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Mainzer Journal. Nr. 26. Mainz, 11. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] aus den Folgen dieser Tage wird viel Heil hervorgehen." Der
Zuruf des Volkes beantwortete die Rede. Der Zug bewegte sich
in dersesben Ordnung wieder zurück. Der Enthusiasmus ist all-
gemein. Heute Abend ist Fackelzug, große Beleuchtung. Wien ist
in der freudigsten Aufregung, große Geschicke sind in die Hand ei-
nes seiner Söhne gelegt. Der Sicherheitsausschuß hat heute
in einer geheimen Sitzung über die Frage seiner Auflösung be-
rathen. Viele sind der Meinung, daß er neben dem Reichstage
nicht bestehen dürfe, um die moralische Kraft der Versammlung
nicht zu lähmen.

Prag 4. Juli. ( Bresl. Z. ) Es wird außerordentlich stark
rekrutirt und alle Studenten, welche sich am Barricadenbau u. s.
w. betheiligten, abgeführt ( ? ) . Man spricht davon, daß bis
Hälfte dieses Monats sich eine Armee aus österreichischen, bayeri-
schen und sächsischen Truppen bei Pilsen unter Commando des
Fürsten Windisch=Grätz als Nordarmee conzentriren soll. Eben
so verkündet ein Gerücht die baldige Ankunft des Erzherzog
Franz Joseph als Statthalters von Böhmen. Bei dem Berichte,
daß nächstens die Nationalgarde in's Leben treten werde, ge-
schieht der Studentenlegion keine Erwähnung mehr, sie scheint
also für immer aufgelöst zu seyn.

München 7. Juli. ( A. Z. ) Der Reichsverweser Erzherzog
Johann wird auf seiner Reise nach Frankfurt durch München
kommen und wahrscheinlich hier übernachten. Heute wurden be-
reits auf der Parade die ihm bestimmten militärischen Ehrenbe-
zeugungen officiell bekannt gegeben. Die hiesige Einwohnerschaft
wird, wie sich von selbst versteht, nicht zurückbleiben.

Von dem Haardtgebirge 9. Juli. Das allzukecke Auf-
treten der erhitzten Umsturzpartei hat, wie vorauszusehen war, zu
einem Rückschlag geführt, der schon allenthalben wirksam wird.
Das fanatische Ca ira dieser Leute tönte dem guten deutschen Mi-
chel doch etwas zu gellend in die ziemlich tauben Ohren. Er sieht
erschreckt in den blutbespritzten Spiegel der Republik, den ihm der
gallische Hahn vorhält, und erblickt mit Entrüstung die Jakobiner-
mütze, die man ihm rücklings auf das ehrwürdige Haupt gestülpt
hat; voll Abscheu wirft er den aufgedrungenen Kopfputz bei
Seite. Wenn es außerdem wahr ist, daß der erlauchte Reichs-
verweser die ihm angetragene Würde mit Verantwortlich-
keit
annehme, so hat überdies die republikanische Linke im Reichs-
tage einen Schlag erlitten, von dem sie sich lange nicht erholen
wird. Uebrigens ist es auch hohe Zeit, daß wenigstens für die
Frist einiger Monate Ruhe und Ordnung wiederkehren, wenn wir
nicht erleben sollen, daß Deutschland in inneren Kämpfen zer-
fleischt, seinen äußeren Feinden das Schauspiel der jammervoll-
sten Ohnmacht darbiete. Für die weitere Zukunft gehören wir
wenigstens noch immer zu der Zahl der verrufenen Pessimisten,
die sich zwar gerne belehren lassen, aber in der gegenwärtigen
Zeit noch nicht einzusehen vermögen, wie eine Nation von einer
Krankheit, die eine Folge der vollständigsten Desorganisation ist,
augenblicklich genesen könne, sofern nicht eine noch nie dagewesene
Wunderkur eintreten soll. Doch was hilft das Lesen in den
Sternen in Tagen, wo, wie jetzt, jede Minute ihre dringende
Anforderung an die Gegenwart macht. Wenn nicht alle Anzei-
chen trügen, so werden wir auch bald in der Pfalz politische Ver-
eine entstehen sehen, welche es sich zur Aufgabe machen werden,
dem tollen Treiben der Umsturzmänner und den idealistischen Be-
strebungen der republikanischen Partei entschieden entgegen zu tre-
ten. Das ist gewiß löblich und es fehlt zur Ausübung vielweni-
ger an gutem Willen und an tüchtigen Kräften, als an Energie
und rücksichtslosem Hervortreten. Sie werden ungeduldig seyn
über die hausgebackenen Betrachtungen ihres Berichterstatters und
Neuigkeiten verlangen. Neuigkeiten?! -- Armer Correspondent
vom Lande! Ringsum ihn spielt auf den Fluren die friedlichste
Jdylle in der üppigsten, anmuthigsten Natur. Unter dem Segen
fast erliegend schwankt der Erndtewagen durch die stille Gasse des
Dorfes, dessen Ruhe nur des Abends von den weithin durch die
Nacht hallenden Liedern des heimgekehrten Schnittervolkes unter-
brochen wird. Die klaffenden Spalten einer Zeitung verlangen
aber heutzutage Schlachtenberichte, Barricadenscenen, stürmische
Volksreden. Beklagenswerthes Loos eines Dörflers, der nicht
einmal die freie Presse mit zeitgemäßen Nachrichten unterstützen
kann!

