Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mainzer Journal. Nr. 22. Mainz, 7. Juli 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] ist, aus der Kaserne. Durch den Festungscommandanten in der
Reitschule versammelt, und zur Rede gestellt, begannen sie offene
Empörung, als die Rädelsführer in ihrer Mitte festgenommen
werden sollten. Dadurch kamen sie zuerst in Conflikt mit Li-
nientruppen, welche zur Aufrechthaltung der Ordnung aufgeboten
waren. Nachdem aber die "schwierig gewordene" Schwadron
die Festung verlassen hatte, entspann sich zwischen den zwei
Linienregimentern und den Artilleriesoldaten ein Streit, wobei
die scharfen Patronen nicht gespart wurden. Doch sind keine
Opfer zu beklagen, und die Ruhe ist wiedergekehrt, nachdem
das sechste Jnfanterieregiment ebenfalls die Stadt verlassen hat.
Die Bürger sind völlig unbetheiligt bei diesen Excessen gewesen.
Fehlten nicht solche Scenen, um die Tragödie des Jahres 1848
zu einem Meisterstücke zu machen?

Freiburg 3. Juli. ( Südd. Z. ) Gestern Abend versammelten
sich mehrere Soldaten bei der Kaserne; unzufrieden, wie es schien,
mit der Verhaftung eines Kameraden. Neugierige traten hinzu.
Ein paar von diesen fühlten wühlerische Gelüste und fingen an,
den Soldaten Anleitung zu geben, wie sie verfahren müßten. Die
Krieger merkten kaum die Absicht, als sie auch schon die Hetzer
von sich wiesen; doch lief die Sache bis auf etliche Ohrfeigen
ganz friedlich ab. Der Vorfall wird nur deßhalb erwähnt, weil
er zeigt, daß die Wühlerei im Heer keinen empfänglichen Boden
mehr findet.

Darmstadt 4. Juli. ( Fr. J. ) Jn unserer zweiten Kammer
kam heute der Gesetzesentwurf, welcher die Gemeindeange-
hörigen
für die an Personen und Eigenthum bei Zusammen-
rottungen und Tumulten verübten Verletzungen und Beschädigun-
gen verantwortlich macht und für entschädigungspflichtig
erklärt, zur weiteren Berathung. Am 20. März schon hatte der
Abgeordnete Reh den Antrag gestellt, die Regierung um Vor-
lage eines solchen Gesetzes, als dringend nöthig gegen den immer
weiter um sich greifenden Geist der Unordnung und Gesetzlosig-
keit, zu ersuchen. Die Kammer trat damals mit 34 gegen 3
Stimmen, die erste Kammer einstimmig dem Gesuche bei und
die Regierung entsprach demselben am 10. Mai durch Vor-
lage eines entsprechenden Gesetzesentwurfes. Bei der Bera-
thung in der 66. Sitzung zweiter Kammer erhoben sich einige
Anstände, namentlich wurde gefürchtet, daß das Gesetz sehr an
Wirksamkeit verlieren müsse, wenn die Entschädigungsansprüche
auf dem langsamen Wege des ordentlichen Civilprocesses erledigt
werden müßten, und dafür ein schleuniges summarisches Verfah-
ren in den diesseitigen Provinzen und das Fortbestehen des im
Gesetze vom 10. Vendem. IV. vorgeschriebenen abgekürzten Offi-
cialverfahrens in Rheinhessen gewünscht. Die Sache ging des-
halb an den 2. Ausschuß zum weiteren speciellen Bericht zurück,
und wurde so heute abermals berathen. Was mußten wir aber
nun erleben? Trotzdem die Kammer fast einstimmig die Regie-
rung selbst um dieses Gesetz als höchst nothwendig ersucht, trotz-
dem sie erst gestern noch vielseitig ausgesprochen hatte, es sey
dem Lande nichts nöthiger, als die Wiederkehr und Befestigung
geschwundenen Vertrauens, was nur bei Wiederherstellung und
strenger Handhabung der Ordnung möglich sey, hat sie dieses
treffliche Mittel hierzu heute, es ist kaum zu glauben, so gut als
verworfen. Abg. Cretzschmar stellte nämlich den ganz eigenthüm-
lichen Antrag, "die Beschlußnahme über den vorgelegten Gesetzes-
entwurf auf unbestimmte Zeit zu verschieben! " Er
meinte, die Erlassung des Gesetzes sey jetzt nicht mehr an der
Zeit. Man habe Gesetze genug, um Unordnungen und Excesse
zu bestrafen, und brauche keine Ausnahmsgesetze hierzu. Es ver-
danke hauptsächlich den durch die standesherrlichen Verhältnisse
entstandenen Unordnungen seine Entstehung; diese Ursachen
seyen aber nun größtentheils beseitigt. Jhm stimmten die Ab-
geordneten Lehne, Chr. Zöppritz, Heldmann, Görz,
Franck
bei. Vergebens entgegneten die Abgeordneten Buff,
Krug,
v. Rabenau I., Karl Zöppritz, Lotheißen ,
sowie auch der großherzogliche Regierungscommissär Ministerial-
rath Maurer, daß die Ruhe noch keineswegs so herge-
stellt und befestigt sey, daß man sagen könne, dieses Gesetzes
nicht mehr zu bedürfen, jedenfalls werde es von guter moralischer
Wirkung seyn und dadurch schon zur Erhaltung der Ruhe und
Ordnung beitragen; auch müsse es einen nachtheiligen Eindruck
machen, wenn die Kammer ein Gesetz, das sie selbst verlangt habe,
nun ablehne! Dem stimmte namentlich auch Präsident Hesse bei.
Abg. Volhard hob sehr treffend und schlagend hervor, das
Gesetz dürfe gar nicht als Ausnahmegesetz angesehen, sondern
könne aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen gerechtfertigt werden.
Die Gemeinden hätten die Verpflichtung, ihre Angehörigen zu
schützen, und wenn sie es nicht könnten, zu entschädigen. Die
Kammer trat aber, trotz aller dieser, wie uns scheint, sehr triftigen
[Spaltenumbruch] und beherzigenswerthen Gründe, mit 20 gegen 19 Stimmen,
dem Antrage des Abgeordneten Cretzschmar bei. Das begehrte
Gesetz ist also mit einer Mehrheit von einer einzigen Stimme vor-
erst abgelehnt!

