Mährisches Tagblatt. Nr. 30, Olmütz, 06.02.1884.[Spaltenumbruch]
Das Abonnement für Olmütz: Zustellung ins Haus monat- Auswärts durch die Post: Einzelne Nummer 5 Kreuzer. [Spaltenumbruch] Mährisches Tagblatt. [Spaltenumbruch] Insertionsgebühren Außerhalb Olmütz überneh- Manuscripte werden nicht Nr. 30. Olmütz, Mittwoch den 6 Februar. 1884 5 Jahrgang. [Spaltenumbruch] Das Winisterium Tißa vor den Wahlen. Olmütz, 6. Februar. Das Schicksal zwingt den ungarischen Mi- Einstweilen darf sich nun freilich Ungarns Mit gewohnter Umsicht und Entschlossenheit [Spaltenumbruch] Fenilieton. Wein erstes Debut. Eine kleine Erzählung Na, was nützt es Alles -- und wenn die Meine Mutter war eine vorzügliche Sän- Das Engagement meines Vaters in Graz Da ich alle Partien meiner Mutter, alle [Spaltenumbruch]
Das Abonnement für Olmütz: Zuſtellung ins Haus monat- Auswärts durch die Poſt: Einzelne Nummer 5 Kreuzer. [Spaltenumbruch] Mähriſches Tagblatt. [Spaltenumbruch] Inſertionsgebühren Außerhalb Olmütz überneh- Manuſcripte werden nicht Nr. 30. Olmütz, Mittwoch den 6 Februar. 1884 5 Jahrgang. [Spaltenumbruch] Das Winiſterium Tißa vor den Wahlen. Olmütz, 6. Februar. Das Schickſal zwingt den ungariſchen Mi- Einſtweilen darf ſich nun freilich Ungarns Mit gewohnter Umſicht und Entſchloſſenheit [Spaltenumbruch] Fenilieton. Wein erſtes Debut. Eine kleine Erzählung Na, was nützt es Alles — und wenn die Meine Mutter war eine vorzügliche Sän- Das Engagement meines Vaters in Graz Da ich alle Partien meiner Mutter, alle <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p>Das<lb/><hi rendition="#b">„Mähriſche Tagblatt“</hi><lb/> mit der illuſtr. Wochenbeilage<lb/><hi rendition="#b">„Illuſtrirt. 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Selbſt wenn die Neu-<lb/> wahlen eine beträchtliche Anzahl antiſemitiſcher<lb/> Abgeordneter bringen, ſo iſt damit noch lange<lb/> nicht entſchieden, welche Partei den Hauptgewinn<lb/> aus dieſer Acquiſition wird ziehen können.</p><lb/> <p>Mit gewohnter Umſicht und Entſchloſſenheit<lb/> wird der ungariſche Miniſterpräſident in den<lb/> Wahlkampf eintreten, aber er ſteht dabei vor dem<lb/> Unbekannten, Unberechenbaren. 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Aber eben ſo ſchlimme Folgen bringt es<lb/> armen Kindern, wenn man ihnen immer und<lb/> immer vorwirft, daß ſie häßlich ſind — ich war<lb/> nun wirklich „ſchiach“ — ich ſehe dich lachen,<lb/> verehrter Leſer, ich höre dich, verehrte Leſerin,<lb/> ſpöttiſch ausrufen: Na, das hätte ſie nicht zu<lb/> ſchreiben brauchen, das ſieht man ja noch ganz<lb/> deutlich — aber beruhigt euch, ich ſage euch nur,<lb/> ich bin jetzt eine <hi rendition="#aq">beautè</hi> gegen früher — alſo iſt<lb/> obige Redensart meiner Mutter wohl zu ent-<lb/> ſchuldigen — und doch hätte ſie es nicht ſagen<lb/> ſollen, ich wurde dadurch verbittert und lernte<lb/> frühzeitig den abſcheulichen Neid kennen, und ich<lb/> weinte oft bitterlich bei dem Gedanken, daß ich<lb/> wegen meines unſcheinbaren Aeußeren mich nicht<lb/> der Bühne widmen ſollte, der darſtellenden Kunſt,<lb/> an der ich mit allen Faſern meines Lebens hing.