Ulm 6. Juli. ( N. C. ) Durch einen Ministerialerlaß ist un-
serer Kreisregierung eingeschärft worden, alle Aufmerksamkeit
auf den ultra=republikanischen "Erzähler an der Donau", redi-
girt von Schiffterling, zu haben, "da dieses Blatt fortfahre, durch
aufreizende Artikel auf das Publikum zu wirken." Das k. Ober-
amt hat Dieß dem Verleger Geus mit dem Anfügen eröffnet, daß
sich dieser der Aufnahme politischer Artikel bei angedrohter Strafe
und so lange zu enthalten habe, bis er hierzu die erforderliche Con-
[Spaltenumbruch] cession ausgewirkt. Geus hat nun sofort um diese Concession an-
gehalten, ist aber mit der Bemerkung abschläglich beschieden wor-
den, "daß solche Concessionen nur an Personen von unbescholte-
nem Prädicat ertheilt würden, daß aber bei dem Criminalsenat
des Gerichtshofes dahier eine Untersuchung gegen ihn wegen der
in seinem Blatte vorgekommenen groben Angriffe auf die Ehre
der Staatsregierung eingeleitet sey." Die Sache macht hier gro-
ßes Aufsehen, und selbst Diejenigen, die mit der Tendenz des
Blattes nicht einverstanden sind, finden in jener Maßregel einen
Eingriff in unser wohlerworbenes Recht der freien
Presse.
Jn dem Preßgesetz vom 20. Jan. 1817, das zufolge
einer k. Entschließung vom 1. März d. J. wieder in Wirksamkeit
getreten ist, steht kein Wort davon, daß es zur Herausgabe poli-
tischer Tagesblätter einer Concession bedürfe; dagegen ist ein
Normalerlaß auf dem Kanzleiweg ( ! ) bekannt geworden, wonach
jedem Staatsbürger, "welcher ein unbescholtenes Prädikat hat",
die Erlaubniß ertheilt werden soll. Es fragt sich nun: 1 ) ob der
eben genannte Erlaß, der ohne Zuziehung der gesetzlichen Factoren,
der Stände, verkündet wurde, gesetzliche Kraft habe, und 2 ) ob
Jemand auch schon dann für "bescholten" erklärt werden könne,
wenn er in Untersuchung schwebt? Wird die erste Frage ver-
neint, so kann sich die Regierung darauf berufen, daß dann auch
das erneuerte Gesetz von 1817 ungesetzlich sey, da auch dieses
unmittelbar vom König ohne Berathung der Stände erlassen
worden ist. Unser "politischer Verein" hat die Angelegenheit ge-
stern Abend zn der seinigen gemacht und eine eigene Commission
berufen, die eine Beschwerdeschrift der gesammten Bürgerschaft
vorlegen und nach deren Gutheißung der Staatsregierung zusen-
den wird. [ Herr Schiffterling sagt uns so wenig zu, wie sein
Blatt, allein das ist kein Grund, ihn der Gnade eines "königlichen
Oberamtes" preiszugeben, und wir haben lieber ein schlechtes
Blatt mehr, als den sattsam bekannten "Kanzleiweg," der von jeher in
seiner angebornen Unfehlbarkeit ein Todfeind der Preßfreiheit war. ]

Jtalien.

