Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Märkische Blätter. Jahrgang 7, Nr. 28. Hattingen, 7. April 1855.

Bild:
erste Seite
Märkische Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

Erscheinen Mittwoch und Sonnabend.
Preis vierteljährlich 10 Sgr.
[Spaltenumbruch] Siebter Jahrgang.
[Spaltenumbruch] Anzeigen per Petitzeile 1 Sgr.
Briefe werden franco erbeten.

[Ende Spaltensatz]

ro 28.Hattingen, Sonnabend, den 7. April 1855.


[Beginn Spaltensatz]

Neue Bestellungen auf das II. Quartal
der " Märkischen Blätter " werden baldgefäl-
ligst erbeten.



Ostermorgen.
Die Lerche stieg am Ostermorgen,
Empor ins klarste Luftgebiet,
Und schmettert hoch im Blau verborgen
Ein freudig Auferstehungslied.
Und wie sie schmetterte, da klangen
Es tausend Stimmen nach im Feld:
Wach auf, das Alte ist vergangen,
Wach auf, du froh verjüngte Welt!
Wacht auf und rauscht durchs Thal, ihr Bronnen,
Und lobt dem Herrn mit frohem Schall!
Wacht auf im Frühlingsglanz der Sonnen
Jhr grünnen Halm und Läuber all!
Jhr Veilchen in den Waldesgründen,
Jhr Primeln weiß. ihr Blüthen roth,
Jhr sollt es alle mitverkünden:
Die Lieb' ist stärker, als der Tod.
Wacht auf, ihr trägen Menschenherzen,
Die ihr im Winterschlafe säumt,
Jn dumpfen Lüsten dumpfen Schmerzen
Gebannt ein welkes Dasein träumt;
Die Kraft des Herrn weht durch die Lande
Wie Jugendhauch, o laßt sie ein!
Zerreißt wie Simson eure Bande,
Und wie die Adler sollt ihr sein.
Wacht auf ihr Geister, deren Sehnen
Gebrochen an den Gräbern steht,
Jhr trüben Augen, die vor Thränen
Jhr nicht des Frühlings Blüthen seht;
Jhr Grübler, die ihr fernverlohren
Traumwandelnd irrt auf wüster Bahn --
Wacht auf die Welt ist neugeboren;
Hier ist ein Wunder nehmt es an!
Jhr sollt euch all' des Heiles freuen,
Das über euch vergossen ward,
Es ist ein inniges Erneuen
Jm Bild des Frühlings offenbart.
Was dürr war grünt im Wehn der Lüfte,
Jung wird das Alte fern und nah,
Der Odem Gottes sprengt die Grüfte --
Wacht auf! der Ostertag ist da

Das geheimnitzvolle Tuch.
( Fortsetzung. )

Der Maurer trat fruchtlos und mit dem gelränkten Ehrgefühl
eines rechtschaffenen Manes in das elegante Gemach. Sein Aeußeres
deutete mehr auf Kraft als auf Schönheit hin, aber sein Gesicht war
offen und hatte sogar etwas Edles. Noch ganz empört über die
[Spaltenumbruch] Behandlungsweise, die er von Seiten des Dienstmädchens erfahren,
sagte er zu der alten Dame: Jch glaubte, Madame, daß ich bis
heute stets zu Jhrer Zufriedenheit gearbeit hätte!

Das ist auch der Fall, erwiederte Frau Lineweld und es thut
mir leid, daß ich Sie entlassen muß -- mehr um Jhret= als um
meinetwillen -- aber ich kann keine unehrlichen Menschen in meinem
Hause haben.

