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Mainzer Journal. Nr. 15. Mainz, 30. Juni 1848.

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[Beginn Spaltensatz] und Halsweh, er kann's in Frankfurt nicht mehr aushalten und
geht nach München zurück. Der Mann wird's auch erfahren
haben, daß es leichter ist giftige Zeitungsartikel zu schreiben, als
im deutschen Nationalparlament zu sprechen und zu debattiren!
-- Jn der hannöverschen Kammer ist ein Antrag auf Ab-
schaffung der bekannten Offizier=Cölibats=Ordre gestellt, wor-
den. -- Am 13. Juni fand in Gotha eine Versammlung der
Handwerker statt, welcher auch der Herzog beiwohnte. Es
wurde Abschaffung des Patentwesens und Herstellung der
Jnnungen
beschlossen. -- Die Wiener Todtenkopf-
legion
zählt bereits 300 Männer, deren Pflicht es ist, erstens
bei jeder Gefahr die Vorkämpfer zu seyn, zweitens Blut und
Leben für die Freiheit einzusetzen und drittens weder Pardon zu
nehmen noch zu geben. Trotz alle Dem ist der Todtenkopf am
Hute eine Komödie! -- Von Eupen ist eine mit 2,300, von
Münster eine mit 7,644 Unterschriften versehene Petition, um
Unabhängigkeit der Kirche vom Staat, an das Parlament zu
Frankfurt abgegangen. Eben solche Adressen aus dem Kreise
Adenau und aus Olpe und der Umgegend. Ueberall mit
einem Worte ein gewaltiges Aufstreben der religiösen Freiheit!

Schweiz.

# Aus dem Canton Freiburg 25. Juni. Der Druck, der
uns im Namen der Freiheit aufgelegt wird, wird immer ärger,
und es gibt nichts mehr, worin unsere Regierung nicht bevor-
mundend und störend eingriffe. Die Presse darf es nicht wagen,
sich offen über die Gesinnung des Volkes auszusprechen, das
namentlich durch die religiösen Bedrängungen sich auf's tiefste ver-
letzt fühlt. Die Regierung maßt sich seit einiger Zeit, allen Pro-
testationen des Bischofs zum trotz, das Recht an, die geistlichen
Stellen zu besetzen, und da das Volk solche aufgedrungene Hirten
nicht mag und anerkennt, der Bischof auch sich weigert, solchen
die geistliche Jurisdiction zu ertheilen, so sind manche Pfarreien
ohne Pfarrer, und mehr noch drohen es zu werden. Es könnte
auffallend seyn, wie unsere Regierung der allgemeinen Forderung
der Zeit, die Unabhängigkeit der Kirche vom Staate verlangt, so
sehr entgegen handeln kann; aber diese Sorte von Freiheits-
männern kümmert sich wenig um Consequenz; wenn sie nur
herschen können, Das ist ihnen genug.

Jtalien.

Aus Jtalien kein Ereigniß von Bedeutung. Jn Palermo
war alles mit der nahen Wahl eines Königs beschäftigt, wofür
der zweite Sohn Carl Alberts, der Großherzog von Toscana
und zwei Napoleoniden ( namentlich Ludwig Bonaparte ) vorge-
schlagen waren. Jn Neapel bis zum 18. Juni die Ruhe nicht
gestört; in den Provinzen wachsender Aufstand. Jn Genua
( von wo wir Briefe bis zum 23. haben ) Bestürzung und Ent-
rüstung über die Erfolge der österreichischen Waffen im Venetia-
nischen; Geschrei über Verrath, Wuth über Durando, Straßen-
tumulte, selbst Plünderungsdrohungen, wenn man den Krieg
nicht entscheidend führe und den Adel und Klerus zahlen lasse.
Jn Turin ein Aufgebot von neuen 24,000 Mann. Aus Ve-
rona
haben wir ebenfalls Briefe bis zum 23. Juni. Kein Ereig-
niß. Aber Aerger und bitterer Groll über den von der Wiener
Zeitung gemeldeten, an Radetzky ergangenen Befehl zur Waffen-
ruhe. Ob die Waffenruhe im Venetianischen eingetreten ist, bleibt
zweifelhaft. Es geht uns zwar heute ein Schreiben aus Vene-
dig
zu, aber es ist vom 19. Juni datirt, da es den Umweg über
Mailand nach der Schweiz machen mußte. Damals hörte man
in Venedig den Geschützdonner vom Fort Malghera her; be-
kanntlich besetzte damals Welden die meisten Orte des Lagunen-
randes. Ueber ein Unterstützungsgesuch Venedigs an Frankreich
hören wir nichts weiter; aber die Pariser Blätter meldeten in
den letzten Tagen, daß ein Abgesandter Venedigs angekommen
sey und häufige Conferenzen mit den Mitgliedern der Regierung
habe. ( A. Z. )