Vom Kriegsschauplatz nichts wichtiges. Einzelnen An-
gaben und Andeutungen der italienischen Blätter nach scheint es,
daß die Oesterreicher ernsthaft daran denken die beiden Pässe des
Stilferjochs und des Tonale zu forciren, und so im Rücken der
Piemontesen in Jtalien einzudringen, sowie daß gleichzeitig öster-
reichischerseits ein Ausfall aus Mantua ins frühere Modenische
beabsichtigt wird, um hier eine Contrerevolution zu Stande zu
bringen, zu der allerdings noch viele Elemente im Lande vor-
handen sind. Jtalienischerseits redet man von einem baldigen
Angriff, bald auf Verona, bald auf Legnano, welcher letztere
den geographischen Verhältnissen nach geradezu unmöglich er-
scheint, wenn nicht etwa Einverständnisse im Jnnern der Festung
vorausgesetzt werden.

Die über die verzweifelte Lage Venedigs mitgetheilten
Nachrichten der Wiener Ztg. erhalten jetzt durch einen neuen Be-
richt des Generals Welden ihre Berichtigung. Er begreift die
Operationen vom 24. bis 30. Juni und bestätigt die Besetzung
des wichtigen Forts Cavanella, das die große Lagunenstraße
beherrscht, so daß Venedig des Trinkwassers beraubt und auf
das schlechte Wasser der artesischen Brunnen beschränkt wurde.
Auch die Eisgrube Venedigs fiel in die Hände der Kaiserlichen.
Durch die vielen aus Venedig auswandernden Personen erfuhr
man, daß man daselbst eine Gesammtbesatzung von 21,000
Mann hatte. Malghera habe eine Besatzung von 1800 Mann
und 60 Geschütze. Es könne nur durch regelmäßige Belagerung
genommen werden. Brondolo sey mit 1000 Mann Neapolitaner
besetzt und mit 40 Geschützen versehen. Von dort bis an den
Lido stehen 3000 Mann. Wenn anes dieß ( so schließt der Brief,
wenig Hoffnung gewähre, den letzten Sitz der Revolution in
den venezianischen Provinzen zu erobern, so vermehre doch eben
die große Zahl der durch die kleine österreichische Macht gelähm-
ten Garnison die Verlegenheit der Verpflegung.

Frankreich.

*** Paris 8. Juli. Geld, Geld und wieder Geld! ist eben
der Ruf der Zeit, in der Monarchie wie in der Republik, und
so darf es Sie nicht Wunder nehmen, wenn unsere Nationalver-
sammlung fast in jeder Sitzung von dem Finanzminister um Geld
angegangen wird und eben so bereitwillig alle Anforderungen ge-
währt. Bei Zuständen, wie wir sie gegenwärtig hier haben --
ein Vulcan von Leidenschaften, die immer noch nicht gebunden
sind, obgleich ein militärischer Dictator als Dämpfer auf dem
Krater sitzt -- ergibt sich übrigens die Bereitwilligkeit von selbst,
denn der Finanzminister erklärt, wenn er ein paar saure Gesichter
sieht, das Vaterland in Gefahr und dann wird der zugeschnürte
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] aus den Folgen dieser Tage wird viel Heil hervorgehen.“ Der
Zuruf des Volkes beantwortete die Rede. Der Zug bewegte sich
in dersesben Ordnung wieder zurück. Der Enthusiasmus ist all-
gemein. Heute Abend ist Fackelzug, große Beleuchtung. Wien ist
in der freudigsten Aufregung, große Geschicke sind in die Hand ei-
nes seiner Söhne gelegt. Der Sicherheitsausschuß hat heute
in einer geheimen Sitzung über die Frage seiner Auflösung be-
rathen. Viele sind der Meinung, daß er neben dem Reichstage
nicht bestehen dürfe, um die moralische Kraft der Versammlung
nicht zu lähmen.

Prag 4. Juli. ( Bresl. Z. ) Es wird außerordentlich stark
rekrutirt und alle Studenten, welche sich am Barricadenbau u. s.
w. betheiligten, abgeführt ( ? ) . Man spricht davon, daß bis
Hälfte dieses Monats sich eine Armee aus österreichischen, bayeri-
schen und sächsischen Truppen bei Pilsen unter Commando des
Fürsten Windisch=Grätz als Nordarmee conzentriren soll. Eben
so verkündet ein Gerücht die baldige Ankunft des Erzherzog
Franz Joseph als Statthalters von Böhmen. Bei dem Berichte,
daß nächstens die Nationalgarde in's Leben treten werde, ge-
schieht der Studentenlegion keine Erwähnung mehr, sie scheint
also für immer aufgelöst zu seyn.

