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Mährisches Tagblatt. Nr. 206, Olmütz, 10.09.1897.

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[Spaltenumbruch]
daf

neuen politischen Club, der kürzlich seine
Generalversammlung hielt, welche auch viel-
fach von Gesinnungsgenossen vom Lande be-
sucht war. Die Versammlung beschloß eine Reso-
lution, in welcher die tschechischen Abgeordneten
aufgefordert werden, sich bei den nächsten Ver-
handlungen mit der Regierung sowohl, als auch
mit der Rechten auf den staatsrechtlichen Stand-
punct zu stellen und nicht durch Versprechungen
oder unbedeutende Zugeständnisse ködern zu lassen,
nicht zu vergessen, daß die tschechische Opposition
gegen das gesammte Regierungssystem in Oester-
reich gerichtet ist und nicht bloß gegen die Re-
gierung Badeni's und sich insbesondere vor der
Zustimmung zu irgend einer die Thätigkeit der
Abgeordneten einschränkenden Abänderung der
Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses zu
hüten, weil sie dadurch die Thätigkeit der künf-
tigen radicalen tschechischen Delegation hemmen
würden. Das klingt sehr zuversichtlich.

(Zu den deutschfeindlichen Demonstra-
tionen in Paris,)

Die Nachricht von den
deutschfeindlichen Demonstrationen
in Paris hat, aus Warschau eingetroffenen
Nachrichten zufolge, an maßgebender russi-
scher Stelle den denkba[r] ungünstigsten
Eindruck gemacht. Hochgestellte Personen erklärten
unumwunden, die Schwäche der französischen
Regierung sei zu bedauern; die künstlich erregten
Volksmassen seien eher entschuldbar, da sie sich
im Glauben befänden und in diesem Glauben
durch das Privatinteressen verfolgende Gebahren
der Regierungsmänner bestärkt würden, daß die
Czarenworte an Bord des "Pothuan" den fran-
zösischen Chauvinisten ein Anrecht auf Erfüllung
ihrer Hoffnungen gewährten. Diese Auffassung
des russischen Entgegenkommens französischen
Wünschen gegenüber sei durchaus irrig, durch
nichts begründet und bekunde eine vollständige
Verkennung der thatsächlichen Situation. Man
ist in gutnationalen deutschen Kreisen übrigens
arg verschnupft über die merkwürdige Gelassenheit,
mit der die deutsche Regierung die Vorgänge in
Paris ohneweiters hingenommen hat. Eine anschei-
nend officiöse Aeußerung der "Köln. Ztg." über
die "ganz außerordentliche und grobe Tactlosig-
keit" Melines gipfelt in der Ausführung, "das
Vertrauen in diese -- Deutschland günstige --
Lage macht es uns möglich, das unpassende Ver-
halten des Ministers, dem die Petersburger Reise
das klare Verständniß für wirkliche Verhältnisse
getrübt zu haben scheint, mit jener Gelassenheit
aufzunehmen, deren Quelle die Kraft ist und zu-
gleich das Recht." Hiezu bemerken die "M. N. N."
sehr zutreffend: Daraus scheint hervorzugehen,
daß man in Deutschland nicht die Absicht hat,
den französischen Minister wegen seines gröblichen
Verstoßes zu interpelliren. Das wird in den
weitesten Kreisen weder Verständniß noch Billi-
gung finden, und wenn die Franzosen darin nicht,
[Spaltenumbruch] wie die "Köln. Ztg.", ein Zeichen selbstbewußter
Kraft, sondern vielmehr das Gegentheil, das aus
ängstlicher Sorge hervorgegangene Bestreben, nur
Alles zu vermeiden, was uns in Conflicte mit
dem fortan wieder mächtig gewordenen Frank-
reich verwickeln könnte, erblicken, so werden sie
auch in Deutschland außerhalb der officiös be-
dienten Presse nur wenig Widerspruch begegnen.
Wird die Melinesche Frechheit ohne gebührende
Rüge gelassen, so wird man darin allgemein eine
kaum begreifliche Energielofigkeit des Auswärtigen
Amtes, die vom Grafen Münster bewahrte stoische
Ruhe als einen weiteren Beleg dafür ansehen,
daß unsere Vertretung in Paris bedenklich weit
von der Höhe Bismarckscher Ueberlieferung herab-
geglitten ist. Man fragt sich mit einiger Besorg-
niß, ob dieser unerfreuliche Zustand noch länger
andauern, wohl gar noch weiter ausgebildet
werden soll."




Locales und Provinzielles.


(Se. kais. Hoheit, Herr Erzherzog
Engen)

ist vorgestern Nachmittags von Wien
nach Totis abgereist. In der Begleitung des
Herrn Erzherzogs befanden sich der Chef des
Generalstabes FZM. Freiherr von Beck, der
General-Artillerie-Inspector FML. Ritter von
Kropatschek und die Officiere der Armee-
Oberleitung.

(Personales.)

Herr Stadtphysikus Dr.
Hans Cantor ist von seiner Urlaubsreise ein-
getroffen und hat sein Amt wieder angetreten.

(Geistliche Personalnachrichten aus der
Olmützer Erzdiöcese.)

Der hochw. Fürsterzbischof
hat das vacante Canonikat bei St. Mauriz in
Kremsier, dem hochw. Herrn Diöcesan-Rechnungs-
Revisor, Franz Vaculik, verliehen. Der hochw.
Herr Johann Kohn, Cooperator in Palkowitz,
ist zum prov. Bürgerschulcatecheten und Personal-
cooperator in Freiberg ernannt worden. Der
hochw. Herr Cooperator Franz Pajtl wurde
von Premyslowitz nach Palkowitz versetzt.

(Dienstjubiläum.)

Heute begeht der k. k.
Ober-Postcontrollor Alois Wicha in Brünn
sein vierzigjähriges Dienstjubiläum, aus welchem
Anlasse ihm unterschiedliche Ovationen seitens
seiner zahlreichen Freunde und Collegen zuge-
dacht sind.

