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Mährisches Tagblatt. Nr. 206, Olmütz, 10.09.1897.

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Manuscripte werden nicht
zurückgestellt.


Telephon Nr. 9.




Nr. 206. Olmütz, Freitag, den 10. September 1897. 18. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Klärung.


Ein wichtiger Schritt zur Klärung der
Situation in Betreff des Friedensschlusses zwi-
schen der Türkei und Griechenland ist geschehen.
England hat seinen Schmollwinkel verlassen und
sich wieder dem europäischen Concerte angeschlos-
sen, indem Lord Salisbury einen annehmbaren
Vorschlag machte, welchem zufolge die Räumung
Thessaliens einen Monat nach Abschluß des
Friedensvertrages beginnen solle. Es versteht sich
von selbst, daß dieser Vorschlag sowohl von der
Türkei, als auch von den Mächten sehr günstig
aufgenommen wurde, da er eigentlich ganz un-
wesentlicher Natur ist und man angesichts des-
selben die bisherige frondirende Haltung Englands
kaum begreifen würde, wenn man nicht annehmen
wollte, daß England durch die Schwierigkeiten,
die es bisher machen zu müssen glaubte,
blos seine eigene Wichtigkeit demonstriren
und der Welt zeigen wollte, daß ohne Eng-
land im Orient doch nichts geschehen könne.
Als man aber in London sah, daß die Mächte
sich anschickten, auch ohne, ja eventuell selbst gegen
England ihre Pläne im Oriente durchzuführen,
blieb dem britischen Reiche, namentlich nach den
Besuchen des deutschen Kaisers und des Präsi-
deuten Faure in Petersbure, doch nichts übrig,
als klein beizugeben und sich unter einem schick-
lichen Vorwande wieder dem europäischen Stand-
punkte anzuschließen. England hat durch diesen
scheinbaren Erfolg eigentlich eine Blamage erlitten,
da es nunmehr klar zutage tritt, daß es mit
demselben nur einen maskirt[e]n Rückzug ange-
treten hat.


[Spaltenumbruch]

In hohem Grade erfreulich für die Beru-
higung der Situation aber bleibt das jedenfalls;
denn nunmehr kann der Friede zwischen der
Türkei und Griechenland als nahezu perfect
betrachtet werden, da dem Abschlusse desselben
jetzt gac kein Hinderniß mehr im Wege steht.
Auch bezüglich der Forderungen Deutschlands
dürfte nämlich ein vollständiges Einvernehmen
erzielt werden. Deutschland hatte nämlich
sehr ernste und sehr concrete Forderun-
gen, welche nicht wie diejenigen Englands
ein bloßes Scheinmanöver, sondern eine sehr
reale Sache, nämlich die Sicherung der Ansprüche
der deutschen Gläubiger von Seite Griechenlands
waren. In der bekannten Ehrlichkeit, mit welcher
Griechenland während des ganzen Krieges vorge-
gangen war, wollte es auch den Frieden schließen,
indem es als Pfandobject für die Kriegsent-
schädigung gewisse Staatseinnahmen anbot, die
jedoch bereits für frühere Schulden verpfändet
waren. Ein solches Vorgehen gilt im privaten
Leben für nicht besonders ehrenhaft und auch
jedem andern Staate hätte man es sicherlich sehr
übel genommen; allein Griechenland darf sich
eben Alles erlauben, da es an seinem Rufe
kaum mehr etwas zu verlieren hat. Jetzt hat es
den Wünschen Deutschlands Rechnung tragend,
den Antrag gestellt, gewisse bisher noch nicht
verpfändete Einkünfte als Pfand zu geben.
Allen Anzeichen nach zu schließen, dürfte nun der
formelle Abschluß des Friedens nicht mehr lange
auf sich warten lassen.

Es war aber auch hohe Zeit dazu, denn
die Lage begann mit jedem Tage der Verzögerung
des Friedensschlusses immer unerträglicher zu
werden. Weder die Türkei, noch Griechenland
[Spaltenumbruch] sind nämlich im Stande, die Kosten des Bei-
sammenhaltens ihrer Armeen zu ertragen und
konnten auch das bisher nur durch die Anspannung
aller ihrer Kräfte bewerkstelligen. Mit jedem
Tage der Zögerung aber wurde einer seits Griechen-
land unfähiger, für die der Türkei zuerkannten
Kriegskosten aufzukommen, während andererseits
auch der latent andauernde Kriegszustand die
Umsturzelemente in der Türkei und ihre aus-
wärtigen Helfershelfer zu immer neuen Anschlägen
ermuthigte, wie man das auch in den letzten
Tagen bei den armenischen Bombenaffairen in
Constantinopel gesehen hat.