München 7. Juli. ( A. Z. ) Der Reichsverweser Erzherzog
Johann wird auf seiner Reise nach Frankfurt durch München
kommen und wahrscheinlich hier übernachten. Heute wurden be-
reits auf der Parade die ihm bestimmten militärischen Ehrenbe-
zeugungen officiell bekannt gegeben. Die hiesige Einwohnerschaft
wird, wie sich von selbst versteht, nicht zurückbleiben.

Von dem Haardtgebirge 9. Juli. Das allzukecke Auf-
treten der erhitzten Umsturzpartei hat, wie vorauszusehen war, zu
einem Rückschlag geführt, der schon allenthalben wirksam wird.
Das fanatische Ça ira dieser Leute tönte dem guten deutschen Mi-
chel doch etwas zu gellend in die ziemlich tauben Ohren. Er sieht
erschreckt in den blutbespritzten Spiegel der Republik, den ihm der
gallische Hahn vorhält, und erblickt mit Entrüstung die Jakobiner-
mütze, die man ihm rücklings auf das ehrwürdige Haupt gestülpt
hat; voll Abscheu wirft er den aufgedrungenen Kopfputz bei
Seite. Wenn es außerdem wahr ist, daß der erlauchte Reichs-
verweser die ihm angetragene Würde mit Verantwortlich-
keit
annehme, so hat überdies die republikanische Linke im Reichs-
tage einen Schlag erlitten, von dem sie sich lange nicht erholen
wird. Uebrigens ist es auch hohe Zeit, daß wenigstens für die
Frist einiger Monate Ruhe und Ordnung wiederkehren, wenn wir
nicht erleben sollen, daß Deutschland in inneren Kämpfen zer-
fleischt, seinen äußeren Feinden das Schauspiel der jammervoll-
sten Ohnmacht darbiete. Für die weitere Zukunft gehören wir
wenigstens noch immer zu der Zahl der verrufenen Pessimisten,
die sich zwar gerne belehren lassen, aber in der gegenwärtigen
Zeit noch nicht einzusehen vermögen, wie eine Nation von einer
Krankheit, die eine Folge der vollständigsten Desorganisation ist,
augenblicklich genesen könne, sofern nicht eine noch nie dagewesene
Wunderkur eintreten soll. Doch was hilft das Lesen in den
Sternen in Tagen, wo, wie jetzt, jede Minute ihre dringende
Anforderung an die Gegenwart macht. Wenn nicht alle Anzei-
chen trügen, so werden wir auch bald in der Pfalz politische Ver-
eine entstehen sehen, welche es sich zur Aufgabe machen werden,
dem tollen Treiben der Umsturzmänner und den idealistischen Be-
strebungen der republikanischen Partei entschieden entgegen zu tre-
ten. Das ist gewiß löblich und es fehlt zur Ausübung vielweni-
ger an gutem Willen und an tüchtigen Kräften, als an Energie
und rücksichtslosem Hervortreten. Sie werden ungeduldig seyn
über die hausgebackenen Betrachtungen ihres Berichterstatters und
Neuigkeiten verlangen. Neuigkeiten?! — Armer Correspondent
vom Lande! Ringsum ihn spielt auf den Fluren die friedlichste
Jdylle in der üppigsten, anmuthigsten Natur. Unter dem Segen
fast erliegend schwankt der Erndtewagen durch die stille Gasse des
Dorfes, dessen Ruhe nur des Abends von den weithin durch die
Nacht hallenden Liedern des heimgekehrten Schnittervolkes unter-
brochen wird. Die klaffenden Spalten einer Zeitung verlangen
aber heutzutage Schlachtenberichte, Barricadenscenen, stürmische
Volksreden. Beklagenswerthes Loos eines Dörflers, der nicht
einmal die freie Presse mit zeitgemäßen Nachrichten unterstützen
kann!