(Wähler-Versammlung.)

Wie von uns
bereits gemeldet, wird der Reichsraths-Abgeord-
nete der 5. Curie, Herr Ernst Berner am
Sonntag, den 26. d. Mts. in einer Versamm-
lung vor den hiesigen Wählern seinen Rechen-
schaftsbericht erstatten. Von Seite des Einberufers
dieser Versammlung wurde bereits an den Ge-
meinderath das Ansuchen um Ueberlassung des
städt. Redoutensaales zur Abhaltung dieser Ver-
sammlung gestellt.


[Spaltenumbruch]
(Gründung des oberen Marchthalgaues
des Deutschen Schulvereines.)

Wie bereits ge-
meldet, findet nächsten Sonntag um halb 3 Uhr
Nachmittags in Mähr.-Schönberg die constituirende
Versammlung des oberen Marchthalgaues des
Deutschen Schulvereines statt. An der Tages-
ordnung stehen folgende Gegenstände: Bericht des
Obmannes Rich. Schmidt über die Thätigkeit
des provisorischen Gauausschusses. Name des
Gaues. Berathung und Genehmigung der Statuten.
Wahl des Gauausschusses. Freie Anträge. Als
Vertreter der Hauptleitung in Wien hat der
Obmann Dr. M. Weitlof seine persönliche Theil-
nahme zugesagt. Nach der Versammlung findet
im Garten der Bürgerlichen Schießstätte ein
vom Gesangverein veranstaltetes Gartenfest statt.
Eine recht zahlreiche Betheiligung an diesem
nationalen Festta[g]e ist zu erwarten.

(Dislocationswechsel.)

Gestern hat der
Stab und das 1., 2. und 4. Bataillon des 8.
Infanterie-Regiments, Brünn verlassen und sich
nach Mostar, wo sie von nun ab garnisoniren
werden, begeben. Aus diesem Anlasse hat die
Gemeindevertretung Brünns dem scheidenden
Truppenkörper als Ehrengabe einen silbernen
Tafelaussatz gewidmet. Derselbe wurde dem Re-
gimente zu Handen dessen Commandanten, Herrn
Obersten Tomicic, übermittelt. Die abrückenden
drei Bataillone marschirten gestern um 3 Uhr
Nachmittags zum Rossitzer Bahnhof[e]. Im Bahn-
hofe bekam jeder Mann eine Flasche Wein und
Cigarren als Spende der Stadtgemeinde Brünn.
Das dritte Bataillon des 8. Infanterie-Regiments
bleibt in Brünn in Garnison.

(Volksbücherei.)

Das Lesebedürfniß wird
sich nunmehr, da die Abende an Länge zunehmen,
wieder mehren und demnach auch die Volksbücherei
der hiesigen Nordmährerbundesguppe stark in
Anspruch genommen werden. Obwohl diese
Bücherei in den letzten Jahren eine recht ansehn-
liche Bereicherung erfahren hat, so genügt der
angesammelte Bücherschatz dennoch nicht um alle
Leselustigen zu befriedigen und wäre es daher
sehr wünschenswerth, wenn der Volksbücherei
Geld- oder Bücherspenden zugewendet werden
würden. Wir appelliren dießfalls an die deutsche
Bevölkerung unserer Stadt und ersuchen etwaige
Spenden in der Volksbücherei, Böhmengasse, ab-
geben zu wollen.

(Vom ersten Olmützer Radfahrer-Club.)

Der erste Olmützer Radfahrerclub hält morgen
Samstag 1/29 Uhr Abends im "Hotel zum gol-
denen Schwan", Bäckergasse, eine Vollver-
sammlung
ab, auf deren Tagesordnung meh-
rere wichtige Gegenstände u. A. Vorstandswah-
len, stehen. Ein zahlreiches Erscheinen der Mit-
glieder ist erwünscht.

(Eine neue Oper.)

Emil Kaiser, der
beliebte Capellmeister des 3. Inst.-Regmts. ist,
wie wir erfahren, mit der Composition einer




[Spaltenumbruch]
ff

Erdepochen wird wieder lebendig Ungeschlacht ge-
formte, groteske Polypen strecken ihre Fühlarme
zwischen den aus der Urwelt hier zurückgebliebenen
Seesternen und Stachelhäutern, in den Spalten
der Felsen kauern urweltliche Krebse von fantastischer
Gestalt und dazwischen huschen bizarre Fische,
gteich blassen blutlosen Gespenstern in einer im-
merwährenden und lautlosen Nacht.

Die Scelete von Myriaden kleiner Organis-
men, die oben die Wasserschichten beleben, sinken
herab und rieseln als ununterbrochener Strom
von Kalk- und Kieselpartikelchen zu Boden. Im
Laufe der Jahrtausende häufen sie sich zu ge-
waltigen Lagern an, welche einst die Kalkfelsen
späterer Aeonen bilden werden, so wie sie vor
ungezählten Jahren den Kalk unserer Gebirge
schufen, die damals Meeresgrund waren. An
diesen verborgensten Erdenwinkeln scheint die oben
Alles umgestaltende Zeit spurlos vorüberzugehen,
hier liegen in ungestörter Ruhe die Knochen
ehemaliger Seeungeheuer, deren Fossilien oben an
der Erdoberfläche schon unter der Wucht unge-
heurer Gebirge begraben sind. Seit jenen Zeiten,
wo den Erdball überall der schwüle Hauch eines
tropischen Klimas umspielte und allüberall die
üppige Pracht der tertiären Urwälder, die viel-
leicht noch keinen Menschen sahen, wucherte,
blieben die Reste jener längst ausgestorbenen
Organismenwelt hier erhalten und stiegen kaum
verändert an der langen Kette der Generationen
bis zur geologischen Gegenwart hernieder. Und
ein Ueberbleibsel des Heute wird sich erhalten,
[Spaltenumbruch] vielleicht bis in jene Tage, wo die rastlose Zeit
das Menschengeschlecht schon längst ausgelöscht
und hinweggetilgt hat und der ewige blaue Him-
mel wieder über den Wundern neuer Continente
lächelt.