<lb/> Ein Theaterkind, ſollte ich, 13 Jahre alt, für<lb/> den Beruf einer Gouvernante beſtimmt ſein, ich<lb/> war voll Verzweiflung. 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Allerdings war dieſe verän-<lb/> derte Anſchauung meiner Eltern für mich von<lb/> geringem Vortheil, denn nun ſollte ich kochen und<lb/> ſchneidern lernen, um mir die ſo beneidenswerthe<lb/> Carriere einer Kammerjungfer oder Wirthſchaf-<lb/> terin zu eröffnen. Es war dies die bequemſte<lb/> Art, mich zu beſchäftigen, denn meine Eltern, die<lb/> zur Zeit dieſer Erzählung in Graz domicilirten,<lb/> hatten Beide nicht die Geduld, mich ſelbſt in<lb/> irgend einem Zweige der Wiſſenſchacht zu unter-<lb/> richten. —</p><lb/> <p>Meine Mutter war eine vorzügliche Sän-<lb/> gerin, ſprach perfect Italieniſch, da mein Groß-<lb/> vater ein geborener Italiener war (Giuſeppe To-<lb/> maſelli), und doch hatte ſie mich gar nichts ge-<lb/> lehrt. Als ich ſchon bei der Bühne war, gab ſie mir<lb/> eine Geſangsſtunde; ich war total Naturaliſtin,<lb/> hatte ſehr hübſche Coloratur, ſehr hübſchen Triller,<lb/> die Mutter wollte aber, daß ich „mit Schule“<lb/> trillire. Gleich bei der erſten Stunde ſagte ſie:<lb/> „Mach jetzt einen ſchönen Triller.“ Ich machte<lb/> ihn. „Spürſt du zwei Hammerln in der Kehle,<lb/><cb/> die aneinanderſchlagen?“ — „Nein, liebe Mutter,<lb/> die ſpür’ ich nicht.“ Schwups flop mir die Ge-<lb/> ſangsſchule an den Kopf. „Du biſt ein dummes<lb/> Ding, aus dir wird nie etwas“ — und aus<lb/> war es mit dem Unterricht. Es war die erſte<lb/> und letzte Lection, die mir meine Mutter gab.<lb/> Doch ich will wieder zurückkommen zu der Zeit,<lb/> da ich für den Kammerjungferdienſt erzogen wurde.</p><lb/> <p>Das Engagement meines Vaters in Graz<lb/> war abgelaufen, wir reiſten nach Brünn, und<lb/> dort beſuchte uns ein alter Freund und College<lb/> meiner Mutter, ein damals berühmter Tenoriſt,<lb/> Demmer. 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Nein, ſie wurde nicht ein-<lb/> mal getrübt durch den Widerſpruch meines Vaters,<lb/> der die Anſicht hatte: „Wenn die Pepi überhaupt<lb/> für die Bühne beſtimmt wird, ſo muß ſie ſich<lb/> für die Tragödie ausbilden.“ In Folge deſſen<lb/> hielt er als geborner Hannoveraner darauf, daß<lb/> ich mich des reinlichſten Deutſch befleißigen ſollte<lb/> was den Anſichten meiner Mutter ſtreng zuwider</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
Das
„Mähriſche Tagblatt“
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Heinr. Schalek, Annoncen-
Exped., in Wien, I., Woll-
zeile Nr. 12, Haasenstein &
Vogler in Wien, Prag. Buda-
peſt, Berlin, Frankfurt a/M.,
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Alois Opellik, in Wien, Rud.
Mosse in Wien, München u.
Berlin, G. L. Daube & Co.
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reaus des In- u. Auslandes.
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zurückgeſtellt.
Nr. 30. Olmütz, Mittwoch den 6 Februar. 1884 5 Jahrgang.
Das Winiſterium Tißa vor
den Wahlen.
Olmütz, 6. Februar.
