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Mainzer Journal. Nr. 22. Mainz, 7. Juli 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 22. Freitag, den 7. Juli. 1848.

[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 6. Juli. Die heutige Berathung über die
Grundrechte des deutschen Volkes hat sich ausschließiich mit §. 2.,
die Freizügigkeit and die Anbahnung einer künftigen Ausgleichung
der noch vorhandenen, diesen Punkt betreffenden Particulargesetz-
gebungen anlangend, beschäftiget. Unter Andern haben sich fol-
gende Mitglieder an der ziemlich spinösen Debatte betheiligt:
Hildebrand, Hermann, Eisenstuck, Werner, Tell-
kampf, Achleitner, Eisenmann, Adams, Gulden,
Grävell, Trützschler, Henkel, Edel, Behr, Möllin-
gen, Stahl, Jaup, Degenkolb, Lette, Glaß, Hollandt.

Diese sämmtlichen Redner hatten entweder eigene Anträge einge-
bracht oder hielten Verbesserungsvorschläge in Bereitschaft. Nur
Wenige verlangten einen plötzlichen Bruch mit dem Bestehenden.
Wunderlich war die Meinung des Hrn. v. Trützschler, man
solle von den neuen Anzüglern keine Garantie hinsichtlich ihres
Vermögens oder ihrer Erwerbsfähigkeit verlangen, also wie bei
der Presse alle Präventivmaßregeln vermeiden, sondern nur die
den Gemeinden hinterher zur Last fallenden ausweisen. Mit Recht
hat Hollandt dem für die Volkssouveränität schwärmenden
Herrn Von vorgehalten, daß es unziemlich sey, einen souveränen
Menschen auf dem "Schubreiter" zu befördern. Am vernünftigsten
waren die Vorschläge von Hermann, Adams, Stahl, indem
sie neben der Freiheit des Jndividuums auch die Selbstständigkeit
der Gemeinden begutachteten.

f Frankfurt 6. Juli. Nach einem hier allgemein verbreite-
ten Gerücht soll bereits von Erzherzog Johann ein Schreiben
bei dem Präsidenten der Nationalversammlung eingelaufen seyn,
in welchem der Erzherzog erklärt, daß er die auf ihn gefallene
hohe Würde zwar annehme, allein nicht als unverantwortlicher,
sondern als verantwortlicher Reichsverweser. Die Sache
scheint mir zwar unwahrscheinlich, allein ich gebe sie Jhnen so,
wie ich sie vernommen habe.

Frankfurt 4. Juli. ( Schw. M. ) Man theilt sich in hiesigen
Kreisen bereits eine Candidatenliste für das vom Reichs-
verweser
zu bildende Ministerium mit, dessen Mitglieder
der Nationalversammlung angehören. Der Name Heinrichs v.
Gagern steht nicht auf dieser Liste, unstreitig, weil derselbe als
Vorsitzender der hohen Versammlung schwer zu ersetzen seyn
würde. Dagegen werden auf derselben General v. Radowitz
für den Krieg, Dr. Heckscher für die Justiz, v. Beckerath
für die Finanzen, v. Rönne für Handel und Gewerbe be-
zeichnet.

Prag 29. Juni. ( K. Z. ) Die Wahlen in Oesterreich, so
weit sie uns bisher bekannt geworden sind, ergeben ein wahrhaft
jammervolles Resultat und beweisen auf das schlagendste, welche
politische Unreife sich in diesem Oesterreich verbirgt. Jn Böhmen
gewinnen die Czechen ein entschiedenes Uebergewicht; zum großen
Theile werden aber Leute gewählt, die durchaus keine Vorstellung
von einer Constitution, von einem Reichstage und allem damit
Zusammenhängenden haben, viele auch, die keine Sylbe Deutsch
verstehen. Bis heute sind 92 Wahlen bekannt; unter den Ge-
wählten sind nicht mehr als 40 Bauern. Jn Steyermark ein
ganz ähnliches Resultat. Jn Galizien sind unter 75 Abgeordneten
31 Bauern: man rechnet 45 Deputirte, also die Mehrzahl,
denen die deutsche Sprache vollkommen fremd ist! Was soll aus
einem so gebildeten Reichstage werden, der in so schwieriger Lage
diesem hartbedrängten Oesterreich eine Verfassung geben soll!
So viel wenigstens ist schon jetzt gewiß, daß die große Majorität
der Versammlung aus Männern ohne alle politische Bildung,
ohne alles Verständniß der Gegenwart bestehen wird, ja, aus
Männern, die völlig unfähig sind, an den Verhandlungen ir-
gendwie Theil zu nehmen. ( Jhr habet es ja so gewollt, -- war-
um also jetzt die Klage? )

