliefern. Jeder Erfolg der
Antiſemiten bildet eine neue ernſte Mahnung.
Dieſer Partei handelt es ſich, wie wir ſchon oft
gezeigt darum, jeden Poſten, der ſich erobern läßt,
in die Hand zu bekommen — ſie haben Recht
von ihrem Standpuncte.

Eine ganz andere Frage iſt, ob die Sache
der Schule dieſer ſo hochwichtigen und ſo arg
gefährdeten Inſtitution des modernen Staates
durch die Wahl eines antiſemitiſchen Wortführers
gewinnt. Wir ſagen offen: Nein! Es iſt gar
nicht möglich. Wer will leugnen, daß die öſterr.




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
In den Wolken.

Paris, im Januar.

Es handelt ſich hier nicht um Politik, noch
auch um einen Congreß von Meteorologen, der
die Ausſicht auf endloſe Discuſſionen über das
Wetter böte; es iſt einfach der Eiffelthurm, von
dem hier die Rede iſt, von ihm und von den
Hunderten von Menſchen, welche trotz Wind, Re-
gen und Schnee immer höher dringen und raſtlos
an der Vollendung dieſes ungeheuren babyloni-
ſchen Thurmes arbeiten, an deſſen Fuße bereits
jetzt ein Gewirre von Sprachen herrſcht.

Der Tag beginnt jetzt um 6 Uhr. Um dieſe
Zeit iſt es auf der noch ſchlummernden Bauſtätte
todtenſtill; die ſchlammigen Furchen, die Tags zu-
vor von den Rädern der Karren gezogen wurden,
ſind durch den Froſt ſo hart geworden, wie die
Unmaſſen von Eiſen, die durch den Reif wie kan-
dirt auf den Schienen ſchlummern, und in dem
noch unbeſtimmten Lichte des werdenden Tages
gewinnt der Thurm faſt das Ausſehen eines rie-
ſigen Spinngewebes, deſſen Silberfäden ſich von
dem nebeligen Hintergrunde abheben. Das Ther-
mometer zeigt 4 Grad unter Null.

Nach und nach treffen die Arbeiter ein; ſie
ſind faſt halb erſtarrt vor Kälte, ihre Geſichter
ſind faſt verborgen unter d[e]n Mützen aus Otter-
fell, deren Krämpen über die Ohren hinabgezogen
ſind; ihr Leib iſt in dichte Tricotſtoffe gehüllt
und ihre Hände ſind in den Taſchen verborgen.
So ſchreiten ſie mit gebeugtem Oberkö[r]per heran,
[Spaltenumbruch] um dem Winde weniger Spielraum zu bieten,
und klimmen dann den Thurm empor, langſam,
ſchweigend, anſcheinend faſt unbewußt, als ob ſie
Nachtwandler wären.

Dergeſtalt klettern ſie jeden Morgen die
960 Stufen empor, welche ſie von der zweiten
Plattform trennen; ihre ſchweren, eiſenbeſchlagenen
Schuhe knitſchen auf den Eiſen der Treppe,
während das Marsfeld, dieſer ungeheuere Bienen-
korb mit ſeinen Galerien und Dächern, das
während der Nacht wie von einer Rieſenhand
mit Zucker beſtreut worden zu ſein ſcheint, vor
ihnen langſam verſinkt.

Dieſer erſte Aufſtieg nimmt eine Viertelſtunde
in Anſpruch.

Wir befinden uns jetzt in einer Höhe von
hundertfünfzehn Metern. Das Thermometer zeigt
6 Grad unter Null.

Hier beginnt die deutlich erkennbare Arbeits-
theilung.

Ungefähr fünfzig Männer bleiben in dieſem
zweiten Stockwerke, um dasſelbe zu vollenden.
In der erſten Etage wird jetzt der franzöſiſch-
amerikaniſche Pavillon errichtet, welcher eines der
vier Reſtaurationslocale bilden wird, die im
Thurm[e] angebracht ſein werden; dieſelben wer-
den, den Plänen nach, geräumig genug angelegt
ſein, um jedes zweihundertfünfzig Tiſchchen, für
je zwei Gäſte berechnet, zu faſſen, und jetzt wird
eben die letzte Hand an die prachtvolle Rund-
galerie gelegt, deren vergoldete Plafondfelder und
farbige Glasmalereien die allgemeine Bewunderung
erregen werden. Auf der zweiten P[l]attfor[m] regeln
einige Arbeiter den Gang der Maſchinen und
[Spaltenumbruch] überwachen die Arbeit der Krahne und Flaſchen-
züge, die Werkſtücke von drei- bis viertauſend
Tonnen Gewicht emporziehen; andere wieder
ſchieben kleine, mit Holz oder Eiſen beladene
kleine Waggons auf Schienen bis an den Fuß
der Pfeiler, wo die Kettenhaken der hoch oben
poſtirt[e]n beweglichen Krahne dieſe Laſten erfaſſen
und geräuſchlos in die Höhe ziehen, als ob ſie
ein leichtes Strohbündel wären.

