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Märkische Blätter. Nr. 7. Hattingen, 23. Januar 1850.

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Märkische Blätter.
Wochenblatt


für belehrende und angenehme Unterhaltung.



ro 7.Hattingen, Mittwoch, den 23. Januar 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Rückblick auf das Jahr 1849.

Deutschland! Schon der Name war bis jetzt und ist
leider noch immer eine Lüge! es gibt kein Deutschland;
nur in der Mitte Europas liegt da ein Stück Land, auf
welchem in 38 verschiedenen Staaten 40 Millionen Men-
schen wohnen, die nichts gemeinsam haben als die Spra-
che und -- das Elend! dies ist bis zum heutigen Tage
noch unser einziger Anspruch auf die einheitliche Benen-
nung -- Deutschland!

Nicht ein Volk der Erde gab es, welches nicht mit
Geringschätzung auf uns herabblickte. Der Pole und der
Jtaliener, sie haßten nicht nur, sie verachteten uns auch,
denn wie wahrhafte Knechte haben wir uns dazu herge-
geben, auch ihnen die Freiheit zu rauben und sie zu Knech-
ten zu machen. Schwach und kraftlos, wo es galt unsere
Rechte zu schützen, waren wir Beides nur da nicht, wo
es sich darum handelte, Andere ihrer Rechte zu berauben
und sie gleich uns ins Joch zu spannen. "Deutscher Hund"
ist die Bezeichnung, welche wir uns von beiden Völkern
verdienten und welche sie noch nicht vergessen, wir noch
nicht von uns abgeschüttelt haben! -- Frankreich spottete
des schwerfälligen, rauchenden, trinkenden und träumenden
Deutschen, der sich auf seiner Streu nur dann rührte,
wenn der Franzose ihm das Zeichen dazu gab, und nur
das fand der Letztere an ihm zu loben: daß er wenigstens
so viel Verstand besaß, seine eigene Geiftesarmuth und
Beschränktheit zu erkennen, sowie die hohe Vortrefflichkeit
alles Französischen. Hatten doch schon vor längerer Zeit,
wenigstens der gebildete Deutsche eingesehen, daß seine
Muttersprache "nur für die Pferde" tauge und zog es
daher vor, lieber schlecht französisch als gut deutsch zu
sprechen. War es doch an den Höfen und in allen vor-
nehmen Gesellschaften feine Sitte, daß die Deutschen un-
ter einander nur französisch kauderwelfchten und das
Deutsche nur gegen die Bedienten gebrauchten! War es
doch von unsern Fürsten herab bis möglichst zum Letzten
im Volke ein ordentliches Hetzjagen nach französischen
Gebräuchen und Sitten, Moden und Lastern, und der
Stolzeste war, wer seine deutsche Natur mit den meisten
fremdländischen Lappen überklebt hatte! Welchen Spaß
machten da nicht dem witzigen Franzosen die ungelenken
Bemühungen des plumpen deutschen Bären, der durchaus
ein zierlicher Affe sein wollte! Muß auch seit einiger Zeit
der Franzose zu seiner Ueberraschung bemerken, daß der