Berlin 3. Juli. ( K. Z. ) Die Wahl des Erzherzogs Johann
von Oesterreich zum Reichsverweser konnte nach den vorangegan-
genen Verhandlungen in Frankfurt nicht mehr sehr überraschen.
Schon gestern ist ein Feldjäger mit einem Gratulationsschreiben
der diesseitigen Regierung an den Erzherzog nach Wien abge-
gangen, und morgen wird, wie man allgemein sagt, das Mini-
sterium der Nationalversammlung einen Vorschlag wegen eines
Actes machen, wodurch die Wahl des Reichsverwesers in feier-
licher Weise anerkannt werden soll. -- Die preußische Diplo-
[Spaltenumbruch] matie wird fürs Erste, so hören wir in gut unterrichteten Kreisen
behaupten, im Status quo bleiben. Herr v. Usedom, dem Art. 14.
des Reichsdecrets gemäß, wird preußischer Gesandter beim Ver-
weser in Frankfurt. Jn Paris, London u. s. w. werden neben
dem Gesandten Deutschlands die Gesandten Preußens, Oester-
reichs u. s. w. fürs Erste fortbestehen ( ! ) . -- Das Ministerium
des königlichen Hauses, dessen Chef der Fürst Wittgenstein ist,
wird aufgehoben, da ein unverantwortlicher Minister nicht
mehr bestehen kann.

sqrt Berlin 4. Juli. Jch habe Jhnen heute über wichtige
Dinge zu berichten, die unsere Zustände wahrscheinlich einer Krisis
entgegenführen. Der kaum ernannte Minister des Cul-
tus, Rodbertus ist,
um vor Allem das Thatsächliche kurz
anzuführen, aus dem Ministerium wieder ausge-
schieden
und die Linke ist, nachdem es ihr in der Polen-
frage nicht ganz nach Wunsch ergangen, in Massen aus
der Nationalversammlung ausgetreten.
Der Aus-
tritt von Rodbertus hat seinen Grund darin, daß er sich über
die Behandlung der deutschen Fragen mit seinen Collegen
nicht ganz verständigen konnte. Herr Rodbertus wird indessen das
Ministerium vor wie nach unterstützen, und wird vorläufig durch
Herrn von Ladenberg ersetzt. Jn Bezug auf die Polenfrage
hatte sich das Gutachten der Commission dahin erklärt, "daß
eine Commission zur Untersuchung der Ursachen, wodurch die
blutigen Vorfälle im Großherzogthum Posen hervorgerufen,
niedergesetzt und ihr zu deren Erforschung völlig freie Hand
gelassen werde.
" Hier errang die Linke einen Sieg, denn 195
Mitglieder stimmten gegen den Willen des Ministeriums dafür, daß
der Commission völlig freie Hand gelassen werden solle, 170 dage-
gen. Damit war nach der Ansicht der Linken die Sache ab-
gethan, die Rechte dagegen meinte, durch die Annahme der
ersten Frage, die ganz allgemein sey, wären die Mittel zur
Ausführung noch nicht angegeben; man müsse erst feststel-
llen, ob die Commission das Recht haben solle, Zeugen zu
vernehmen u. s. w. Als nun der Präsident alle diese Fragen zur
Abstimmung bringen wollte, protestirte die Linke dagegen und
verließ, als die Rechte auf der Fragestellung bestand, die Ver-
sammlung. Die Sitzung wurde indessen fortgesetzt und die Frage:
"Soll der Commission die Befugniß zustehen, sich nöthigenfalls
nach der Provinz Posen begeben und Zeugen vernehmen zu dür-
fen?" ward jetzt, allerdings im Widerspruche mit dem ersten
Artikel, verneint. Es muß sich nun bald herausstellen, ob die
wühlerische Partei es bei diesem ihrem Austritt bewenden lassen
oder, wie schon seit einigen Tagen das Gerücht geht, die Natio-
nalversammlung durch einen Krawall auseinandersprengen wird.
Zum Schlusse sprach Ministerpräsident von Auerswald sich
auf das Anerkennendste über die Frankfurter Beschlüsse und die
Wahl des Erzherzogs Johann zum Reichsverweser aus. Die
preußische Ministerbank hat also auch erklärt: Kein Oesterreich,
kein Preußen, sondern ein einiges, freies Deutschland!

