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Märkische Blätter. Nr. 12. Hattingen, 9. Februar 1850.

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Märkische Blätter.
Wochenblatt


für belehrende und angenehme Unterhaltung.



ro 12.Hattingen, Sonnabend, den 9. Februar 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Neueste Nachrichten.

Berlin, ( Mittwoch ) 6. Februar, 1 Uhr Mit-
tags. Die feierliche Beschwörung der Verfassung
ist heute vor sich gegangen. Der König hat vor
Ablegung des Cides mit bewegtem Gemüthe eine
Rede gehalten. Er gedachte darin der letzten Er-
eignisse in schonender Weise. Die Verfassung be-
zeichnete er als ein Werk, das durch die Mitwir-
kuug der Kammern verbessert sei. An zwei Stel-
len der Rede dankte er den Kammern mit tiefer
Bewegung. Für seine gegenwärtigen Räthe fühle
er eine Dankbarkeit, die nur mit seinem Leben
erlöschen werde.

Die Handlung begann um halb 12 Uhr,
die Mitglieder der ersten Kammer waren bereits
um halb ein Uhr beeidigt. Jn diesem Augenbli-
cke werden die Mitglieder der zweiten Kammer
beeidigt.

-- 6. Febr., 5 Uhr Abends. Ueber die heu-
tige Rede Sr. Maj. kann ich Jhnen jetzt noch
folgendes Nähere mittheilen: Jm Eingange er-
klärte der König, es seien eigene Worte, zum letz-
ten Male nicht durch seine Räthe gedeckt. Die
Verfassung bedürfe noch der Verbesserung, die auf
verfassungsmäßigem Wege zu erzielen sei, damit
die Krone die nöthige Macht bewahre. Vor sei-
nem Schwure wolle Er zwei frühere Gelübde
wiederholen: das bei der Huldigung im Jahre
1840 geleistete: er werde ein treuer Fürst sei-
nem Volke sein; das von 1847: Jch und mein
Haus wollen dem Herrn dienen.

Darauf leistete der König den Schwur, wie sol-
cher in der Verfassung vorgeschrieben ist.

Bei der Tafel, zu welcher die Mitgliedee bei-
der Kammern eingeladen waren, brachte der König
[Spaltenumbruch] den Toast aus: Den Kammern der Dank des
Volkes durch den Mund des Königs!



Verbildung des Charakters der Kinder im
elterlichen Hause.

"Undankbare Kinder!" -- es ist etwas Schreckliches,
sich solche zu denken; sie sind ein Fluch der Eltern; aber
wie oft fällt nicht dieses Schreckliche zurück auf die El-
tern selbst, als eine Vergeltung der Gerechtigkeit!

Hart genug ist diese Lehre, aber zugleich eine von
denen, welche sich selbst bestätigen. Einem Jeden sollte sie
die Warnung beibringen, vor seinen Kindern, das heißt
so viel, wie vor seinem eigenem Gewissen, ehrlich zu han-
deln. Das scharfe Auge der Kinder entdeckt auch das ge-
ringste Hinkende zwischen den Lehren des Mundes und
den Bewegungsgründen des Herzens oder Verstandes.
Eine Art von natürlichem Jnstinkt sagt ihnen, ob sie ihre
Eltern lieben oder verachten sollen, und keine äußerlichen
Gebräuche, keine Betstunden, keine Bußpredigten, keine
Gebote der sogenannten "anständigen Ordnung" geben
an und für sich den Kindern die Ueberzeugung von dem
Werthe der Eltern; sehr leicht dagegen glauben sie einem
einzigen Blicke, einer einzigen Handlung, sobald letztere
von der Art ist, daß sie nur von einem guten, ehrlichen
Menschen auszugehen pflegt.

Der Charakter entwickelt sich ganz nach der Art von
Eindrücken, welche das Kind erhält, wenn seine Begriffe
sich zu entwickeln beginnen. Geschieht dies unter ungün-
stigen Verhältnissen, so setzt sich der Charakter in dunkeln,
verworrenen Krystallisationen an, etwa so, wie wenn die
Mutterlauge während des Abkühlens umgeschüttelt wird.
Darf dagegen ein Kind in Frieden leben, durchkreuzen
keine dunkle Streifen seine Seele, so setzt sich der Cha-
rakter in einer bestimmten, festen Form an, er wird klar
und durchsichtig, sowie er von Gottes und Rechts wegen
eigentlich werden sollte.

Es geschieht bisweilen, daß schlechte, verbrecherische El-
tern gute Kinder erziehen, doch niemals, daß dankbare,
wahrhaft edle Kinder von Eltern gebildet werden, welche
unklar, halb redlich und halb unredlich sind. Das Ver-
brechen warnt durch den Abschen, den es in der Seele
des Kindes erweckt; es ist ein Dolch, der aus der Scheide
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Märkische Blätter.
Wochenblatt


für belehrende und angenehme Unterhaltung.



ro 12.Hattingen, Sonnabend, den 9. Februar 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Neueste Nachrichten.