Allein auch für die europäischen Mächte
war der durch die Weigerung E[n]glands ge-
schaffene Zustand ein sehr beunruhigender und
es kann bezüglich dessen kein Zweifel obwalten,
daß der größte Theil der politischen Gestion in der
letzten Zeit aus diesem Gesichtswinkel betrachtet
werden muß. Galt es doch nahezu als ein
Axiom, daß die Petersburger Vereinbarungen
nur eine Spitze gegen England hatten; es
schien sich in Europa ein großer Zwiespalt vor-
zubereiten, dessen Bedeutung und Tragweite
Niemand so recht überblicken konnte. Heute scheint
all das durch den Wiedereintritt Englands in
das europäische Concert vorüber zu sein und
unser Welttheil kann jedenfalls mit größerer Be-
ruhigung der nächsten Zukunft entgegenblicken,
als das vor diesem Ereignisse der Fall war.

Bliebe allenfalls noch Kreta, dessen Verhält-
nisse noch immer nicht geregelt sind; allein ist
erst einmal der Friede geschlossen, so kann auch
das Bischen Kreta keinen Grund zur Beunruhigung
mehr bieten. Die Herren Kretenser werden sich
wohl oder übel mit der ihnen angebotenen Auto-




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Die Expedition des "Challenger."
Von Prof. R. France.

Mit der unauffälligen Bescheidenheit der
wahren Wissenschaft trat vor einiger Zeit ein
Werk vor die Oeffentlichkeit, wie es gigantischer
wohl noch selten die Presse verlassen hat. Das
Jahrhundert der Naturwissenschaften sichert sich
darin einen würdigen Abschluß. Es wurde nämlich
der 36. Band und damit die ganze Publication
der wissenschaftlichen Ergebnisse
der englischen "Challenger"-Expedi-
tion
abgeschlossen und durch die Munifizenz
der englischen Regierung den europäischen öffent-
lichen Bibliotheken als Geschenk der englischen
Nation übermittelt.

Die Fäden der Geschichte dieses in seiner
Art einzig dastehenden Unternehmens reichen
weit in die Tage einer schon halb entschwundenen
Generation zurück, in die letzten Tage der
sechziger Jahre, in welchen die überraschenden
Erfolge der Amerikaner bei der wissenschaftlichen
Durchforschung des Atlantischen Oceans den Wett-
eifer Englands wachriefen und so den Anfloß zur
Ausrüstung einer epochalen Ocean - Expedition
gaben. Es war eine naturgeschichtliche Forscher-
fahrt um die Erde, die da geplant wurde, ein
erneuerter Zug Magellan's, welcher unbekannte
Gebiete des menschlichen Wissens erschließen sollte.


[Spaltenumbruch]

Die Abgründe des Weltmeeres, die Fragen
der geographischen Vertheilung der oceanischen
Lebewesen, die Probleme der Tectonik des
Meeresbodens, sie waren es, in deren Dunkel
diese neue Expedition Licht und Aufklärung bringen
sollte. Von jener unendlichen Kette des Unbekannten
und Räthselhaften, die in das Erdendasein der
Menschheit herabhängt und an der ungezählte
Generationen der Jahrtausende die verworrenen
Ringe zu lösen trachten, sollte nun auf einmal
eine ganze Reihe der Glieder aufgedeckt werden.
Die Aufgabe war groß, aber groß waren auch
die Mittel zu ihrer Lösung -- und sie gelang.

Die englische Regierung stellte ein Kriegs-
schiff, den "Challenger" (Herausforderer)
zur Verfügung und binnen zweier Jahre wurde
das gepanzerte, feuerspeiende Kampfungethüm in
das friedliche Heim stiller Arbeit und Wissen-
schaft, zu einem wahren Naturforscherschiff um-
gestaltet. Einer der hervorragendsten Biologen
Englands, Ch. Wywille Thomson, bildete mit
einer Reihe von namhaften Zoologen, Botanikern
und Geologen einen wissenschaftlichen Stab, an
dessen Arbeitstüchtigkeit und Arbeitskraft schon
a priori große Erwartungen geknüpft werden
konnten.

Am 21. December 1872 lief der "Challenger"
aus dem Hafen von Portsmouth aus, wo man
ihn 31/2 Jahre hindurch nicht wiedersehen sollte.

