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Mainzer Journal. Nr. 13. Mainz, 28. Juni 1848.

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[Beginn Spaltensatz] seit 300 Jahren klar werden, daß eine wahre politische Ein-
heit und Stärke Deutschlands nur möglich ist, wenn durch Ge-
währleistung und strenge Handhabung der vollkommensten kirch-
lichen Freiheit jeder Grund des Mißtrauens und des Zwie-
spaltes in öffentlichen Angelegenheiten beseitigt wird. Noch sind,
wie bekannt, Viele in Frankfurt, die genug gethan zu haben
meinen, wenn sie die rein politischen Fragen gelöst hätten. Aber
diese religiöse Frage drängt sich, wenn sie jetzt nicht für Alle be-
friedigend erledigt wird, stets wieder in die Politik hinein, und
so wenig eine Wunde heilen kann, so lange der Dorn noch in
derselben steckt, ebenso wenig werden die Wunden des Vaterlan-
des vernarben, wenn die religiöse Entzweiung nicht durch volle
Anerkennung kirchlicher Freiheit beseitigt wird. Der wahre Pa-
triot muß darum Alles an die Erringung dieser Freiheit für
Alle
setzen.

Jn Berlin fängt endlich die Landwehr an sich "von innen
heraus" zu organisiren. -- Jn Sachsen sind die republikani-
schen Vereine auf den Grund der bestehenden Gesetzgebung hin
verboten worden. -- Aus Hannover meldet man vom 21. d.
M., daß die erste Kammer sich endlich entschlossen, der be-
sonderen Vertretung des Adels zu entsagen, so daß sie aufgehört
hat, Adelskammer zu seyn, und in Zukunft gleich der zwei-
ten Kammer durch allgemeine Wahlen gebildet werden wird. --
Der Kriegsminister Schreckenstein soll einer Deputation der Ber-
liner Bürgerwehr mit großer Urbanität geantwortet haben: er
werde gern auch ferner dem Corps die Bewachung des Zeughau-
ses anvertrauen, nur müsse man ihm erlauben, dasselbe erst
auszuräumen!
-- Aus Offenbach schreibt der gute Herr
Pirazzi, der in neuerer Zeit schrecklich conservativ geworden
ist, dem Frankfurter Journal: "Obgleich Ronge nicht der
Träger des Deutschkatholicismus ist und es niemals war ( ! ) , so
hat man doch in ihm den Mann der That geehrt, welcher zuerst
mit Entschiedenheit und Muth die Bahn gebrochen. Um so mehr
wurde von vielen seiner Verehrer und Glaubensgenossen es be-
dauert, daß er in der jüngsten Zeit sich einer politischen Richtung
hingegeben, die dem religiösen Reformator nicht wohl an-
steht und wodurch seiner Wirksamkeit auf diesem Feld nothwendig
ein bedauernswerther Abtrag geschieht." Wir wünschen Herrn
Pirazzi aufrichtig Glück dazu, daß er nach und nach zur Ein-
sicht zu kommen scheint. Uebrigens schimpfen die Frankfurter
Blätter gegen die Freiheitsbestrebungen der Katholiken ärger als
je. Jst das freisinnig? Oder ist ihnen etwa der politische Stoff
ausgegangen? -- Auch in Wien wollen die Setzer Sonn-
tags nicht arbeiten und die Zeitungen schweben in Gefahr
Montags nicht erscheinen zu können. -- Einem Ministerial-
beschlusse zufolge sollen die in Berlin eintreffenden Mit-
glieder des demokratischen Centralausschusses sofort ausge-
wiesen
werden. -- Jm Monat Mai 1848 wurden auf der
Main=Neckar=Eisenbahn 70,031 Personen befördert. Die Ein-
nahmen betrugen in dieser Zeit: a ) für Transport von Personen
32,989 fl. 35 kr., b ) von Gepäck 2140 fl. 6 kr., c ) von 23,645
Ctr. Frachtgut 7408 fl. 56 kr., d ) von Equipagen 754 fl. 48 kr.,
e ) von Thieren 392 fl. 58 kr. Summe der Einnahme 43,686 fl.
23 kr.

Oestreichische Monarchie.