Genua 19. Juni. Von der sardinischen Flotte vor Triest ist
heute die Nachricht eingegangen, daß der Admiral Albini den
Plan einer Beschießung der Stadt, oder, wie sich die Jtaliener
ausdrücken, "der Befreiung Triests vom österreichischen Joch"
aufgegeben hat, weil er sich nach der Entfernung des neapolitani-
schen Geschwaders zu schwach dazu fühlt. Aus eben diesem
Grunde hatte er in der Nacht vom 13. auf den 14. die Rhede von
Triest verlassen und sich nach Pirano zurückgezogen. Die Blokade
soll von dort aus festgesetzt werden. Die Nachricht, daß die öster-
reichischen Kriegsschiffe nach Pola entkommen seyen, hat sich nicht
bestätigt. Für jetzt ist indeß im Hafen von Triest für sie keine Ge-
fahr mehr vorhanden; Albini scheint im Gegentheil zu fürchten,
daß sie die Offensive ergreifen möchten.

[Spaltenumbruch]

Das Parlament von Palermo hat eine Liste von fünf Can-
didaten aufgestellt, aus denen der zukünftige König von Sicilien
genommen werden soll. Es finden sich Namen darunter, die ge-
wiß Jeden überraschen werden. Es sind dies folgende: ein Sohn
des Königs von Sardinien -- der Sohn des Herzogs von Tos-
kana -- Ludwig Napoleon -- der Prinz von Canino -- Prinz
Beauharnais ( ? ) . ( Karlsr. Z. )

Frankreich.

Straßburg 27. Juni, 6 Uhr Abends. Telegraphi-
sche Depesche.

Paris 27. Juni, 4 Uhr Abends. Der Chef der vollziehen-
den Gewalt an die Präfekten. Die Ruhe ist in Paris wieder
hergestellt. Die Nationalgarden strömen von allen Punkten Frank-
reichs herbei.

Straßburg 28. Juni, 11 Uhr Morgens. Telegraphische
Depesche.

Paris 28. Juni, 9 Uhr Vormittags. Der Chef der voll-
ziehenden Gewalt an die Präfekten. Stellen Sie überall die Be-
wegung der Nationalgarden nach Paris, wo ihre Gegenwart un-
nütz ware, ein. Danken Sie Jhnen im Namen des Vaterlandes
für ihren großmüthigen Eifer.