Das Schickſal zwingt den ungariſchen Mi-
niſterpräſidenten, bis zur letzten Neige den Trank
zu leeren, welchen er aus den Händen ſeiner er-
bittertſten Gegner entgegen nehmen mußte. An-
ſtatt daß die unglückſelige Ehevorlage kurz und
raſch von der Tagesordnung abgeſetzt wurde, wie
es nach einem verunglückten Feldzuge ſelbſtver-
ſtändlich wäre, ſieht ſich Koloman Tißa noch in
der letzten Stunde herben und verletzenden An-
griffen ausgeſetzt. Zu den zwei Niederlagen im
Oberhauſe geſellen ſich der Spott und die Scha-
denfreude ſeiner Gegner im Unterhauſe. Aber
man darf nicht verkennen, daß der ungariſche
Miniſterpräſident theilweiſe an dieſem ſeinem
Mißgeſchicke mitſchuldig iſt. Er hat in der Ehe-
frage einen Standpunct eingenommen, den man
vielleicht bei ſeinem ultramontan angehauchten
Collegen von der Juſtiz, nicht aber bei ihm, dem
„calviniſchen Papſt“, begreifen kann, er hat ſich
über die Zwecke, welche er mit ſeiner Vorlage
verfolgte, nicht allein unklar, ſondern geradezu
widerſprechend geäußert. Im Unterhauſe erklärte
er die facultative chriſtlich-jüdiſche Civilehe für
die natürliche Vorläuferin der obligatoriſchen
Civilehe, während er im Oberhauſe von
dem erſtgenannten Inſtitute ſagte, es ſei beſtimmt,
die obligatoriſche Civilehe ſo lange als möglich
hinauszuſchieben. Daraus erwuchs, was in der
Regel die Folge ſolcher Zweideutigkeiten iſt: die
Gegner der Vorlage im Oberhauſe wurden nicht
gewonnen, dafür aber die Anhänger der obliga-
toriſchen Civilehe, wie ſie namentlich auf der äußer-
ſten Linken ſitzen, tief verletzt und mit neuerlichem
großen Mißtrauen erfüllt. Der biſſige und ver-
letzende Ton, welchen die donnerſtägige Debatte
ſtellenweiſe annahm, war die nächſte Folge dieſes
Widerſpruchs und die weiteren werden ſich ſchon
rechtzeitig einſtellen, namentlich wenn — etwa
nach der erfolgten Reform des Oberhauſes —
die Miſchehe wieder einmal auf die Tagesord-
nung gelangt.
Einſtweilen darf ſich nun freilich Ungarns
Miniſterpräſident einen ſolchen Luxus nicht ge-
ſtatten, denn die Lage hat ſich für ihn hinläng-
lich ernſt geſtellt, um ihn zur größten Vorſicht
zu mahnen. Immer näher rückt der Wahlkampf,
welcher für das Miniſterium ein Kampf um deſſen
Exiſtenz ſein wird. Die Gewißheit des uner-
ſchütterten königlichen Vertrauens, welche Tißa
von Wien mitgebracht hat, kann ihm noch lange
keine Bürgſchaft für eine längere Dauer ſeines
miniſteriellen Daſeins bieten. Die Krone findet
ſich nicht veranlaßt, einen Miniſter zu entlaſſen,
der im Unterhauſe mit großer Majorität geſiegt
hat und im Oberhauſe einer winzigen Majorität
erlegen iſt — das iſt ganz ſelbſtverſtändlich, das
iſt aber auch Alles. Den eigentlichen Richter-
ſpruch wird das ungariſche Volk bei den bevor-
ſtehenden Wahlen ausſprechen. Die Lage des
Miniſterpräſidenten iſt alſo nach dieſer Seite eine
precäre, und was man aus den ungariſchen Wahl-
kreiſen erfährt, klingt nicht günſtig genug, um ſie