Wiesbaden 4. Juli. Das zweite von unserer Kammer
bereits berathene Gesetz betrifft die Erweiterung des Wirkungs-
kreises der Landes=Credit=Casse, und die deßfallsige Be-
rathung umfaßte zugleich das vielbesprochene Project der Abge-
ordneten Leisler, Gergens und Jung wegen Errichtung
einer Landeshypothekenbank. Die Hauptgrundlagen dieses Pro-
jectes sind: es sollen, weniger um der Noth der Staatsfinanzen,
als vielmehr um der Geldnoth der Grundbesitzer und Gewerb-
treibenden abzuhelfen, vier Millionen Papiergeld creirt werden,
um damit einen Fonds für eine Bank zu bilden, die gegen ent-
sprechende Sicherheit auf Grundstücke, Weine, Pretiosen, Vor-
räthe von Roheisen, Kohlen u. s. w. Geld ausleiht. Das
Papiergeld solle auf Domainen verhypothecirt seyn, und zwar
in der Art, daß nach Ablauf von vier Jahren jeder Besitzer eines
solchen Scheines, und wenn es nur ein Fünfguldenschein wäre,
das Recht haben solle, sobald er an der Staatscasse kein baares
Geld für seinen Schein erhält, sofort die erste beste von den
verpfändeten Domainen versteigern zu lassen. Jnnerhalb der
vier Jahre sollte dies Papiergeld von den Staatscassen nicht
gegen baares Geld
eingelost werden können, dagegen solle
es bei allen Zahlungen im Nassauischen für voll angenommen
werden müssen. Zugleich sorgten die obengenannten drei An-
tragsteller auch dafür, daß zur [unleserliches Material - 15 Zeichen fehlen]Wiedereinlösung der vier Mil-
lionen Papiergeld dereinst baares Geld vorhanden sey, indem sie
vorschlugen, 20,000 Morgen Domainenwaldungen abzutreiben,
das Holz zu verkaufen und das so gewonnene neue Ackerland an
arme Leute zu verpachten. Wenn man bedenkt, daß viele Wein-
bergsbesitzer im Rheingau, sodann einige derangirte Hütten-
besitzer und Weinhändler den Deputirten nicht die leibliche Ruhe
ließen, um nur Geld zu bekommen, gleichviel ob dies Geld
Werth hatte oder nur bloßes Papier war -- so muß man den
Herren Antragstellern freilich zugestehen, daß sie "etwas gethan"
haben; aber wenn dieses "Etwas" in der Wirklichkeit ausgeführt
worden wäre, so würde der nassauische Credit höchst wahrschein-
lich auf lange Zeit vollständig vernichtet worden seyn. Wie kann
das kleine Herzogthum Nassau, welches bereits eine halbe Mil-
lion Papiergeld besitzt, noch weiter vier Millionen vertragen?
Wenn nun dasselbe in den Nachbarstaaten nicht mehr al pari
angenommen wird, vielleicht schon um die Hälfte an Werth ver-
loren hat, was doch in kritischen Zeiten sehr wohl möglich wäre,
so mußte gleichwohl im Jnlande jeder, auch der Nichtnassauer
dieses Papier bei Zahlungen zum vollen Nennwerthe annehmen!
Chimärisch ist wohl die Hoffnung auf den großen Ertrag der
abgestockten Waldungen in den nächsten vier Jahren; das Holz,
welches in so großer Menge auf einmal feil geboten würde,
müßte man zu Spottpreisen abgeben, und die neuen Bebauer,
wenn dies eben vermögenslose Leute seyn sollen, werden sich erst
noch Ackergeräthschaften, Wohnungen u. s. w. ausbitten, womit
der ganze Gewinn wohl für zehn und zwanzig Jahre absorbirt
würde. Die Verpfändung von Staatsdomainen hat überhaupt
nach mehreren Seiten große Bedenken; einestheils wäre ihre
Veräußerung zu einem Zwecke, dessen Erfolg noch keineswegs
als gemeinnützig nachgewiesen wurde, nicht rathsam und sähe
einer Verschleuderung sehr ähnlich, anderntheils ist die gebotene
Sicherheit für den immerhin sehr denkbaren Fall, daß Nassau
einem größeren Staate einverleibt würde, sehr prekair und
endlich ist in der Wirklichkeit nicht zu erwarten, daß sich sei-
ner Zeit die Gerichte beeilen werden, für einen Fünfgulden-
schein einen ganzen Domainenwald oder Weinberg zu versteigern.
Gegen dieses Bankproject erhoben sich sowohl in der Kammer,
als außerhalb derselben durch Petitionen und in der Presse viele
Stimmen und man kam schließlich dahin überein, den Antrag der
Regierung zur Erwägung anheimzugeben, zu gleicher Zeit aber
dieselbe zu ermächtigen, vorläufig noch weiter für 500,000 fl.
Papiergeld zu dem Zwecke zu emittiren, daß die bereits bestehende
Landescreditcasse, welcher ein Beirath von fünf Vertrauensmän-
nern beigegeben wurde, Darlehen an Gewerbtreibende, Wein-
bergsbesitzer u. s. w. gegen genügende Sicherheit gebe. Hiermit
war wohl dem dringenden Bedürfnisse abgeholfen: der jetzigen
Geschäftsstockung durch reichliche Darlehen abhelfen zu wollen,
wäre eitle Hoffnung, denn es ist nicht möglich, daß das kleine
Nassau, gleich einer glücklichen Jnsel, eines regen Verkehrs und
blühender Geschäfte sich erfreue, während ringsum in allen Nach-
barstaaten aller Verkehr stockt. Nur mit der Rückkehr der Ord-
nung und des Vertrauens in weiteren Kreisen läßt sich das Wie-
deraufblühen unseres Handels und unserer Gewerbe erwarten.

[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] ist, aus der Kaserne. Durch den Festungscommandanten in der
Reitschule versammelt, und zur Rede gestellt, begannen sie offene
Empörung, als die Rädelsführer in ihrer Mitte festgenommen
werden sollten. Dadurch kamen sie zuerst in Conflikt mit Li-
nientruppen, welche zur Aufrechthaltung der Ordnung aufgeboten
waren. Nachdem aber die „schwierig gewordene“ Schwadron
die Festung verlassen hatte, entspann sich zwischen den zwei
Linienregimentern und den Artilleriesoldaten ein Streit, wobei
die scharfen Patronen nicht gespart wurden. Doch sind keine
Opfer zu beklagen, und die Ruhe ist wiedergekehrt, nachdem
das sechste Jnfanterieregiment ebenfalls die Stadt verlassen hat.