* * * Paris 27. Juni. Der Kampf ist zu Ende, es ist in der
Vorstadt St. Antoine nur ein Haus abgebrannt, -- allein er
hat bei seinem Schlusse noch ein theures Opfer gefordert: der
Erzbischof von Paris
ist bei seinem Versöhnungsversuche
gleich dem edeln Gagern bei Kandern lebensgefährlich verwundet
worden und man zweifelte gestern Abend um acht Uhr an seinem Auf-
kommen. Ueber den nähern Verlauf vernimmt man Folgendes. Der
Erzbischof begab sich am 25. um 7 Uhr Abends von zweien seiner Ge-
neralvicare und einem braven jungen Manne begleitet mit der Pro-
klamation des Generals Cavaignac zu den Jnsurgenten. Bei seiner
Ankunft auf dem Bastilleplatz bat er den dort stationirten Obersten des
24. Regimentes das Feuern einzustellen, was denn auch sowohl von
Seiten des Militärs als der Aufständischen geschah. Der junge
Mann im Gefolge des Erzbischofs band nun ein weißes Tuch
an einen Stock und ging von dem Prälaten begleitet auf die
Barricade los, welche den Eingang zum Faubourg St.=Antoine
versperrte. Hier entspann sich nun zwischen beiden Parteien ein
friedliches Gespräch, als auf einmal ein vereinzelter Flintenschuß
fiel und lautes Geschrei sich erhob, von beiden Seiten wurde jetzt
allgemein gefeuert und der Erzbischof, der in der maaslosen Ver-
wirrung die Barricade erstiegen hatte und sich seinem Volke
in die Arme werfen wollte, erhielt einen Schuß in die linke
Seite. Die tief bestürzten Empörer trugen ihn mit allen Zeichen
der Ehrfurcht in das Hospital Quinze=Vingts, wo er die Nacht
über verblieb und ließen sich von dem Generalvicar Jacquemet
eine Bescheinigung ausstellen, daß sie an dieser Verwundung un-
schuldig seyen. Der Schuß war auch in der That von hinten
und von oben herab gefallen, so daß an eine absichtliche Tödtung
nicht gedacht werden kann. Am andern Morgen wurde der Prä-
lat in seine Wohnung zurückgebracht, wo er, wie gesagt, gestern
Abend um acht Uhr in einem hoffnungslosen Zustand sich befand.
Auch die Kirche hat also ihr Opfer gebracht! Der Erzbischof
wußte ganz gut, was er that, denn schon am Tage vorher hatte
er seinen Freunden gesagt: "Es handelt sich um mein Leben,
allein ich bringe es gern als Opfer dar!"

Die Zahl der Verhafteten und Gefangenen läßt sich kaum
mehr bemessen. Jn dem einzigen Clos St. Lazare wurden nach
der Erstürmung 6000 Flinten und entsprechende Kriegsmuni-
tion gefunden. Die meisten Patronen waren mit feinem Pulver
und außer der Kugel noch mit gehacktem Blei gefüllt. Mehrere
Kugeln waren von Eisen. Neben der rothen war im Quartier
St. Anton auch die alte Fahne der Flibustiers, die schwarze, auf-
gepflanzt.

Von der mobilen Garde, lauter pariser Jungen von 16 bis
18 Jahren, haben das 7., 16. und 19. Bataillon am meisten
gelitten. Das 7. Bataillon verlor von 700 Mann 300. Gegen
sie, ihre ehemaligen Kameraden von der Barrikade her, ver-
fuhren die Jnsurgenten am wüthendsten, weil sie sich in ihrer
Hoffnung, die Mobilen würden auch die Fahne des Aufstandes
aufpflanzen, getäuscht sahen. Sie sollen jetzt mit der Linie ver-
schmolzen werden.

Beim Minister des Ackerbaues und des Handels Herrn Flo-
con,
ist Haussuchung vorgenommen worden. Wirklich eine hüb-
sche Regierung!

General Cavaignac hat am 25. eine Proclamation erlas-
sen, in welcher es heißt: "Bürger und Soldaten! Dank euren
Bestrebungen, -- der Aufstand liegt in den letzten Zügen
und dieser soziale, dieser gottlose Kampf ist seinem Erlöschen
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[Beginn Spaltensatz] und Halsweh, er kann's in Frankfurt nicht mehr aushalten und
geht nach München zurück. Der Mann wird's auch erfahren
haben, daß es leichter ist giftige Zeitungsartikel zu schreiben, als
im deutschen Nationalparlament zu sprechen und zu debattiren!
— Jn der hannöverschen Kammer ist ein Antrag auf Ab-
schaffung der bekannten Offizier=Cölibats=Ordre gestellt, wor-
den. — Am 13. Juni fand in Gotha eine Versammlung der
Handwerker statt, welcher auch der Herzog beiwohnte. Es
wurde Abschaffung des Patentwesens und Herstellung der
Jnnungen
beschlossen. — Die Wiener Todtenkopf-
legion
zählt bereits 300 Männer, deren Pflicht es ist, erstens
bei jeder Gefahr die Vorkämpfer zu seyn, zweitens Blut und
Leben für die Freiheit einzusetzen und drittens weder Pardon zu
nehmen noch zu geben. Trotz alle Dem ist der Todtenkopf am
Hute eine Komödie! — Von Eupen ist eine mit 2,300, von
Münster eine mit 7,644 Unterschriften versehene Petition, um
Unabhängigkeit der Kirche vom Staat, an das Parlament zu
Frankfurt abgegangen. Eben solche Adressen aus dem Kreise
Adenau und aus Olpe und der Umgegend. Ueberall mit
einem Worte ein gewaltiges Aufstreben der religiösen Freiheit!