Unehrlich? bin ich denn unehrlich? rief der Beschuldigte, indem
ihm das Blut ins Gesscht stieg. -- Machen Sie keine Ausflüchte,
versetzte jene, da ich die Beweise Jhre Schuld in Händen habe, so
können dieselben Jhnen nicht helfen. -- Aber, Madame... --
Leute Jhres Standes besitzen keine seidenen Taschemücher, fuhr die alte
Dame fort, und dieses [unleserliches Material - 4 Zeichen fehlen]Tuch das mir gehört, ist bei Jhren Geräth-
schaft gefunden worden. Kein anderer als Sie wird dasselbe dorthin
gelegt haben. -- Ein seidenes Taschentuch? fragte der Mann ganz
erstaunt. Jch verstehe Sie nicht, Madame. -- Jch meine, daß dies
mir gehörende Tuch nur auf eine unehrliche Weise in Jhre Hände
gekommen sein kann, entgegnete Frau Lineweld, indem sie das Tuch
dem Gesellen zeigte.

Der Maurergeselle schien das Tuch jetzt wieder zu kennen. Ma-
dame, sagte er, ich habe wahrlich nicht darauf geachtet, ob es von
Seide oder Baumwolle war und es auch durchaus nicht näher an-
gesehen; das einzige, was ich weiß, ist, daß meine Frau mir heute
Morgen wie immer ein Tuch gegeben hat, und ich versichere Jhneu[unleserliches Material]
heilig, daß ich mich nicht an Jhrem Eigenthum vergriffen habe, und
niemals meine Hand nach irgend etwas ausgestreckt habe, was an-
dern gehört.

So leugnen Sie also Jhren Diebstahl? rief jene, entrüstet über
solche Hartnäckigkeit. -- Ja, Madame? ich bin nie auf den Gedan-
ken gekommen, mir fremde Sachen zuzueignen. Jch habe dies Tuch
von meiner Frau empfangen; wie dieselbe dazu gekommen ist, weiß
ich nicht, aber sicherlich nicht auf eine unehrliche Weise. -- Es ist
genug, sagte die alte Dame unwillig; ich sehe wohl, daß Sie sich
auf's Leugnen legen, weil ich Sie nicht auf [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]frischer That ertappt
habe, und keine Zeugen oder Beweise für die Sache beibringen kann.
Aber ich muß Jhnen sagen, daß ich kein Wort von Jhren frechen
Lüge glaube. Verlassen Sie sogleich mein Haus und sagen Sie
Jhrem Meister, daß er mir die Rechnung über die Arbeit bringe,
welche Sie bis heute verrichtet haben -- ich will nicht länger mit
jemanden zu thun haben, der mir unehrliche Leute schickt.

Vergebens bemühte sich der Gefelle seine Unschuld darzuthun,
vergebens befchwor er Frau Lineweld, ihm zu glauben und ihn nicht
eines Jrrthums wegen unglücklich zu machen; die Letztere war nicht
zu überzeugen, da sie ihrer Meinung nach einen viel zu starken Beweis
gegen ihn in Händen hatte, und entlich verließ jener wie mit bleier-
nen Schritten das Haus, wo man einen solchen Schandfleck auf sei-
nen guten Namen geworfen hatte.

Er ging zu seinem [unleserliches Material - 7 Zeichen fehlen]Meister und richtete ihm den Auftrag der
Frau Linewald aus, zu dessen Erklärung er ihm natürlicherweise auch
die Beschuldigung mittheilen mußte, mit der man ihn belastet hatte.
Das Blut stieg dem armen Mann in die Wangen und die Thränen
traten ihm in die Augen, als er vor seinem Meister stand und die-
sem den Vorfall erzählte, welcher ihm das einzige Gut, das er in der
Welt besaß, seinen ehrlichen Namen zu rauben drohte.

[Ende Spaltensatz]
Märkische Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

Erscheinen Mittwoch und Sonnabend.
Preis vierteljährlich 10 Sgr.
[Spaltenumbruch] Siebter Jahrgang.
[Spaltenumbruch] Anzeigen per Petitzeile 1 Sgr.
Briefe werden franco erbeten.

[Ende Spaltensatz]

ro 28.Hattingen, Sonnabend, den 7. April 1855.


[Beginn Spaltensatz]

Neue Bestellungen auf das II. Quartal
der „ Märkischen Blätter “ werden baldgefäl-
ligst erbeten.