Die Bürger sind völlig unbetheiligt bei diesen Excessen gewesen.
Fehlten nicht solche Scenen, um die Tragödie des Jahres 1848
zu einem Meisterstücke zu machen?

Freiburg 3. Juli. ( Südd. Z. ) Gestern Abend versammelten
sich mehrere Soldaten bei der Kaserne; unzufrieden, wie es schien,
mit der Verhaftung eines Kameraden. Neugierige traten hinzu.
Ein paar von diesen fühlten wühlerische Gelüste und fingen an,
den Soldaten Anleitung zu geben, wie sie verfahren müßten. Die
Krieger merkten kaum die Absicht, als sie auch schon die Hetzer
von sich wiesen; doch lief die Sache bis auf etliche Ohrfeigen
ganz friedlich ab. Der Vorfall wird nur deßhalb erwähnt, weil
er zeigt, daß die Wühlerei im Heer keinen empfänglichen Boden
mehr findet.

Darmstadt 4. Juli. ( Fr. J. ) Jn unserer zweiten Kammer
kam heute der Gesetzesentwurf, welcher die Gemeindeange-
hörigen
für die an Personen und Eigenthum bei Zusammen-
rottungen und Tumulten verübten Verletzungen und Beschädigun-
gen verantwortlich macht und für entschädigungspflichtig
erklärt, zur weiteren Berathung. Am 20. März schon hatte der
Abgeordnete Reh den Antrag gestellt, die Regierung um Vor-
lage eines solchen Gesetzes, als dringend nöthig gegen den immer
weiter um sich greifenden Geist der Unordnung und Gesetzlosig-
keit, zu ersuchen. Die Kammer trat damals mit 34 gegen 3
Stimmen, die erste Kammer einstimmig dem Gesuche bei und
die Regierung entsprach demselben am 10. Mai durch Vor-
lage eines entsprechenden Gesetzesentwurfes. Bei der Bera-
thung in der 66. Sitzung zweiter Kammer erhoben sich einige
Anstände, namentlich wurde gefürchtet, daß das Gesetz sehr an
Wirksamkeit verlieren müsse, wenn die Entschädigungsansprüche
auf dem langsamen Wege des ordentlichen Civilprocesses erledigt
werden müßten, und dafür ein schleuniges summarisches Verfah-
ren in den diesseitigen Provinzen und das Fortbestehen des im
Gesetze vom 10. Vendem. IV. vorgeschriebenen abgekürzten Offi-
cialverfahrens in Rheinhessen gewünscht. Die Sache ging des-
halb an den 2. Ausschuß zum weiteren speciellen Bericht zurück,
und wurde so heute abermals berathen. Was mußten wir aber
nun erleben? Trotzdem die Kammer fast einstimmig die Regie-
rung selbst um dieses Gesetz als höchst nothwendig ersucht, trotz-
dem sie erst gestern noch vielseitig ausgesprochen hatte, es sey
dem Lande nichts nöthiger, als die Wiederkehr und Befestigung
geschwundenen Vertrauens, was nur bei Wiederherstellung und
strenger Handhabung der Ordnung möglich sey, hat sie dieses
treffliche Mittel hierzu heute, es ist kaum zu glauben, so gut als
verworfen. Abg. Cretzschmar stellte nämlich den ganz eigenthüm-
lichen Antrag, „die Beschlußnahme über den vorgelegten Gesetzes-
entwurf auf unbestimmte Zeit zu verschieben! “ Er
meinte, die Erlassung des Gesetzes sey jetzt nicht mehr an der
Zeit. Man habe Gesetze genug, um Unordnungen und Excesse
zu bestrafen, und brauche keine Ausnahmsgesetze hierzu. Es ver-
danke hauptsächlich den durch die standesherrlichen Verhältnisse
entstandenen Unordnungen seine Entstehung; diese Ursachen
seyen aber nun größtentheils beseitigt. Jhm stimmten die Ab-
geordneten Lehne, Chr. Zöppritz, Heldmann, Görz,
Franck
bei. Vergebens entgegneten die Abgeordneten Buff,
Krug,
v. Rabenau I., Karl Zöppritz, Lotheißen ,
sowie auch der großherzogliche Regierungscommissär Ministerial-
rath Maurer, daß die Ruhe noch keineswegs so herge-
stellt und befestigt sey, daß man sagen könne, dieses Gesetzes
nicht mehr zu bedürfen, jedenfalls werde es von guter moralischer
Wirkung seyn und dadurch schon zur Erhaltung der Ruhe und
Ordnung beitragen; auch müsse es einen nachtheiligen Eindruck
machen, wenn die Kammer ein Gesetz, das sie selbst verlangt habe,
nun ablehne! Dem stimmte namentlich auch Präsident Hesse bei.
Abg. Volhard hob sehr treffend und schlagend hervor, das
Gesetz dürfe gar nicht als Ausnahmegesetz angesehen, sondern
könne aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen gerechtfertigt werden.
Die Gemeinden hätten die Verpflichtung, ihre Angehörigen zu
schützen, und wenn sie es nicht könnten, zu entschädigen. Die
Kammer trat aber, trotz aller dieser, wie uns scheint, sehr triftigen
[Spaltenumbruch] und beherzigenswerthen Gründe, mit 20 gegen 19 Stimmen,
dem Antrage des Abgeordneten Cretzschmar bei. Das begehrte
Gesetz ist also mit einer Mehrheit von einer einzigen Stimme vor-
erst abgelehnt!