Pesth 20. Juni. Der illyrisch=serbische Aufstand tritt
in immer größerer Furchtbarkeit hervor. Gestern kam hier eine
Estafette aus dem Bacser Comitate an, welche die schleunigste
Hülfe gegen die Jnsurgentenhaufen urgirt. Das Pesther Comi-
tat wird um die Absendung von 10,000 mobilen Nationalgarden
angegangen. Die ganze serbische und croatische Militärgränze
und Syrmien ist insurgirt. Von den römischen Schanzen bis
Tamenitz bei Carlowitz dehnt sich das feste Lager der bereits
20,000 Mann starken und immer zunehmenden Aufständischen.
Ein großer Theil von diesen besteht aus Gränzern, deren solda-
tische Tapferkeit weltbekannt ist. Sie haben auch 10 Geschütze
und sind mit Munition hinlänglich versehen. Von Ungarn und
dem ungarischen Ministerium wollen die Serbier nichts wissen,
und sie nehmen nur von ihrem eigenen provisorischen National-
Comite Befehle an. Der k. Regierungscommissär, Feldmarschall-
Lieutenant von Hrabovsky, Commandant von Peterwardein, ist
noch zu schwach, um gegen die Aufständischen etwas unterneh-
men zu können, und er hat sich daher genöthigt gesehen, einen
Waffenstillstand mit ihnen auf zwei Wochen abzuschließen. Die
Hauptforderung des provisorischen Nationalcomite's geht, nach
dessen uns vorliegenden Proclamationen dahin, daß der serbische
Theil des Banats und der Militärgränze zu einer von Ungarn
getrennten Wojwodenschaft unter dem bereits gewählten Wojwo-
den Oberst Schuplikatz gebildet, und mit Kroatien, Slavonien und
[Spaltenumbruch] Dalmatien verbunden werde. Die griechisch nicht unirten Ser-
bien sollen im äußersten Falle auch entschlossen seyn, den religions-
wie stammverwandten Russen sich in die Arme zu werfen, woge-
gen die römisch=katholischen Kroaten Scheu vor dem russifiziren-
den Popenthum hegen. ( Bresl. Z. )

Schweiz.

Wir hatten vor Kurzem Gelegenheit, die an den katholischen
Geistlichen des Kantons Luzern wegen treuer Pflichterfüllung von
Seiten der dortigen Staatsgewalt begangenen Gewaltthaten zu
rügen; heute müssen wir eben so entschieden gegen die Knechtung
protestiren, welche der protestantischen Kirche im Kanton Bern
zugedacht ist. Dort hat das Obergericht verurtheilt: Em.
Fueter, Helfer in Trubschachen, wegen Kanzelmißbrauchs zu
einer neunmonatlichen Einstellung in seinen pfarramtlichen Func-
tionen; K. G. Neuhaus, Pfarrer in Wichtrach, wegen Amts-
pflichtverletzung zu einer einjährigen Einstellung; F. Fetscherin,
Pfarrer in Trub, wegen Amtsmißbrauch, zur Entsetzung von dieser
Pfarrei. Die Einstellung des Dekans Wyß, Professor, wegen
Anklage auf Widersetzlichkeit, ist als nicht gerechtfertigt erklärt.
Wir brauchen kaum zu bemerken, daß der "Amts= und Kanzel-
mißbrauch " dieser würdigen Männer einfach darin besteht, daß
sie die religiöse Freiheit gewahrt und die Wahrheit mit wahrem
evangelischem Freimuthe -- allerdings ohne das Placet bei den
Herren in Bern einzuholen -- verkündet haben.

An anderen Orten geht es den protestantischen Bildungs-
anstalten um kein Haar besser als den katholischen Klöstern und
Erziehungsinstituten. So hat z. B. in Neuenburg der große
Rath die dortige Akademie aufgehoben. Die Entscheidung er-
folgte fast ohne Discussion auf einen Bericht des Directors des
öffentlichen Unterrichts! Das Decret ist vom 17. Juni; die Pro-
fessoren sind auf den 30. entlassen, wo die Curse aufhören. Diese
Maßregel scheint aus zwei Gründen getroffen worden zu seyn;
einmal will man finanzielle Ersparnisse einführen, und dann will
man die geistige Aristokratie vernichten, als deren Stütze die
Akademie betrachtet wurde. Die Radicalen können überall nichts
weniger ertragen als geistige Ueberlegenheit; es wird ihnen aber
kaum gelingen, durch politische Zwangsmaßregeln der Bildung
des Geistes einen Zaum anzulegen.

