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Mainzer Journal. Nr. 37. Mainz, 22. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] selbst, als den ihrem Geiste widerstrebenden Ungeist der Büreau-
kratie, welcher die wohlthätige Absicht des Gesetzes nicht zur
Wirklichkeit werden ließ, und, statt die Selbstständigkeit der Ge-
meinde voran zu stellen und den der Regierungsgewalt zuge-
wiesenen Einfluß nur in negativer und abwehrender Weise wirken
zu lassen, gerade umgekehrt mittels eines bis in's Kleinlichste ge-
triebenen Bevormundungssystems die Selbstständigkeit der Ge-
meinden sich nicht entwickeln, den Geist der Selbstverwaltung
( Self=Government ) nicht aufkommen ließ.

2 ) Kann die Staatsadministration im Allgemeinen diesen
Vorwurf durchaus nicht von sich abwenden, so erfordert es an-
dererseits die Billigkeit, auch ein großes Verdienst anzu-
erkennen, das sie sich in und mit dieser büreaukratischen Verwal-
tung -- und hier auf dem Boden des Gesetzes, der Verord-
nung vom 4. Juli 1812 -- um die Gemeinden erworben hat.
Es ist dies die Erhaltung und Verbesserung der theilweise bedeu-
tenden, im Gesammtbetrag aber sehr ansehnlichen Gemeindever-
mögen. Ehre der Verwaltung, welche dies bedeutende
Resultat erzielte, ohne, wo es nach Umständen und Verhältnissen
räthlich war, Gemeinheitstheilungen zu Genuß oder Eigenthum
ganz entgegen zu seyn. Es unterliegt schwerlich einem Zweifel,
daß bei dem demokratischen Wahlsystem unserer Gemeindeord-
nung ohne das Veto der Staatsregierung, und hätte man die
Gemeindevorstände schalten lassen, der größte Theil des Ge-
meindevermögens verschleudert worden seyn würde. Wer dies,
wie der Schreiber dieses, für ein Unglück halten würde, dem
wird es nicht entgehen, daß ein Veto zu dem erwähnten Zwecke
auch künftighin nicht ganz entbehrt werden kann, sey es, daß
man es der Staatsregierung beläßt, sey es, daß man es Orga-
nen der Gemeinde selbst in der Weise zutheilt, daß der
bisher erreichte Zweck ferner erreicht werde!
Leider
muß man anerkennen, daß trotz alles Lobgeschrei's über fortge-
schrittene Volksbildung und Aufklärung weder die Einsicht, noch
die patriotische Uneigennützigkeit der gewählten Gemeindebeam en
überall auf der Höhe steht, daß ihnen das Gemeindevermögen zu
sicheren Händen anvertraut werden könnte.

3 ) Als eine theilweise Abweichung von dem Eingangs er-
wähnten Aufsatze glauben wir aber die Meinung aussprechen zu
müssen, daß die durch die Gemeindeordnung den Gemeinden ge-
lassene Wahl auch der Bürgermeister -- nicht in dem Systeme
der wohlverstandenen Freiheit und der Ordnung liegen dürfte.
Jm Kreise der gemeinheitlichen Freiheit liegt hauptsächlich, und
geschieht ihr damit ein vollkommenes Genüge, wenn die Ge-
meinde ihr Vermögen und ihre Ausgaben selbst verwaltet, und
uber ihre Gemeindeeinrichtungen, Wasser, Weide, Wald, Wege
selbstständig beschließt, und für diese Jnteressen wird durch
die ganz freie Wahl eines Gemeinderaths genügend
gesorgt. Dagegen entspricht es ebenso den Anforderungen monar-
chischer Ordnung und staatseinheitlicher Verwaltung, daß das
Organ der Polizei und oberen Staatsaufsicht, der Bürger-
meister, von dem Monarchen ganz selbstständig ernannt werde
und dieß schon nach dem allgemeinen Gesichtspunkte, wonach die
monarchisch=constitutionelle Ordnung bereits auf der unteren Ba-
sis des Staatslebens, in der Gemeinde ihre Organe finden muß.
Wer die constitutionelle Monarchie aufrichtig will, darf nicht
die Gemeinde auf rein=demokratischer Grundlage constru-
iren, wie dieß selbst dann geschieht, wenn, wie nach unserer
Gemeindeordnung, aus drei Gewählten der Landesherr den Bür-
germeister nehmen muß 1). Für diese Ansicht berufe ich mich nicht
auf Frankreich, weil dieß Land im Ganzen kein reelles Bild
öffentlicher Freiheiten darbietet, wohl aber auf Belgien, wo
man, neben den ausgedehntesten öffentlichen Freiheiten, und
namentlich sehr freien Gemeindeeinrichtungen, dennoch die Wahl
der Gemeindevorsteher der königlichen Gewalt gelassen, wo man
hierin noch nie eine Aenderung getroffen, und sich bis jetzt wohl
dabei befunden hat.



Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 20. Juni. Am Beginne der heutigen Sitzung
wurde der Versammlung die Eröffnung von Seiten des Präsi-
denten gemacht, daß der Erzherzog=Reichsverweser die Annahme
einer Civilliste verweigert habe. Hierauf ward ohne Discussion
beschlossen, daß demselben jedenfalls eine geeignete Wohnung,
und zwar von Reichswegen zur Verfügung gestellt werden solle.
Bei der sofortigen Wiederaufnahme der Discussion über den Ar-

[Spaltenumbruch] tikel 1. der Grundrechte verbreiteten sich noch über §. 4. die Hrn.
Wulffen, Behr, Michelsen, Fuchs, Adams und Be-
seler.
Auch über §. 5. wurde die Erörterung zum Abschluß
gebracht, indem eine nicht geringe Anzahl der eingeschriebenen
Redner gar nicht zu Worte kam, was aber um so weniger zu
bedauern, als die Sache selbst so ziemlich auf der flachen Hand
liegt und beinahe in allen Vorträgen die Meinung des Minori-
tätserachtens befürwortet wurde. Hierauf erfolgte der Anfang
der Abstimmung über die fünf §§. des ersten Artikels. Die
Masse der vorliegenden Verbesserungs= ( und Verschlechterungs= )
Anträge macht dieß Geschäft ungemein schwierig. Ganz erledigt
wurde nur §. 1. Er lautet jetzt so: " Jeder Deutsche hat
das deutsche Reichsbürgerrecht. Die ihm kraft
dessen zustehende Rechte kann er in jedem deut-
schen Lande ausüben. Ueber das Recht zur deut-
schen Reichsversammlung zu wählen, verfügt das
deutsche Reichswahlgesetz.
" Morgen Schluß der Abstim-
mung; Debatte über das Verhältniß zu Frankreich und die Po-
sensche Sache.

x Frankfurt 20. Juli. Gestern Abend war eine Volksver-
sammlung in der Dreikönigskirche zu Sachsenhausen, wobei die
gestörten Verhältnisse mit der Behörde zur Sprache kamen, ohne
daß ein erhebliches Resultat erzielt worden wäre. Großen Ein-
druck machten übrigens die Vorfälle zu Wiesbaden, besonders
die Thätigkeit des Reichskriegsministers. Man scheint sich endlich
dahin verständigt zu haben, dem Besetzen der Wache durch das
Linienmilitär nichts in den Weg legen zu wollen, und so eben,
um Mittag, wird die Wache am Affenthor ganz in gewöhnlicher
Weise durch die Linie bezogen. Der ganze Crawall war anfangs
nur local; doch haben auch hier Diejenigen, welche nichts zu
verlieren haben, namentlich bei den Volksversammlungen Un-
ruhen zu stiften gesucht. Einer derselben wurde von den Sachsen-
häusern selbst bei der Behörde denuncirt. Die in der Reichsver-
sammlung gemachte Eröffnung, der Erzherzog Johann wolle
sein Amt ohne Civilliste versehen, hat unter der Bevölkerung
einen sehr guten Eindruck gemacht.