Ostermorgen.
Die Lerche stieg am Ostermorgen,
Empor ins klarste Luftgebiet,
Und schmettert hoch im Blau verborgen
Ein freudig Auferstehungslied.
Und wie sie schmetterte, da klangen
Es tausend Stimmen nach im Feld:
Wach auf, das Alte ist vergangen,
Wach auf, du froh verjüngte Welt!
Wacht auf und rauscht durchs Thal, ihr Bronnen,
Und lobt dem Herrn mit frohem Schall!
Wacht auf im Frühlingsglanz der Sonnen
Jhr grünnen Halm und Läuber all!
Jhr Veilchen in den Waldesgründen,
Jhr Primeln weiß. ihr Blüthen roth,
Jhr sollt es alle mitverkünden:
Die Lieb' ist stärker, als der Tod.
Wacht auf, ihr trägen Menschenherzen,
Die ihr im Winterschlafe säumt,
Jn dumpfen Lüsten dumpfen Schmerzen
Gebannt ein welkes Dasein träumt;
Die Kraft des Herrn weht durch die Lande
Wie Jugendhauch, o laßt sie ein!
Zerreißt wie Simson eure Bande,
Und wie die Adler sollt ihr sein.
Wacht auf ihr Geister, deren Sehnen
Gebrochen an den Gräbern steht,
Jhr trüben Augen, die vor Thränen
Jhr nicht des Frühlings Blüthen seht;
Jhr Grübler, die ihr fernverlohren
Traumwandelnd irrt auf wüster Bahn —
Wacht auf die Welt ist neugeboren;
Hier ist ein Wunder nehmt es an!
Jhr sollt euch all' des Heiles freuen,
Das über euch vergossen ward,
Es ist ein inniges Erneuen
Jm Bild des Frühlings offenbart.
Was dürr war grünt im Wehn der Lüfte,
Jung wird das Alte fern und nah,
Der Odem Gottes sprengt die Grüfte —
Wacht auf! der Ostertag ist da

Das geheimnitzvolle Tuch.
( Fortsetzung. )

Der Maurer trat fruchtlos und mit dem gelränkten Ehrgefühl
eines rechtschaffenen Manes in das elegante Gemach. Sein Aeußeres
deutete mehr auf Kraft als auf Schönheit hin, aber sein Gesicht war
offen und hatte sogar etwas Edles. Noch ganz empört über die
[Spaltenumbruch] Behandlungsweise, die er von Seiten des Dienstmädchens erfahren,
sagte er zu der alten Dame: Jch glaubte, Madame, daß ich bis
heute stets zu Jhrer Zufriedenheit gearbeit hätte!

Das ist auch der Fall, erwiederte Frau Lineweld und es thut
mir leid, daß ich Sie entlassen muß — mehr um Jhret= als um
meinetwillen — aber ich kann keine unehrlichen Menschen in meinem
Hause haben.

Unehrlich? bin ich denn unehrlich? rief der Beschuldigte, indem
ihm das Blut ins Gesscht stieg. — Machen Sie keine Ausflüchte,
versetzte jene, da ich die Beweise Jhre Schuld in Händen habe, so
können dieselben Jhnen nicht helfen. — Aber, Madame... —
Leute Jhres Standes besitzen keine seidenen Taschemücher, fuhr die alte
Dame fort, und dieses [unleserliches Material – 4 Zeichen fehlen]Tuch das mir gehört, ist bei Jhren Geräth-
schaft gefunden worden. Kein anderer als Sie wird dasselbe dorthin
gelegt haben. — Ein seidenes Taschentuch? fragte der Mann ganz
erstaunt. Jch verstehe Sie nicht, Madame. — Jch meine, daß dies
mir gehörende Tuch nur auf eine unehrliche Weise in Jhre Hände
gekommen sein kann, entgegnete Frau Lineweld, indem sie das Tuch
dem Gesellen zeigte.