Ulm. Wir entnehmen einer von der U. Schn. mitgetheilten
Erklärung des politischen Vereins und der Bürger-
versammlung
in Ulm über das von Angehörigen des 3.
Reiterregiments am 27. Juni begangene Verbrechen das
Folgende: "Wir können nicht umhin, unsern tiefen Unwillen
über die Gleichgültigkeit auszusprechen, mit der die unmittelbar
nach der Frevelthat allernothwendigsten Anordnungen in der Ka-
serne des dritten Reiterregiments sind unterlassen worden. Wäh-
rend ein Schrei des Entsetzens, der Entrüstung und des Schmer-
zes an jenem Abende durch unsere ganze Stadt sich verbreitete,
ist dort, wo Alles zur Entdeckung und Ueberführung der Schul-
digen hätte geschehen können und sollen, ein bloßes Verlesen der
Soldaten, und da bei diesem sich die listigen Verbrecher eingefun-
den hatten, keine weitere Untersuchung ihrer Waffen, die sie ver-
rathen haben müßten, angeordnet worden; ja am folgenden
Morgen rückte, wie wenn nichts geschehen wäre, das Regiment
zum Exerciren aus, und erst nach seiner Rückkehr mußte man,
gedrungen von der allgemeinen Stimme, zu den erforderlichen
Maßregeln schreiten. Wir geben diesem Verfahren keinen Namen,
das öffentliche Urtheil möge sich darüber aussprechen. Wir wissen
uns überhaupt jetzt frei von allen Gedanken an Gewalt und Rache,
obwohl wir nicht verhehlen, daß es uns Mühe gekostet hat, sie
in unserm Jnnern niederzukämpfen, und wir keine Bürgschaft
leisten können, daß wir bei einer ähnlichen nochmaligen Kränkung
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 22. Freitag, den 7. Juli. 1848.

[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 6. Juli. Die heutige Berathung über die
Grundrechte des deutschen Volkes hat sich ausschließiich mit §. 2.,
die Freizügigkeit and die Anbahnung einer künftigen Ausgleichung
der noch vorhandenen, diesen Punkt betreffenden Particulargesetz-
gebungen anlangend, beschäftiget. Unter Andern haben sich fol-
gende Mitglieder an der ziemlich spinösen Debatte betheiligt:
Hildebrand, Hermann, Eisenstuck, Werner, Tell-
kampf, Achleitner, Eisenmann, Adams, Gulden,
Grävell, Trützschler, Henkel, Edel, Behr, Möllin-
gen, Stahl, Jaup, Degenkolb, Lette, Glaß, Hollandt.