Ulm 6. Juli. ( N. C. ) Durch einen Ministerialerlaß ist un-
serer Kreisregierung eingeschärft worden, alle Aufmerksamkeit
auf den ultra=republikanischen „Erzähler an der Donau“, redi-
girt von Schiffterling, zu haben, „da dieses Blatt fortfahre, durch
aufreizende Artikel auf das Publikum zu wirken.“ Das k. Ober-
amt hat Dieß dem Verleger Geus mit dem Anfügen eröffnet, daß
sich dieser der Aufnahme politischer Artikel bei angedrohter Strafe
und so lange zu enthalten habe, bis er hierzu die erforderliche Con-
[Spaltenumbruch] cession ausgewirkt. Geus hat nun sofort um diese Concession an-
gehalten, ist aber mit der Bemerkung abschläglich beschieden wor-
den, „daß solche Concessionen nur an Personen von unbescholte-
nem Prädicat ertheilt würden, daß aber bei dem Criminalsenat
des Gerichtshofes dahier eine Untersuchung gegen ihn wegen der
in seinem Blatte vorgekommenen groben Angriffe auf die Ehre
der Staatsregierung eingeleitet sey.“ Die Sache macht hier gro-
ßes Aufsehen, und selbst Diejenigen, die mit der Tendenz des
Blattes nicht einverstanden sind, finden in jener Maßregel einen
Eingriff in unser wohlerworbenes Recht der freien
Presse.
Jn dem Preßgesetz vom 20. Jan. 1817, das zufolge
einer k. Entschließung vom 1. März d. J. wieder in Wirksamkeit
getreten ist, steht kein Wort davon, daß es zur Herausgabe poli-
tischer Tagesblätter einer Concession bedürfe; dagegen ist ein
Normalerlaß auf dem Kanzleiweg ( ! ) bekannt geworden, wonach
jedem Staatsbürger, „welcher ein unbescholtenes Prädikat hat“,
die Erlaubniß ertheilt werden soll. Es fragt sich nun: 1 ) ob der
eben genannte Erlaß, der ohne Zuziehung der gesetzlichen Factoren,
der Stände, verkündet wurde, gesetzliche Kraft habe, und 2 ) ob
Jemand auch schon dann für „bescholten“ erklärt werden könne,
wenn er in Untersuchung schwebt? Wird die erste Frage ver-
neint, so kann sich die Regierung darauf berufen, daß dann auch
das erneuerte Gesetz von 1817 ungesetzlich sey, da auch dieses
unmittelbar vom König ohne Berathung der Stände erlassen
worden ist. Unser „politischer Verein“ hat die Angelegenheit ge-
stern Abend zn der seinigen gemacht und eine eigene Commission
berufen, die eine Beschwerdeschrift der gesammten Bürgerschaft
vorlegen und nach deren Gutheißung der Staatsregierung zusen-
den wird. [ Herr Schiffterling sagt uns so wenig zu, wie sein
Blatt, allein das ist kein Grund, ihn der Gnade eines „königlichen
Oberamtes“ preiszugeben, und wir haben lieber ein schlechtes
Blatt mehr, als den sattsam bekannten „Kanzleiweg,“ der von jeher in
seiner angebornen Unfehlbarkeit ein Todfeind der Preßfreiheit war. ]

Jtalien.

Vom Kriegsschauplatz nichts wichtiges. Einzelnen An-
gaben und Andeutungen der italienischen Blätter nach scheint es,
daß die Oesterreicher ernsthaft daran denken die beiden Pässe des
Stilferjochs und des Tonale zu forciren, und so im Rücken der
Piemontesen in Jtalien einzudringen, sowie daß gleichzeitig öster-
reichischerseits ein Ausfall aus Mantua ins frühere Modenische
beabsichtigt wird, um hier eine Contrerevolution zu Stande zu
bringen, zu der allerdings noch viele Elemente im Lande vor-
handen sind. Jtalienischerseits redet man von einem baldigen
Angriff, bald auf Verona, bald auf Legnano, welcher letztere
den geographischen Verhältnissen nach geradezu unmöglich er-
scheint, wenn nicht etwa Einverständnisse im Jnnern der Festung
vorausgesetzt werden.