Frankreich.

Strasburg 26. Juni, Morgens 10 Uhr. Keine Post ist aus
Paris eingetroffen. Jede telegraphische Communication fehlt.
Alles schwebt in Unruhe und Sorgen.

Nach 10 Uhr. Die Mallepost ist eingetroffen. Nach einer
fürchterlichen Kanonade sind die Jnsurgenten geschlagen worden
und das Gesetz hat die Oberhand. Der Verlust an Menschenleben
soll ungeheuer seyn. Paris brennt an verschiedenen
Orten.

Wir verbinden damit die uns so eben auf außeror-
dentlichem Wege zugekommene Mittheilung, die ein eigenthüm-
liches Licht über die gegenwärtige Lage der Dinge verbreitet:

Die Herzogin von Orleans ist gestern ( am 26. )
mit ihren Kindern in Köln eingetroffen und von
da nach kurzem Aufenthalte nach Brüssel abgereist.

Die Pariser Blätter sind auch heute wieder ausgeblieben.
Der "Kölner Zeitung" entnehmen wir die folgenden Berichte:

Paris 24. Juni 11 Uhr. Die meisten Eisenbahnen sind ab-
gebrochen; da es jedoch wahrscheinlich ist, daß die Post dennoch
Anstalten trifft, die Briefe zu befördern, so will ich Jhnen, so
lange ich noch Hoffnung habe, zur Post zu gelangen, in Kur-
zem berichten, welche Wendung die Dinge seit gestern Nacht ge-
nommen. Leider sind meine Voraussichten richtig gewesen; denn
wir befanden uns am Anfange eines förmlichen Bürgerkrieges.
Der Regen hatte gestern um4 1 / 2 Uhr aufgehört, und sogleich be-
gann der Kampf von Neuem und hartnäckiger, als den ganzen Tag,
Nach Mitternacht hörte das Feuern auf; allein schon bis dahin hat-
ten die Jnsurgenten mehrere Stellungen wieder erobert,
die sie früher verloren hatten.
Während des Waffenstill-
standes überfielen sie das Waffenmagazin der Nationalgarde und
bemächtigten sich unter Anderem 14 Kanonen; auf dem Bastille-
platz, wo 4 Kanonen gegen eine Barrikade gerichtet und dieselben
von der Artillerie zu Fuß und zu Pferde bewacht waren, erlauer-
ten die Jnsurgenten einen günstigen Augenblick und bemächtigten
sich auch dieser 4 Kanonen. Um 3 Uhr Morgens begann die Kanonade
und das Pelotonfeuer von Neuem und dauert bis jetzt fast
ununterbrochen fort.
Wie groß die Anzahl der Verwun-
deten schon seyn muß, können Sie sich denken. Die Revolution
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] seit 300 Jahren klar werden, daß eine wahre politische Ein-
heit und Stärke Deutschlands nur möglich ist, wenn durch Ge-
währleistung und strenge Handhabung der vollkommensten kirch-
lichen Freiheit jeder Grund des Mißtrauens und des Zwie-
spaltes in öffentlichen Angelegenheiten beseitigt wird. Noch sind,
wie bekannt, Viele in Frankfurt, die genug gethan zu haben
meinen, wenn sie die rein politischen Fragen gelöst hätten. Aber
diese religiöse Frage drängt sich, wenn sie jetzt nicht für Alle be-
friedigend erledigt wird, stets wieder in die Politik hinein, und
so wenig eine Wunde heilen kann, so lange der Dorn noch in
derselben steckt, ebenso wenig werden die Wunden des Vaterlan-
des vernarben, wenn die religiöse Entzweiung nicht durch volle
Anerkennung kirchlicher Freiheit beseitigt wird. Der wahre Pa-
triot muß darum Alles an die Erringung dieser Freiheit für
Alle
setzen.