Die zwischen der Tiefe und der Oberfläche
liegenden Wasserschichten sind fast verödet und
unbelebt, nicht so aber an dem Meeresspiegel.
Im Gegensatze zu dem Farbenmangel und der
unheimlichen Bewegungslosigkeit der Tiefenbe-
wohner schwelgt hier das Auge an der Farben-
und Formenschönheit der Milliarden Geschöpfe,
die da umherwimmeln. In der Sonuenpracht
des lichten, krystallklaren Wassers spielt eine un-
absehbare Menge der wunderbarsten Wesen alle
Farben und oftmals ist die Oberfläche so massen-
haft bevölkert, daß z. B. der "Challenger"
wiederholt tagelang inmitten ihrer Heere fuhr.

Fast alle Ordnungen der Thierwelt stellen
ihre Vertreter zu dem Heere der Planktonwesen,
ein chaotisches Gewirr von Formen, in welches
jedoch das Gesetz der systematischen Eintheilung
und die aus unzähligen Einzelbeobachtungen
sich aufbauende Kenntniß ihrer Oecologie Ord-
nung bringt.

Fast zwei Drittel der gesammten Bände
des Challengerwerkes sind der Beschreibung dieser
so unendlich mannigfaltigen Thierwelt gewidmet;
unwillkürlich beschleicht uns, wenn wir diese
Tausende von Seiten und meisterhaften Tafeln
durchblättern ein Gefühl der stummen Ehrfurcht
[Spaltenumbruch] vor der riesenhaften Größe der Geistesarbeit, die
hier niedergelegt ist.

Die meisten der Theilnehmer und Mitarbeiter
ruhen bereits im Grabe; sie hinterließen ihr
Werk einer neuen Generation, ohne den Ruhm
und directen Nutzen jener Arbeit, der sie ihre
besten Kräfte gewidmet, genießen zu können. Die
fortschreitende Wissenschaft wird das durch sie
Gebotene überholen, manches nur Halbgeklärte
wird gelöst und vielleicht in anderem Sinne er-
faßt werden, aber nichts wird ihr Verdienst
schmälern und die Bedeutung einer Geistesthat,
die aus dem, in traurigen Hader und Racenhaß
versunkenen fin de siecle wohlthuend und er-
quickend hervorragt und als sittlich Schönes wirkt.
Werke, wie das der Challenger-Expedition, sind
nicht das intellectuelle Produkt Einiger, sie sind
vielmehr die Ausdrucksformel für gewisse Etapen
des allgemeinen culturellen Fortschritts. Dazu,
daß sie entstehen können, gehört eine breite Basis
des allgemeinen Verständnisses für solche ideale
Bestrebungen, deren positiver Nutzen nicht un-
mittelbar ins Auge fällt und die erst späteren
Generationen Früchte tragen werden. Zu solcher
Opferwilligkeit konnte auch nur eine so echt
freisinnige Nation befähigt sein, wie das Volk
Englands.

("P. Ll.")
Das Alter des Menschengeschlechtes

Die gegenwärtig in der canadischen Universi-
tätsstadt Toronto t[a]gende Jahresversammlung
der Britischen Vereinigung zur Förderung der


[Spaltenumbruch]
daf

neuen politiſchen Club, der kürzlich ſeine
Generalverſammlung hielt, welche auch viel-
fach von Geſinnungsgenoſſen vom Lande be-
ſucht war. Die Verſammlung beſchloß eine Reſo-
lution, in welcher die tſchechiſchen Abgeordneten
aufgefordert werden, ſich bei den nächſten Ver-
handlungen mit der Regierung ſowohl, als auch
mit der Rechten auf den ſtaatsrechtlichen Stand-
punct zu ſtellen und nicht durch Verſprechungen
oder unbedeutende Zugeſtändniſſe ködern zu laſſen,
nicht zu vergeſſen, daß die tſchechiſche Oppoſition
gegen das geſammte Regierungsſyſtem in Oeſter-
reich gerichtet iſt und nicht bloß gegen die Re-
gierung Badeni’s und ſich insbeſondere vor der
Zuſtimmung zu irgend einer die Thätigkeit der
Abgeordneten einſchränkenden Abänderung der
Geſchäftsordnung des Abgeordnetenhauſes zu
hüten, weil ſie dadurch die Thätigkeit der künf-
tigen radicalen tſchechiſchen Delegation hemmen
würden. Das klingt ſehr zuverſichtlich.

(Zu den deutſchfeindlichen Demonſtra-
tionen in Paris,)