Die über die verzweifelte Lage Venedigs mitgetheilten
Nachrichten der Wiener Ztg. erhalten jetzt durch einen neuen Be-
richt des Generals Welden ihre Berichtigung. Er begreift die
Operationen vom 24. bis 30. Juni und bestätigt die Besetzung
des wichtigen Forts Cavanella, das die große Lagunenstraße
beherrscht, so daß Venedig des Trinkwassers beraubt und auf
das schlechte Wasser der artesischen Brunnen beschränkt wurde.
Auch die Eisgrube Venedigs fiel in die Hände der Kaiserlichen.
Durch die vielen aus Venedig auswandernden Personen erfuhr
man, daß man daselbst eine Gesammtbesatzung von 21,000
Mann hatte. Malghera habe eine Besatzung von 1800 Mann
und 60 Geschütze. Es könne nur durch regelmäßige Belagerung
genommen werden. Brondolo sey mit 1000 Mann Neapolitaner
besetzt und mit 40 Geschützen versehen. Von dort bis an den
Lido stehen 3000 Mann. Wenn anes dieß ( so schließt der Brief,
wenig Hoffnung gewähre, den letzten Sitz der Revolution in
den venezianischen Provinzen zu erobern, so vermehre doch eben
die große Zahl der durch die kleine österreichische Macht gelähm-
ten Garnison die Verlegenheit der Verpflegung.

Frankreich.

*** Paris 8. Juli. Geld, Geld und wieder Geld! ist eben
der Ruf der Zeit, in der Monarchie wie in der Republik, und
so darf es Sie nicht Wunder nehmen, wenn unsere Nationalver-
sammlung fast in jeder Sitzung von dem Finanzminister um Geld
angegangen wird und eben so bereitwillig alle Anforderungen ge-
währt. Bei Zuständen, wie wir sie gegenwärtig hier haben —
ein Vulcan von Leidenschaften, die immer noch nicht gebunden
sind, obgleich ein militärischer Dictator als Dämpfer auf dem
Krater sitzt — ergibt sich übrigens die Bereitwilligkeit von selbst,
denn der Finanzminister erklärt, wenn er ein paar saure Gesichter
sieht, das Vaterland in Gefahr und dann wird der zugeschnürte
[Ende Spaltensatz]