♀ Wiesbaden 4. Juli. Das zweite von unserer Kammer
bereits berathene Gesetz betrifft die Erweiterung des Wirkungs-
kreises der Landes=Credit=Casse, und die deßfallsige Be-
rathung umfaßte zugleich das vielbesprochene Project der Abge-
ordneten Leisler, Gergens und Jung wegen Errichtung
einer Landeshypothekenbank. Die Hauptgrundlagen dieses Pro-
jectes sind: es sollen, weniger um der Noth der Staatsfinanzen,
als vielmehr um der Geldnoth der Grundbesitzer und Gewerb-
treibenden abzuhelfen, vier Millionen Papiergeld creirt werden,
um damit einen Fonds für eine Bank zu bilden, die gegen ent-
sprechende Sicherheit auf Grundstücke, Weine, Pretiosen, Vor-
räthe von Roheisen, Kohlen u. s. w. Geld ausleiht. Das
Papiergeld solle auf Domainen verhypothecirt seyn, und zwar
in der Art, daß nach Ablauf von vier Jahren jeder Besitzer eines
solchen Scheines, und wenn es nur ein Fünfguldenschein wäre,
das Recht haben solle, sobald er an der Staatscasse kein baares
Geld für seinen Schein erhält, sofort die erste beste von den
verpfändeten Domainen versteigern zu lassen. Jnnerhalb der
vier Jahre sollte dies Papiergeld von den Staatscassen nicht
gegen baares Geld
eingelost werden können, dagegen solle
es bei allen Zahlungen im Nassauischen für voll angenommen
werden müssen. Zugleich sorgten die obengenannten drei An-
tragsteller auch dafür, daß zur [unleserliches Material – 15 Zeichen fehlen]Wiedereinlösung der vier Mil-
lionen Papiergeld dereinst baares Geld vorhanden sey, indem sie
vorschlugen, 20,000 Morgen Domainenwaldungen abzutreiben,
das Holz zu verkaufen und das so gewonnene neue Ackerland an
arme Leute zu verpachten. Wenn man bedenkt, daß viele Wein-
bergsbesitzer im Rheingau, sodann einige derangirte Hütten-
besitzer und Weinhändler den Deputirten nicht die leibliche Ruhe
ließen, um nur Geld zu bekommen, gleichviel ob dies Geld
Werth hatte oder nur bloßes Papier war — so muß man den
Herren Antragstellern freilich zugestehen, daß sie „etwas gethan“
haben; aber wenn dieses „Etwas“ in der Wirklichkeit ausgeführt
worden wäre, so würde der nassauische Credit höchst wahrschein-
lich auf lange Zeit vollständig vernichtet worden seyn. Wie kann
das kleine Herzogthum Nassau, welches bereits eine halbe Mil-
lion Papiergeld besitzt, noch weiter vier Millionen vertragen?
Wenn nun dasselbe in den Nachbarstaaten nicht mehr al pari
angenommen wird, vielleicht schon um die Hälfte an Werth ver-
loren hat, was doch in kritischen Zeiten sehr wohl möglich wäre,
so mußte gleichwohl im Jnlande jeder, auch der Nichtnassauer
dieses Papier bei Zahlungen zum vollen Nennwerthe annehmen!
Chimärisch ist wohl die Hoffnung auf den großen Ertrag der
abgestockten Waldungen in den nächsten vier Jahren; das Holz,
welches in so großer Menge auf einmal feil geboten würde,
müßte man zu Spottpreisen abgeben, und die neuen Bebauer,
wenn dies eben vermögenslose Leute seyn sollen, werden sich erst
noch Ackergeräthschaften, Wohnungen u. s. w. ausbitten, womit
der ganze Gewinn wohl für zehn und zwanzig Jahre absorbirt
würde. Die Verpfändung von Staatsdomainen hat überhaupt
nach mehreren Seiten große Bedenken; einestheils wäre ihre
Veräußerung zu einem Zwecke, dessen Erfolg noch keineswegs
als gemeinnützig nachgewiesen wurde, nicht rathsam und sähe
einer Verschleuderung sehr ähnlich, anderntheils ist die gebotene
Sicherheit für den immerhin sehr denkbaren Fall, daß Nassau
einem größeren Staate einverleibt würde, sehr prekair und
endlich ist in der Wirklichkeit nicht zu erwarten, daß sich sei-
ner Zeit die Gerichte beeilen werden, für einen Fünfgulden-
schein einen ganzen Domainenwald oder Weinberg zu versteigern.
Gegen dieses Bankproject erhoben sich sowohl in der Kammer,
als außerhalb derselben durch Petitionen und in der Presse viele
Stimmen und man kam schließlich dahin überein, den Antrag der
Regierung zur Erwägung anheimzugeben, zu gleicher Zeit aber
dieselbe zu ermächtigen, vorläufig noch weiter für 500,000 fl.
Papiergeld zu dem Zwecke zu emittiren, daß die bereits bestehende
Landescreditcasse, welcher ein Beirath von fünf Vertrauensmän-
nern beigegeben wurde, Darlehen an Gewerbtreibende, Wein-
bergsbesitzer u. s. w. gegen genügende Sicherheit gebe. Hiermit
war wohl dem dringenden Bedürfnisse abgeholfen: der jetzigen
Geschäftsstockung durch reichliche Darlehen abhelfen zu wollen,
wäre eitle Hoffnung, denn es ist nicht möglich, daß das kleine
Nassau, gleich einer glücklichen Jnsel, eines regen Verkehrs und
blühender Geschäfte sich erfreue, während ringsum in allen Nach-
barstaaten aller Verkehr stockt. Nur mit der Rückkehr der Ord-
nung und des Vertrauens in weiteren Kreisen läßt sich das Wie-
deraufblühen unseres Handels und unserer Gewerbe erwarten.