Und nun begann ein wahrer Triumphzug
der Naturwissenschaften über die Erde, welcher
[Spaltenumbruch] die kleine Forscherschaar von den fieberathmenden
Gestaden der Tropen zu den Eisbarrieren der
Südsee, aus den großen Handels- und Cultur-
centren der fünf Welttheile zwischen die den
sprechenden Affen nahekommenden Kannibalen
Polynesiens führte. In 31/2 Jahren legte der
"Challenger" 86.890 Seemeilen zurück, also einen
Weg, der dem dreifachen Umfang der Erde
(= 21.600 Seemeilen) entspricht. Aus Hunderten
und aber Hunderten von Tiefmessungen, Tempe-
raturbeobachtungen und erfolgreichen Fischzügen
mit Schlepp- und Plankton-Netzen setzte sich die
Unmasse des heimgebrachten Daten- und Beob-
achtungsmaterials zusammen, welches in der
großen Schatzkammer der Naturgeschichte, im
"British Museum" seiner weiteren Bestim-
mung: der wissenschaftlichen Aufarbeitung harrt.

Dieses ungeheure Material konnte unmöglich
von den wenigen Theilnehmern der Expedition
allein bewältigt werden. Die von der Regierung
zum Zwecke der Bearbeitung der Ergebnisse ein-
gesetzte Commission, an deren Spitze der Leiter
der Expedition, Sir Wywille Thomson st[a]nd,
vergewisserte sich daher vor Allem der Mirwir-
kung der nöthigen Fachgelehrten, die ohne Rück-
sicht auf ihre Nationalität zur Mitarbeiterschaft
an diesem Werke aufgefordert wurden. So kam
es, daß sich an dem Challengerwerke Vertreter
fast aller Culturnationen betheiligten, wodurch
dasselbe ein leuchtendes Beispiel der über Racen
und Nationen stehenden Solidarität der Wissen-
schaft wurde.


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Das
„Mähriſche Tagblatt“
erſcheint mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich.
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Tagblatt.

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u. Berlin. Alois Opellik. in
Wien, G. L. Daube und Co.
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zurückgeſtellt.


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Nr. 206. Olmütz, Freitag, den 10. September 1897. 18. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Klärung.


Ein wichtiger Schritt zur Klärung der
Situation in Betreff des Friedensſchluſſes zwi-
ſchen der Türkei und Griechenland iſt geſchehen.
England hat ſeinen Schmollwinkel verlaſſen und
ſich wieder dem europäiſchen Concerte angeſchloſ-
ſen, indem Lord Salisbury einen annehmbaren
Vorſchlag machte, welchem zufolge die Räumung
Theſſaliens einen Monat nach Abſchluß des
Friedensvertrages beginnen ſolle. Es verſteht ſich
von ſelbſt, daß dieſer Vorſchlag ſowohl von der
Türkei, als auch von den Mächten ſehr günſtig
aufgenommen wurde, da er eigentlich ganz un-
weſentlicher Natur iſt und man angeſichts des-
ſelben die bisherige frondirende Haltung Englands
kaum begreifen würde, wenn man nicht annehmen
wollte, daß England durch die Schwierigkeiten,
die es bisher machen zu müſſen glaubte,
blos ſeine eigene Wichtigkeit demonſtriren
und der Welt zeigen wollte, daß ohne Eng-
land im Orient doch nichts geſchehen könne.
Als man aber in London ſah, daß die Mächte
ſich anſchickten, auch ohne, ja eventuell ſelbſt gegen
England ihre Pläne im Oriente durchzuführen,
blieb dem britiſchen Reiche, namentlich nach den
Beſuchen des deutſchen Kaiſers und des Präſi-
deuten Faure in Petersbure, doch nichts übrig,
als klein beizugeben und ſich unter einem ſchick-
lichen Vorwande wieder dem europäiſchen Stand-
punkte anzuſchließen. England hat durch dieſen
ſcheinbaren Erfolg eigentlich eine Blamage erlitten,
da es nunmehr klar zutage tritt, daß es mit
demſelben nur einen maskirt[e]n Rückzug ange-
treten hat.