Die Nachricht von den
deutſchfeindlichen Demonſtrationen
in Paris hat, aus Warſchau eingetroffenen
Nachrichten zufolge, an maßgebender ruſſi-
ſcher Stelle den denkba[r] ungünſtigſten
Eindruck gemacht. Hochgeſtellte Perſonen erklärten
unumwunden, die Schwäche der franzöſiſchen
Regierung ſei zu bedauern; die künſtlich erregten
Volksmaſſen ſeien eher entſchuldbar, da ſie ſich
im Glauben befänden und in dieſem Glauben
durch das Privatintereſſen verfolgende Gebahren
der Regierungsmänner beſtärkt würden, daß die
Czarenworte an Bord des „Pothuan“ den fran-
zöſiſchen Chauviniſten ein Anrecht auf Erfüllung
ihrer Hoffnungen gewährten. Dieſe Auffaſſung
des ruſſiſchen Entgegenkommens franzöſiſchen
Wünſchen gegenüber ſei durchaus irrig, durch
nichts begründet und bekunde eine vollſtändige
Verkennung der thatſächlichen Situation. Man
iſt in gutnationalen deutſchen Kreiſen übrigens
arg verſchnupft über die merkwürdige Gelaſſenheit,
mit der die deutſche Regierung die Vorgänge in
Paris ohneweiters hingenommen hat. Eine anſchei-
nend officiöſe Aeußerung der „Köln. Ztg.“ über
die „ganz außerordentliche und grobe Tactloſig-
keit“ Mélines gipfelt in der Ausführung, „das
Vertrauen in dieſe — Deutſchland günſtige —
Lage macht es uns möglich, das unpaſſende Ver-
halten des Miniſters, dem die Petersburger Reiſe
das klare Verſtändniß für wirkliche Verhältniſſe
getrübt zu haben ſcheint, mit jener Gelaſſenheit
aufzunehmen, deren Quelle die Kraft iſt und zu-
gleich das Recht.“ Hiezu bemerken die „M. N. N.“
ſehr zutreffend: Daraus ſcheint hervorzugehen,
daß man in Deutſchland nicht die Abſicht hat,
den franzöſiſchen Miniſter wegen ſeines gröblichen
Verſtoßes zu interpelliren. Das wird in den
weiteſten Kreiſen weder Verſtändniß noch Billi-
gung finden, und wenn die Franzoſen darin nicht,
[Spaltenumbruch] wie die „Köln. Ztg.“, ein Zeichen ſelbſtbewußter
Kraft, ſondern vielmehr das Gegentheil, das aus
ängſtlicher Sorge hervorgegangene Beſtreben, nur
Alles zu vermeiden, was uns in Conflicte mit
dem fortan wieder mächtig gewordenen Frank-
reich verwickeln könnte, erblicken, ſo werden ſie
auch in Deutſchland außerhalb der officiös be-
dienten Preſſe nur wenig Widerſpruch begegnen.
Wird die Mélineſche Frechheit ohne gebührende
Rüge gelaſſen, ſo wird man darin allgemein eine
kaum begreifliche Energielofigkeit des Auswärtigen
Amtes, die vom Grafen Münſter bewahrte ſtoiſche
Ruhe als einen weiteren Beleg dafür anſehen,
daß unſere Vertretung in Paris bedenklich weit
von der Höhe Bismarckſcher Ueberlieferung herab-
geglitten iſt. Man fragt ſich mit einiger Beſorg-
niß, ob dieſer unerfreuliche Zuſtand noch länger
andauern, wohl gar noch weiter ausgebildet
werden ſoll.“




Locales und Provinzielles.


(Se. kaiſ. Hoheit, Herr Erzherzog
Engen)

iſt vorgeſtern Nachmittags von Wien
nach Totis abgereiſt. In der Begleitung des
Herrn Erzherzogs befanden ſich der Chef des
Generalſtabes FZM. Freiherr von Beck, der
General-Artillerie-Inſpector FML. Ritter von
Kropatſchek und die Officiere der Armee-
Oberleitung.

(Perſonales.)

Herr Stadtphyſikus Dr.
Hans Cantor iſt von ſeiner Urlaubsreiſe ein-
getroffen und hat ſein Amt wieder angetreten.

(Geiſtliche Perſonalnachrichten aus der
Olmützer Erzdiöceſe.)

Der hochw. Fürſterzbiſchof
hat das vacante Canonikat bei St. Mauriz in
Kremſier, dem hochw. Herrn Diöceſan-Rechnungs-
Reviſor, Franz Vaculik, verliehen. Der hochw.
Herr Johann Kohn, Cooperator in Palkowitz,
iſt zum prov. Bürgerſchulcatecheten und Perſonal-
cooperator in Freiberg ernannt worden. Der
hochw. Herr Cooperator Franz Pajtl wurde
von Přemyſlowitz nach Palkowitz verſetzt.

(Dienſtjubiläum.)

Heute begeht der k. k.
Ober-Poſtcontrollor Alois Wicha in Brünn
ſein vierzigjähriges Dienſtjubiläum, aus welchem
Anlaſſe ihm unterſchiedliche Ovationen ſeitens
ſeiner zahlreichen Freunde und Collegen zuge-
dacht ſind.

(Wähler-Verſammlung.)

Wie von uns
bereits gemeldet, wird der Reichsraths-Abgeord-
nete der 5. Curie, Herr Ernſt Berner am
Sonntag, den 26. d. Mts. in einer Verſamm-
lung vor den hieſigen Wählern ſeinen Rechen-
ſchaftsbericht erſtatten. Von Seite des Einberufers
dieſer Verſammlung wurde bereits an den Ge-
meinderath das Anſuchen um Ueberlaſſung des
ſtädt. Redoutenſaales zur Abhaltung dieſer Ver-
ſammlung geſtellt.


[Spaltenumbruch]
(Gründung des oberen Marchthalgaues
des Deutſchen Schulvereines.)

Wie bereits ge-
meldet, findet nächſten Sonntag um halb 3 Uhr
Nachmittags in Mähr.-Schönberg die conſtituirende
Verſammlung des oberen Marchthalgaues des
Deutſchen Schulvereines ſtatt. An der Tages-
ordnung ſtehen folgende Gegenſtände: Bericht des
Obmannes Rich. Schmidt über die Thätigkeit
des proviſoriſchen Gauausſchuſſes. Name des
Gaues. Berathung und Genehmigung der Statuten.
Wahl des Gauausſchuſſes. Freie Anträge. Als
Vertreter der Hauptleitung in Wien hat der
Obmann Dr. M. Weitlof ſeine perſönliche Theil-
nahme zugeſagt. Nach der Verſammlung findet
im Garten der Bürgerlichen Schießſtätte ein
vom Geſangverein veranſtaltetes Gartenfeſt ſtatt.
Eine recht zahlreiche Betheiligung an dieſem
nationalen Feſtta[g]e iſt zu erwarten.

(Dislocationswechſel.)