Diese sämmtlichen Redner hatten entweder eigene Anträge einge-
bracht oder hielten Verbesserungsvorschläge in Bereitschaft. Nur
Wenige verlangten einen plötzlichen Bruch mit dem Bestehenden.
Wunderlich war die Meinung des Hrn. v. Trützschler, man
solle von den neuen Anzüglern keine Garantie hinsichtlich ihres
Vermögens oder ihrer Erwerbsfähigkeit verlangen, also wie bei
der Presse alle Präventivmaßregeln vermeiden, sondern nur die
den Gemeinden hinterher zur Last fallenden ausweisen. Mit Recht
hat Hollandt dem für die Volkssouveränität schwärmenden
Herrn Von vorgehalten, daß es unziemlich sey, einen souveränen
Menschen auf dem „Schubreiter“ zu befördern. Am vernünftigsten
waren die Vorschläge von Hermann, Adams, Stahl, indem
sie neben der Freiheit des Jndividuums auch die Selbstständigkeit
der Gemeinden begutachteten.

f Frankfurt 6. Juli. Nach einem hier allgemein verbreite-
ten Gerücht soll bereits von Erzherzog Johann ein Schreiben
bei dem Präsidenten der Nationalversammlung eingelaufen seyn,
in welchem der Erzherzog erklärt, daß er die auf ihn gefallene
hohe Würde zwar annehme, allein nicht als unverantwortlicher,
sondern als verantwortlicher Reichsverweser. Die Sache
scheint mir zwar unwahrscheinlich, allein ich gebe sie Jhnen so,
wie ich sie vernommen habe.

Frankfurt 4. Juli. ( Schw. M. ) Man theilt sich in hiesigen
Kreisen bereits eine Candidatenliste für das vom Reichs-
verweser
zu bildende Ministerium mit, dessen Mitglieder
der Nationalversammlung angehören. Der Name Heinrichs v.
Gagern steht nicht auf dieser Liste, unstreitig, weil derselbe als
Vorsitzender der hohen Versammlung schwer zu ersetzen seyn
würde. Dagegen werden auf derselben General v. Radowitz
für den Krieg, Dr. Heckscher für die Justiz, v. Beckerath
für die Finanzen, v. Rönne für Handel und Gewerbe be-
zeichnet.

Prag 29. Juni. ( K. Z. ) Die Wahlen in Oesterreich, so
weit sie uns bisher bekannt geworden sind, ergeben ein wahrhaft
jammervolles Resultat und beweisen auf das schlagendste, welche
politische Unreife sich in diesem Oesterreich verbirgt. Jn Böhmen
gewinnen die Czechen ein entschiedenes Uebergewicht; zum großen
Theile werden aber Leute gewählt, die durchaus keine Vorstellung
von einer Constitution, von einem Reichstage und allem damit
Zusammenhängenden haben, viele auch, die keine Sylbe Deutsch
verstehen. Bis heute sind 92 Wahlen bekannt; unter den Ge-
wählten sind nicht mehr als 40 Bauern. Jn Steyermark ein
ganz ähnliches Resultat. Jn Galizien sind unter 75 Abgeordneten
31 Bauern: man rechnet 45 Deputirte, also die Mehrzahl,
denen die deutsche Sprache vollkommen fremd ist! Was soll aus
einem so gebildeten Reichstage werden, der in so schwieriger Lage
diesem hartbedrängten Oesterreich eine Verfassung geben soll!
So viel wenigstens ist schon jetzt gewiß, daß die große Majorität
der Versammlung aus Männern ohne alle politische Bildung,
ohne alles Verständniß der Gegenwart bestehen wird, ja, aus
Männern, die völlig unfähig sind, an den Verhandlungen ir-
gendwie Theil zu nehmen. ( Jhr habet es ja so gewollt, — war-
um also jetzt die Klage? )