Auf derſelben Plattform befindet ſich die be-
rühmte Cantine, welche ſeit vierzehn Tagen daſelbſt
für die Arbeiter errichtet iſt; es iſt dies ein langes
und niedriges Gemach, in welchem unausgeſetzt
das Feuer zweier Oefen brennt und wo die Werk-
leute ihre Mahlzeiten mit einem ſehr bedeutenden
Nachlaß erhalten. Dem Reſtaurateur wurde die
Verpflichtung auferlegt, den Arbeitern nur die
Hälfte des Tarifes zu rechnen, wie er in den
Wirthshäuſern der Umgebung üblich iſt, und blos
unter dieſer Bedingung liefert ihm Herr Ciffel
das Brennmaterial unentgeltlich und zahlt dem
Reſtaurateur außerdem einen Zuſchuß von 60
Centimes für jede Mahlzeit. Der Arbeiter hat
alſo hier für ſein Mittageſſen blos einen ganz
unbedeutenden Betrag auszugeben und er verliert
weder ſeine Zeit, noch ſeine Kräfte mit dem wie-
derholten Hinauf- und Herabſteigen.

Die Arbeit macht ſeither weit raſchere Fort-
ſchritte.

In dieſer ungemein regen Werkſtätte, welche
ſich in einer Höhe von hundertfünfzehn Meter
über dem Boden befindet und die mit Dampf-
maſchinen und Aufzugswinden angefüllt iſt, hat
der Arbeiter noch nicht viel von der Kälte zu