Schweiz.

□ Aus dem Canton Freiburg 25. Juni. Der Druck, der
uns im Namen der Freiheit aufgelegt wird, wird immer ärger,
und es gibt nichts mehr, worin unsere Regierung nicht bevor-
mundend und störend eingriffe. Die Presse darf es nicht wagen,
sich offen über die Gesinnung des Volkes auszusprechen, das
namentlich durch die religiösen Bedrängungen sich auf's tiefste ver-
letzt fühlt. Die Regierung maßt sich seit einiger Zeit, allen Pro-
testationen des Bischofs zum trotz, das Recht an, die geistlichen
Stellen zu besetzen, und da das Volk solche aufgedrungene Hirten
nicht mag und anerkennt, der Bischof auch sich weigert, solchen
die geistliche Jurisdiction zu ertheilen, so sind manche Pfarreien
ohne Pfarrer, und mehr noch drohen es zu werden. Es könnte
auffallend seyn, wie unsere Regierung der allgemeinen Forderung
der Zeit, die Unabhängigkeit der Kirche vom Staate verlangt, so
sehr entgegen handeln kann; aber diese Sorte von Freiheits-
männern kümmert sich wenig um Consequenz; wenn sie nur
herschen können, Das ist ihnen genug.

Jtalien.

Aus Jtalien kein Ereigniß von Bedeutung. Jn Palermo
war alles mit der nahen Wahl eines Königs beschäftigt, wofür
der zweite Sohn Carl Alberts, der Großherzog von Toscana
und zwei Napoleoniden ( namentlich Ludwig Bonaparte ) vorge-
schlagen waren. Jn Neapel bis zum 18. Juni die Ruhe nicht
gestört; in den Provinzen wachsender Aufstand. Jn Genua
( von wo wir Briefe bis zum 23. haben ) Bestürzung und Ent-
rüstung über die Erfolge der österreichischen Waffen im Venetia-
nischen; Geschrei über Verrath, Wuth über Durando, Straßen-
tumulte, selbst Plünderungsdrohungen, wenn man den Krieg
nicht entscheidend führe und den Adel und Klerus zahlen lasse.
Jn Turin ein Aufgebot von neuen 24,000 Mann. Aus Ve-
rona
haben wir ebenfalls Briefe bis zum 23. Juni. Kein Ereig-
niß. Aber Aerger und bitterer Groll über den von der Wiener
Zeitung gemeldeten, an Radetzky ergangenen Befehl zur Waffen-
ruhe. Ob die Waffenruhe im Venetianischen eingetreten ist, bleibt
zweifelhaft. Es geht uns zwar heute ein Schreiben aus Vene-
dig
zu, aber es ist vom 19. Juni datirt, da es den Umweg über
Mailand nach der Schweiz machen mußte. Damals hörte man
in Venedig den Geschützdonner vom Fort Malghera her; be-
kanntlich besetzte damals Welden die meisten Orte des Lagunen-
randes. Ueber ein Unterstützungsgesuch Venedigs an Frankreich
hören wir nichts weiter; aber die Pariser Blätter meldeten in
den letzten Tagen, daß ein Abgesandter Venedigs angekommen
sey und häufige Conferenzen mit den Mitgliedern der Regierung
habe. ( A. Z. )

Genua 19. Juni. Von der sardinischen Flotte vor Triest ist
heute die Nachricht eingegangen, daß der Admiral Albini den
Plan einer Beschießung der Stadt, oder, wie sich die Jtaliener
ausdrücken, „der Befreiung Triests vom österreichischen Joch“
aufgegeben hat, weil er sich nach der Entfernung des neapolitani-
schen Geschwaders zu schwach dazu fühlt. Aus eben diesem
Grunde hatte er in der Nacht vom 13. auf den 14. die Rhede von
Triest verlassen und sich nach Pirano zurückgezogen. Die Blokade
soll von dort aus festgesetzt werden. Die Nachricht, daß die öster-
reichischen Kriegsschiffe nach Pola entkommen seyen, hat sich nicht
bestätigt. Für jetzt ist indeß im Hafen von Triest für sie keine Ge-
fahr mehr vorhanden; Albini scheint im Gegentheil zu fürchten,
daß sie die Offensive ergreifen möchten.