Berlin 3. Juli. ( K. Z. ) Die Wahl des Erzherzogs Johann
von Oesterreich zum Reichsverweser konnte nach den vorangegan-
genen Verhandlungen in Frankfurt nicht mehr sehr überraschen.
Schon gestern ist ein Feldjäger mit einem Gratulationsschreiben
der diesseitigen Regierung an den Erzherzog nach Wien abge-
gangen, und morgen wird, wie man allgemein sagt, das Mini-
sterium der Nationalversammlung einen Vorschlag wegen eines
Actes machen, wodurch die Wahl des Reichsverwesers in feier-
licher Weise anerkannt werden soll. — Die preußische Diplo-
[Spaltenumbruch] matie wird fürs Erste, so hören wir in gut unterrichteten Kreisen
behaupten, im Status quo bleiben. Herr v. Usedom, dem Art. 14.
des Reichsdecrets gemäß, wird preußischer Gesandter beim Ver-
weser in Frankfurt. Jn Paris, London u. s. w. werden neben
dem Gesandten Deutschlands die Gesandten Preußens, Oester-
reichs u. s. w. fürs Erste fortbestehen ( ! ) . — Das Ministerium
des königlichen Hauses, dessen Chef der Fürst Wittgenstein ist,
wird aufgehoben, da ein unverantwortlicher Minister nicht
mehr bestehen kann.

√ Berlin 4. Juli. Jch habe Jhnen heute über wichtige
Dinge zu berichten, die unsere Zustände wahrscheinlich einer Krisis
entgegenführen. Der kaum ernannte Minister des Cul-
tus, Rodbertus ist,
um vor Allem das Thatsächliche kurz
anzuführen, aus dem Ministerium wieder ausge-
schieden
und die Linke ist, nachdem es ihr in der Polen-
frage nicht ganz nach Wunsch ergangen, in Massen aus
der Nationalversammlung ausgetreten.
Der Aus-
tritt von Rodbertus hat seinen Grund darin, daß er sich über
die Behandlung der deutschen Fragen mit seinen Collegen
nicht ganz verständigen konnte. Herr Rodbertus wird indessen das
Ministerium vor wie nach unterstützen, und wird vorläufig durch
Herrn von Ladenberg ersetzt. Jn Bezug auf die Polenfrage
hatte sich das Gutachten der Commission dahin erklärt, „daß
eine Commission zur Untersuchung der Ursachen, wodurch die
blutigen Vorfälle im Großherzogthum Posen hervorgerufen,
niedergesetzt und ihr zu deren Erforschung völlig freie Hand
gelassen werde.
“ Hier errang die Linke einen Sieg, denn 195
Mitglieder stimmten gegen den Willen des Ministeriums dafür, daß
der Commission völlig freie Hand gelassen werden solle, 170 dage-
gen. Damit war nach der Ansicht der Linken die Sache ab-
gethan, die Rechte dagegen meinte, durch die Annahme der
ersten Frage, die ganz allgemein sey, wären die Mittel zur
Ausführung noch nicht angegeben; man müsse erst feststel-
llen, ob die Commission das Recht haben solle, Zeugen zu
vernehmen u. s. w. Als nun der Präsident alle diese Fragen zur
Abstimmung bringen wollte, protestirte die Linke dagegen und
verließ, als die Rechte auf der Fragestellung bestand, die Ver-
sammlung. Die Sitzung wurde indessen fortgesetzt und die Frage:
„Soll der Commission die Befugniß zustehen, sich nöthigenfalls
nach der Provinz Posen begeben und Zeugen vernehmen zu dür-
fen?“ ward jetzt, allerdings im Widerspruche mit dem ersten
Artikel, verneint. Es muß sich nun bald herausstellen, ob die
wühlerische Partei es bei diesem ihrem Austritt bewenden lassen
oder, wie schon seit einigen Tagen das Gerücht geht, die Natio-
nalversammlung durch einen Krawall auseinandersprengen wird.
Zum Schlusse sprach Ministerpräsident von Auerswald sich
auf das Anerkennendste über die Frankfurter Beschlüsse und die
Wahl des Erzherzogs Johann zum Reichsverweser aus. Die
preußische Ministerbank hat also auch erklärt: Kein Oesterreich,
kein Preußen, sondern ein einiges, freies Deutschland!