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[[1]/0001] Das „Mähriſche Tagblatt mit der illuſtr. Wochenbeilage „Illuſtrirt. Sonntagsblatt“ erſcheint mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage täglich Ausgabe 2 Uhr Nachmittags im Adminiſtrations-Locale Niederring Nr. 41 neu ober den Fleiſchbänken. Abonnement für Olmütz: Ganzjährig fl. 10.— Halbjährig fl. 5. Vierteljährig fl. 2 50 Monatlich fl. —.90 Zuſtellung ins Haus monat- lich 10 Kreuzer. Auswärts durch die Poſt: Ganzjährig fl. 14.— Halbjährig „ 7.— Vierteljährig „ 3.50 Einzelne Nummer 5 Kreuzer. Mähriſches Tagblatt. Inſertionsgebühren Die 4mal geſpaltene Petitzeile oder deren Raum 6 Kreuzer. Außerhalb Olmütz überneh- men Inſertions-Aufträge Heinrich Schalek, Annon- cen Exped. in Wien, I. Woll- zeile Nr. 11, Haasenstein & Vogler in Wien, Prag, Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig Alois Opellik, in Wien, Rud. Mosse in Wien, München u. Berlin, M. Dukes, Wien I. Schulerſtraße 8. G. L. Daube u. Co. Frankfurt a. M. Adolf Steiner’s Annoncen bureau in Hamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertions Bu- reaus des In- u. Auslandes. Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt. Nr. 17. Olmütz, Montag den 21. Jänner 1889. 10. Jahrgang. Antiſemitismus und Schule. Wien, 20. Jänner. (Orig.-Corr.) Antiſemitismus und Schule — wie reimt ſich das zuſammen? Man ſollte glauben, daß es das Beſtreben aller ehrlichen Menſchen, eines jeden Jugendfreundes ſein muß, der Leidenſchaft an der Schulpfoſte Halt zu gebieten und namentlich Alles zu vermeiden, damit das leicht empfängliche jugend- liche Gemüth nicht verwildert und verroht werde. Und doch finden ſich Perſonen, welche kein Be- denken tragen, den Haß und die Zwietracht ſelbſt in die Schule zu verpflanzen! Sie machen alle Ver- ſuche eine Vertretung in den Schulbehörden zu erlangen, um von hier aus ihre Minirarbeit gegen die Erziehungs- und Bildungs-Anſtalten ins Werk ſetzen zu können. Freilich will ihnen dieſes unpatriotiſche und unmenſchliche Be- ginnen nicht immer und überall gelingen. Als kürzlich die Wahlen für den Bezirksſchulrath Krems abgehalten wurden, boten die Antiſemiten des Bezirkes alle Mittel der Agitation auf, um ihren Candidaten zum Siege zu verhelfen. Allein Dank der Energie der fortſchrittlichen Partei ge- lang es, die Reactionäre vollſtändig zu ſchlagen und dadurch das Attentat auf den bisherigen guten Geiſt in der dortigen Schulverwaltung abzuwehren. Nur ein gegneriſcher Candidat — der Abg. Vergani, ergatterte im 2. Wahlgange ein Mandat, während alle anderen Stellen wieder in bewährten Händen liberaler Bürger ſich be- finden. Die Wahl des Abg. Vergani ſteht im geiſtigen Zuſammenhange mit einem Aufſatze der „niederöſterreichiſchen Schulzeitung“, dem wir folgende Stellen entnehmen. Vergani’s Wahl iſt nicht von dem Stand- puncte aufzufaſſen, daß die Mehrzahl der Ge- meindevertreter unſeres politiſchen Bezirkes im Bürgermeiſter von Mühldorf eine geeignete Per- ſönlichkeit erblickte, zur Vertretung ihrer Inte- reſſen im Bezirksſchulrathe. Der Bürgermeiſter von Mühldorf iſt es nicht, den wir meinen, wenn wir ſeine Wahl mit aufrichtigen Bedauern zur Kenntniß nehmen. Es iſt der Vertreter einer politiſchen Richtung, die als der Fundamentalſatz ihrer Beſtrebungen, den Antiſemitismus, die Be- kämpfung des Judenthums, auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens hinſtellt. Und von dieſem Standpuncte aus bedauern wir die Wahl dieſer Perſönlichkeit in eine ſo wichtige Schulbehörde ganz ebenſo, als wenn ein clericaler Hetzer der ſchlimmſten Sorte gewählt worden wäre. Ja es iſt gewiſſermaßen noch ſchlechter, denn ein Clerikaler, ſagen wir ein Candidat unſeres regſamen „kath. patriotiſchen“ Preßvereines kämpft mit offenem Viſir. Man weiß, der Mann iſt freiwilliges oder gezwungenes Werkzeug der großen ſchwarzen In- ternationale. Gut, ſo werden ſich vorurtheilsfreie, denkende, Freiheit- und Fortſchritt liebende Männer finden, die Beſtrebungen á la Liechtenſtein mit Entſchiedenheit zurückweiſen. Nun aber wird ein Mann im Bezirksſchul- rathe Krems ſitzen, der ſcheinbar nicht Clerikaler iſt und doch die reactionären Tendenzen derſelben fördert, der ſich wenigſtens als Politiker von Fach dünkt und der ſeine politiſchen Anſichten überall und jederzeit zur Geltung zu bringen ſuchen wird, der die gerade ſeiner Partei eigentümliche Rückſichtsloſigkeit und deren lärmendes Gebahren hier gerade ſo wie ſonſt bethätigen wird. In wird ſich vielleicht mancher unſerer