[Spaltenumbruch]

Das Parlament von Palermo hat eine Liste von fünf Can-
didaten aufgestellt, aus denen der zukünftige König von Sicilien
genommen werden soll. Es finden sich Namen darunter, die ge-
wiß Jeden überraschen werden. Es sind dies folgende: ein Sohn
des Königs von Sardinien — der Sohn des Herzogs von Tos-
kana — Ludwig Napoleon — der Prinz von Canino — Prinz
Beauharnais ( ? ) . ( Karlsr. Z. )

Frankreich.

Straßburg 27. Juni, 6 Uhr Abends. Telegraphi-
sche Depesche.

Paris 27. Juni, 4 Uhr Abends. Der Chef der vollziehen-
den Gewalt an die Präfekten. Die Ruhe ist in Paris wieder
hergestellt. Die Nationalgarden strömen von allen Punkten Frank-
reichs herbei.

Straßburg 28. Juni, 11 Uhr Morgens. Telegraphische
Depesche.

Paris 28. Juni, 9 Uhr Vormittags. Der Chef der voll-
ziehenden Gewalt an die Präfekten. Stellen Sie überall die Be-
wegung der Nationalgarden nach Paris, wo ihre Gegenwart un-
nütz ware, ein. Danken Sie Jhnen im Namen des Vaterlandes
für ihren großmüthigen Eifer.

* * * Paris 27. Juni. Der Kampf ist zu Ende, es ist in der
Vorstadt St. Antoine nur ein Haus abgebrannt, — allein er
hat bei seinem Schlusse noch ein theures Opfer gefordert: der
Erzbischof von Paris
ist bei seinem Versöhnungsversuche
gleich dem edeln Gagern bei Kandern lebensgefährlich verwundet
worden und man zweifelte gestern Abend um acht Uhr an seinem Auf-
kommen. Ueber den nähern Verlauf vernimmt man Folgendes. Der
Erzbischof begab sich am 25. um 7 Uhr Abends von zweien seiner Ge-
neralvicare und einem braven jungen Manne begleitet mit der Pro-
klamation des Generals Cavaignac zu den Jnsurgenten. Bei seiner
Ankunft auf dem Bastilleplatz bat er den dort stationirten Obersten des
24. Regimentes das Feuern einzustellen, was denn auch sowohl von
Seiten des Militärs als der Aufständischen geschah. Der junge
Mann im Gefolge des Erzbischofs band nun ein weißes Tuch
an einen Stock und ging von dem Prälaten begleitet auf die
Barricade los, welche den Eingang zum Faubourg St.=Antoine
versperrte. Hier entspann sich nun zwischen beiden Parteien ein
friedliches Gespräch, als auf einmal ein vereinzelter Flintenschuß
fiel und lautes Geschrei sich erhob, von beiden Seiten wurde jetzt
allgemein gefeuert und der Erzbischof, der in der maaslosen Ver-
wirrung die Barricade erstiegen hatte und sich seinem Volke
in die Arme werfen wollte, erhielt einen Schuß in die linke
Seite. Die tief bestürzten Empörer trugen ihn mit allen Zeichen
der Ehrfurcht in das Hospital Quinze=Vingts, wo er die Nacht
über verblieb und ließen sich von dem Generalvicar Jacquemet
eine Bescheinigung ausstellen, daß sie an dieser Verwundung un-
schuldig seyen. Der Schuß war auch in der That von hinten
und von oben herab gefallen, so daß an eine absichtliche Tödtung
nicht gedacht werden kann. Am andern Morgen wurde der Prä-
lat in seine Wohnung zurückgebracht, wo er, wie gesagt, gestern
Abend um acht Uhr in einem hoffnungslosen Zustand sich befand.
Auch die Kirche hat also ihr Opfer gebracht! Der Erzbischof
wußte ganz gut, was er that, denn schon am Tage vorher hatte
er seinen Freunden gesagt: „Es handelt sich um mein Leben,
allein ich bringe es gern als Opfer dar!“

Die Zahl der Verhafteten und Gefangenen läßt sich kaum
mehr bemessen. Jn dem einzigen Clos St. Lazare wurden nach
der Erstürmung 6000 Flinten und entsprechende Kriegsmuni-
tion gefunden. Die meisten Patronen waren mit feinem Pulver
und außer der Kugel noch mit gehacktem Blei gefüllt. Mehrere
Kugeln waren von Eisen. Neben der rothen war im Quartier
St. Anton auch die alte Fahne der Flibustiers, die schwarze, auf-
gepflanzt.