Jn Berlin fängt endlich die Landwehr an sich „von innen
heraus“ zu organisiren. — Jn Sachsen sind die republikani-
schen Vereine auf den Grund der bestehenden Gesetzgebung hin
verboten worden. — Aus Hannover meldet man vom 21. d.
M., daß die erste Kammer sich endlich entschlossen, der be-
sonderen Vertretung des Adels zu entsagen, so daß sie aufgehört
hat, Adelskammer zu seyn, und in Zukunft gleich der zwei-
ten Kammer durch allgemeine Wahlen gebildet werden wird. —
Der Kriegsminister Schreckenstein soll einer Deputation der Ber-
liner Bürgerwehr mit großer Urbanität geantwortet haben: er
werde gern auch ferner dem Corps die Bewachung des Zeughau-
ses anvertrauen, nur müsse man ihm erlauben, dasselbe erst
auszuräumen!
— Aus Offenbach schreibt der gute Herr
Pirazzi, der in neuerer Zeit schrecklich conservativ geworden
ist, dem Frankfurter Journal: „Obgleich Ronge nicht der
Träger des Deutschkatholicismus ist und es niemals war ( ! ) , so
hat man doch in ihm den Mann der That geehrt, welcher zuerst
mit Entschiedenheit und Muth die Bahn gebrochen. Um so mehr
wurde von vielen seiner Verehrer und Glaubensgenossen es be-
dauert, daß er in der jüngsten Zeit sich einer politischen Richtung
hingegeben, die dem religiösen Reformator nicht wohl an-
steht und wodurch seiner Wirksamkeit auf diesem Feld nothwendig
ein bedauernswerther Abtrag geschieht.“ Wir wünschen Herrn
Pirazzi aufrichtig Glück dazu, daß er nach und nach zur Ein-
sicht zu kommen scheint. Uebrigens schimpfen die Frankfurter
Blätter gegen die Freiheitsbestrebungen der Katholiken ärger als
je. Jst das freisinnig? Oder ist ihnen etwa der politische Stoff
ausgegangen? — Auch in Wien wollen die Setzer Sonn-
tags nicht arbeiten und die Zeitungen schweben in Gefahr
Montags nicht erscheinen zu können. — Einem Ministerial-
beschlusse zufolge sollen die in Berlin eintreffenden Mit-
glieder des demokratischen Centralausschusses sofort ausge-
wiesen
werden. — Jm Monat Mai 1848 wurden auf der
Main=Neckar=Eisenbahn 70,031 Personen befördert. Die Ein-
nahmen betrugen in dieser Zeit: a ) für Transport von Personen
32,989 fl. 35 kr., b ) von Gepäck 2140 fl. 6 kr., c ) von 23,645
Ctr. Frachtgut 7408 fl. 56 kr., d ) von Equipagen 754 fl. 48 kr.,
e ) von Thieren 392 fl. 58 kr. Summe der Einnahme 43,686 fl.
23 kr.

Oestreichische Monarchie.

Pesth 20. Juni. Der illyrisch=serbische Aufstand tritt
in immer größerer Furchtbarkeit hervor. Gestern kam hier eine
Estafette aus dem Bacser Comitate an, welche die schleunigste
Hülfe gegen die Jnsurgentenhaufen urgirt. Das Pesther Comi-
tat wird um die Absendung von 10,000 mobilen Nationalgarden
angegangen. Die ganze serbische und croatische Militärgränze
und Syrmien ist insurgirt. Von den römischen Schanzen bis
Tamenitz bei Carlowitz dehnt sich das feste Lager der bereits
20,000 Mann starken und immer zunehmenden Aufständischen.
Ein großer Theil von diesen besteht aus Gränzern, deren solda-
tische Tapferkeit weltbekannt ist. Sie haben auch 10 Geschütze
und sind mit Munition hinlänglich versehen. Von Ungarn und
dem ungarischen Ministerium wollen die Serbier nichts wissen,
und sie nehmen nur von ihrem eigenen provisorischen National-
Comite Befehle an. Der k. Regierungscommissär, Feldmarschall-
Lieutenant von Hrabovsky, Commandant von Peterwardein, ist
noch zu schwach, um gegen die Aufständischen etwas unterneh-
men zu können, und er hat sich daher genöthigt gesehen, einen
Waffenstillstand mit ihnen auf zwei Wochen abzuschließen. Die
Hauptforderung des provisorischen Nationalcomite's geht, nach
dessen uns vorliegenden Proclamationen dahin, daß der serbische
Theil des Banats und der Militärgränze zu einer von Ungarn
getrennten Wojwodenschaft unter dem bereits gewählten Wojwo-
den Oberst Schuplikatz gebildet, und mit Kroatien, Slavonien und
[Spaltenumbruch] Dalmatien verbunden werde. Die griechisch nicht unirten Ser-
bien sollen im äußersten Falle auch entschlossen seyn, den religions-
wie stammverwandten Russen sich in die Arme zu werfen, woge-
gen die römisch=katholischen Kroaten Scheu vor dem russifiziren-
den Popenthum hegen. ( Bresl. Z. )