Geſtern hat der
Stab und das 1., 2. und 4. Bataillon des 8.
Infanterie-Regiments, Brünn verlaſſen und ſich
nach Moſtar, wo ſie von nun ab garniſoniren
werden, begeben. Aus dieſem Anlaſſe hat die
Gemeindevertretung Brünns dem ſcheidenden
Truppenkörper als Ehrengabe einen ſilbernen
Tafelauſſatz gewidmet. Derſelbe wurde dem Re-
gimente zu Handen deſſen Commandanten, Herrn
Oberſten Tomicic, übermittelt. Die abrückenden
drei Bataillone marſchirten geſtern um 3 Uhr
Nachmittags zum Roſſitzer Bahnhof[e]. Im Bahn-
hofe bekam jeder Mann eine Flaſche Wein und
Cigarren als Spende der Stadtgemeinde Brünn.
Das dritte Bataillon des 8. Infanterie-Regiments
bleibt in Brünn in Garniſon.

(Volksbücherei.)

Das Leſebedürfniß wird
ſich nunmehr, da die Abende an Länge zunehmen,
wieder mehren und demnach auch die Volksbücherei
der hieſigen Nordmährerbundesguppe ſtark in
Anſpruch genommen werden. Obwohl dieſe
Bücherei in den letzten Jahren eine recht anſehn-
liche Bereicherung erfahren hat, ſo genügt der
angeſammelte Bücherſchatz dennoch nicht um alle
Leſeluſtigen zu befriedigen und wäre es daher
ſehr wünſchenswerth, wenn der Volksbücherei
Geld- oder Bücherſpenden zugewendet werden
würden. Wir appelliren dießfalls an die deutſche
Bevölkerung unſerer Stadt und erſuchen etwaige
Spenden in der Volksbücherei, Böhmengaſſe, ab-
geben zu wollen.

(Vom erſten Olmützer Radfahrer-Club.)

Der erſte Olmützer Radfahrerclub hält morgen
Samſtag ½9 Uhr Abends im „Hotel zum gol-
denen Schwan“, Bäckergaſſe, eine Vollver-
ſammlung
ab, auf deren Tagesordnung meh-
rere wichtige Gegenſtände u. A. Vorſtandswah-
len, ſtehen. Ein zahlreiches Erſcheinen der Mit-
glieder iſt erwünſcht.

(Eine neue Oper.)

Emil Kaiſer, der
beliebte Capellmeiſter des 3. Inſt.-Regmts. iſt,
wie wir erfahren, mit der Compoſition einer




[Spaltenumbruch]
ff

Erdepochen wird wieder lebendig Ungeſchlacht ge-
formte, groteske Polypen ſtrecken ihre Fühlarme
zwiſchen den aus der Urwelt hier zurückgebliebenen
Seeſternen und Stachelhäutern, in den Spalten
der Felſen kauern urweltliche Krebſe von fantaſtiſcher
Geſtalt und dazwiſchen huſchen bizarre Fiſche,
gteich blaſſen blutloſen Geſpenſtern in einer im-
merwährenden und lautloſen Nacht.

Die Scelete von Myriaden kleiner Organis-
men, die oben die Waſſerſchichten beleben, ſinken
herab und rieſeln als ununterbrochener Strom
von Kalk- und Kieſelpartikelchen zu Boden. Im
Laufe der Jahrtauſende häufen ſie ſich zu ge-
waltigen Lagern an, welche einſt die Kalkfelſen
ſpäterer Aeonen bilden werden, ſo wie ſie vor
ungezählten Jahren den Kalk unſerer Gebirge
ſchufen, die damals Meeresgrund waren. An
dieſen verborgenſten Erdenwinkeln ſcheint die oben
Alles umgeſtaltende Zeit ſpurlos vorüberzugehen,
hier liegen in ungeſtörter Ruhe die Knochen
ehemaliger Seeungeheuer, deren Foſſilien oben an
der Erdoberfläche ſchon unter der Wucht unge-
heurer Gebirge begraben ſind. Seit jenen Zeiten,
wo den Erdball überall der ſchwüle Hauch eines
tropiſchen Klimas umſpielte und allüberall die
üppige Pracht der tertiären Urwälder, die viel-
leicht noch keinen Menſchen ſahen, wucherte,
blieben die Reſte jener längſt ausgeſtorbenen
Organismenwelt hier erhalten und ſtiegen kaum
verändert an der langen Kette der Generationen
bis zur geologiſchen Gegenwart hernieder. Und
ein Ueberbleibſel des Heute wird ſich erhalten,
[Spaltenumbruch] vielleicht bis in jene Tage, wo die raſtloſe Zeit
das Menſchengeſchlecht ſchon längſt ausgelöſcht
und hinweggetilgt hat und der ewige blaue Him-
mel wieder über den Wundern neuer Continente
lächelt.

Die zwiſchen der Tiefe und der Oberfläche
liegenden Waſſerſchichten ſind faſt verödet und
unbelebt, nicht ſo aber an dem Meeresſpiegel.
Im Gegenſatze zu dem Farbenmangel und der
unheimlichen Bewegungsloſigkeit der Tiefenbe-
wohner ſchwelgt hier das Auge an der Farben-
und Formenſchönheit der Milliarden Geſchöpfe,
die da umherwimmeln. In der Sonuenpracht
des lichten, kryſtallklaren Waſſers ſpielt eine un-
abſehbare Menge der wunderbarſten Weſen alle
Farben und oftmals iſt die Oberfläche ſo maſſen-
haft bevölkert, daß z. B. der „Challenger“
wiederholt tagelang inmitten ihrer Heere fuhr.

Faſt alle Ordnungen der Thierwelt ſtellen
ihre Vertreter zu dem Heere der Planktonweſen,
ein chaotiſches Gewirr von Formen, in welches
jedoch das Geſetz der ſyſtematiſchen Eintheilung
und die aus unzähligen Einzelbeobachtungen
ſich aufbauende Kenntniß ihrer Oecologie Ord-
nung bringt.