Von der mobilen Garde, lauter pariser Jungen von 16 bis
18 Jahren, haben das 7., 16. und 19. Bataillon am meisten
gelitten. Das 7. Bataillon verlor von 700 Mann 300. Gegen
sie, ihre ehemaligen Kameraden von der Barrikade her, ver-
fuhren die Jnsurgenten am wüthendsten, weil sie sich in ihrer
Hoffnung, die Mobilen würden auch die Fahne des Aufstandes
aufpflanzen, getäuscht sahen. Sie sollen jetzt mit der Linie ver-
schmolzen werden.

Beim Minister des Ackerbaues und des Handels Herrn Flo-
con,
ist Haussuchung vorgenommen worden. Wirklich eine hüb-
sche Regierung!

General Cavaignac hat am 25. eine Proclamation erlas-
sen, in welcher es heißt: „Bürger und Soldaten! Dank euren
Bestrebungen, — der Aufstand liegt in den letzten Zügen
und dieser soziale, dieser gottlose Kampf ist seinem Erlöschen
[Ende Spaltensatz]

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[0003] und Halsweh, er kann's in Frankfurt nicht mehr aushalten und geht nach München zurück. Der Mann wird's auch erfahren haben, daß es leichter ist giftige Zeitungsartikel zu schreiben, als im deutschen Nationalparlament zu sprechen und zu debattiren! — Jn der hannöverschen Kammer ist ein Antrag auf Ab- schaffung der bekannten Offizier=Cölibats=Ordre gestellt, wor- den. — Am 13. Juni fand in Gotha eine Versammlung der Handwerker statt, welcher auch der Herzog beiwohnte. Es wurde Abschaffung des Patentwesens und Herstellung der Jnnungen beschlossen. — Die Wiener Todtenkopf- legion zählt bereits 300 Männer, deren Pflicht es ist, erstens bei jeder Gefahr die Vorkämpfer zu seyn, zweitens Blut und Leben für die Freiheit einzusetzen und drittens weder Pardon zu nehmen noch zu geben. Trotz alle Dem ist der Todtenkopf am Hute eine Komödie! — Von Eupen ist eine mit 2,300, von Münster eine mit 7,644 Unterschriften versehene Petition, um Unabhängigkeit der Kirche vom Staat, an das Parlament zu Frankfurt abgegangen. Eben solche Adressen aus dem Kreise Adenau und aus Olpe und der Umgegend. Ueberall mit einem Worte ein gewaltiges Aufstreben der religiösen Freiheit! Schweiz. □ Aus dem Canton Freiburg 25. Juni. Der Druck, der uns im Namen der Freiheit aufgelegt wird, wird immer ärger, und es gibt nichts mehr, worin unsere Regierung nicht bevor- mundend und störend eingriffe. Die Presse darf es nicht wagen, sich offen über die Gesinnung des Volkes auszusprechen, das namentlich durch die religiösen Bedrängungen sich auf's tiefste ver- letzt fühlt. Die Regierung maßt sich seit einiger Zeit, allen Pro- testationen des Bischofs zum trotz, das Recht an, die geistlichen Stellen zu besetzen, und da das Volk solche aufgedrungene Hirten nicht mag und anerkennt, der Bischof auch sich weigert, solchen die geistliche Jurisdiction zu ertheilen, so sind manche Pfarreien ohne Pfarrer, und mehr noch drohen es zu werden. Es könnte auffallend seyn, wie unsere Regierung der allgemeinen Forderung der Zeit, die Unabhängigkeit der Kirche vom Staate verlangt, so sehr entgegen handeln kann; aber diese Sorte von Freiheits- männern kümmert sich wenig um Consequenz; wenn sie nur herschen können, Das ist ihnen genug. Jtalien. Aus Jtalien kein Ereigniß von Bedeutung. Jn Palermo war alles mit der nahen Wahl eines Königs beschäftigt, wofür der zweite Sohn Carl Alberts, der Großherzog von Toscana und zwei Napoleoniden ( namentlich Ludwig