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0003"/><cb type="start"/>
ist, aus der Kaserne. Durch den Festungscommandanten in der<lb/>
Reitschule versammelt, und zur Rede gestellt, begannen sie offene<lb/>
Empörung, als die Rädelsführer in ihrer Mitte festgenommen<lb/>
werden sollten. Dadurch kamen sie zuerst in Conflikt mit Li-<lb/>
nientruppen, welche zur Aufrechthaltung der Ordnung aufgeboten<lb/>
waren. Nachdem aber die &#x201E;schwierig gewordene&#x201C; Schwadron<lb/>
die Festung verlassen hatte, entspann sich zwischen den zwei<lb/>
Linienregimentern und den Artilleriesoldaten ein Streit, wobei<lb/>
die scharfen Patronen nicht gespart wurden. Doch sind keine<lb/>
Opfer zu beklagen, und die Ruhe ist wiedergekehrt, nachdem<lb/>
das sechste Jnfanterieregiment ebenfalls die Stadt verlassen hat.<lb/>
Die Bürger sind völlig unbetheiligt bei diesen Excessen gewesen.<lb/>
Fehlten nicht solche Scenen, um die Tragödie des Jahres 1848<lb/>
zu einem Meisterstücke zu machen?</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Freiburg 3. Juli. ( Südd. Z. ) Gestern Abend versammelten<lb/>
sich mehrere Soldaten bei der Kaserne; unzufrieden, wie es schien,<lb/>
mit der Verhaftung eines Kameraden. Neugierige traten hinzu.<lb/>
Ein paar von diesen fühlten wühlerische Gelüste und fingen an,<lb/>
den Soldaten Anleitung zu geben, wie sie verfahren müßten. Die<lb/>
Krieger merkten kaum die Absicht, als sie auch schon die Hetzer<lb/>
von sich wiesen; doch lief die Sache bis auf etliche Ohrfeigen<lb/>
ganz friedlich ab. Der Vorfall wird nur deßhalb erwähnt, weil<lb/>
er zeigt, daß die Wühlerei im Heer keinen empfänglichen Boden<lb/>
mehr findet.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Darmstadt 4. Juli. ( Fr. J. ) Jn unserer zweiten Kammer<lb/>
kam heute der Gesetzesentwurf, welcher <hi rendition="#g">die Gemeindeange-<lb/>
hörigen</hi> für die an Personen und Eigenthum bei Zusammen-<lb/>
rottungen und Tumulten verübten Verletzungen und Beschädigun-<lb/>
gen <hi rendition="#g">verantwortlich macht</hi> und für entschädigungspflichtig<lb/>
erklärt, zur weiteren Berathung. Am 20. März schon hatte der<lb/>
Abgeordnete <hi rendition="#g">Reh</hi> den Antrag gestellt, die Regierung um Vor-<lb/>
lage eines solchen Gesetzes, als dringend nöthig gegen den immer<lb/>
weiter um sich greifenden Geist der Unordnung und Gesetzlosig-<lb/>
keit, zu ersuchen. Die Kammer trat damals mit 34 gegen 3<lb/>
Stimmen, die erste Kammer einstimmig dem Gesuche bei und<lb/>
die Regierung entsprach demselben am 10. Mai durch Vor-<lb/>
lage eines entsprechenden Gesetzesentwurfes. Bei der Bera-<lb/>
thung in der 66. Sitzung zweiter Kammer erhoben sich einige<lb/>
Anstände, namentlich wurde gefürchtet, daß das Gesetz sehr an<lb/>
Wirksamkeit verlieren müsse, wenn die Entschädigungsansprüche<lb/>
auf dem langsamen Wege des ordentlichen Civilprocesses erledigt<lb/>
werden müßten, und dafür ein schleuniges summarisches Verfah-<lb/>
ren in den diesseitigen Provinzen und das Fortbestehen des im<lb/>
Gesetze vom 10. Vendem. <hi rendition="#aq">IV</hi>. vorgeschriebenen abgekürzten Offi-<lb/>
cialverfahrens in Rheinhessen gewünscht. Die Sache ging des-<lb/>
halb an den 2. Ausschuß zum weiteren speciellen Bericht zurück,<lb/>
und wurde so heute abermals berathen. Was mußten wir aber<lb/>
nun erleben? Trotzdem die Kammer fast einstimmig die Regie-<lb/>
rung selbst um dieses Gesetz als höchst nothwendig ersucht, trotz-<lb/>
dem sie erst gestern noch vielseitig ausgesprochen hatte, es sey<lb/>
dem Lande nichts nöthiger, als die Wiederkehr und Befestigung<lb/>
geschwundenen Vertrauens, was nur bei Wiederherstellung und<lb/>
strenger Handhabung der Ordnung möglich sey, hat sie dieses<lb/>
treffliche Mittel hierzu heute, es ist kaum zu glauben, so gut als<lb/>
verworfen. Abg. <hi rendition="#g">Cretzschmar</hi> stellte nämlich den ganz eigenthüm-<lb/>
lichen Antrag, &#x201E;die Beschlußnahme über den vorgelegten Gesetzes-<lb/>
entwurf <hi rendition="#g">auf unbestimmte Zeit zu verschieben!</hi> &#x201C; Er<lb/>
meinte, die Erlassung des Gesetzes sey jetzt nicht mehr an der<lb/>
Zeit. Man habe Gesetze genug, um Unordnungen und Excesse<lb/>
zu bestrafen, und brauche keine Ausnahmsgesetze hierzu. Es ver-<lb/>
danke hauptsächlich den durch die standesherrlichen Verhältnisse<lb/>
entstandenen Unordnungen seine Entstehung; diese Ursachen<lb/>
seyen aber nun größtentheils beseitigt. Jhm stimmten die Ab-<lb/>
geordneten <hi rendition="#g">Lehne, Chr. Zöppritz, Heldmann, Görz,<lb/>
Franck</hi> <choice><abbr>ec.</abbr></choice> bei. Vergebens entgegneten die Abgeordneten <hi rendition="#g">Buff,<lb/>
Krug,</hi> v. <hi rendition="#g">Rabenau</hi> <hi rendition="#aq">I</hi>., <hi rendition="#g">Karl Zöppritz, Lotheißen</hi> <choice><abbr>ec.</abbr></choice>,<lb/>
sowie auch der großherzogliche Regierungscommissär Ministerial-<lb/>
rath <hi rendition="#g">Maurer,</hi> daß die Ruhe noch keineswegs so herge-<lb/>
stellt und befestigt sey, daß man sagen könne, dieses Gesetzes<lb/>
nicht mehr zu bedürfen, jedenfalls werde es von guter moralischer<lb/>
Wirkung seyn und dadurch schon zur Erhaltung der Ruhe und<lb/>
Ordnung beitragen; auch müsse es einen nachtheiligen Eindruck<lb/>
machen, wenn die Kammer ein Gesetz, das sie selbst verlangt habe,<lb/>
nun ablehne! Dem stimmte namentlich auch Präsident <hi rendition="#g">Hesse</hi> bei.<lb/>