Ulm. Wir entnehmen einer von der U. Schn. mitgetheilten
Erklärung des politischen Vereins und der Bürger-
versammlung
in Ulm über das von Angehörigen des 3.
Reiterregiments am 27. Juni begangene Verbrechen das
Folgende: „Wir können nicht umhin, unsern tiefen Unwillen
über die Gleichgültigkeit auszusprechen, mit der die unmittelbar
nach der Frevelthat allernothwendigsten Anordnungen in der Ka-
serne des dritten Reiterregiments sind unterlassen worden. Wäh-
rend ein Schrei des Entsetzens, der Entrüstung und des Schmer-
zes an jenem Abende durch unsere ganze Stadt sich verbreitete,
ist dort, wo Alles zur Entdeckung und Ueberführung der Schul-
digen hätte geschehen können und sollen, ein bloßes Verlesen der
Soldaten, und da bei diesem sich die listigen Verbrecher eingefun-
den hatten, keine weitere Untersuchung ihrer Waffen, die sie ver-
rathen haben müßten, angeordnet worden; ja am folgenden
Morgen rückte, wie wenn nichts geschehen wäre, das Regiment
zum Exerciren aus, und erst nach seiner Rückkehr mußte man,
gedrungen von der allgemeinen Stimme, zu den erforderlichen
Maßregeln schreiten. Wir geben diesem Verfahren keinen Namen,
das öffentliche Urtheil möge sich darüber aussprechen. Wir wissen
uns überhaupt jetzt frei von allen Gedanken an Gewalt und Rache,
obwohl wir nicht verhehlen, daß es uns Mühe gekostet hat, sie
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 22. Freitag, den 7. Juli. 1848. Deutschland. Reichstag. # Frankfurt 6. Juli. Die heutige Berathung über die Grundrechte des deutschen Volkes hat sich ausschließiich mit §. 2., die Freizügigkeit and die Anbahnung einer künftigen Ausgleichung der noch vorhandenen, diesen Punkt betreffenden Particulargesetz- gebungen anlangend, beschäftiget. Unter Andern haben sich fol- gende Mitglieder an der ziemlich spinösen Debatte betheiligt: Hildebrand, Hermann, Eisenstuck, Werner, Tell- kampf, Achleitner, Eisenmann, Adams, Gulden, Grävell, Trützschler, Henkel, Edel, Behr, Möllin- gen, Stahl, Jaup, Degenkolb, Lette, Glaß, Hollandt. Diese sämmtlichen Redner hatten entweder eigene Anträge einge- bracht oder hielten Verbesserungsvorschläge in Bereitschaft. Nur Wenige verlangten einen plötzlichen Bruch mit dem Bestehenden. Wunderlich war die Meinung des Hrn. v. Trützschler, man solle von den neuen Anzüglern keine Garantie hinsichtlich ihres Vermögens oder ihrer Erwerbsfähigkeit verlangen, also wie bei der Presse alle Präventivmaßregeln vermeiden, sondern nur die den Gemeinden hinterher zur Last fallenden ausweisen. Mit Recht hat Hollandt dem für die Volkssouveränität schwärmenden Herrn Von vorgehalten, daß es unziemlich sey, einen souveränen Menschen auf dem „Schubreiter“ zu befördern. Am vernünftigsten waren die Vorschläge von Hermann, Adams, Stahl, indem sie neben der Freiheit des Jndividuums auch die Selbstständigkeit der Gemeinden begutachteten. f Frankfurt 6. Juli. Nach einem hier allgemein verbreite- ten Gerücht soll bereits von Erzherzog Johann ein Schreiben bei dem Präsidenten der Nationalversammlung eingelaufen seyn, in welchem der Erzherzog erklärt, daß er die auf ihn gefallene hohe Würde zwar annehme, allein nicht als unverantwortlicher, sondern als verantwortlicher Reichsverweser. Die Sache scheint mir zwar unwahrscheinlich, allein ich gebe sie Jhnen so, wie ich sie vernommen habe. Frankfurt 4. Juli. ( Schw. M. ) Man theilt sich in hiesigen Kreisen bereits eine Candidatenliste für