Deutsche in seinem Nachahmungseifer nachläßt, und die
[Spaltenumbruch] fremden Lappen ihm abfallen, zuckt er auch mitleidig die
Achseln über unsere Verwahrlosung und denkt er: "welch'
ein häßliches Thier muß da zuletzt zum Vorschein kommen," so
tröstet er sich damit, daß wenigstens doch die vornehmere
Klasse in Deutschland ein richtigeres Gefühl ihrer eigenen
Erbärmlichkeit und Geistesarmuth sich erhalten hat und
nach wie vor den getreuen Affen spielt. -- Der Englän-
der hat für uns ungefähr die Achtung, welche ein Schaaf-
züchter für einen feisten Hammel hegt, der ihm jährlich
besonders viele und gute Wolle liefert. So lange der
Deutsche sich scheeren läßt, wird der Engländer gewisse
Rücksichten gegen dieses nützliche Geschöpf nicht vernach-
lässigen, wollte er sich jedoch eines Tages dies nicht mehr
gefallen lassen, nun, dann würde er für den stolzen Eng-
länder eben nicht mehr ein nützliches Thier, sondern nur
ein -- Thier schlechtweg sein. -- Der phlegmatische
Holländer sitzt gemüthlich schmauchend dort am Einflusse
des Rheins, und wenn sein ruhig kaltes Gesicht sich zu-
weilen in freundlich schmunzelnde Falten legt und sein
Mund mit dem Tabaksqualm zugleich ein vergnügtes
kurzes Lachen ausstößt, dann denkt er gewiß höchst selbst-
zufrieden an die plumpe List, durch welche er den auch
gar zu dummen Deutschen um seinen "freien deutschen"
Rhein geprellt hat! -- Auf seinen Alpen da singt der
freie Sohn der kleinen Schweiz ein frisches, freudiges
Lied und blickt mit vorwurfsvollem Mitleiden hinab auf
den großen, ungeschlachten deutschen Bruder, der da unten
in Ketten und Banden wehklagt und jammert und nicht
den Muth hat, seine Riesenkraft zu gebrauchen, um sie
zu zerbrechen! -- Hoch oben im Norden aber, da kauert
beobachtend und berechnend der oberste Stockmeister Eu-
ropas, die Knute als Scepter schwingend, und freut sich
der ungemeinen Gelehrigkeit seiner bereitwilligen
Schüler, die kurzsichtig genug sind, nicht zu be-
merken, daß, indem sie seine Rathschläge zur Unterdrückung
ihrer Völker so treulich befolgen, sie ja eigentlich schon
seine Knechte sind und nur für ihn arbeiten, wie ihnen
wohl das freudig grinzende Lächeln sagen könnte, mit dem
er die Fäden, an welchen sie hängen, immer enger zusam-
menfaßt und die Beute an sich zieht! -- So ist denn
in Europa nicht ein Volk, welches sich nicht für berech-
tigt hielte uns auszubeuten und mit Geringschätzung auf
uns herabzublicken; keines, so elend, so unglücklich es auch
sei, welches mit uns tauschen wollte! und während hier
das deutsche Elsaß, uns zur ewigen Schande, mit Jubel-
festen die Feier des glücklichen Tages beging, der es fran-
zösisch machte, strengte dort Jtalien, Ungarn und Polen
[Ende Spaltensatz]