Der Maurergeselle schien das Tuch jetzt wieder zu kennen. Ma-
dame, sagte er, ich habe wahrlich nicht darauf geachtet, ob es von
Seide oder Baumwolle war und es auch durchaus nicht näher an-
gesehen; das einzige, was ich weiß, ist, daß meine Frau mir heute
Morgen wie immer ein Tuch gegeben hat, und ich versichere Jhneu[unleserliches Material]
heilig, daß ich mich nicht an Jhrem Eigenthum vergriffen habe, und
niemals meine Hand nach irgend etwas ausgestreckt habe, was an-
dern gehört.

So leugnen Sie also Jhren Diebstahl? rief jene, entrüstet über
solche Hartnäckigkeit. — Ja, Madame? ich bin nie auf den Gedan-
ken gekommen, mir fremde Sachen zuzueignen. Jch habe dies Tuch
von meiner Frau empfangen; wie dieselbe dazu gekommen ist, weiß
ich nicht, aber sicherlich nicht auf eine unehrliche Weise. — Es ist
genug, sagte die alte Dame unwillig; ich sehe wohl, daß Sie sich
auf's Leugnen legen, weil ich Sie nicht auf [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]frischer That ertappt
habe, und keine Zeugen oder Beweise für die Sache beibringen kann.
Aber ich muß Jhnen sagen, daß ich kein Wort von Jhren frechen
Lüge glaube. Verlassen Sie sogleich mein Haus und sagen Sie
Jhrem Meister, daß er mir die Rechnung über die Arbeit bringe,
welche Sie bis heute verrichtet haben — ich will nicht länger mit
jemanden zu thun haben, der mir unehrliche Leute schickt.

Vergebens bemühte sich der Gefelle seine Unschuld darzuthun,
vergebens befchwor er Frau Lineweld, ihm zu glauben und ihn nicht
eines Jrrthums wegen unglücklich zu machen; die Letztere war nicht
zu überzeugen, da sie ihrer Meinung nach einen viel zu starken Beweis
gegen ihn in Händen hatte, und entlich verließ jener wie mit bleier-
nen Schritten das Haus, wo man einen solchen Schandfleck auf sei-
nen guten Namen geworfen hatte.

Er ging zu seinem [unleserliches Material – 7 Zeichen fehlen]Meister und richtete ihm den Auftrag der
Frau Linewald aus, zu dessen Erklärung er ihm natürlicherweise auch
die Beschuldigung mittheilen mußte, mit der man ihn belastet hatte.
Das Blut stieg dem armen Mann in die Wangen und die Thränen
traten ihm in die Augen, als er vor seinem Meister stand und die-
sem den Vorfall erzählte, welcher ihm das einzige Gut, das er in der
Welt besaß, seinen ehrlichen Namen zu rauben drohte.