erfreulicher erſcheinen zu laſſen. Es wird kaum
in Ungarn, ganz gewiß aber nicht außerhalb des
Landes einen einzigen Menſchen geben, welcher
im Stande wäre, mit voller Beſtimmtheit das
Reſultat der bevorſtehenden Neuwahlen voraus-
zuſagen. Der Antiſemitismus wird bei denſelben
eine bedeutende Rolle ſpielen, dieß läßt ſich mit
Beſtimmtheit aus allen Erſcheinungen des öffent-
lichen Lebens entnehmen; zudem ſind in der letz-
ten Zeit faſt alle Ergänzungswahlen antiſemitiſch
ausgefallen. Aber fraglich iſt es, welche Partei
ſich als klug und mächtig genug erweiſen
werde, dieſe populäre Strömung für ihre Dienſte
nutzbar zu machen. Antiſemitiſche Gruppen finden
wir heute in jeder ungariſchen Partei; die ge-
mäßigte Oppoſition beſitzt ihre Antiſemiten, die
Unabhängigkeitspartei erfreut ſich eines ſolchen
Fähnleins, und auch im Lager der Regirungs-
partei ſitzt der Antiſemitismus warm und feſt
wenn er auch aus erklärlichen Gründen noch
nicht offen hervortritt. Selbſt wenn die Neu-
wahlen eine beträchtliche Anzahl antiſemitiſcher
Abgeordneter bringen, ſo iſt damit noch lange
nicht entſchieden, welche Partei den Hauptgewinn
aus dieſer Acquiſition wird ziehen können.
Mit gewohnter Umſicht und Entſchloſſenheit
wird der ungariſche Miniſterpräſident in den
Wahlkampf eintreten, aber er ſteht dabei vor dem
Unbekannten, Unberechenbaren. Von dem jetzigen
Fenilieton.
Wein erſtes Debut.
Eine kleine Erzählung
von Joſephine Gallmeyer.
Na, was nützt es Alles — und wenn die
Pepi noch ſo viel Talent hätte, mit dem Geſichte,
mit der Figur kann man ſie doch nicht zum
Theater geben — dieſe Redensart hörte ich un-
zähligemale von meiner guten Mutter ... Wie
ſchlechte Folgen hat oft die Affenliebe der Eltern,
die in ihrem Kinde einen Engel an Schönheit
ſehen, wenn auch keine Spur von Schönheit vor-
handen. Aber eben ſo ſchlimme Folgen bringt es
armen Kindern, wenn man ihnen immer und
immer vorwirft, daß ſie häßlich ſind — ich war
nun wirklich „ſchiach“ — ich ſehe dich lachen,
verehrter Leſer, ich höre dich, verehrte Leſerin,
ſpöttiſch ausrufen: Na, das hätte ſie nicht zu
ſchreiben brauchen, das ſieht man ja noch ganz
deutlich — aber beruhigt euch, ich ſage euch nur,
ich bin jetzt eine beautè gegen früher — alſo iſt
obige Redensart meiner Mutter wohl zu ent-
ſchuldigen — und doch hätte ſie es nicht ſagen
ſollen, ich wurde dadurch verbittert und lernte
frühzeitig den abſcheulichen Neid kennen, und ich
weinte oft bitterlich bei dem Gedanken, daß ich
wegen meines unſcheinbaren Aeußeren mich nicht
der Bühne widmen ſollte, der darſtellenden Kunſt,
an der ich mit allen Faſern meines Lebens hing.
Ein Theaterkind, ſollte ich, 13 Jahre alt, für
den Beruf einer Gouvernante beſtimmt ſein, ich
war voll Verzweiflung. Glücklicherweiſe dauerte
dieſe Idee meiner Eltern nur einige Monate, ſo
lange nämlich meine Mutter durch Geſangsſtunden,
die ſie gab, in der Lage war, mir Lehrer zu halten.