Schweiz.

Wir hatten vor Kurzem Gelegenheit, die an den katholischen
Geistlichen des Kantons Luzern wegen treuer Pflichterfüllung von
Seiten der dortigen Staatsgewalt begangenen Gewaltthaten zu
rügen; heute müssen wir eben so entschieden gegen die Knechtung
protestiren, welche der protestantischen Kirche im Kanton Bern
zugedacht ist. Dort hat das Obergericht verurtheilt: Em.
Fueter, Helfer in Trubschachen, wegen Kanzelmißbrauchs zu
einer neunmonatlichen Einstellung in seinen pfarramtlichen Func-
tionen; K. G. Neuhaus, Pfarrer in Wichtrach, wegen Amts-
pflichtverletzung zu einer einjährigen Einstellung; F. Fetscherin,
Pfarrer in Trub, wegen Amtsmißbrauch, zur Entsetzung von dieser
Pfarrei. Die Einstellung des Dekans Wyß, Professor, wegen
Anklage auf Widersetzlichkeit, ist als nicht gerechtfertigt erklärt.
Wir brauchen kaum zu bemerken, daß der „Amts= und Kanzel-
mißbrauch “ dieser würdigen Männer einfach darin besteht, daß
sie die religiöse Freiheit gewahrt und die Wahrheit mit wahrem
evangelischem Freimuthe — allerdings ohne das Placet bei den
Herren in Bern einzuholen — verkündet haben.

An anderen Orten geht es den protestantischen Bildungs-
anstalten um kein Haar besser als den katholischen Klöstern und
Erziehungsinstituten. So hat z. B. in Neuenburg der große
Rath die dortige Akademie aufgehoben. Die Entscheidung er-
folgte fast ohne Discussion auf einen Bericht des Directors des
öffentlichen Unterrichts! Das Decret ist vom 17. Juni; die Pro-
fessoren sind auf den 30. entlassen, wo die Curse aufhören. Diese
Maßregel scheint aus zwei Gründen getroffen worden zu seyn;
einmal will man finanzielle Ersparnisse einführen, und dann will
man die geistige Aristokratie vernichten, als deren Stütze die
Akademie betrachtet wurde. Die Radicalen können überall nichts
weniger ertragen als geistige Ueberlegenheit; es wird ihnen aber
kaum gelingen, durch politische Zwangsmaßregeln der Bildung
des Geistes einen Zaum anzulegen.

Frankreich.

Strasburg 26. Juni, Morgens 10 Uhr. Keine Post ist aus
Paris eingetroffen. Jede telegraphische Communication fehlt.
Alles schwebt in Unruhe und Sorgen.

Nach 10 Uhr. Die Mallepost ist eingetroffen. Nach einer
fürchterlichen Kanonade sind die Jnsurgenten geschlagen worden
und das Gesetz hat die Oberhand. Der Verlust an Menschenleben
soll ungeheuer seyn. Paris brennt an verschiedenen
Orten.

☞ Wir verbinden damit die uns so eben auf außeror-
dentlichem Wege zugekommene Mittheilung, die ein eigenthüm-
liches Licht über die gegenwärtige Lage der Dinge verbreitet:

Die Herzogin von Orleans ist gestern ( am 26. )
mit ihren Kindern in Köln eingetroffen und von
da nach kurzem Aufenthalte nach Brüssel abgereist.