Wien 15. Juli. ( Schw. M. ) Seit gestern hat unsere Stadt
ein verändertes, weit beruhigenderes Ansehen gewonnen. Es ist
nun nach den vielen Täuschungen, worein nicht nur die untern
Klassen, sondern auch ein Theil der mittlern Bürgerschaft von den
Feinden aller gesetzlichen Ordnuug wiederholt geführt wurden, zu
erwarten, daß die bessere Ueberzeugung auch von Dauer bleiben
werde. Mißtrauen zwischen dem Militär und der National-
garde
zu säen und zu erhalten, war vorzugsweise der Kunstgriff
der republikanischen Partei, deren Hauptschlag, wie versichert
wird, am heutigen Tag geführt werden sollte. Die Vorbereitun-
gen dazu waren im Laufe der Woche in lügenhaften, böswilligen
Ausstreuungen aller Art getroffen worden und in den geheimniß-
vollen Gruppen, welche die Straßen und Plätze eingenommen,
auch nicht undeutlich wahrzunehmen. Da wurde gestern zwischen den
Offizieren der Besatzung und der Nationalgarde der Entschluß zu
einer feierlichen Zusammenkunft im Augarten und brüderlicher
Verständigung gefaßt, was gegenseitig auf die genugthuendste
Weise geschah. Das Militär hat dabei die unzweideutige Erklä-
rung seines Festhaltens an der jungen Freiheit abgegeben, aber
zugleich sein Bedauern wegen der maßlosen Angriffe der verwor-
fenen hiesigen Presse gegen die Ehrenhaftigkeit der Truppen und
insbesondere auch gegen den Fürsten Windischgrätz ausge-
sprochen. Die vollste Beistimmung erfolgte von Seiten der Na-
tionalgarde und den Tag über wurden alle K. K. Militär= und
Gardekasernen von den uniformirten Corps mit klingendem Spiel
besucht und die herzlichste Verbrüderung mit den Offizieren und
der Mannschaft geschlossen. Es war zugleich eine entscheidende
Kundgebung gegen die Republikaner, deren Hoffnungen nun in
weite Ferne gerückt, wo nicht vernichtet sind. Man mißt diese auf-
wieglerischen Bestrebungen, außer den Polen und Jtalienern,
hauvtsächlich den Juden, um ihrer Emanzipation willen zu,
und die Erbitterung gegen dieselben ist auf drohende Weise gestie-
gen, zumal ein großer Theil der aufregenden Presse ( die Allg.
Oester. Zeitung nicht ausgenommen ) in ihren Händen oder we-
nigstens unter ihrem Einfluß ist, und man ihnen auch die
Verlegenheiten der Bank hinsichtlich des Baargeldes zumißt. Der
Sicherheitsausschuß, dessen neuerliche Uebergriffe allgemeine
Mißbilligung auch bei der Nationalgarde erregen, wird ebenfalls
hauptsächlich von Juden geleitet, und der angewachsene Sturm
der öffentlichen Meinung gegen diese anmaßliche Behörde ist be-
reits so groß, daß ihr nur eine kurze Zeit des Bestehens mehr
zugemessen ist. Oel in die Flamme gießt die heutige, höchst ehren-
hafte Erklärung des amerikanischen Geschäftsträgers hier in der
Wiener Zeitung rücksichtlich einer angeblich von den amerikani-
schen Bürgern Gebrüdern Constant im Namen ihrer Nation der
[Ende Spaltensatz]

1) Die Auffassungsweise entspricht nicht ganz der unsrigen, -- es ist
indessen die Anficht eines erfahrenen Mannes, die alle Beachtung ver-
dient.. D. Red.
1 ) Die Auffassungsweise entspricht nicht ganz der unsrigen, -- es ist
indessen die Anficht eines erfahrenen Mannes, die alle Beachtung ver-
dient.. D. Red.

[Beginn Spaltensatz] selbst, als den ihrem Geiste widerstrebenden Ungeist der Büreau-
kratie, welcher die wohlthätige Absicht des Gesetzes nicht zur
Wirklichkeit werden ließ, und, statt die Selbstständigkeit der Ge-
meinde voran zu stellen und den der Regierungsgewalt zuge-
wiesenen Einfluß nur in negativer und abwehrender Weise wirken
zu lassen, gerade umgekehrt mittels eines bis in's Kleinlichste ge-
triebenen Bevormundungssystems die Selbstständigkeit der Ge-
meinden sich nicht entwickeln, den Geist der Selbstverwaltung
( Self=Government ) nicht aufkommen ließ.