Faſt zwei Drittel der geſammten Bände
des Challengerwerkes ſind der Beſchreibung dieſer
ſo unendlich mannigfaltigen Thierwelt gewidmet;
unwillkürlich beſchleicht uns, wenn wir dieſe
Tauſende von Seiten und meiſterhaften Tafeln
durchblättern ein Gefühl der ſtummen Ehrfurcht
[Spaltenumbruch] vor der rieſenhaften Größe der Geiſtesarbeit, die
hier niedergelegt iſt.

Die meiſten der Theilnehmer und Mitarbeiter
ruhen bereits im Grabe; ſie hinterließen ihr
Werk einer neuen Generation, ohne den Ruhm
und directen Nutzen jener Arbeit, der ſie ihre
beſten Kräfte gewidmet, genießen zu können. Die
fortſchreitende Wiſſenſchaft wird das durch ſie
Gebotene überholen, manches nur Halbgeklärte
wird gelöſt und vielleicht in anderem Sinne er-
faßt werden, aber nichts wird ihr Verdienſt
ſchmälern und die Bedeutung einer Geiſtesthat,
die aus dem, in traurigen Hader und Racenhaß
verſunkenen fin de siècle wohlthuend und er-
quickend hervorragt und als ſittlich Schönes wirkt.
Werke, wie das der Challenger-Expedition, ſind
nicht das intellectuelle Produkt Einiger, ſie ſind
vielmehr die Ausdrucksformel für gewiſſe Etapen
des allgemeinen culturellen Fortſchritts. Dazu,
daß ſie entſtehen können, gehört eine breite Baſis
des allgemeinen Verſtändniſſes für ſolche ideale
Beſtrebungen, deren poſitiver Nutzen nicht un-
mittelbar ins Auge fällt und die erſt ſpäteren
Generationen Früchte tragen werden. Zu ſolcher
Opferwilligkeit konnte auch nur eine ſo echt
freiſinnige Nation befähigt ſein, wie das Volk
Englands.

(„P. Ll.“)
Das Alter des Menſchengeſchlechtes

Die gegenwärtig in der canadiſchen Univerſi-
tätsſtadt Toronto t[a]gende Jahresverſammlung
der Britiſchen Vereinigung zur Förderung der