Berlin, ( Mittwoch ) 6. Februar, 1 Uhr Mit-
tags. Die feierliche Beschwörung der Verfassung
ist heute vor sich gegangen. Der König hat vor
Ablegung des Cides mit bewegtem Gemüthe eine
Rede gehalten. Er gedachte darin der letzten Er-
eignisse in schonender Weise. Die Verfassung be-
zeichnete er als ein Werk, das durch die Mitwir-
kuug der Kammern verbessert sei. An zwei Stel-
len der Rede dankte er den Kammern mit tiefer
Bewegung. Für seine gegenwärtigen Räthe fühle
er eine Dankbarkeit, die nur mit seinem Leben
erlöschen werde.

Die Handlung begann um halb 12 Uhr,
die Mitglieder der ersten Kammer waren bereits
um halb ein Uhr beeidigt. Jn diesem Augenbli-
cke werden die Mitglieder der zweiten Kammer
beeidigt.

— 6. Febr., 5 Uhr Abends. Ueber die heu-
tige Rede Sr. Maj. kann ich Jhnen jetzt noch
folgendes Nähere mittheilen: Jm Eingange er-
klärte der König, es seien eigene Worte, zum letz-
ten Male nicht durch seine Räthe gedeckt. Die
Verfassung bedürfe noch der Verbesserung, die auf
verfassungsmäßigem Wege zu erzielen sei, damit
die Krone die nöthige Macht bewahre. Vor sei-
nem Schwure wolle Er zwei frühere Gelübde
wiederholen: das bei der Huldigung im Jahre
1840 geleistete: er werde ein treuer Fürst sei-
nem Volke sein; das von 1847: Jch und mein
Haus wollen dem Herrn dienen.

Darauf leistete der König den Schwur, wie sol-
cher in der Verfassung vorgeschrieben ist.

Bei der Tafel, zu welcher die Mitgliedee bei-
der Kammern eingeladen waren, brachte der König
[Spaltenumbruch] den Toast aus: Den Kammern der Dank des
Volkes durch den Mund des Königs!



Verbildung des Charakters der Kinder im
elterlichen Hause.

„Undankbare Kinder!“ — es ist etwas Schreckliches,
sich solche zu denken; sie sind ein Fluch der Eltern; aber
wie oft fällt nicht dieses Schreckliche zurück auf die El-
tern selbst, als eine Vergeltung der Gerechtigkeit!

Hart genug ist diese Lehre, aber zugleich eine von
denen, welche sich selbst bestätigen. Einem Jeden sollte sie
die Warnung beibringen, vor seinen Kindern, das heißt
so viel, wie vor seinem eigenem Gewissen, ehrlich zu han-
deln. Das scharfe Auge der Kinder entdeckt auch das ge-
ringste Hinkende zwischen den Lehren des Mundes und
den Bewegungsgründen des Herzens oder Verstandes.
Eine Art von natürlichem Jnstinkt sagt ihnen, ob sie ihre
Eltern lieben oder verachten sollen, und keine äußerlichen
Gebräuche, keine Betstunden, keine Bußpredigten, keine
Gebote der sogenannten „anständigen Ordnung“ geben
an und für sich den Kindern die Ueberzeugung von dem
Werthe der Eltern; sehr leicht dagegen glauben sie einem
einzigen Blicke, einer einzigen Handlung, sobald letztere
von der Art ist, daß sie nur von einem guten, ehrlichen
Menschen auszugehen pflegt.

Der Charakter entwickelt sich ganz nach der Art von
Eindrücken, welche das Kind erhält, wenn seine Begriffe
sich zu entwickeln beginnen. Geschieht dies unter ungün-
stigen Verhältnissen, so setzt sich der Charakter in dunkeln,
verworrenen Krystallisationen an, etwa so, wie wenn die
Mutterlauge während des Abkühlens umgeschüttelt wird.
Darf dagegen ein Kind in Frieden leben, durchkreuzen
keine dunkle Streifen seine Seele, so setzt sich der Cha-
rakter in einer bestimmten, festen Form an, er wird klar
und durchsichtig, sowie er von Gottes und Rechts wegen
eigentlich werden sollte.

Es geschieht bisweilen, daß schlechte, verbrecherische El-
tern gute Kinder erziehen, doch niemals, daß dankbare,
wahrhaft edle Kinder von Eltern gebildet werden, welche
unklar, halb redlich und halb unredlich sind. Das Ver-
brechen warnt durch den Abschen, den es in der Seele
des Kindes erweckt; es ist ein Dolch, der aus der Scheide
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Zitationshilfe: Märkische Blätter. Nr. 12. Hattingen, 9. Februar 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische012_1850/1>, abgerufen am 21.11.2024.