Die Pariser Blätter sind auch heute wieder ausgeblieben.
Der „Kölner Zeitung“ entnehmen wir die folgenden Berichte:

Paris 24. Juni 11 Uhr. Die meisten Eisenbahnen sind ab-
gebrochen; da es jedoch wahrscheinlich ist, daß die Post dennoch
Anstalten trifft, die Briefe zu befördern, so will ich Jhnen, so
lange ich noch Hoffnung habe, zur Post zu gelangen, in Kur-
zem berichten, welche Wendung die Dinge seit gestern Nacht ge-
nommen. Leider sind meine Voraussichten richtig gewesen; denn
wir befanden uns am Anfange eines förmlichen Bürgerkrieges.
Der Regen hatte gestern um4 1 / 2 Uhr aufgehört, und sogleich be-
gann der Kampf von Neuem und hartnäckiger, als den ganzen Tag,
Nach Mitternacht hörte das Feuern auf; allein schon bis dahin hat-
ten die Jnsurgenten mehrere Stellungen wieder erobert,
die sie früher verloren hatten.
Während des Waffenstill-
standes überfielen sie das Waffenmagazin der Nationalgarde und
bemächtigten sich unter Anderem 14 Kanonen; auf dem Bastille-
platz, wo 4 Kanonen gegen eine Barrikade gerichtet und dieselben
von der Artillerie zu Fuß und zu Pferde bewacht waren, erlauer-
ten die Jnsurgenten einen günstigen Augenblick und bemächtigten
sich auch dieser 4 Kanonen. Um 3 Uhr Morgens begann die Kanonade
und das Pelotonfeuer von Neuem und dauert bis jetzt fast
ununterbrochen fort.
Wie groß die Anzahl der Verwun-
deten schon seyn muß, können Sie sich denken. Die Revolution
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[0003] seit 300 Jahren klar werden, daß eine wahre politische Ein- heit und Stärke Deutschlands nur möglich ist, wenn durch Ge- währleistung und strenge Handhabung der vollkommensten kirch- lichen Freiheit jeder Grund des Mißtrauens und des Zwie- spaltes in öffentlichen Angelegenheiten beseitigt wird. Noch sind, wie bekannt, Viele in Frankfurt, die genug gethan zu haben meinen, wenn sie die rein politischen Fragen gelöst hätten. Aber diese religiöse Frage drängt sich, wenn sie jetzt nicht für Alle be- friedigend erledigt wird, stets wieder in die Politik hinein, und so wenig eine Wunde heilen kann, so lange der Dorn noch in derselben steckt, ebenso wenig werden die Wunden des Vaterlan- des vernarben, wenn die religiöse Entzweiung nicht durch volle Anerkennung kirchlicher Freiheit beseitigt wird. Der wahre Pa- triot muß darum Alles an die Erringung dieser Freiheit für Alle setzen. Jn Berlin fängt endlich die Landwehr an sich „von innen heraus“ zu organisiren. — Jn Sachsen sind die republikani- schen Vereine auf den Grund der bestehenden Gesetzgebung hin verboten worden. — Aus Hannover meldet man vom 21. d. M., daß die erste Kammer sich endlich entschlossen, der be- sonderen Vertretung des Adels zu entsagen, so daß sie aufgehört hat, Adelskammer zu seyn, und in Zukunft gleich der zwei- ten Kammer durch allgemeine Wahlen gebildet werden wird. — Der Kriegsminister Schreckenstein soll einer Deputation der Ber- liner Bürgerwehr mit großer Urbanität geantwortet haben: er werde gern auch ferner dem Corps die Bewachung des Zeughau- ses anvertrauen, nur müsse man ihm erlauben, dasselbe erst auszuräumen! — Aus Offenbach schreibt der gute Herr Pirazzi, der in neuerer Zeit schrecklich conservativ geworden ist, dem Frankfurter Journal: „Obgleich Ronge nicht der Träger des Deutschkatholicismus ist und es niemals war ( ! ) , so hat man doch in ihm den Mann der That geehrt, welcher zuerst mit Entschiedenheit und Muth die Bahn gebrochen. Um so mehr wurde von vielen seiner Verehrer und Glaubensgenossen es be- dauert, daß er in der jüngsten Zeit sich einer politischen Richtung hingegeben, die dem religiösen Reformator nicht wohl an- steht und wodurch seiner Wirksamkeit auf diesem Feld nothwendig ein bedauernswerther Abtrag geschieht.