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[[3]/0003] daf neuen politiſchen Club, der kürzlich ſeine Generalverſammlung hielt, welche auch viel- fach von Geſinnungsgenoſſen vom Lande be- ſucht war. Die Verſammlung beſchloß eine Reſo- lution, in welcher die tſchechiſchen Abgeordneten aufgefordert werden, ſich bei den nächſten Ver- handlungen mit der Regierung ſowohl, als auch mit der Rechten auf den ſtaatsrechtlichen Stand- punct zu ſtellen und nicht durch Verſprechungen oder unbedeutende Zugeſtändniſſe ködern zu laſſen, nicht zu vergeſſen, daß die tſchechiſche Oppoſition gegen das geſammte Regierungsſyſtem in Oeſter- reich gerichtet iſt und nicht bloß gegen die Re- gierung Badeni’s und ſich insbeſondere vor der Zuſtimmung zu irgend einer die Thätigkeit der Abgeordneten einſchränkenden Abänderung der Geſchäftsordnung des Abgeordnetenhauſes zu hüten, weil ſie dadurch die Thätigkeit der künf- tigen radicalen tſchechiſchen Delegation hemmen würden. Das klingt ſehr zuverſichtlich. (Zu den deutſchfeindlichen Demonſtra- tionen in Paris,) Die Nachricht von den deutſchfeindlichen Demonſtrationen in Paris hat, aus Warſchau eingetroffenen Nachrichten zufolge, an maßgebender ruſſi- ſcher Stelle den denkbar ungünſtigſten Eindruck gemacht. Hochgeſtellte Perſonen erklärten unumwunden, die Schwäche der franzöſiſchen Regierung ſei zu bedauern; die künſtlich erregten Volksmaſſen ſeien eher entſchuldbar, da ſie ſich im Glauben befänden und in dieſem Glauben durch das Privatintereſſen verfolgende Gebahren der Regierungsmänner beſtärkt würden, daß die Czarenworte an Bord des „Pothuan“ den fran- zöſiſchen Chauviniſten ein Anrecht auf Erfüllung ihrer Hoffnungen gewährten. Dieſe Auffaſſung des ruſſiſchen Entgegenkommens franzöſiſchen Wünſchen gegenüber ſei durchaus irrig, durch nichts begründet und bekunde eine vollſtändige Verkennung der thatſächlichen Situation. Man iſt in gutnationalen deutſchen Kreiſen übrigens arg verſchnupft über die merkwürdige Gelaſſenheit, mit der die deutſche Regierung die Vorgänge in Paris ohneweiters hingenommen hat. Eine anſchei- nend officiöſe Aeußerung der „Köln. Ztg.“ über die „ganz außerordentliche und grobe Tactloſig- keit“ Mélines gipfelt in der Ausführung, „das Vertrauen in dieſe — Deutſchland günſtige — Lage macht es uns möglich, das unpaſſende Ver- halten des Miniſters, dem die Petersburger Reiſe das klare Verſtändniß für wirkliche Verhältniſſe getrübt zu haben ſcheint, mit jener Gelaſſenheit aufzunehmen, deren Quelle die Kraft iſt und zu- gleich das Recht.“ Hiezu bemerken die „M. N. N.“ ſehr zutreffend: Daraus ſcheint hervorzugehen, daß man in Deutſchland nicht die Abſicht hat, den franzöſiſchen Miniſter wegen ſeines gröblichen Verſtoßes zu interpelliren. Das wird in den weiteſten Kreiſen weder Verſtändniß noch Billi- gung finden, und wenn die Franzoſen darin nicht, wie die „Köln. Ztg.“, ein Zeichen ſelbſtbewußter Kraft, ſondern vielmehr das Gegentheil, das aus ängſtlicher Sorge hervorgegangene Beſtreben, nur Alles zu vermeiden, was uns in Conflicte mit dem fortan wieder mächtig gewordenen Frank- reich verwickeln könnte, erblicken, ſo werden ſie auch in Deutſchland außerhalb der officiös be- dienten Preſſe nur wenig Widerſpruch begegnen. Wird die Mélineſche Frechheit ohne gebührende Rüge gelaſſen, ſo wird man darin allgemein eine kaum begreifliche Energielofigkeit des Auswärtigen Amtes, die vom Grafen Münſter bewahrte ſtoiſche Ruhe als einen weiteren Beleg dafür anſehen, daß unſere Vertretung in Paris bedenklich weit von der Höhe Bismarckſcher Ueberlieferung herab- geglitten iſt. Man fragt ſich mit einiger Beſorg- niß, ob dieſer unerfreuliche Zuſtand noch länger andauern, wohl gar noch weiter ausgebildet werden ſoll.“ Locales und Provinzielles. Olmütz, 10. September. (Se. kaiſ. Hoheit, Herr Erzherzog Engen) iſt vorgeſtern Nachmittags von Wien nach Totis abgereiſt. In der Begleitung des Herrn Erzherzogs befanden ſich der Chef des Generalſtabes FZM. Freiherr von Beck, der General-Artillerie-Inſpector FML. Ritter von Kropatſchek und die Officiere der Armee- Oberleitung. (Perſonales.) Herr Stadtphyſikus Dr. Hans Cantor iſt von ſeiner Urlaubsreiſe ein- getroffen und hat ſein Amt wieder angetreten. (Geiſtliche Perſonalnachrichten aus der Olmützer Erzdiöceſe.) Der hochw. Fürſterzbiſchof hat das vacante Canonikat bei St. Mauriz in Kremſier, dem hochw. Herrn Diöceſan-Rechnungs- Reviſor, Franz Vaculik, verliehen. Der hochw. Herr Johann Kohn, Cooperator in Palkowitz, iſt zum prov. Bürgerſchulcatecheten und Perſonal- cooperator in Freiberg ernannt worden. Der hochw. Herr Cooperator Franz Pajtl wurde von Přemyſlowitz nach Palkowitz verſetzt. (Dienſtjubiläum.) Heute begeht der k. k. Ober-Poſtcontrollor Alois Wicha in Brünn ſein vierzigjähriges Dienſtjubiläum, aus welchem Anlaſſe ihm unterſchiedliche Ovationen ſeitens ſeiner zahlreichen Freunde und Collegen zuge- dacht ſind. (Wähler-Verſammlung.) Wie von uns bereits gemeldet, wird der Reichsraths-Abgeord- nete der 5. Curie, Herr Ernſt Berner am Sonntag, den 26. d. Mts. in einer Verſamm- lung vor den hieſigen Wählern ſeinen Rechen- ſchaftsbericht erſtatten. Von Seite des Einberufers dieſer Verſammlung wurde bereits an den Ge- meinderath das Anſuchen um Ueberlaſſung des ſtädt. Redoutenſaales zur Abhaltung dieſer Ver- ſammlung geſtellt. (Gründung des oberen Marchthalgaues des Deutſchen Schulvereines.) Wie bereits ge- meldet, findet nächſten Sonntag um halb 3 Uhr Nachmittags in Mähr.