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0001"/>
      <titlePage xml:id="tb01" type="heading" next="#tb02">
        <docTitle>
          <titlePart type="main"> <hi rendition="#b #c #fr">Märkische Blätter.</hi> </titlePart><lb/>
        </docTitle>
      </titlePage><lb/>
      <cb type="start"/>
      <div type="jExpedition">
        <p>Erscheinen <hi rendition="#g">Mittwoch</hi> und <hi rendition="#g">Sonnabend.</hi><lb/>
Preis vierteljährlich 10 <choice><sic>Sar</sic><corr>Sgr</corr></choice>.<lb/><cb n="2"/> <hi rendition="#g #larger">Siebter Jahrgang</hi>.<lb/><cb n="3"/> <hi rendition="#g">Anzeigen</hi> per Petitzeile 1 Sgr.<lb/>
Briefe werden franco erbeten.</p>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <titlePage xml:id="tb02" prev="#tb01" type="heading">
        <docImprint> <hi rendition="#b"><hi rendition="#sup">ro</hi> 28.</hi> <pubPlace> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Hattingen,</hi> </hi> </pubPlace>
          <docDate> Sonnabend, den 7. April <hi rendition="#b #fr #right">1855.</hi></docDate>
        </docImprint>
      </titlePage><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </front>
    <body>
      <cb type="start"/>
      <div n="1">
        <p>&#x261E; <hi rendition="#fr">Neue Bestellungen auf das</hi> <hi rendition="#aq">II</hi>. <hi rendition="#fr">Quartal<lb/>
der &#x201E; <hi rendition="#g">Märkischen Blätter</hi> &#x201C; werden baldgefäl-<lb/>
ligst erbeten.</hi> </p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <head>Ostermorgen.</head><lb/>
          <lg n="1">
            <l>Die Lerche stieg am Ostermorgen,</l><lb/>
            <l>Empor ins klarste Luftgebiet,</l><lb/>
            <l>Und schmettert hoch im Blau verborgen</l><lb/>
            <l>Ein freudig Auferstehungslied.</l><lb/>
            <l>Und wie sie schmetterte, da klangen</l><lb/>
            <l>Es tausend Stimmen nach im Feld:</l><lb/>
            <l>Wach auf, das Alte ist vergangen,</l><lb/>
            <l>Wach auf, du froh verjüngte Welt!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Wacht auf und rauscht durchs Thal, ihr Bronnen,</l><lb/>
            <l>Und lobt dem Herrn mit frohem Schall!</l><lb/>
            <l>Wacht auf im Frühlingsglanz der Sonnen</l><lb/>
            <l>Jhr grünnen Halm und Läuber all!</l><lb/>
            <l>Jhr Veilchen in den Waldesgründen,</l><lb/>
            <l>Jhr Primeln weiß. ihr Blüthen roth,</l><lb/>
            <l>Jhr sollt es alle mitverkünden:</l><lb/>
            <l>Die Lieb' ist stärker, als der Tod.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Wacht auf, ihr trägen Menschenherzen,</l><lb/>
            <l>Die ihr im Winterschlafe säumt,</l><lb/>
            <l>Jn dumpfen Lüsten dumpfen Schmerzen</l><lb/>
            <l>Gebannt ein welkes Dasein träumt;</l><lb/>
            <l>Die Kraft des Herrn weht durch die Lande</l><lb/>
            <l>Wie Jugendhauch, o laßt sie ein!</l><lb/>
            <l>Zerreißt wie Simson eure Bande,</l><lb/>
            <l>Und wie die Adler sollt ihr sein.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Wacht auf ihr Geister, deren Sehnen</l><lb/>
            <l>Gebrochen an den Gräbern steht,</l><lb/>
            <l>Jhr trüben Augen, die vor Thränen</l><lb/>
            <l>Jhr nicht des Frühlings Blüthen seht;</l><lb/>
            <l>Jhr Grübler, die ihr fernverlohren</l><lb/>
            <l>Traumwandelnd irrt auf wüster Bahn &#x2014;</l><lb/>
            <l>Wacht auf die Welt ist neugeboren;</l><lb/>