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[0003] aus den Folgen dieser Tage wird viel Heil hervorgehen.“ Der Zuruf des Volkes beantwortete die Rede. Der Zug bewegte sich in dersesben Ordnung wieder zurück. Der Enthusiasmus ist all- gemein. Heute Abend ist Fackelzug, große Beleuchtung. Wien ist in der freudigsten Aufregung, große Geschicke sind in die Hand ei- nes seiner Söhne gelegt. Der Sicherheitsausschuß hat heute in einer geheimen Sitzung über die Frage seiner Auflösung be- rathen. Viele sind der Meinung, daß er neben dem Reichstage nicht bestehen dürfe, um die moralische Kraft der Versammlung nicht zu lähmen. Prag 4. Juli. ( Bresl. Z. ) Es wird außerordentlich stark rekrutirt und alle Studenten, welche sich am Barricadenbau u. s. w. betheiligten, abgeführt ( ? ) . Man spricht davon, daß bis Hälfte dieses Monats sich eine Armee aus österreichischen, bayeri- schen und sächsischen Truppen bei Pilsen unter Commando des Fürsten Windisch=Grätz als Nordarmee conzentriren soll. Eben so verkündet ein Gerücht die baldige Ankunft des Erzherzog Franz Joseph als Statthalters von Böhmen. Bei dem Berichte, daß nächstens die Nationalgarde in's Leben treten werde, ge- schieht der Studentenlegion keine Erwähnung mehr, sie scheint also für immer aufgelöst zu seyn. München 7. Juli. ( A. Z. ) Der Reichsverweser Erzherzog Johann wird auf seiner Reise nach Frankfurt durch München kommen und wahrscheinlich hier übernachten. Heute wurden be- reits auf der Parade die ihm bestimmten militärischen Ehrenbe- zeugungen officiell bekannt gegeben. Die hiesige Einwohnerschaft wird, wie sich von selbst versteht, nicht zurückbleiben. Von dem Haardtgebirge 9. Juli. Das allzukecke Auf- treten der erhitzten Umsturzpartei hat, wie vorauszusehen war, zu einem Rückschlag geführt, der schon allenthalben wirksam wird. Das fanatische Ça ira dieser Leute tönte dem guten deutschen Mi- chel doch etwas zu gellend in die ziemlich tauben Ohren. Er sieht erschreckt in den blutbespritzten Spiegel der Republik, den ihm der gallische Hahn vorhält, und erblickt mit Entrüstung die Jakobiner- mütze, die man ihm rücklings auf das ehrwürdige Haupt gestülpt hat; voll Abscheu wirft er den aufgedrungenen Kopfputz bei Seite. Wenn es außerdem wahr ist, daß der erlauchte Reichs- verweser die ihm angetragene Würde mit Verantwortlich- keit annehme, so hat überdies die republikanische Linke im Reichs- tage einen Schlag erlitten, von dem sie sich lange nicht erholen wird. Uebrigens ist es auch hohe Zeit, daß wenigstens für die Frist einiger Monate Ruhe und Ordnung wiederkehren, wenn wir nicht erleben sollen, daß Deutschland in inneren Kämpfen zer- fleischt, seinen äußeren Feinden das Schauspiel der jammervoll- sten Ohnmacht darbiete. Für die weitere Zukunft gehören wir wenigstens noch immer zu der Zahl der verrufenen Pessimisten, die sich zwar gerne belehren lassen, aber in der gegenwärtigen Zeit noch nicht einzusehen vermögen, wie eine Nation von einer Krankheit, die eine Folge der vollständigsten Desorganisation ist, augenblicklich genesen könne, sofern nicht eine noch nie dagewesene Wunderkur eintreten soll. Doch was hilft das Lesen in den Sternen in Tagen, wo, wie jetzt, jede Minute ihre dringende Anforderung an die Gegenwart macht. Wenn nicht alle Anzei- chen trügen, so werden wir auch bald in der Pfalz politische Ver- eine entstehen sehen, welche es sich zur Aufgabe machen werden, dem tollen Treiben der Umsturzmänner und den idealistischen Be- strebungen der republikanischen Partei entschieden entgegen zu tre- ten. Das ist gewiß löblich und es fehlt zur Ausübung vielweni- ger an gutem Willen und an tüchtigen Kräften, als an Energie und rücksichtslosem Hervortreten. Sie werden ungeduldig seyn über die hausgebackenen Betrachtungen ihres Berichterstatters und Neuigkeiten verlangen. Neuigkeiten?! — Armer Correspondent vom Lande! Ringsum ihn spielt auf den Fluren die friedlichste Jdylle in der üppigsten, anmuthigsten Natur. Unter dem Segen fast erliegend schwankt der Erndtewagen durch die stille Gasse des Dorfes, dessen Ruhe nur des Abends von den weithin durch die Nacht hallenden Liedern des heimgekehrten Schnittervolkes unter- brochen wird. Die klaffenden Spalten einer Zeitung verlangen aber heutzutage Schlachtenberichte, Barricadenscenen, stürmische Volksreden. Beklagenswerthes Loos eines Dörflers, der nicht einmal die freie Presse mit zeitgemäßen Nachrichten unterstützen kann! Ulm 6. Juli. ( N. C. ) Durch einen Ministerialerlaß ist un- serer Kreisregierung eingeschärft worden, alle Aufmerksamkeit auf den ultra=republikanischen „Erzähler an der Donau“, redi- girt von Schiffterling, zu haben, „da dieses Blatt fortfahre, durch aufreizende Artikel auf das Publikum zu wirken.