Leſer fragen, hätte er dieſem Rufe nicht Folge leiſten ſollen? Nein! Herr Vergani gehört zur Partei, deren Wortführer ſo oft gegen die Anhäufung von Aemtern in einer Perſon ſo heftig donnert. Nun iſt der gute Mann Bergwerkbeſitzer, Landwirth, Bürgermeiſter, Landtags- und Reichsraths-Abgeordneter, Heraus- geber eines Tagblattes, und wer weiß was dies beißt, der mag ſich fragen, was ihn nun anders bewogen haben kann, auch noch die Wahl in den Bezirksſchulrath Krems mit ſolchem Eifer anzu- ſtreben, daß er es bis zur engeren Wahl kommen ließ, daß ſeine Geſinnungsgenoſſen, der National- verein, mit ſolchem Nachdrucke ſeine Wahl be- trieben? In den meiſten Bezirksſchulräthen Nie- deröſterreichs verſuchten jetzt die Antiſemiten Stellen nach Möglichkeit zu erreichen, freilich faſt ohne Erfolg. Aber man möge dort, wo man Verſtändniß für die Schule hat und deren Be- deutung kennt, ſie nicht ausliefern. Jeder Erfolg der Antiſemiten bildet eine neue ernſte Mahnung. Dieſer Partei handelt es ſich, wie wir ſchon oft gezeigt darum, jeden Poſten, der ſich erobern läßt, in die Hand zu bekommen — ſie haben Recht von ihrem Standpuncte. 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Um dieſe Zeit iſt es auf der noch ſchlummernden Bauſtätte todtenſtill; die ſchlammigen Furchen, die Tags zu- vor von den Rädern der Karren gezogen wurden, ſind durch den Froſt ſo hart geworden, wie die Unmaſſen von Eiſen, die durch den Reif wie kan- dirt auf den Schienen ſchlummern, und in dem noch unbeſtimmten Lichte des werdenden Tages gewinnt der Thurm faſt das Ausſehen eines rie- ſigen Spinngewebes, deſſen Silberfäden ſich von dem nebeligen Hintergrunde abheben. Das Ther- mometer zeigt 4 Grad unter Null. Nach und nach treffen die Arbeiter ein; ſie ſind faſt halb erſtarrt vor Kälte, ihre Geſichter ſind faſt verborgen unter den Mützen aus Otter- fell, deren Krämpen über die Ohren hinabgezogen ſind; ihr Leib iſt in dichte Tricotſtoffe gehüllt und ihre Hände ſind in den Taſchen verborgen. So ſchreiten ſie mit gebeugtem Oberkörper heran, um dem Winde weniger Spielraum zu bieten, und klimmen dann den Thurm empor, langſam, ſchweigend, anſcheinend faſt unbewußt, als ob ſie Nachtwandler wären. Dergeſtalt klettern ſie jeden Morgen die 960 Stufen empor, welche ſie von der zweiten Plattform trennen; ihre ſchweren, eiſenbeſchlagenen Schuhe knitſchen auf den Eiſen der Treppe, während das Marsfeld, dieſer ungeheuere Bienen- korb mit ſeinen Galerien und Dächern, das während der Nacht wie von einer Rieſenhand mit Zucker beſtreut worden zu ſein ſcheint, vor ihnen langſam verſinkt. Dieſer erſte Aufſtieg nimmt eine Viertelſtunde in Anſpruch. Wir befinden uns jetzt in einer Höhe von hundertfünfzehn Metern. Das Thermometer zeigt 6 Grad unter Null. Hier beginnt die deutlich erkennbare Arbeits- theilung. Ungefähr fünfzig Männer bleiben in dieſem zweiten Stockwerke, um dasſelbe zu vollenden. In der erſten Etage wird jetzt der franzöſiſch- amerikaniſche Pavillon errichtet, welcher eines der vier Reſtaurationslocale bilden wird, die im Thurme angebracht ſein werden; dieſelben wer- den, den Plänen nach, geräumig genug angelegt ſein, um jedes zweihundertfünfzig Tiſchchen, für je zwei Gäſte berechnet, zu faſſen, und jetzt wird eben die letzte Hand an die prachtvolle Rund- galerie gelegt, deren vergoldete Plafondfelder und farbige Glasmalereien die allgemeine Bewunderung erregen werden. Auf der zweiten Plattform regeln einige Arbeiter den Gang der Maſchinen und überwachen die Arbeit der Krahne und Flaſchen- züge, die Werkſtücke von drei- bis viertauſend Tonnen Gewicht emporziehen; andere wieder ſchieben kleine, mit Holz oder Eiſen beladene kleine Waggons auf Schienen bis an den Fuß der Pfeiler, wo die Kettenhaken der hoch oben poſtirten beweglichen Krahne dieſe Laſten erfaſſen und geräuſchlos in die Höhe ziehen, als ob ſie ein leichtes Strohbündel wären. 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In dieſer ungemein regen Werkſtätte, welche ſich in einer Höhe von hundertfünfzehn Meter über dem Boden befindet und die mit Dampf- maſchinen und Aufzugswinden angefüllt iſt, hat der Arbeiter noch nicht viel von der Kälte zu

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T15:49:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T15:49:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T15:49:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 17, Olmütz, 21.01.1889, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches17_1889/1>, abgerufen am 28.03.2024.