-Schönberg die conſtituirende Verſammlung des oberen Marchthalgaues des Deutſchen Schulvereines ſtatt. An der Tages- ordnung ſtehen folgende Gegenſtände: Bericht des Obmannes Rich. Schmidt über die Thätigkeit des proviſoriſchen Gauausſchuſſes. Name des Gaues. Berathung und Genehmigung der Statuten. Wahl des Gauausſchuſſes. Freie Anträge. Als Vertreter der Hauptleitung in Wien hat der Obmann Dr. M. Weitlof ſeine perſönliche Theil- nahme zugeſagt. Nach der Verſammlung findet im Garten der Bürgerlichen Schießſtätte ein vom Geſangverein veranſtaltetes Gartenfeſt ſtatt. Eine recht zahlreiche Betheiligung an dieſem nationalen Feſttage iſt zu erwarten. (Dislocationswechſel.) Geſtern hat der Stab und das 1., 2. und 4. Bataillon des 8. Infanterie-Regiments, Brünn verlaſſen und ſich nach Moſtar, wo ſie von nun ab garniſoniren werden, begeben. Aus dieſem Anlaſſe hat die Gemeindevertretung Brünns dem ſcheidenden Truppenkörper als Ehrengabe einen ſilbernen Tafelauſſatz gewidmet. Derſelbe wurde dem Re- gimente zu Handen deſſen Commandanten, Herrn Oberſten Tomicic, übermittelt. Die abrückenden drei Bataillone marſchirten geſtern um 3 Uhr Nachmittags zum Roſſitzer Bahnhofe. Im Bahn- hofe bekam jeder Mann eine Flaſche Wein und Cigarren als Spende der Stadtgemeinde Brünn. Das dritte Bataillon des 8. Infanterie-Regiments bleibt in Brünn in Garniſon. (Volksbücherei.) Das Leſebedürfniß wird ſich nunmehr, da die Abende an Länge zunehmen, wieder mehren und demnach auch die Volksbücherei der hieſigen Nordmährerbundesguppe ſtark in Anſpruch genommen werden. Obwohl dieſe Bücherei in den letzten Jahren eine recht anſehn- liche Bereicherung erfahren hat, ſo genügt der angeſammelte Bücherſchatz dennoch nicht um alle Leſeluſtigen zu befriedigen und wäre es daher ſehr wünſchenswerth, wenn der Volksbücherei Geld- oder Bücherſpenden zugewendet werden würden. Wir appelliren dießfalls an die deutſche Bevölkerung unſerer Stadt und erſuchen etwaige Spenden in der Volksbücherei, Böhmengaſſe, ab- geben zu wollen. (Vom erſten Olmützer Radfahrer-Club.) Der erſte Olmützer Radfahrerclub hält morgen Samſtag ½9 Uhr Abends im „Hotel zum gol- denen Schwan“, Bäckergaſſe, eine Vollver- ſammlung ab, auf deren Tagesordnung meh- rere wichtige Gegenſtände u. A. Vorſtandswah- len, ſtehen. Ein zahlreiches Erſcheinen der Mit- glieder iſt erwünſcht. (Eine neue Oper.) Emil Kaiſer, der beliebte Capellmeiſter des 3. Inſt.-Regmts. iſt, wie wir erfahren, mit der Compoſition einer ff Erdepochen wird wieder lebendig Ungeſchlacht ge- formte, groteske Polypen ſtrecken ihre Fühlarme zwiſchen den aus der Urwelt hier zurückgebliebenen Seeſternen und Stachelhäutern, in den Spalten der Felſen kauern urweltliche Krebſe von fantaſtiſcher Geſtalt und dazwiſchen huſchen bizarre Fiſche, gteich blaſſen blutloſen Geſpenſtern in einer im- merwährenden und lautloſen Nacht. Die Scelete von Myriaden kleiner Organis- men, die oben die Waſſerſchichten beleben, ſinken herab und rieſeln als ununterbrochener Strom von Kalk- und Kieſelpartikelchen zu Boden. Im Laufe der Jahrtauſende häufen ſie ſich zu ge- waltigen Lagern an, welche einſt die Kalkfelſen ſpäterer Aeonen bilden werden, ſo wie ſie vor ungezählten Jahren den Kalk unſerer Gebirge ſchufen, die damals Meeresgrund waren. An dieſen verborgenſten Erdenwinkeln ſcheint die oben Alles umgeſtaltende Zeit ſpurlos vorüberzugehen, hier liegen in ungeſtörter Ruhe die Knochen ehemaliger Seeungeheuer, deren Foſſilien oben an der Erdoberfläche ſchon unter der Wucht unge- heurer Gebirge begraben ſind. Seit jenen Zeiten, wo den Erdball überall der ſchwüle Hauch eines tropiſchen Klimas umſpielte und allüberall die üppige Pracht der tertiären Urwälder, die viel- leicht noch keinen Menſchen ſahen, wucherte, blieben die Reſte jener längſt ausgeſtorbenen Organismenwelt hier erhalten und ſtiegen kaum verändert an der langen Kette der Generationen bis zur geologiſchen Gegenwart hernieder. Und ein Ueberbleibſel des Heute wird ſich erhalten, vielleicht bis in jene Tage, wo die raſtloſe Zeit das Menſchengeſchlecht ſchon längſt ausgelöſcht und hinweggetilgt hat und der ewige blaue Him- mel wieder über den Wundern neuer Continente lächelt. Die zwiſchen der Tiefe und der Oberfläche liegenden Waſſerſchichten ſind faſt verödet und unbelebt, nicht ſo aber an dem Meeresſpiegel. Im Gegenſatze zu dem Farbenmangel und der unheimlichen Bewegungsloſigkeit der Tiefenbe- wohner ſchwelgt hier das Auge an der Farben- und Formenſchönheit der Milliarden Geſchöpfe, die da umherwimmeln. In der Sonuenpracht des lichten, kryſtallklaren Waſſers ſpielt eine un- abſehbare Menge der wunderbarſten Weſen alle Farben und oftmals iſt die Oberfläche ſo maſſen- haft bevölkert, daß z. B. der „Challenger“ wiederholt tagelang inmitten ihrer Heere fuhr. Faſt alle Ordnungen der Thierwelt ſtellen ihre Vertreter zu dem Heere der Planktonweſen, ein chaotiſches Gewirr von Formen, in welches jedoch das Geſetz der ſyſtematiſchen Eintheilung und die aus unzähligen Einzelbeobachtungen ſich aufbauende Kenntniß ihrer Oecologie Ord- nung bringt. Faſt zwei Drittel der geſammten Bände des Challengerwerkes ſind der Beſchreibung dieſer ſo unendlich mannigfaltigen Thierwelt gewidmet; unwillkürlich beſchleicht uns, wenn wir dieſe Tauſende von Seiten und meiſterhaften Tafeln durchblättern ein Gefühl der ſtummen Ehrfurcht vor der rieſenhaften Größe der Geiſtesarbeit, die hier niedergelegt iſt. Die meiſten der Theilnehmer und Mitarbeiter ruhen bereits im Grabe; ſie hinterließen ihr Werk einer neuen Generation, ohne den Ruhm und directen Nutzen jener Arbeit, der ſie ihre beſten Kräfte gewidmet, genießen zu können. Die fortſchreitende Wiſſenſchaft wird das durch ſie Gebotene überholen, manches nur Halbgeklärte wird gelöſt und vielleicht in anderem Sinne er- faßt werden, aber nichts wird ihr Verdienſt ſchmälern und die Bedeutung einer Geiſtesthat, die aus dem, in traurigen Hader und Racenhaß verſunkenen fin de siècle wohlthuend und er- quickend hervorragt und als ſittlich Schönes wirkt. Werke, wie das der Challenger-Expedition, ſind nicht das intellectuelle Produkt Einiger, ſie ſind vielmehr die Ausdrucksformel für gewiſſe Etapen des allgemeinen culturellen Fortſchritts. Dazu, daß ſie entſtehen können, gehört eine breite Baſis des allgemeinen Verſtändniſſes für ſolche ideale Beſtrebungen, deren poſitiver Nutzen nicht un- mittelbar ins Auge fällt und die erſt ſpäteren Generationen Früchte tragen werden. Zu ſolcher Opferwilligkeit konnte auch nur eine ſo echt freiſinnige Nation befähigt ſein, wie das Volk Englands. („P. Ll.“) Das Alter des Menſchengeſchlechtes Die gegenwärtig in der canadiſchen Univerſi- tätsſtadt Toronto tagende Jahresverſammlung der Britiſchen Vereinigung zur Förderung der

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 206, Olmütz, 10.09.1897, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches206_1897/3>, abgerufen am 21.11.2024.