Märkische Blätter.
Wochenblatt


für belehrende und angenehme Unterhaltung.



ro 7.Hattingen, Mittwoch, den 23. Januar 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Rückblick auf das Jahr 1849.

Deutschland! Schon der Name war bis jetzt und ist
leider noch immer eine Lüge! es gibt kein Deutschland;
nur in der Mitte Europas liegt da ein Stück Land, auf
welchem in 38 verschiedenen Staaten 40 Millionen Men-
schen wohnen, die nichts gemeinsam haben als die Spra-
che und — das Elend! dies ist bis zum heutigen Tage
noch unser einziger Anspruch auf die einheitliche Benen-
nung — Deutschland!

Nicht ein Volk der Erde gab es, welches nicht mit
Geringschätzung auf uns herabblickte. Der Pole und der
Jtaliener, sie haßten nicht nur, sie verachteten uns auch,
denn wie wahrhafte Knechte haben wir uns dazu herge-
geben, auch ihnen die Freiheit zu rauben und sie zu Knech-
ten zu machen. Schwach und kraftlos, wo es galt unsere
Rechte zu schützen, waren wir Beides nur da nicht, wo
es sich darum handelte, Andere ihrer Rechte zu berauben
und sie gleich uns ins Joch zu spannen. „Deutscher Hund“
ist die Bezeichnung, welche wir uns von beiden Völkern
verdienten und welche sie noch nicht vergessen, wir noch
nicht von uns abgeschüttelt haben! — Frankreich spottete
des schwerfälligen, rauchenden, trinkenden und träumenden
Deutschen, der sich auf seiner Streu nur dann rührte,
wenn der Franzose ihm das Zeichen dazu gab, und nur
das fand der Letztere an ihm zu loben: daß er wenigstens
so viel Verstand besaß, seine eigene Geiftesarmuth und
Beschränktheit zu erkennen, sowie die hohe Vortrefflichkeit
alles Französischen. Hatten doch schon vor längerer Zeit,
wenigstens der gebildete Deutsche eingesehen, daß seine
Muttersprache „nur für die Pferde“ tauge und zog es
daher vor, lieber schlecht französisch als gut deutsch zu
sprechen. War es doch an den Höfen und in allen vor-
nehmen Gesellschaften feine Sitte, daß die Deutschen un-
ter einander nur französisch kauderwelfchten und das
Deutsche nur gegen die Bedienten gebrauchten! War es
doch von unsern Fürsten herab bis möglichst zum Letzten
im Volke ein ordentliches Hetzjagen nach französischen
Gebräuchen und Sitten, Moden und Lastern, und der
Stolzeste war, wer seine deutsche Natur mit den meisten
fremdländischen Lappen überklebt hatte! Welchen Spaß
machten da nicht dem witzigen Franzosen die ungelenken
Bemühungen des plumpen deutschen Bären, der durchaus
ein zierlicher Affe sein wollte! Muß auch seit einiger Zeit
der Franzose zu seiner Ueberraschung bemerken, daß der
Deutsche in seinem Nachahmungseifer nachläßt, und die
[Spaltenumbruch] fremden Lappen ihm abfallen, zuckt er auch mitleidig die
Achseln über unsere Verwahrlosung und denkt er: „welch'
ein häßliches Thier muß da zuletzt zum Vorschein kommen,“ so
tröstet er sich damit, daß wenigstens doch die vornehmere
Klasse in Deutschland ein richtigeres Gefühl ihrer eigenen
Erbärmlichkeit und Geistesarmuth sich erhalten hat und
nach wie vor den getreuen Affen spielt. — Der Englän-
der hat für uns ungefähr die Achtung, welche ein Schaaf-
züchter für einen feisten Hammel hegt, der ihm jährlich
besonders viele und gute Wolle liefert. So lange der
Deutsche sich scheeren läßt, wird der Engländer gewisse
Rücksichten gegen dieses nützliche Geschöpf nicht vernach-
lässigen, wollte er sich jedoch eines Tages dies nicht mehr
gefallen lassen, nun, dann würde er für den stolzen Eng-
länder eben nicht mehr ein nützliches Thier, sondern nur
ein — Thier schlechtweg sein. — Der phlegmatische
Holländer sitzt gemüthlich schmauchend dort am Einflusse
des Rheins, und wenn sein ruhig kaltes Gesicht sich zu-
weilen in freundlich schmunzelnde Falten legt und sein
Mund mit dem Tabaksqualm zugleich ein vergnügtes
kurzes Lachen ausstößt, dann denkt er gewiß höchst selbst-
zufrieden an die plumpe List, durch welche er den auch
gar zu dummen Deutschen um seinen „freien deutschen“
Rhein geprellt hat! — Auf seinen Alpen da singt der
freie Sohn der kleinen Schweiz ein frisches, freudiges
Lied und blickt mit vorwurfsvollem Mitleiden hinab auf
den großen, ungeschlachten deutschen Bruder, der da unten
in Ketten und Banden wehklagt und jammert und nicht
den Muth hat, seine Riesenkraft zu gebrauchen, um sie
zu zerbrechen! — Hoch oben im Norden aber, da kauert
beobachtend und berechnend der oberste Stockmeister Eu-
ropas, die Knute als Scepter schwingend, und freut sich
der ungemeinen Gelehrigkeit seiner bereitwilligen
Schüler, die kurzsichtig genug sind, nicht zu be-
merken, daß, indem sie seine Rathschläge zur Unterdrückung
ihrer Völker so treulich befolgen, sie ja eigentlich schon
seine Knechte sind und nur für ihn arbeiten, wie ihnen
wohl das freudig grinzende Lächeln sagen könnte, mit dem
er die Fäden, an welchen sie hängen, immer enger zusam-
menfaßt und die Beute an sich zieht! — So ist denn
in Europa nicht ein Volk, welches sich nicht für berech-
tigt hielte uns auszubeuten und mit Geringschätzung auf
uns herabzublicken; keines, so elend, so unglücklich es auch
sei, welches mit uns tauschen wollte! und während hier
das deutsche Elsaß, uns zur ewigen Schande, mit Jubel-
festen die Feier des glücklichen Tages beging, der es fran-
zösisch machte, strengte dort Jtalien, Ungarn und Polen
[Ende Spaltensatz]