Abg. <hi rendition="#g">Volhard</hi> hob sehr treffend und schlagend hervor, das<lb/>
Gesetz dürfe gar nicht als Ausnahmegesetz angesehen, sondern<lb/>
könne aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen gerechtfertigt werden.<lb/>
Die Gemeinden hätten die Verpflichtung, ihre Angehörigen zu<lb/>
schützen, und wenn sie es nicht könnten, zu entschädigen. Die<lb/>
Kammer trat aber, trotz aller dieser, wie uns scheint, sehr triftigen<lb/><cb n="2"/>
und beherzigenswerthen Gründe, mit 20 gegen 19 Stimmen,<lb/>
dem Antrage des Abgeordneten Cretzschmar bei. Das begehrte<lb/>
Gesetz ist also mit einer Mehrheit von einer einzigen Stimme vor-<lb/>
erst abgelehnt!</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>&#x2640; Wiesbaden 4. Juli. Das zweite von unserer Kammer<lb/>
bereits berathene Gesetz betrifft die Erweiterung des Wirkungs-<lb/>
kreises der <hi rendition="#g">Landes=Credit=Casse,</hi> und die deßfallsige Be-<lb/>
rathung umfaßte zugleich das vielbesprochene Project der Abge-<lb/>
ordneten <hi rendition="#g">Leisler, Gergens</hi> und <hi rendition="#g">Jung</hi> wegen Errichtung<lb/>
einer Landeshypothekenbank. Die Hauptgrundlagen dieses Pro-<lb/>
jectes sind: es sollen, weniger um der Noth der Staatsfinanzen,<lb/>
als vielmehr um der Geldnoth der Grundbesitzer und Gewerb-<lb/>
treibenden abzuhelfen, vier Millionen Papiergeld creirt werden,<lb/>
um damit einen Fonds für eine Bank zu bilden, die gegen ent-<lb/>
sprechende Sicherheit auf Grundstücke, Weine, Pretiosen, Vor-<lb/>
räthe von Roheisen, Kohlen u. s. w. Geld ausleiht. Das<lb/>
Papiergeld solle auf Domainen verhypothecirt seyn, und zwar<lb/>
in der Art, daß nach Ablauf von vier Jahren jeder Besitzer eines<lb/>
solchen Scheines, und wenn es nur ein Fünfguldenschein wäre,<lb/>
das Recht haben solle, sobald er an der Staatscasse kein baares<lb/>
Geld für seinen Schein erhält, sofort die erste beste von den<lb/>
verpfändeten Domainen versteigern zu lassen. Jnnerhalb der<lb/>
vier Jahre sollte dies Papiergeld von den Staatscassen <hi rendition="#g">nicht<lb/>
gegen baares Geld</hi> eingelost werden können, dagegen solle<lb/>
es bei allen Zahlungen im Nassauischen für voll angenommen<lb/>
werden <hi rendition="#g">müssen.</hi> Zugleich sorgten die obengenannten drei An-<lb/>
tragsteller auch dafür, daß zur <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="15"/>Wiedereinlösung der vier Mil-<lb/>
lionen Papiergeld dereinst baares Geld vorhanden sey, indem sie<lb/>
vorschlugen, 20,000 Morgen Domainenwaldungen abzutreiben,<lb/>
das Holz zu verkaufen und das so gewonnene neue Ackerland an<lb/>
arme Leute zu verpachten. Wenn man bedenkt, daß viele Wein-<lb/>
bergsbesitzer im Rheingau, sodann einige derangirte Hütten-<lb/>
besitzer und Weinhändler den Deputirten nicht die leibliche Ruhe<lb/>
ließen, um nur Geld zu bekommen, gleichviel ob dies Geld<lb/>
Werth hatte oder nur bloßes Papier war &#x2014; so muß man den<lb/>
Herren Antragstellern freilich zugestehen, daß sie &#x201E;etwas gethan&#x201C;<lb/>
haben; aber wenn dieses &#x201E;Etwas&#x201C; in der Wirklichkeit ausgeführt<lb/>
worden wäre, so würde der nassauische Credit höchst wahrschein-<lb/>
lich auf lange Zeit vollständig vernichtet worden seyn. Wie kann<lb/>
das kleine Herzogthum Nassau, welches bereits eine halbe Mil-<lb/>
lion Papiergeld besitzt, noch weiter vier Millionen vertragen?<lb/>
Wenn nun dasselbe in den Nachbarstaaten nicht mehr <hi rendition="#aq">al pari</hi><lb/>
angenommen wird, vielleicht schon um die Hälfte an Werth ver-<lb/>
loren hat, was doch in kritischen Zeiten sehr wohl möglich wäre,<lb/>
so mußte gleichwohl im Jnlande jeder, auch der Nichtnassauer<lb/>
dieses Papier bei Zahlungen zum vollen Nennwerthe annehmen!<lb/>
Chimärisch ist wohl die Hoffnung auf den großen Ertrag der<lb/>
abgestockten Waldungen in den nächsten vier Jahren; das Holz,<lb/>
welches in so großer Menge auf einmal feil geboten würde,<lb/>
müßte man zu Spottpreisen abgeben, und die neuen Bebauer,<lb/>
wenn dies eben vermögenslose Leute seyn sollen, werden sich erst<lb/>
noch Ackergeräthschaften, Wohnungen u. s. w. ausbitten, womit<lb/>
der ganze Gewinn wohl für zehn und zwanzig Jahre absorbirt<lb/>
würde. Die Verpfändung von Staatsdomainen hat überhaupt<lb/>
nach mehreren Seiten große Bedenken; einestheils wäre ihre<lb/>
Veräußerung zu einem Zwecke, dessen Erfolg noch keineswegs<lb/>
als gemeinnützig nachgewiesen wurde, nicht rathsam und sähe<lb/>
einer Verschleuderung sehr ähnlich, anderntheils ist die gebotene<lb/>
Sicherheit für den immerhin sehr denkbaren Fall, daß Nassau<lb/>
einem größeren Staate einverleibt würde, sehr prekair und<lb/>
endlich ist in der Wirklichkeit nicht zu erwarten, daß sich sei-<lb/>
ner Zeit die Gerichte beeilen werden, für einen Fünfgulden-<lb/>
schein einen ganzen Domainenwald oder Weinberg zu versteigern.<lb/>
Gegen dieses Bankproject erhoben sich sowohl in der Kammer,<lb/>
als außerhalb derselben durch Petitionen und in der Presse viele<lb/>
Stimmen und man kam schließlich dahin überein, den Antrag der<lb/>
Regierung zur Erwägung anheimzugeben, zu gleicher Zeit aber<lb/>
dieselbe zu ermächtigen, vorläufig noch weiter für 500,000 fl.<lb/>
Papiergeld zu dem Zwecke zu emittiren, daß die bereits bestehende<lb/>
Landescreditcasse, welcher ein Beirath von fünf Vertrauensmän-<lb/>