[Spaltenumbruch]

In hohem Grade erfreulich für die Beru-
higung der Situation aber bleibt das jedenfalls;
denn nunmehr kann der Friede zwiſchen der
Türkei und Griechenland als nahezu perfect
betrachtet werden, da dem Abſchluſſe desſelben
jetzt gac kein Hinderniß mehr im Wege ſteht.
Auch bezüglich der Forderungen Deutſchlands
dürfte nämlich ein vollſtändiges Einvernehmen
erzielt werden. Deutſchland hatte nämlich
ſehr ernſte und ſehr concrete Forderun-
gen, welche nicht wie diejenigen Englands
ein bloßes Scheinmanöver, ſondern eine ſehr
reale Sache, nämlich die Sicherung der Anſprüche
der deutſchen Gläubiger von Seite Griechenlands
waren. In der bekannten Ehrlichkeit, mit welcher
Griechenland während des ganzen Krieges vorge-
gangen war, wollte es auch den Frieden ſchließen,
indem es als Pfandobject für die Kriegsent-
ſchädigung gewiſſe Staatseinnahmen anbot, die
jedoch bereits für frühere Schulden verpfändet
waren. Ein ſolches Vorgehen gilt im privaten
Leben für nicht beſonders ehrenhaft und auch
jedem andern Staate hätte man es ſicherlich ſehr
übel genommen; allein Griechenland darf ſich
eben Alles erlauben, da es an ſeinem Rufe
kaum mehr etwas zu verlieren hat. Jetzt hat es
den Wünſchen Deutſchlands Rechnung tragend,
den Antrag geſtellt, gewiſſe bisher noch nicht
verpfändete Einkünfte als Pfand zu geben.
Allen Anzeichen nach zu ſchließen, dürfte nun der
formelle Abſchluß des Friedens nicht mehr lange
auf ſich warten laſſen.

Es war aber auch hohe Zeit dazu, denn
die Lage begann mit jedem Tage der Verzögerung
des Friedensſchluſſes immer unerträglicher zu
werden. Weder die Türkei, noch Griechenland
[Spaltenumbruch] ſind nämlich im Stande, die Koſten des Bei-
ſammenhaltens ihrer Armeen zu ertragen und
konnten auch das bisher nur durch die Anſpannung
aller ihrer Kräfte bewerkſtelligen. Mit jedem
Tage der Zögerung aber wurde einer ſeits Griechen-
land unfähiger, für die der Türkei zuerkannten
Kriegskoſten aufzukommen, während andererſeits
auch der latent andauernde Kriegszuſtand die
Umſturzelemente in der Türkei und ihre aus-
wärtigen Helfershelfer zu immer neuen Anſchlägen
ermuthigte, wie man das auch in den letzten
Tagen bei den armeniſchen Bombenaffairen in
Conſtantinopel geſehen hat.

Allein auch für die europäiſchen Mächte
war der durch die Weigerung E[n]glands ge-
ſchaffene Zuſtand ein ſehr beunruhigender und
es kann bezüglich deſſen kein Zweifel obwalten,
daß der größte Theil der politiſchen Geſtion in der
letzten Zeit aus dieſem Geſichtswinkel betrachtet
werden muß. Galt es doch nahezu als ein
Axiom, daß die Petersburger Vereinbarungen
nur eine Spitze gegen England hatten; es
ſchien ſich in Europa ein großer Zwieſpalt vor-
zubereiten, deſſen Bedeutung und Tragweite
Niemand ſo recht überblicken konnte. Heute ſcheint
all das durch den Wiedereintritt Englands in
das europäiſche Concert vorüber zu ſein und
unſer Welttheil kann jedenfalls mit größerer Be-
ruhigung der nächſten Zukunft entgegenblicken,
als das vor dieſem Ereigniſſe der Fall war.

Bliebe allenfalls noch Kreta, deſſen Verhält-
niſſe noch immer nicht geregelt ſind; allein iſt
erſt einmal der Friede geſchloſſen, ſo kann auch
das Bischen Kreta keinen Grund zur Beunruhigung
mehr bieten. Die Herren Kretenſer werden ſich
wohl oder übel mit der ihnen angebotenen Auto-




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Die Expedition des „Challenger.“
Von Prof. R. Francé.

Mit der unauffälligen Beſcheidenheit der
wahren Wiſſenſchaft trat vor einiger Zeit ein
Werk vor die Oeffentlichkeit, wie es gigantiſcher
wohl noch ſelten die Preſſe verlaſſen hat. Das
Jahrhundert der Naturwiſſenſchaften ſichert ſich
darin einen würdigen Abſchluß. Es wurde nämlich
der 36. Band und damit die ganze Publication
der wiſſenſchaftlichen Ergebniſſe
der engliſchen „Challenger“-Expedi-
tion
abgeſchloſſen und durch die Munifizenz
der engliſchen Regierung den europäiſchen öffent-
lichen Bibliotheken als Geſchenk der engliſchen
Nation übermittelt.