            <l>Hier ist ein Wunder nehmt es an!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Jhr sollt euch all' des Heiles freuen,</l><lb/>
            <l>Das über euch vergossen ward,</l><lb/>
            <l>Es ist ein inniges Erneuen</l><lb/>
            <l>Jm Bild des Frühlings offenbart.</l><lb/>
            <l>Was dürr war grünt im Wehn der Lüfte,</l><lb/>
            <l>Jung wird das Alte fern und nah,</l><lb/>
            <l>Der Odem Gottes sprengt die Grüfte &#x2014;</l><lb/>
            <l>Wacht auf! der Ostertag ist da</l>
          </lg>
        </lg>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Das geheimnitzvolle Tuch</hi>.</hi><lb/>
( Fortsetzung. )</head><lb/>
        <p>Der Maurer trat fruchtlos und mit dem gelränkten Ehrgefühl<lb/>
eines rechtschaffenen Manes in das elegante Gemach. Sein Aeußeres<lb/>
deutete mehr auf Kraft als auf Schönheit hin, aber sein Gesicht war<lb/>
offen und hatte sogar etwas Edles. Noch ganz empört über die<lb/><cb n="2"/>
Behandlungsweise, die er von Seiten des Dienstmädchens erfahren,<lb/>
sagte er zu der alten Dame: Jch glaubte, Madame, daß ich bis<lb/>
heute stets zu Jhrer Zufriedenheit gearbeit hätte!</p><lb/>
        <p>Das ist auch der Fall, erwiederte Frau Lineweld und es thut<lb/>
mir leid, daß ich Sie entlassen muß &#x2014; mehr um Jhret= als um<lb/>
meinetwillen &#x2014; aber ich kann keine unehrlichen Menschen in meinem<lb/>
Hause haben.</p><lb/>
        <p>Unehrlich? bin ich denn unehrlich? rief der Beschuldigte, indem<lb/>
ihm das Blut ins Gesscht stieg. &#x2014; Machen Sie keine Ausflüchte,<lb/>
versetzte jene, da ich die Beweise Jhre Schuld in Händen habe, so<lb/>
können dieselben Jhnen nicht helfen. &#x2014; Aber, Madame... &#x2014;<lb/>
Leute Jhres Standes besitzen keine seidenen Taschemücher, fuhr die alte<lb/>
Dame fort, und dieses <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="4"/>Tuch das mir gehört, ist bei Jhren Geräth-<lb/>
schaft gefunden worden. Kein anderer als Sie wird dasselbe dorthin<lb/>
gelegt haben. &#x2014; Ein seidenes Taschentuch? fragte der Mann ganz<lb/>
erstaunt. Jch verstehe Sie nicht, Madame. &#x2014; Jch meine, daß dies<lb/>
mir gehörende Tuch nur auf eine unehrliche Weise in Jhre Hände<lb/>
gekommen sein kann, entgegnete Frau Lineweld, indem sie das Tuch<lb/>
dem Gesellen zeigte.</p><lb/>
        <p>Der Maurergeselle schien das Tuch jetzt wieder zu kennen. Ma-<lb/>
dame, sagte er, ich habe wahrlich nicht darauf geachtet, ob es von<lb/>
Seide oder Baumwolle war und es auch durchaus nicht näher an-<lb/>
gesehen; das einzige, was ich weiß, ist, daß meine Frau mir heute<lb/>
Morgen wie immer ein Tuch gegeben hat, und ich versichere Jhneu<gap reason="illegible"/><lb/>
heilig, daß ich mich nicht an Jhrem Eigenthum vergriffen habe, und<lb/>
niemals meine Hand nach irgend etwas ausgestreckt habe, was an-<lb/>
dern gehört.</p><lb/>
        <p>So leugnen Sie also Jhren Diebstahl? rief jene, entrüstet über<lb/>
solche Hartnäckigkeit. &#x2014; Ja, Madame? ich bin nie auf den Gedan-<lb/>
ken gekommen, mir fremde Sachen zuzueignen. Jch habe dies Tuch<lb/>
von meiner Frau empfangen; wie dieselbe dazu gekommen ist, weiß<lb/>
ich nicht, aber sicherlich nicht auf eine unehrliche Weise. &#x2014; Es ist<lb/>
genug, sagte die alte Dame unwillig; ich sehe wohl, daß Sie sich<lb/>
auf's Leugnen legen, weil ich Sie nicht auf <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="8"/>frischer That ertappt<lb/>
habe, und keine Zeugen oder Beweise für die Sache beibringen kann.<lb/>
Aber ich muß Jhnen sagen, daß ich kein Wort von Jhren frechen<lb/>