Bonaparte ) vorge- schlagen waren. Jn Neapel bis zum 18. Juni die Ruhe nicht gestört; in den Provinzen wachsender Aufstand. Jn Genua ( von wo wir Briefe bis zum 23. haben ) Bestürzung und Ent- rüstung über die Erfolge der österreichischen Waffen im Venetia- nischen; Geschrei über Verrath, Wuth über Durando, Straßen- tumulte, selbst Plünderungsdrohungen, wenn man den Krieg nicht entscheidend führe und den Adel und Klerus zahlen lasse. Jn Turin ein Aufgebot von neuen 24,000 Mann. Aus Ve- rona haben wir ebenfalls Briefe bis zum 23. Juni. Kein Ereig- niß. Aber Aerger und bitterer Groll über den von der Wiener Zeitung gemeldeten, an Radetzky ergangenen Befehl zur Waffen- ruhe. Ob die Waffenruhe im Venetianischen eingetreten ist, bleibt zweifelhaft. Es geht uns zwar heute ein Schreiben aus Vene- dig zu, aber es ist vom 19. Juni datirt, da es den Umweg über Mailand nach der Schweiz machen mußte. Damals hörte man in Venedig den Geschützdonner vom Fort Malghera her; be- kanntlich besetzte damals Welden die meisten Orte des Lagunen- randes. Ueber ein Unterstützungsgesuch Venedigs an Frankreich hören wir nichts weiter; aber die Pariser Blätter meldeten in den letzten Tagen, daß ein Abgesandter Venedigs angekommen sey und häufige Conferenzen mit den Mitgliedern der Regierung habe. ( A. Z. ) Genua 19. Juni. Von der sardinischen Flotte vor Triest ist heute die Nachricht eingegangen, daß der Admiral Albini den Plan einer Beschießung der Stadt, oder, wie sich die Jtaliener ausdrücken, „der Befreiung Triests vom österreichischen Joch“ aufgegeben hat, weil er sich nach der Entfernung des neapolitani- schen Geschwaders zu schwach dazu fühlt. Aus eben diesem Grunde hatte er in der Nacht vom 13. auf den 14. die Rhede von Triest verlassen und sich nach Pirano zurückgezogen. Die Blokade soll von dort aus festgesetzt werden. Die Nachricht, daß die öster- reichischen Kriegsschiffe nach Pola entkommen seyen, hat sich nicht bestätigt. Für jetzt ist indeß im Hafen von Triest für sie keine Ge- fahr mehr vorhanden; Albini scheint im Gegentheil zu fürchten, daß sie die Offensive ergreifen möchten. Das Parlament von Palermo hat eine Liste von fünf Can- didaten aufgestellt, aus denen der zukünftige König von Sicilien genommen werden soll. Es finden sich Namen darunter, die ge- wiß Jeden überraschen werden. Es sind dies folgende: ein Sohn des Königs von Sardinien — der Sohn des Herzogs von Tos- kana — Ludwig Napoleon — der Prinz von Canino — Prinz Beauharnais ( ? ) . ( Karlsr. Z. ) Frankreich. Straßburg 27. Juni, 6 Uhr Abends. Telegraphi- sche Depesche. Paris 27. Juni, 4 Uhr Abends. Der Chef der vollziehen- den Gewalt an die Präfekten. Die Ruhe ist in Paris wieder hergestellt. Die Nationalgarden strömen von allen Punkten Frank- reichs herbei. Straßburg 28. Juni, 11 Uhr Morgens. Telegraphische Depesche. Paris 28. Juni, 9 Uhr Vormittags. Der Chef der voll- ziehenden Gewalt an die Präfekten. Stellen Sie überall die Be- wegung der Nationalgarden nach Paris, wo ihre Gegenwart un- nütz ware, ein. Danken Sie Jhnen im Namen des Vaterlandes für ihren großmüthigen Eifer. * * * Paris 27. Juni. Der Kampf ist zu Ende, es ist in der Vorstadt St. Antoine nur ein Haus abgebrannt, — allein er hat bei seinem Schlusse noch ein theures Opfer gefordert: der Erzbischof von Paris ist bei seinem Versöhnungsversuche