“ Wir wünschen Herrn Pirazzi aufrichtig Glück dazu, daß er nach und nach zur Ein- sicht zu kommen scheint. Uebrigens schimpfen die Frankfurter Blätter gegen die Freiheitsbestrebungen der Katholiken ärger als je. Jst das freisinnig? Oder ist ihnen etwa der politische Stoff ausgegangen? — Auch in Wien wollen die Setzer Sonn- tags nicht arbeiten und die Zeitungen schweben in Gefahr Montags nicht erscheinen zu können. — Einem Ministerial- beschlusse zufolge sollen die in Berlin eintreffenden Mit- glieder des demokratischen Centralausschusses sofort ausge- wiesen werden. — Jm Monat Mai 1848 wurden auf der Main=Neckar=Eisenbahn 70,031 Personen befördert. Die Ein- nahmen betrugen in dieser Zeit: a ) für Transport von Personen 32,989 fl. 35 kr., b ) von Gepäck 2140 fl. 6 kr., c ) von 23,645 Ctr. Frachtgut 7408 fl. 56 kr., d ) von Equipagen 754 fl. 48 kr., e ) von Thieren 392 fl. 58 kr. Summe der Einnahme 43,686 fl. 23 kr. Oestreichische Monarchie. Pesth 20. Juni. Der illyrisch=serbische Aufstand tritt in immer größerer Furchtbarkeit hervor. Gestern kam hier eine Estafette aus dem Bacser Comitate an, welche die schleunigste Hülfe gegen die Jnsurgentenhaufen urgirt. Das Pesther Comi- tat wird um die Absendung von 10,000 mobilen Nationalgarden angegangen. Die ganze serbische und croatische Militärgränze und Syrmien ist insurgirt. Von den römischen Schanzen bis Tamenitz bei Carlowitz dehnt sich das feste Lager der bereits 20,000 Mann starken und immer zunehmenden Aufständischen. Ein großer Theil von diesen besteht aus Gränzern, deren solda- tische Tapferkeit weltbekannt ist. Sie haben auch 10 Geschütze und sind mit Munition hinlänglich versehen. Von Ungarn und dem ungarischen Ministerium wollen die Serbier nichts wissen, und sie nehmen nur von ihrem eigenen provisorischen National- Comite Befehle an. Der k. Regierungscommissär, Feldmarschall- Lieutenant von Hrabovsky, Commandant von Peterwardein, ist noch zu schwach, um gegen die Aufständischen etwas unterneh- men zu können, und er hat sich daher genöthigt gesehen, einen Waffenstillstand mit ihnen auf zwei Wochen abzuschließen. Die Hauptforderung des provisorischen Nationalcomite's geht, nach dessen uns vorliegenden Proclamationen dahin, daß der serbische Theil des Banats und der Militärgränze zu einer von Ungarn getrennten Wojwodenschaft unter dem bereits gewählten Wojwo- den Oberst Schuplikatz gebildet, und mit Kroatien, Slavonien und Dalmatien verbunden werde. Die griechisch nicht unirten Ser- bien sollen im äußersten Falle auch entschlossen seyn, den religions- wie stammverwandten Russen sich in die Arme zu werfen, woge- gen die römisch=katholischen Kroaten Scheu vor dem russifiziren- den Popenthum hegen. ( Bresl. Z. ) Schweiz. Wir hatten vor Kurzem Gelegenheit, die an den katholischen Geistlichen des Kantons Luzern wegen treuer Pflichterfüllung von Seiten der dortigen Staatsgewalt begangenen Gewaltthaten zu rügen; heute müssen wir eben so entschieden gegen die Knechtung protestiren, welche der protestantischen Kirche im Kanton Bern zugedacht ist. Dort hat das Obergericht verurtheilt: Em. Fueter, Helfer in Trubschachen, wegen Kanzelmißbrauchs zu einer neunmonatlichen Einstellung in seinen pfarramtlichen Func- tionen; K. G. Neuhaus, Pfarrer in Wichtrach, wegen Amts- pflichtverletzung zu einer einjährigen Einstellung; F. Fetscherin, Pfarrer in Trub, wegen Amtsmißbrauch, zur Entsetzung von