Dieſe wenigen Monate vergeſſe ich nie, in wel-
chen meine glühende reiche Phantaſie durch Bü-
cherſtaub in eine pädagogiſche Landſtraße umge-
wandelt werden ſollte; mein ganzes Naturell
ſträubte ſich gegen dieſe Gewaltthat und man
kann ſich vorſtellen, welche Seligkeit ich empfand,
als der Sommer kam, mit ihm die Schülerinnen
der Mama die Stadt gegen den Landaufenthalt
vertauſchten, demzufolge das gemiethete Clavier
weggetragen, meinen Lehrern gekündigt wurde
und meine Mutter zur Erkenntniß kam, daß, um
mich zur Gouvernante auszubilden, nicht genug
Geld vorhanden ſei. Allerdings war dieſe verän-
derte Anſchauung meiner Eltern für mich von
geringem Vortheil, denn nun ſollte ich kochen und
ſchneidern lernen, um mir die ſo beneidenswerthe
Carriere einer Kammerjungfer oder Wirthſchaf-
terin zu eröffnen. Es war dies die bequemſte
Art, mich zu beſchäftigen, denn meine Eltern, die
zur Zeit dieſer Erzählung in Graz domicilirten,
hatten Beide nicht die Geduld, mich ſelbſt in
irgend einem Zweige der Wiſſenſchacht zu unter-
richten. —
Meine Mutter war eine vorzügliche Sän-
gerin, ſprach perfect Italieniſch, da mein Groß-
vater ein geborener Italiener war (Giuſeppe To-
maſelli), und doch hatte ſie mich gar nichts ge-
lehrt. Als ich ſchon bei der Bühne war, gab ſie mir
eine Geſangsſtunde; ich war total Naturaliſtin,
hatte ſehr hübſche Coloratur, ſehr hübſchen Triller,
die Mutter wollte aber, daß ich „mit Schule“
trillire. Gleich bei der erſten Stunde ſagte ſie:
„Mach jetzt einen ſchönen Triller.“ Ich machte
ihn. „Spürſt du zwei Hammerln in der Kehle,
die aneinanderſchlagen?“ — „Nein, liebe Mutter,
die ſpür’ ich nicht.“ Schwups flop mir die Ge-
ſangsſchule an den Kopf. „Du biſt ein dummes
Ding, aus dir wird nie etwas“ — und aus
war es mit dem Unterricht. Es war die erſte
und letzte Lection, die mir meine Mutter gab.
Doch ich will wieder zurückkommen zu der Zeit,
da ich für den Kammerjungferdienſt erzogen wurde.
Das Engagement meines Vaters in Graz
war abgelaufen, wir reiſten nach Brünn, und
dort beſuchte uns ein alter Freund und College
meiner Mutter, ein damals berühmter Tenoriſt,
Demmer. Ich werde den Mann nie vergeſſen;
es war der Erſte, der zu meinen Eltern ſagte:
„Aber ich weiß nicht, was ihr mit dem Mädel
habt, ſie iſt gar nicht ſo häßlich, ſie hat ein Paar
ganz kluge Augen.“ Zu dieſem Manne hatte ich
nun rieſiges Zutrauen und geſtand ihm, daß ich
ſterben würde, wenn ich nicht zum Theater dürfte.
Da ich alle Partien meiner Mutter, alle
Lieder, welche ſie ihren Schülerinnen einſtudirte,
auswendig wußte, ſo ſang ich ihm mit der Kin-
derſtimme Alles vor — der Arme mußte viel
ausſtehen! — aber es war für mich gut; die
Mutter erklärte, ihr Freund Fritz Demmer habe
gefunden, daß ich viel Talent für Geſang habe,
ich alſo in einigen Jahren zur Opernſängerin
ausgebildet würde. Soll ich meine Wonne ſchil-
dern, vermag ich es? Nein, ſie wurde nicht ein-
mal getrübt durch den Widerſpruch meines Vaters,
der die Anſicht hatte: „Wenn die Pepi überhaupt
für die Bühne beſtimmt wird, ſo muß ſie ſich
für die Tragödie ausbilden.“ In Folge deſſen
hielt er als geborner Hannoveraner darauf, daß
ich mich des reinlichſten Deutſch befleißigen ſollte
was den Anſichten meiner Mutter ſtreng zuwider
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