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Schwach und kraftlos, wo es galt unsere Rechte zu schützen, waren wir Beides nur da nicht, wo es sich darum handelte, Andere ihrer Rechte zu berauben und sie gleich uns ins Joch zu spannen. „Deutscher Hund“ ist die Bezeichnung, welche wir uns von beiden Völkern verdienten und welche sie noch nicht vergessen, wir noch nicht von uns abgeschüttelt haben! — Frankreich spottete des schwerfälligen, rauchenden, trinkenden und träumenden Deutschen, der sich auf seiner Streu nur dann rührte, wenn der Franzose ihm das Zeichen dazu gab, und nur das fand der Letztere an ihm zu loben: daß er wenigstens so viel Verstand besaß, seine eigene Geiftesarmuth und Beschränktheit zu erkennen, sowie die hohe Vortrefflichkeit alles Französischen. Hatten doch schon vor längerer Zeit, wenigstens der gebildete Deutsche eingesehen, daß seine Muttersprache „nur für die Pferde“ tauge und zog es daher vor, lieber schlecht französisch als gut deutsch zu sprechen. 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Muß auch seit einiger Zeit der Franzose zu seiner Ueberraschung bemerken, daß der Deutsche in seinem Nachahmungseifer nachläßt, und die fremden Lappen ihm abfallen, zuckt er auch mitleidig die Achseln über unsere Verwahrlosung und denkt er: „welch' ein häßliches Thier muß da zuletzt zum Vorschein kommen,“ so tröstet er sich damit, daß wenigstens doch die vornehmere Klasse in Deutschland ein richtigeres Gefühl ihrer eigenen Erbärmlichkeit und Geistesarmuth sich erhalten hat und nach wie vor den getreuen Affen spielt. — Der Englän- der hat für uns ungefähr die Achtung, welche ein Schaaf- züchter für einen feisten Hammel hegt, der ihm jährlich besonders viele und gute Wolle liefert. So lange der Deutsche sich scheeren läßt, wird der Engländer gewisse Rücksichten gegen dieses nützliche Geschöpf nicht vernach- lässigen, wollte er sich jedoch eines Tages dies nicht mehr gefallen lassen, nun, dann würde er für den stolzen Eng- länder eben nicht mehr ein nützliches Thier, sondern nur ein — Thier schlechtweg sein. — Der phlegmatische Holländer sitzt gemüthlich schmauchend dort am Einflusse des Rheins, und wenn sein ruhig kaltes Gesicht sich zu- weilen in freundlich schmunzelnde Falten legt und sein Mund mit dem Tabaksqualm zugleich ein vergnügtes kurzes Lachen ausstößt, dann denkt er gewiß höchst selbst- zufrieden an die plumpe List, durch welche er den auch gar zu dummen Deutschen um seinen „freien deutschen“ Rhein geprellt hat! — Auf seinen Alpen da singt der freie Sohn der kleinen Schweiz ein frisches, freudiges Lied und blickt mit vorwurfsvollem Mitleiden hinab auf den großen, ungeschlachten deutschen Bruder, der da unten in Ketten und Banden wehklagt und jammert und nicht den Muth hat, seine Riesenkraft zu gebrauchen, um sie zu zerbrechen! — Hoch oben im Norden aber, da kauert beobachtend und berechnend der oberste Stockmeister Eu- ropas, die Knute als Scepter schwingend, und freut sich der ungemeinen Gelehrigkeit seiner bereitwilligen Schüler, die kurzsichtig genug sind, nicht zu be- merken, daß, indem sie seine Rathschläge zur Unterdrückung ihrer Völker so treulich befolgen, sie ja eigentlich schon seine Knechte sind und nur für ihn arbeiten, wie ihnen wohl das freudig grinzende Lächeln sagen könnte, mit dem er die Fäden, an welchen sie hängen, immer enger zusam- menfaßt und die Beute an sich zieht! — So ist denn in Europa nicht ein Volk, welches sich nicht für berech- tigt hielte uns auszubeuten und mit Geringschätzung auf uns herabzublicken; keines, so elend, so unglücklich es auch sei, welches mit uns tauschen wollte! und während hier das deutsche Elsaß, uns zur ewigen Schande, mit Jubel- festen die Feier des glücklichen Tages beging, der es fran- zösisch machte, strengte dort Jtalien, Ungarn und Polen

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Zitationshilfe: Märkische Blätter. Nr. 7. Hattingen, 23. Januar 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische007_1850/1>, abgerufen am 21.11.2024.