das vom Reichs- verweser zu bildende Ministerium mit, dessen Mitglieder der Nationalversammlung angehören. Der Name Heinrichs v. Gagern steht nicht auf dieser Liste, unstreitig, weil derselbe als Vorsitzender der hohen Versammlung schwer zu ersetzen seyn würde. Dagegen werden auf derselben General v. Radowitz für den Krieg, Dr. Heckscher für die Justiz, v. Beckerath für die Finanzen, v. Rönne für Handel und Gewerbe be- zeichnet. Prag 29. Juni. ( K. Z. ) Die Wahlen in Oesterreich, so weit sie uns bisher bekannt geworden sind, ergeben ein wahrhaft jammervolles Resultat und beweisen auf das schlagendste, welche politische Unreife sich in diesem Oesterreich verbirgt. Jn Böhmen gewinnen die Czechen ein entschiedenes Uebergewicht; zum großen Theile werden aber Leute gewählt, die durchaus keine Vorstellung von einer Constitution, von einem Reichstage und allem damit Zusammenhängenden haben, viele auch, die keine Sylbe Deutsch verstehen. Bis heute sind 92 Wahlen bekannt; unter den Ge- wählten sind nicht mehr als 40 Bauern. Jn Steyermark ein ganz ähnliches Resultat. Jn Galizien sind unter 75 Abgeordneten 31 Bauern: man rechnet 45 Deputirte, also die Mehrzahl, denen die deutsche Sprache vollkommen fremd ist! Was soll aus einem so gebildeten Reichstage werden, der in so schwieriger Lage diesem hartbedrängten Oesterreich eine Verfassung geben soll! So viel wenigstens ist schon jetzt gewiß, daß die große Majorität der Versammlung aus Männern ohne alle politische Bildung, ohne alles Verständniß der Gegenwart bestehen wird, ja, aus Männern, die völlig unfähig sind, an den Verhandlungen ir- gendwie Theil zu nehmen. ( Jhr habet es ja so gewollt, — war- um also jetzt die Klage? ) Berlin 3. Juli. ( K. Z. ) Die Wahl des Erzherzogs Johann von Oesterreich zum Reichsverweser konnte nach den vorangegan- genen Verhandlungen in Frankfurt nicht mehr sehr überraschen. Schon gestern ist ein Feldjäger mit einem Gratulationsschreiben der diesseitigen Regierung an den Erzherzog nach Wien abge- gangen, und morgen wird, wie man allgemein sagt, das Mini- sterium der Nationalversammlung einen Vorschlag wegen eines Actes machen, wodurch die Wahl des Reichsverwesers in feier- licher Weise anerkannt werden soll. — Die preußische Diplo- matie wird fürs Erste, so hören wir in gut unterrichteten Kreisen behaupten, im Status quo bleiben. Herr v. Usedom, dem Art. 14. des Reichsdecrets gemäß, wird preußischer Gesandter beim Ver- weser in Frankfurt. Jn Paris, London u. s. w. werden neben dem Gesandten Deutschlands die Gesandten Preußens, Oester- reichs u. s. w. fürs Erste fortbestehen ( ! ) . — Das Ministerium des königlichen Hauses, dessen Chef der Fürst Wittgenstein ist, wird aufgehoben, da ein unverantwortlicher Minister nicht mehr bestehen kann. √ Berlin 4. Juli. Jch habe Jhnen heute über wichtige Dinge zu berichten, die unsere Zustände wahrscheinlich einer Krisis entgegenführen. Der kaum ernannte Minister des Cul- tus, Rodbertus ist, um vor Allem das Thatsächliche kurz anzuführen, aus dem Ministerium wieder ausge- schieden und die Linke ist, nachdem es ihr in der Polen- frage nicht ganz nach Wunsch ergangen, in Massen aus der Nationalversammlung ausgetreten. Der Aus- tritt von Rodbertus hat seinen Grund darin, daß er sich über die Behandlung der deutschen Fragen mit seinen Collegen nicht ganz verständigen konnte. Herr Rodbertus wird indessen das Ministerium vor wie nach unterstützen, und