nern beigegeben wurde, Darlehen an Gewerbtreibende, Wein-<lb/>
bergsbesitzer u. s. w. gegen genügende Sicherheit gebe. Hiermit<lb/>
war wohl dem dringenden Bedürfnisse abgeholfen: der jetzigen<lb/>
Geschäftsstockung durch reichliche Darlehen abhelfen zu wollen,<lb/>
wäre eitle Hoffnung, denn es ist nicht möglich, daß das kleine<lb/>
Nassau, gleich einer glücklichen Jnsel, eines regen Verkehrs und<lb/>
blühender Geschäfte sich erfreue, während ringsum in allen Nach-<lb/>
barstaaten aller Verkehr stockt. Nur mit der Rückkehr der Ord-<lb/>
nung und des Vertrauens in weiteren Kreisen läßt sich das Wie-<lb/>
deraufblühen unseres Handels und unserer Gewerbe erwarten.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0003] ist, aus der Kaserne. Durch den Festungscommandanten in der Reitschule versammelt, und zur Rede gestellt, begannen sie offene Empörung, als die Rädelsführer in ihrer Mitte festgenommen werden sollten. Dadurch kamen sie zuerst in Conflikt mit Li- nientruppen, welche zur Aufrechthaltung der Ordnung aufgeboten waren. Nachdem aber die „schwierig gewordene“ Schwadron die Festung verlassen hatte, entspann sich zwischen den zwei Linienregimentern und den Artilleriesoldaten ein Streit, wobei die scharfen Patronen nicht gespart wurden. Doch sind keine Opfer zu beklagen, und die Ruhe ist wiedergekehrt, nachdem das sechste Jnfanterieregiment ebenfalls die Stadt verlassen hat. Die Bürger sind völlig unbetheiligt bei diesen Excessen gewesen. Fehlten nicht solche Scenen, um die Tragödie des Jahres 1848 zu einem Meisterstücke zu machen? Freiburg 3. Juli. ( Südd. Z. ) Gestern Abend versammelten sich mehrere Soldaten bei der Kaserne; unzufrieden, wie es schien, mit der Verhaftung eines Kameraden. Neugierige traten hinzu. Ein paar von diesen fühlten wühlerische Gelüste und fingen an, den Soldaten Anleitung zu geben, wie sie verfahren müßten. Die Krieger merkten kaum die Absicht, als sie auch schon die Hetzer von sich wiesen; doch lief die Sache bis auf etliche Ohrfeigen ganz friedlich ab. Der Vorfall wird nur deßhalb erwähnt, weil er zeigt, daß die Wühlerei im Heer keinen empfänglichen Boden mehr findet. Darmstadt 4. Juli. ( Fr. J. ) Jn unserer zweiten Kammer kam heute der Gesetzesentwurf, welcher die Gemeindeange- hörigen für die an Personen und Eigenthum bei Zusammen- rottungen und Tumulten verübten Verletzungen und Beschädigun- gen verantwortlich macht und für entschädigungspflichtig erklärt, zur weiteren Berathung. Am 20. März schon hatte der Abgeordnete Reh den Antrag gestellt, die Regierung um Vor- lage eines solchen Gesetzes, als dringend nöthig gegen den immer weiter um sich greifenden Geist der Unordnung und Gesetzlosig- keit, zu ersuchen. Die Kammer trat damals mit 34 gegen 3 Stimmen, die erste Kammer einstimmig dem Gesuche bei und die Regierung entsprach demselben am 10. Mai durch Vor- lage eines entsprechenden Gesetzesentwurfes. Bei der Bera- thung in der 66. Sitzung zweiter Kammer erhoben sich einige Anstände, namentlich wurde gefürchtet, daß das Gesetz sehr an Wirksamkeit verlieren müsse, wenn die Entschädigungsansprüche auf dem langsamen Wege des ordentlichen Civilprocesses erledigt werden müßten, und dafür ein schleuniges summarisches Verfah- ren in den diesseitigen Provinzen und das Fortbestehen des im Gesetze vom 10. Vendem. IV. vorgeschriebenen abgekürzten Offi- cialverfahrens in Rheinhessen gewünscht. Die Sache ging des- halb an den 2. Ausschuß zum weiteren speciellen Bericht zurück, und wurde so heute abermals berathen. Was mußten wir aber nun erleben? Trotzdem die Kammer fast einstimmig die Regie- rung selbst um dieses Gesetz als höchst nothwendig ersucht, trotz- dem sie erst gestern noch vielseitig ausgesprochen hatte, es sey dem Lande nichts nöthiger, als die Wiederkehr und Befestigung geschwundenen Vertrauens, was nur bei Wiederherstellung und strenger Handhabung der Ordnung möglich sey, hat sie dieses treffliche Mittel hierzu heute, es ist kaum zu glauben, so gut als verworfen. Abg. Cretzschmar stellte nämlich den ganz eigenthüm- lichen Antrag, „die Beschlußnahme über den vorgelegten Gesetzes- entwurf auf unbestimmte Zeit zu verschieben! “ Er meinte, die Erlassung des Gesetzes sey jetzt nicht mehr an der Zeit. Man habe Gesetze genug, um Unordnungen und Excesse zu bestrafen, und brauche keine Ausnahmsgesetze hierzu. Es ver- danke hauptsächlich den durch die standesherrlichen Verhältnisse entstandenen Unordnungen seine Entstehung; diese Ursachen seyen aber nun größtentheils beseitigt. Jhm stimmten die Ab- geordneten Lehne, Chr. Zöppritz, Heldmann, Görz, Franck bei. Vergebens entgegneten die Abgeordneten Buff, Krug, v. Rabenau I., Karl Zöppritz, Lotheißen , sowie auch der großherzogliche Regierungscommissär Ministerial- rath Maurer, daß die Ruhe noch keineswegs so herge- stellt und befestigt sey, daß man sagen könne, dieses Gesetzes nicht mehr zu bedürfen, jedenfalls werde es von guter moralischer Wirkung seyn und dadurch schon zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung beitragen; auch müsse es einen nachtheiligen Eindruck machen, wenn die Kammer ein Gesetz, das sie selbst verlangt habe, nun ablehne! Dem stimmte namentlich auch Präsident Hesse bei. Abg. Volhard hob sehr treffend und schlagend hervor, das Gesetz dürfe gar nicht als Ausnahmegesetz angesehen, sondern könne aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen gerechtfertigt werden. Die Gemeinden hätten die Verpflichtung, ihre Angehörigen zu schützen, und wenn sie es nicht könnten, zu entschädigen. Die Kammer trat aber, trotz aller dieser, wie uns scheint, sehr triftigen und beherzigenswerthen Gründe, mit 20 gegen 19 Stimmen, dem Antrage des Abgeordneten Cretzschmar bei. Das begehrte Gesetz ist also mit einer Mehrheit von einer einzigen Stimme vor- erst abgelehnt! ♀ Wiesbaden 4. Juli. Das zweite von unserer Kammer bereits berathene Gesetz betrifft die Erweiterung des Wirkungs- kreises der Landes=Credit=Casse, und die deßfallsige Be- rathung umfaßte zugleich das vielbesprochene Project der Abge- ordneten Leisler, Gergens und Jung wegen Errichtung einer Landeshypothekenbank. Die Hauptgrundlagen dieses Pro- jectes sind: es sollen, weniger um der Noth der Staatsfinanzen, als vielmehr um der Geldnoth der Grundbesitzer und Gewerb- treibenden abzuhelfen, vier Millionen Papiergeld creirt werden, um damit einen Fonds für eine Bank zu bilden, die gegen ent- sprechende Sicherheit auf Grundstücke, Weine, Pretiosen, Vor- räthe von Roheisen, Kohlen u. s. w. Geld ausleiht. Das Papiergeld solle auf Domainen verhypothecirt seyn, und zwar in der Art, daß nach Ablauf von vier Jahren jeder Besitzer eines solchen Scheines, und wenn es nur ein Fünfguldenschein wäre, das Recht haben solle, sobald er an der Staatscasse kein baares Geld für seinen Schein erhält, sofort die erste beste von den verpfändeten Domainen versteigern zu lassen. Jnnerhalb der vier Jahre sollte dies Papiergeld von den Staatscassen nicht gegen baares Geld eingelost werden können, dagegen solle es bei allen Zahlungen im Nassauischen für voll angenommen werden müssen. Zugleich sorgten die obengenannten drei An- tragsteller auch dafür, daß zur _______________Wiedereinlösung der vier Mil- lionen Papiergeld dereinst baares Geld vorhanden sey, indem sie vorschlugen, 20,000 Morgen Domainenwaldungen abzutreiben, das Holz zu verkaufen und das so gewonnene neue Ackerland an arme Leute zu verpachten. Wenn man bedenkt, daß viele Wein- bergsbesitzer im Rheingau, sodann einige derangirte Hütten- besitzer und Weinhändler den Deputirten nicht die leibliche Ruhe ließen, um nur Geld zu bekommen, gleichviel ob dies Geld Werth hatte oder nur bloßes Papier war — so muß man den Herren Antragstellern freilich zugestehen, daß sie „etwas gethan“ haben; aber wenn dieses „Etwas“ in der Wirklichkeit ausgeführt worden wäre, so würde der nassauische Credit höchst wahrschein- lich auf lange Zeit vollständig vernichtet worden seyn. Wie kann das kleine Herzogthum Nassau, welches bereits eine halbe Mil- lion Papiergeld besitzt, noch weiter vier Millionen vertragen? Wenn nun dasselbe in den Nachbarstaaten nicht mehr al pari angenommen wird, vielleicht schon um die Hälfte an Werth ver- loren hat, was doch in kritischen Zeiten sehr wohl möglich wäre, so mußte gleichwohl im Jnlande jeder, auch der Nichtnassauer dieses Papier bei Zahlungen zum vollen Nennwerthe annehmen! Chimärisch ist wohl die Hoffnung auf den großen Ertrag der abgestockten Waldungen in den nächsten vier Jahren; das Holz, welches in so großer Menge auf einmal feil geboten würde, müßte man zu Spottpreisen abgeben, und die neuen Bebauer, wenn dies eben vermögenslose Leute seyn sollen, werden sich erst noch Ackergeräthschaften, Wohnungen u. s. w. ausbitten, womit der ganze Gewinn wohl für zehn und zwanzig Jahre absorbirt würde. Die Verpfändung von Staatsdomainen hat überhaupt nach mehreren Seiten große Bedenken; einestheils wäre ihre Veräußerung zu einem Zwecke, dessen Erfolg noch keineswegs als gemeinnützig nachgewiesen wurde, nicht rathsam und sähe einer Verschleuderung sehr ähnlich, anderntheils ist die gebotene Sicherheit für den immerhin sehr denkbaren Fall, daß Nassau einem größeren Staate einverleibt würde, sehr prekair und endlich ist in der Wirklichkeit nicht zu erwarten, daß sich sei- ner Zeit die Gerichte beeilen werden, für einen Fünfgulden- schein einen ganzen Domainenwald oder Weinberg zu versteigern. Gegen dieses Bankproject erhoben sich sowohl in der Kammer, als außerhalb derselben durch Petitionen und in der Presse viele Stimmen und man kam schließlich dahin überein, den Antrag der Regierung zur Erwägung anheimzugeben, zu gleicher Zeit aber dieselbe zu ermächtigen, vorläufig noch weiter für 500,000 fl. Papiergeld zu dem Zwecke zu emittiren, daß die bereits bestehende Landescreditcasse, welcher ein Beirath von fünf Vertrauensmän- nern beigegeben wurde, Darlehen an Gewerbtreibende, Wein- bergsbesitzer u. s. w. gegen genügende Sicherheit gebe. Hiermit war wohl dem dringenden Bedürfnisse abgeholfen: der jetzigen Geschäftsstockung durch reichliche Darlehen abhelfen zu wollen, wäre eitle Hoffnung, denn es ist nicht möglich, daß das kleine Nassau, gleich einer glücklichen Jnsel, eines regen Verkehrs und blühender Geschäfte sich erfreue, während ringsum in allen Nach- barstaaten aller Verkehr stockt. Nur mit der Rückkehr der Ord- nung und des Vertrauens in weiteren Kreisen läßt sich das Wie- deraufblühen unseres Handels und unserer Gewerbe erwarten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal022_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal022_1848/3
Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 22. Mainz, 7. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal022_1848/3>, abgerufen am 16.06.2024.