Lüge glaube. Verlassen Sie sogleich mein Haus und sagen Sie<lb/>
Jhrem Meister, daß er mir die Rechnung über die Arbeit bringe,<lb/>
welche Sie bis heute verrichtet haben &#x2014; ich will nicht länger mit<lb/>
jemanden zu thun haben, der mir unehrliche Leute schickt.</p><lb/>
        <p>Vergebens bemühte sich der Gefelle seine Unschuld darzuthun,<lb/>
vergebens befchwor er Frau Lineweld, ihm zu glauben und ihn nicht<lb/>
eines Jrrthums wegen unglücklich zu machen; die Letztere war nicht<lb/>
zu überzeugen, da sie ihrer Meinung nach einen viel zu starken Beweis<lb/>
gegen ihn in Händen hatte, und entlich verließ jener wie mit bleier-<lb/>
nen Schritten das Haus, wo man einen solchen Schandfleck auf sei-<lb/>
nen guten Namen geworfen hatte.</p><lb/>
        <p>Er ging zu seinem <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="7"/>Meister und richtete ihm den Auftrag der<lb/>
Frau Linewald aus, zu dessen Erklärung er ihm natürlicherweise auch<lb/>
die Beschuldigung mittheilen mußte, mit der man ihn belastet hatte.<lb/>
Das Blut stieg dem armen Mann in die Wangen und die Thränen<lb/>
traten ihm in die Augen, als er vor seinem Meister stand und die-<lb/>
sem den Vorfall erzählte, welcher ihm das einzige Gut, das er in der<lb/>
Welt besaß, seinen ehrlichen Namen zu rauben drohte.</p><lb/>
        <cb type="end"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0001] Märkische Blätter. Erscheinen Mittwoch und Sonnabend. Preis vierteljährlich 10 Sgr. Siebter Jahrgang. Anzeigen per Petitzeile 1 Sgr. Briefe werden franco erbeten. ro 28.Hattingen, Sonnabend, den 7. April 1855. ☞ Neue Bestellungen auf das II. Quartal der „ Märkischen Blätter “ werden baldgefäl- ligst erbeten. Ostermorgen. Die Lerche stieg am Ostermorgen, Empor ins klarste Luftgebiet, Und schmettert hoch im Blau verborgen Ein freudig Auferstehungslied. Und wie sie schmetterte, da klangen Es tausend Stimmen nach im Feld: Wach auf, das Alte ist vergangen, Wach auf, du froh verjüngte Welt! Wacht auf und rauscht durchs Thal, ihr Bronnen, Und lobt dem Herrn mit frohem Schall! Wacht auf im Frühlingsglanz der Sonnen Jhr grünnen Halm und Läuber all! Jhr Veilchen in den Waldesgründen, Jhr Primeln weiß. ihr Blüthen roth, Jhr sollt es alle mitverkünden: Die Lieb' ist stärker, als der Tod. Wacht auf, ihr trägen Menschenherzen, Die ihr im Winterschlafe säumt, Jn dumpfen Lüsten dumpfen Schmerzen Gebannt ein welkes Dasein träumt; Die Kraft des Herrn weht durch die Lande Wie Jugendhauch, o laßt sie ein! Zerreißt wie Simson eure Bande, Und wie die Adler sollt ihr sein. Wacht auf ihr Geister, deren Sehnen Gebrochen an den Gräbern steht, Jhr trüben Augen, die vor Thränen Jhr nicht des Frühlings Blüthen seht; Jhr Grübler, die ihr fernverlohren Traumwandelnd irrt auf wüster Bahn — Wacht auf die Welt ist neugeboren; Hier ist ein Wunder nehmt es an! Jhr sollt euch all' des Heiles freuen, Das über euch vergossen ward, Es ist ein inniges Erneuen Jm Bild des Frühlings offenbart. Was dürr war grünt im Wehn der Lüfte, Jung wird das Alte fern und nah, Der Odem Gottes sprengt die Grüfte — Wacht auf! der Ostertag ist da Das geheimnitzvolle Tuch. ( Fortsetzung. ) Der Maurer trat fruchtlos und mit dem gelränkten Ehrgefühl eines rechtschaffenen Manes in das elegante Gemach. Sein Aeußeres deutete mehr auf Kraft als auf Schönheit hin, aber sein Gesicht war offen und hatte sogar etwas Edles. Noch ganz empört über die Behandlungsweise, die er von Seiten des Dienstmädchens erfahren, sagte er zu der alten Dame: Jch glaubte, Madame, daß ich bis