Die Fäden der Geſchichte dieſes in ſeiner
Art einzig daſtehenden Unternehmens reichen
weit in die Tage einer ſchon halb entſchwundenen
Generation zurück, in die letzten Tage der
ſechziger Jahre, in welchen die überraſchenden
Erfolge der Amerikaner bei der wiſſenſchaftlichen
Durchforſchung des Atlantiſchen Oceans den Wett-
eifer Englands wachriefen und ſo den Anfloß zur
Ausrüſtung einer epochalen Ocean - Expedition
gaben. Es war eine naturgeſchichtliche Forſcher-
fahrt um die Erde, die da geplant wurde, ein
erneuerter Zug Magellan’s, welcher unbekannte
Gebiete des menſchlichen Wiſſens erſchließen ſollte.


[Spaltenumbruch]

Die Abgründe des Weltmeeres, die Fragen
der geographiſchen Vertheilung der oceaniſchen
Lebeweſen, die Probleme der Tectonik des
Meeresbodens, ſie waren es, in deren Dunkel
dieſe neue Expedition Licht und Aufklärung bringen
ſollte. Von jener unendlichen Kette des Unbekannten
und Räthſelhaften, die in das Erdendaſein der
Menſchheit herabhängt und an der ungezählte
Generationen der Jahrtauſende die verworrenen
Ringe zu löſen trachten, ſollte nun auf einmal
eine ganze Reihe der Glieder aufgedeckt werden.
Die Aufgabe war groß, aber groß waren auch
die Mittel zu ihrer Löſung — und ſie gelang.

Die engliſche Regierung ſtellte ein Kriegs-
ſchiff, den „Challenger“ (Herausforderer)
zur Verfügung und binnen zweier Jahre wurde
das gepanzerte, feuerſpeiende Kampfungethüm in
das friedliche Heim ſtiller Arbeit und Wiſſen-
ſchaft, zu einem wahren Naturforſcherſchiff um-
geſtaltet. Einer der hervorragendſten Biologen
Englands, Ch. Wywille Thomſon, bildete mit
einer Reihe von namhaften Zoologen, Botanikern
und Geologen einen wiſſenſchaftlichen Stab, an
deſſen Arbeitstüchtigkeit und Arbeitskraft ſchon
a priori große Erwartungen geknüpft werden
konnten.

Am 21. December 1872 lief der „Challenger“
aus dem Hafen von Portsmouth aus, wo man
ihn 3½ Jahre hindurch nicht wiederſehen ſollte.

Und nun begann ein wahrer Triumphzug
der Naturwiſſenſchaften über die Erde, welcher
[Spaltenumbruch] die kleine Forſcherſchaar von den fieberathmenden
Geſtaden der Tropen zu den Eisbarrieren der
Südſee, aus den großen Handels- und Cultur-
centren der fünf Welttheile zwiſchen die den
ſprechenden Affen nahekommenden Kannibalen
Polyneſiens führte. In 3½ Jahren legte der
„Challenger“ 86.890 Seemeilen zurück, alſo einen
Weg, der dem dreifachen Umfang der Erde
(= 21.600 Seemeilen) entſpricht. Aus Hunderten
und aber Hunderten von Tiefmeſſungen, Tempe-
raturbeobachtungen und erfolgreichen Fiſchzügen
mit Schlepp- und Plankton-Netzen ſetzte ſich die
Unmaſſe des heimgebrachten Daten- und Beob-
achtungsmaterials zuſammen, welches in der
großen Schatzkammer der Naturgeſchichte, im
„Britiſh Muſeum“ ſeiner weiteren Beſtim-
mung: der wiſſenſchaftlichen Aufarbeitung harrt.

Dieſes ungeheure Material konnte unmöglich
von den wenigen Theilnehmern der Expedition
allein bewältigt werden. Die von der Regierung
zum Zwecke der Bearbeitung der Ergebniſſe ein-
geſetzte Commiſſion, an deren Spitze der Leiter
der Expedition, Sir Wywille Thomſon ſt[a]nd,
vergewiſſerte ſich daher vor Allem der Mirwir-
kung der nöthigen Fachgelehrten, die ohne Rück-
ſicht auf ihre Nationalität zur Mitarbeiterſchaft
an dieſem Werke aufgefordert wurden. So kam
es, daß ſich an dem Challengerwerke Vertreter
faſt aller Culturnationen betheiligten, wodurch
dasſelbe ein leuchtendes Beiſpiel der über Racen
und Nationen ſtehenden Solidarität der Wiſſen-
ſchaft wurde.