wird vorläufig durch Herrn von Ladenberg ersetzt. Jn Bezug auf die Polenfrage hatte sich das Gutachten der Commission dahin erklärt, „daß eine Commission zur Untersuchung der Ursachen, wodurch die blutigen Vorfälle im Großherzogthum Posen hervorgerufen, niedergesetzt und ihr zu deren Erforschung völlig freie Hand gelassen werde. “ Hier errang die Linke einen Sieg, denn 195 Mitglieder stimmten gegen den Willen des Ministeriums dafür, daß der Commission völlig freie Hand gelassen werden solle, 170 dage- gen. Damit war nach der Ansicht der Linken die Sache ab- gethan, die Rechte dagegen meinte, durch die Annahme der ersten Frage, die ganz allgemein sey, wären die Mittel zur Ausführung noch nicht angegeben; man müsse erst feststel- llen, ob die Commission das Recht haben solle, Zeugen zu vernehmen u. s. w. Als nun der Präsident alle diese Fragen zur Abstimmung bringen wollte, protestirte die Linke dagegen und verließ, als die Rechte auf der Fragestellung bestand, die Ver- sammlung. Die Sitzung wurde indessen fortgesetzt und die Frage: „Soll der Commission die Befugniß zustehen, sich nöthigenfalls nach der Provinz Posen begeben und Zeugen vernehmen zu dür- fen?“ ward jetzt, allerdings im Widerspruche mit dem ersten Artikel, verneint. Es muß sich nun bald herausstellen, ob die wühlerische Partei es bei diesem ihrem Austritt bewenden lassen oder, wie schon seit einigen Tagen das Gerücht geht, die Natio- nalversammlung durch einen Krawall auseinandersprengen wird. Zum Schlusse sprach Ministerpräsident von Auerswald sich auf das Anerkennendste über die Frankfurter Beschlüsse und die Wahl des Erzherzogs Johann zum Reichsverweser aus. Die preußische Ministerbank hat also auch erklärt: Kein Oesterreich, kein Preußen, sondern ein einiges, freies Deutschland! Ulm. Wir entnehmen einer von der U. Schn. mitgetheilten Erklärung des politischen Vereins und der Bürger- versammlung in Ulm über das von Angehörigen des 3. Reiterregiments am 27. Juni begangene Verbrechen das Folgende: „Wir können nicht umhin, unsern tiefen Unwillen über die Gleichgültigkeit auszusprechen, mit der die unmittelbar nach der Frevelthat allernothwendigsten Anordnungen in der Ka- serne des dritten Reiterregiments sind unterlassen worden. Wäh- rend ein Schrei des Entsetzens, der Entrüstung und des Schmer- zes an jenem Abende durch unsere ganze Stadt sich verbreitete, ist dort, wo Alles zur Entdeckung und Ueberführung der Schul- digen hätte geschehen können und sollen, ein bloßes Verlesen der Soldaten, und da bei diesem sich die listigen Verbrecher eingefun- den hatten, keine weitere Untersuchung ihrer Waffen, die sie ver- rathen haben müßten, angeordnet worden; ja am folgenden Morgen rückte, wie wenn nichts geschehen wäre, das Regiment zum Exerciren aus, und erst nach seiner Rückkehr mußte man, gedrungen von der allgemeinen Stimme, zu den erforderlichen Maßregeln schreiten. Wir geben diesem Verfahren keinen Namen, das öffentliche Urtheil möge sich darüber aussprechen. Wir wissen uns überhaupt jetzt frei von allen Gedanken an Gewalt und Rache, obwohl wir nicht verhehlen, daß es uns Mühe gekostet hat, sie in unserm Jnnern niederzukämpfen, und wir keine Bürgschaft leisten können, daß wir bei einer ähnlichen nochmaligen Kränkung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 22. Mainz, 7. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal022_1848/5>, abgerufen am 03.12.2024.