heute stets zu Jhrer Zufriedenheit gearbeit hätte! Das ist auch der Fall, erwiederte Frau Lineweld und es thut mir leid, daß ich Sie entlassen muß — mehr um Jhret= als um meinetwillen — aber ich kann keine unehrlichen Menschen in meinem Hause haben. Unehrlich? bin ich denn unehrlich? rief der Beschuldigte, indem ihm das Blut ins Gesscht stieg. — Machen Sie keine Ausflüchte, versetzte jene, da ich die Beweise Jhre Schuld in Händen habe, so können dieselben Jhnen nicht helfen. — Aber, Madame... — Leute Jhres Standes besitzen keine seidenen Taschemücher, fuhr die alte Dame fort, und dieses ____Tuch das mir gehört, ist bei Jhren Geräth- schaft gefunden worden. Kein anderer als Sie wird dasselbe dorthin gelegt haben. — Ein seidenes Taschentuch? fragte der Mann ganz erstaunt. Jch verstehe Sie nicht, Madame. — Jch meine, daß dies mir gehörende Tuch nur auf eine unehrliche Weise in Jhre Hände gekommen sein kann, entgegnete Frau Lineweld, indem sie das Tuch dem Gesellen zeigte. Der Maurergeselle schien das Tuch jetzt wieder zu kennen. Ma- dame, sagte er, ich habe wahrlich nicht darauf geachtet, ob es von Seide oder Baumwolle war und es auch durchaus nicht näher an- gesehen; das einzige, was ich weiß, ist, daß meine Frau mir heute Morgen wie immer ein Tuch gegeben hat, und ich versichere Jhneu_ heilig, daß ich mich nicht an Jhrem Eigenthum vergriffen habe, und niemals meine Hand nach irgend etwas ausgestreckt habe, was an- dern gehört. So leugnen Sie also Jhren Diebstahl? rief jene, entrüstet über solche Hartnäckigkeit. — Ja, Madame? ich bin nie auf den Gedan- ken gekommen, mir fremde Sachen zuzueignen. Jch habe dies Tuch von meiner Frau empfangen; wie dieselbe dazu gekommen ist, weiß ich nicht, aber sicherlich nicht auf eine unehrliche Weise. — Es ist genug, sagte die alte Dame unwillig; ich sehe wohl, daß Sie sich auf's Leugnen legen, weil ich Sie nicht auf ________frischer That ertappt habe, und keine Zeugen oder Beweise für die Sache beibringen kann. Aber ich muß Jhnen sagen, daß ich kein Wort von Jhren frechen Lüge glaube. Verlassen Sie sogleich mein Haus und sagen Sie Jhrem Meister, daß er mir die Rechnung über die Arbeit bringe, welche Sie bis heute verrichtet haben — ich will nicht länger mit jemanden zu thun haben, der mir unehrliche Leute schickt. Vergebens bemühte sich der Gefelle seine Unschuld darzuthun, vergebens befchwor er Frau Lineweld, ihm zu glauben und ihn nicht eines Jrrthums wegen unglücklich zu machen; die Letztere war nicht zu überzeugen, da sie ihrer Meinung nach einen viel zu starken Beweis gegen ihn in Händen hatte, und entlich verließ jener wie mit bleier- nen Schritten das Haus, wo man einen solchen Schandfleck auf sei- nen guten Namen geworfen hatte. Er ging zu seinem _______Meister und richtete ihm den Auftrag der Frau Linewald aus, zu dessen Erklärung er ihm natürlicherweise auch die Beschuldigung mittheilen mußte, mit der man ihn belastet hatte. Das Blut stieg dem armen Mann in die Wangen und die Thränen traten ihm in die Augen, als er vor seinem Meister stand und die- sem den Vorfall erzählte, welcher ihm das einzige Gut, das er in der Welt besaß, seinen ehrlichen Namen zu rauben drohte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz, Benjamin Fiechter: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische028_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische028_1855/1
Zitationshilfe: Märkische Blätter. Jahrgang 7, Nr. 28. Hattingen, 7. April 1855, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische028_1855/1>, abgerufen am 21.11.2024.