gleich dem edeln Gagern bei Kandern lebensgefährlich verwundet worden und man zweifelte gestern Abend um acht Uhr an seinem Auf- kommen. Ueber den nähern Verlauf vernimmt man Folgendes. Der Erzbischof begab sich am 25. um 7 Uhr Abends von zweien seiner Ge- neralvicare und einem braven jungen Manne begleitet mit der Pro- klamation des Generals Cavaignac zu den Jnsurgenten. Bei seiner Ankunft auf dem Bastilleplatz bat er den dort stationirten Obersten des 24. Regimentes das Feuern einzustellen, was denn auch sowohl von Seiten des Militärs als der Aufständischen geschah. Der junge Mann im Gefolge des Erzbischofs band nun ein weißes Tuch an einen Stock und ging von dem Prälaten begleitet auf die Barricade los, welche den Eingang zum Faubourg St.=Antoine versperrte. Hier entspann sich nun zwischen beiden Parteien ein friedliches Gespräch, als auf einmal ein vereinzelter Flintenschuß fiel und lautes Geschrei sich erhob, von beiden Seiten wurde jetzt allgemein gefeuert und der Erzbischof, der in der maaslosen Ver- wirrung die Barricade erstiegen hatte und sich seinem Volke in die Arme werfen wollte, erhielt einen Schuß in die linke Seite. Die tief bestürzten Empörer trugen ihn mit allen Zeichen der Ehrfurcht in das Hospital Quinze=Vingts, wo er die Nacht über verblieb und ließen sich von dem Generalvicar Jacquemet eine Bescheinigung ausstellen, daß sie an dieser Verwundung un- schuldig seyen. Der Schuß war auch in der That von hinten und von oben herab gefallen, so daß an eine absichtliche Tödtung nicht gedacht werden kann. Am andern Morgen wurde der Prä- lat in seine Wohnung zurückgebracht, wo er, wie gesagt, gestern Abend um acht Uhr in einem hoffnungslosen Zustand sich befand. Auch die Kirche hat also ihr Opfer gebracht! Der Erzbischof wußte ganz gut, was er that, denn schon am Tage vorher hatte er seinen Freunden gesagt: „Es handelt sich um mein Leben, allein ich bringe es gern als Opfer dar!“ Die Zahl der Verhafteten und Gefangenen läßt sich kaum mehr bemessen. Jn dem einzigen Clos St. Lazare wurden nach der Erstürmung 6000 Flinten und entsprechende Kriegsmuni- tion gefunden. Die meisten Patronen waren mit feinem Pulver und außer der Kugel noch mit gehacktem Blei gefüllt. Mehrere Kugeln waren von Eisen. Neben der rothen war im Quartier St. Anton auch die alte Fahne der Flibustiers, die schwarze, auf- gepflanzt. Von der mobilen Garde, lauter pariser Jungen von 16 bis 18 Jahren, haben das 7., 16. und 19. Bataillon am meisten gelitten. Das 7. Bataillon verlor von 700 Mann 300. Gegen sie, ihre ehemaligen Kameraden von der Barrikade her, ver- fuhren die Jnsurgenten am wüthendsten, weil sie sich in ihrer Hoffnung, die Mobilen würden auch die Fahne des Aufstandes aufpflanzen, getäuscht sahen. Sie sollen jetzt mit der Linie ver- schmolzen werden. Beim Minister des Ackerbaues und des Handels Herrn Flo- con, ist Haussuchung vorgenommen worden. Wirklich eine hüb- sche Regierung! General Cavaignac hat am 25. eine Proclamation erlas- sen, in welcher es heißt: „Bürger und Soldaten! Dank euren Bestrebungen, — der Aufstand liegt in den letzten Zügen und dieser soziale, dieser gottlose Kampf ist seinem Erlöschen

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 15. Mainz, 30. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal015_1848/3>, abgerufen am 13.06.2024.