dieser Pfarrei. Die Einstellung des Dekans Wyß, Professor, wegen Anklage auf Widersetzlichkeit, ist als nicht gerechtfertigt erklärt. Wir brauchen kaum zu bemerken, daß der „Amts= und Kanzel- mißbrauch “ dieser würdigen Männer einfach darin besteht, daß sie die religiöse Freiheit gewahrt und die Wahrheit mit wahrem evangelischem Freimuthe — allerdings ohne das Placet bei den Herren in Bern einzuholen — verkündet haben. An anderen Orten geht es den protestantischen Bildungs- anstalten um kein Haar besser als den katholischen Klöstern und Erziehungsinstituten. So hat z. B. in Neuenburg der große Rath die dortige Akademie aufgehoben. Die Entscheidung er- folgte fast ohne Discussion auf einen Bericht des Directors des öffentlichen Unterrichts! Das Decret ist vom 17. Juni; die Pro- fessoren sind auf den 30. entlassen, wo die Curse aufhören. Diese Maßregel scheint aus zwei Gründen getroffen worden zu seyn; einmal will man finanzielle Ersparnisse einführen, und dann will man die geistige Aristokratie vernichten, als deren Stütze die Akademie betrachtet wurde. Die Radicalen können überall nichts weniger ertragen als geistige Ueberlegenheit; es wird ihnen aber kaum gelingen, durch politische Zwangsmaßregeln der Bildung des Geistes einen Zaum anzulegen. Frankreich. Strasburg 26. Juni, Morgens 10 Uhr. Keine Post ist aus Paris eingetroffen. Jede telegraphische Communication fehlt. Alles schwebt in Unruhe und Sorgen. Nach 10 Uhr. Die Mallepost ist eingetroffen. Nach einer fürchterlichen Kanonade sind die Jnsurgenten geschlagen worden und das Gesetz hat die Oberhand. Der Verlust an Menschenleben soll ungeheuer seyn. Paris brennt an verschiedenen Orten. ☞ Wir verbinden damit die uns so eben auf außeror- dentlichem Wege zugekommene Mittheilung, die ein eigenthüm- liches Licht über die gegenwärtige Lage der Dinge verbreitet: Die Herzogin von Orleans ist gestern ( am 26. ) mit ihren Kindern in Köln eingetroffen und von da nach kurzem Aufenthalte nach Brüssel abgereist. Die Pariser Blätter sind auch heute wieder ausgeblieben. Der „Kölner Zeitung“ entnehmen wir die folgenden Berichte: Paris 24. Juni 11 Uhr. Die meisten Eisenbahnen sind ab- gebrochen; da es jedoch wahrscheinlich ist, daß die Post dennoch Anstalten trifft, die Briefe zu befördern, so will ich Jhnen, so lange ich noch Hoffnung habe, zur Post zu gelangen, in Kur- zem berichten, welche Wendung die Dinge seit gestern Nacht ge- nommen. Leider sind meine Voraussichten richtig gewesen; denn wir befanden uns am Anfange eines förmlichen Bürgerkrieges. Der Regen hatte gestern um4 1 / 2 Uhr aufgehört, und sogleich be- gann der Kampf von Neuem und hartnäckiger, als den ganzen Tag, Nach Mitternacht hörte das Feuern auf; allein schon bis dahin hat- ten die Jnsurgenten mehrere Stellungen wieder erobert, die sie früher verloren hatten. Während des Waffenstill- standes überfielen sie das Waffenmagazin der Nationalgarde und bemächtigten sich unter Anderem 14 Kanonen; auf dem Bastille- platz, wo 4 Kanonen gegen eine Barrikade gerichtet und dieselben von der Artillerie zu Fuß und zu Pferde bewacht waren, erlauer- ten die Jnsurgenten einen günstigen Augenblick und bemächtigten sich auch dieser 4 Kanonen. Um 3 Uhr Morgens begann die Kanonade und das Pelotonfeuer von Neuem und dauert bis jetzt fast ununterbrochen fort. Wie groß die Anzahl der Verwun- deten schon seyn muß, können Sie sich denken. Die Revolution

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 13. Mainz, 28. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal013_1848/3>, abgerufen am 29.05.2024.