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Auslandes Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt. Telephon Nr. 9. Nr. 206. Olmütz, Freitag, den 10. September 1897. 18. Jahrgang. Klärung. Olmütz, 10. September. Ein wichtiger Schritt zur Klärung der Situation in Betreff des Friedensſchluſſes zwi- ſchen der Türkei und Griechenland iſt geſchehen. England hat ſeinen Schmollwinkel verlaſſen und ſich wieder dem europäiſchen Concerte angeſchloſ- ſen, indem Lord Salisbury einen annehmbaren Vorſchlag machte, welchem zufolge die Räumung Theſſaliens einen Monat nach Abſchluß des Friedensvertrages beginnen ſolle. 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In der bekannten Ehrlichkeit, mit welcher Griechenland während des ganzen Krieges vorge- gangen war, wollte es auch den Frieden ſchließen, indem es als Pfandobject für die Kriegsent- ſchädigung gewiſſe Staatseinnahmen anbot, die jedoch bereits für frühere Schulden verpfändet waren. Ein ſolches Vorgehen gilt im privaten Leben für nicht beſonders ehrenhaft und auch jedem andern Staate hätte man es ſicherlich ſehr übel genommen; allein Griechenland darf ſich eben Alles erlauben, da es an ſeinem Rufe kaum mehr etwas zu verlieren hat. Jetzt hat es den Wünſchen Deutſchlands Rechnung tragend, den Antrag geſtellt, gewiſſe bisher noch nicht verpfändete Einkünfte als Pfand zu geben. Allen Anzeichen nach zu ſchließen, dürfte nun der formelle Abſchluß des Friedens nicht mehr lange auf ſich warten laſſen. Es war aber auch hohe Zeit dazu, denn die Lage begann mit jedem Tage der Verzögerung des Friedensſchluſſes immer unerträglicher zu werden. Weder die Türkei, noch Griechenland ſind nämlich im Stande, die Koſten des Bei- ſammenhaltens ihrer Armeen zu ertragen und konnten auch das bisher nur durch die Anſpannung aller ihrer Kräfte bewerkſtelligen. Mit jedem Tage der Zögerung aber wurde einer ſeits Griechen- land unfähiger, für die der Türkei zuerkannten Kriegskoſten aufzukommen, während andererſeits auch der latent andauernde Kriegszuſtand die Umſturzelemente in der Türkei und ihre aus- wärtigen Helfershelfer zu immer neuen Anſchlägen ermuthigte, wie man das auch in den letzten Tagen bei den armeniſchen Bombenaffairen in Conſtantinopel geſehen hat. Allein auch für die europäiſchen Mächte war der durch die Weigerung Englands ge- ſchaffene Zuſtand ein ſehr beunruhigender und es kann bezüglich deſſen kein Zweifel obwalten, daß der größte Theil der politiſchen Geſtion in der letzten Zeit aus dieſem Geſichtswinkel betrachtet werden muß. 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Mit der unauffälligen Beſcheidenheit der wahren Wiſſenſchaft trat vor einiger Zeit ein Werk vor die Oeffentlichkeit, wie es gigantiſcher wohl noch ſelten die Preſſe verlaſſen hat. Das Jahrhundert der Naturwiſſenſchaften ſichert ſich darin einen würdigen Abſchluß. Es wurde nämlich der 36. Band und damit die ganze Publication der wiſſenſchaftlichen Ergebniſſe der engliſchen „Challenger“-Expedi- tion abgeſchloſſen und durch die Munifizenz der engliſchen Regierung den europäiſchen öffent- lichen Bibliotheken als Geſchenk der engliſchen Nation übermittelt. Die Fäden der Geſchichte dieſes in ſeiner Art einzig daſtehenden Unternehmens reichen weit in die Tage einer ſchon halb entſchwundenen Generation zurück, in die letzten Tage der ſechziger Jahre, in welchen die überraſchenden Erfolge der Amerikaner bei der wiſſenſchaftlichen Durchforſchung des Atlantiſchen Oceans den Wett- eifer Englands wachriefen und ſo den Anfloß zur Ausrüſtung einer epochalen Ocean - Expedition gaben. 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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 206, Olmütz, 10.09.1897, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches206_1897/1>, abgerufen am 21.11.2024.