“ Das k. Ober- amt hat Dieß dem Verleger Geus mit dem Anfügen eröffnet, daß sich dieser der Aufnahme politischer Artikel bei angedrohter Strafe und so lange zu enthalten habe, bis er hierzu die erforderliche Con- cession ausgewirkt. Geus hat nun sofort um diese Concession an- gehalten, ist aber mit der Bemerkung abschläglich beschieden wor- den, „daß solche Concessionen nur an Personen von unbescholte- nem Prädicat ertheilt würden, daß aber bei dem Criminalsenat des Gerichtshofes dahier eine Untersuchung gegen ihn wegen der in seinem Blatte vorgekommenen groben Angriffe auf die Ehre der Staatsregierung eingeleitet sey.“ Die Sache macht hier gro- ßes Aufsehen, und selbst Diejenigen, die mit der Tendenz des Blattes nicht einverstanden sind, finden in jener Maßregel einen Eingriff in unser wohlerworbenes Recht der freien Presse. Jn dem Preßgesetz vom 20. Jan. 1817, das zufolge einer k. Entschließung vom 1. März d. J. wieder in Wirksamkeit getreten ist, steht kein Wort davon, daß es zur Herausgabe poli- tischer Tagesblätter einer Concession bedürfe; dagegen ist ein Normalerlaß auf dem Kanzleiweg ( ! ) bekannt geworden, wonach jedem Staatsbürger, „welcher ein unbescholtenes Prädikat hat“, die Erlaubniß ertheilt werden soll. Es fragt sich nun: 1 ) ob der eben genannte Erlaß, der ohne Zuziehung der gesetzlichen Factoren, der Stände, verkündet wurde, gesetzliche Kraft habe, und 2 ) ob Jemand auch schon dann für „bescholten“ erklärt werden könne, wenn er in Untersuchung schwebt? Wird die erste Frage ver- neint, so kann sich die Regierung darauf berufen, daß dann auch das erneuerte Gesetz von 1817 ungesetzlich sey, da auch dieses unmittelbar vom König ohne Berathung der Stände erlassen worden ist. Unser „politischer Verein“ hat die Angelegenheit ge- stern Abend zn der seinigen gemacht und eine eigene Commission berufen, die eine Beschwerdeschrift der gesammten Bürgerschaft vorlegen und nach deren Gutheißung der Staatsregierung zusen- den wird. [ Herr Schiffterling sagt uns so wenig zu, wie sein Blatt, allein das ist kein Grund, ihn der Gnade eines „königlichen Oberamtes“ preiszugeben, und wir haben lieber ein schlechtes Blatt mehr, als den sattsam bekannten „Kanzleiweg,“ der von jeher in seiner angebornen Unfehlbarkeit ein Todfeind der Preßfreiheit war. ] Jtalien. Vom Kriegsschauplatz nichts wichtiges. Einzelnen An- gaben und Andeutungen der italienischen Blätter nach scheint es, daß die Oesterreicher ernsthaft daran denken die beiden Pässe des Stilferjochs und des Tonale zu forciren, und so im Rücken der Piemontesen in Jtalien einzudringen, sowie daß gleichzeitig öster- reichischerseits ein Ausfall aus Mantua ins frühere Modenische beabsichtigt wird, um hier eine Contrerevolution zu Stande zu bringen, zu der allerdings noch viele Elemente im Lande vor- handen sind. Jtalienischerseits redet man von einem baldigen Angriff, bald auf Verona, bald auf Legnano, welcher letztere den geographischen Verhältnissen nach geradezu unmöglich er- scheint, wenn nicht etwa Einverständnisse im Jnnern der Festung vorausgesetzt werden. Die über die verzweifelte Lage Venedigs mitgetheilten Nachrichten der Wiener Ztg. erhalten jetzt durch einen neuen Be- richt des Generals Welden ihre Berichtigung. Er begreift die Operationen vom 24. bis 30. Juni und bestätigt die Besetzung des wichtigen Forts Cavanella, das die große Lagunenstraße beherrscht, so daß Venedig des Trinkwassers beraubt und auf das schlechte Wasser der artesischen Brunnen beschränkt wurde. Auch die Eisgrube Venedigs fiel in die Hände der Kaiserlichen. Durch die vielen aus Venedig auswandernden Personen erfuhr man, daß man daselbst eine Gesammtbesatzung von 21,000 Mann hatte. Malghera habe eine Besatzung von 1800 Mann und 60 Geschütze. Es könne nur durch regelmäßige Belagerung genommen werden. Brondolo sey mit 1000 Mann Neapolitaner besetzt und mit 40 Geschützen versehen. Von dort bis an den Lido stehen 3000 Mann. Wenn anes dieß ( so schließt der Brief, wenig Hoffnung gewähre, den letzten Sitz der Revolution in den venezianischen Provinzen zu erobern, so vermehre doch eben die große Zahl der durch die kleine österreichische Macht gelähm- ten Garnison die Verlegenheit der Verpflegung. Frankreich. *** Paris 8. Juli. Geld, Geld und wieder Geld! ist eben der Ruf der Zeit, in der Monarchie wie in der Republik, und so darf es Sie nicht Wunder nehmen, wenn unsere Nationalver- sammlung fast in jeder Sitzung von dem Finanzminister um Geld angegangen wird und eben so bereitwillig alle Anforderungen ge- währt. Bei Zuständen, wie wir sie gegenwärtig hier haben — ein Vulcan von Leidenschaften, die immer noch nicht gebunden sind, obgleich ein militärischer Dictator als Dämpfer auf dem Krater sitzt — ergibt sich übrigens die Bereitwilligkeit von selbst, denn der Finanzminister erklärt, wenn er ein paar saure Gesichter sieht, das Vaterland in Gefahr und dann wird der zugeschnürte

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 26. Mainz, 11. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal026_1848/3>, abgerufen am 10.06.2024.