2 ) Kann die Staatsadministration im Allgemeinen diesen
Vorwurf durchaus nicht von sich abwenden, so erfordert es an-
dererseits die Billigkeit, auch ein großes Verdienst anzu-
erkennen, das sie sich in und mit dieser büreaukratischen Verwal-
tung — und hier auf dem Boden des Gesetzes, der Verord-
nung vom 4. Juli 1812 — um die Gemeinden erworben hat.
Es ist dies die Erhaltung und Verbesserung der theilweise bedeu-
tenden, im Gesammtbetrag aber sehr ansehnlichen Gemeindever-
mögen. Ehre der Verwaltung, welche dies bedeutende
Resultat erzielte, ohne, wo es nach Umständen und Verhältnissen
räthlich war, Gemeinheitstheilungen zu Genuß oder Eigenthum
ganz entgegen zu seyn. Es unterliegt schwerlich einem Zweifel,
daß bei dem demokratischen Wahlsystem unserer Gemeindeord-
nung ohne das Veto der Staatsregierung, und hätte man die
Gemeindevorstände schalten lassen, der größte Theil des Ge-
meindevermögens verschleudert worden seyn würde. Wer dies,
wie der Schreiber dieses, für ein Unglück halten würde, dem
wird es nicht entgehen, daß ein Veto zu dem erwähnten Zwecke
auch künftighin nicht ganz entbehrt werden kann, sey es, daß
man es der Staatsregierung beläßt, sey es, daß man es Orga-
nen der Gemeinde selbst in der Weise zutheilt, daß der
bisher erreichte Zweck ferner erreicht werde!
Leider
muß man anerkennen, daß trotz alles Lobgeschrei's über fortge-
schrittene Volksbildung und Aufklärung weder die Einsicht, noch
die patriotische Uneigennützigkeit der gewählten Gemeindebeam en
überall auf der Höhe steht, daß ihnen das Gemeindevermögen zu
sicheren Händen anvertraut werden könnte.

3 ) Als eine theilweise Abweichung von dem Eingangs er-
wähnten Aufsatze glauben wir aber die Meinung aussprechen zu
müssen, daß die durch die Gemeindeordnung den Gemeinden ge-
lassene Wahl auch der Bürgermeister — nicht in dem Systeme
der wohlverstandenen Freiheit und der Ordnung liegen dürfte.
Jm Kreise der gemeinheitlichen Freiheit liegt hauptsächlich, und
geschieht ihr damit ein vollkommenes Genüge, wenn die Ge-
meinde ihr Vermögen und ihre Ausgaben selbst verwaltet, und
uber ihre Gemeindeeinrichtungen, Wasser, Weide, Wald, Wege
selbstständig beschließt, und für diese Jnteressen wird durch
die ganz freie Wahl eines Gemeinderaths genügend
gesorgt. Dagegen entspricht es ebenso den Anforderungen monar-
chischer Ordnung und staatseinheitlicher Verwaltung, daß das
Organ der Polizei und oberen Staatsaufsicht, der Bürger-
meister, von dem Monarchen ganz selbstständig ernannt werde
und dieß schon nach dem allgemeinen Gesichtspunkte, wonach die
monarchisch=constitutionelle Ordnung bereits auf der unteren Ba-
sis des Staatslebens, in der Gemeinde ihre Organe finden muß.
Wer die constitutionelle Monarchie aufrichtig will, darf nicht
die Gemeinde auf rein=demokratischer Grundlage constru-
iren, wie dieß selbst dann geschieht, wenn, wie nach unserer
Gemeindeordnung, aus drei Gewählten der Landesherr den Bür-
germeister nehmen muß 1). Für diese Ansicht berufe ich mich nicht
auf Frankreich, weil dieß Land im Ganzen kein reelles Bild
öffentlicher Freiheiten darbietet, wohl aber auf Belgien, wo
man, neben den ausgedehntesten öffentlichen Freiheiten, und
namentlich sehr freien Gemeindeeinrichtungen, dennoch die Wahl
der Gemeindevorsteher der königlichen Gewalt gelassen, wo man
hierin noch nie eine Aenderung getroffen, und sich bis jetzt wohl
dabei befunden hat.



Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 20. Juni. Am Beginne der heutigen Sitzung
wurde der Versammlung die Eröffnung von Seiten des Präsi-
denten gemacht, daß der Erzherzog=Reichsverweser die Annahme
einer Civilliste verweigert habe. Hierauf ward ohne Discussion
beschlossen, daß demselben jedenfalls eine geeignete Wohnung,
und zwar von Reichswegen zur Verfügung gestellt werden solle.
Bei der sofortigen Wiederaufnahme der Discussion über den Ar-

[Spaltenumbruch] tikel 1. der Grundrechte verbreiteten sich noch über §. 4. die Hrn.
Wulffen, Behr, Michelsen, Fuchs, Adams und Be-
seler.
Auch über §. 5. wurde die Erörterung zum Abschluß
gebracht, indem eine nicht geringe Anzahl der eingeschriebenen
Redner gar nicht zu Worte kam, was aber um so weniger zu
bedauern, als die Sache selbst so ziemlich auf der flachen Hand
liegt und beinahe in allen Vorträgen die Meinung des Minori-
tätserachtens befürwortet wurde. Hierauf erfolgte der Anfang
der Abstimmung über die fünf §§. des ersten Artikels. Die
Masse der vorliegenden Verbesserungs= ( und Verschlechterungs= )
Anträge macht dieß Geschäft ungemein schwierig. Ganz erledigt
wurde nur §. 1. Er lautet jetzt so: „ Jeder Deutsche hat
das deutsche Reichsbürgerrecht. Die ihm kraft
dessen zustehende Rechte kann er in jedem deut-
schen Lande ausüben. Ueber das Recht zur deut-
schen Reichsversammlung zu wählen, verfügt das
deutsche Reichswahlgesetz.
“ Morgen Schluß der Abstim-
mung; Debatte über das Verhältniß zu Frankreich und die Po-
sensche Sache.

× Frankfurt 20. Juli. Gestern Abend war eine Volksver-
sammlung in der Dreikönigskirche zu Sachsenhausen, wobei die
gestörten Verhältnisse mit der Behörde zur Sprache kamen, ohne
daß ein erhebliches Resultat erzielt worden wäre. Großen Ein-
druck machten übrigens die Vorfälle zu Wiesbaden, besonders
die Thätigkeit des Reichskriegsministers. Man scheint sich endlich
dahin verständigt zu haben, dem Besetzen der Wache durch das
Linienmilitär nichts in den Weg legen zu wollen, und so eben,
um Mittag, wird die Wache am Affenthor ganz in gewöhnlicher
Weise durch die Linie bezogen. Der ganze Crawall war anfangs
nur local; doch haben auch hier Diejenigen, welche nichts zu
verlieren haben, namentlich bei den Volksversammlungen Un-
ruhen zu stiften gesucht. Einer derselben wurde von den Sachsen-
häusern selbst bei der Behörde denuncirt. Die in der Reichsver-
sammlung gemachte Eröffnung, der Erzherzog Johann wolle
sein Amt ohne Civilliste versehen, hat unter der Bevölkerung
einen sehr guten Eindruck gemacht.

Wien 15. Juli. ( Schw. M. ) Seit gestern hat unsere Stadt
ein verändertes, weit beruhigenderes Ansehen gewonnen. Es ist
nun nach den vielen Täuschungen, worein nicht nur die untern
Klassen, sondern auch ein Theil der mittlern Bürgerschaft von den
Feinden aller gesetzlichen Ordnuug wiederholt geführt wurden, zu
erwarten, daß die bessere Ueberzeugung auch von Dauer bleiben
werde. Mißtrauen zwischen dem Militär und der National-
garde
zu säen und zu erhalten, war vorzugsweise der Kunstgriff
der republikanischen Partei, deren Hauptschlag, wie versichert
wird, am heutigen Tag geführt werden sollte. Die Vorbereitun-
gen dazu waren im Laufe der Woche in lügenhaften, böswilligen
Ausstreuungen aller Art getroffen worden und in den geheimniß-
vollen Gruppen, welche die Straßen und Plätze eingenommen,
auch nicht undeutlich wahrzunehmen. Da wurde gestern zwischen den
Offizieren der Besatzung und der Nationalgarde der Entschluß zu
einer feierlichen Zusammenkunft im Augarten und brüderlicher
Verständigung gefaßt, was gegenseitig auf die genugthuendste
Weise geschah. Das Militär hat dabei die unzweideutige Erklä-
rung seines Festhaltens an der jungen Freiheit abgegeben, aber
zugleich sein Bedauern wegen der maßlosen Angriffe der verwor-
fenen hiesigen Presse gegen die Ehrenhaftigkeit der Truppen und
insbesondere auch gegen den Fürsten Windischgrätz ausge-
sprochen. Die vollste Beistimmung erfolgte von Seiten der Na-
tionalgarde und den Tag über wurden alle K. K. Militär= und
Gardekasernen von den uniformirten Corps mit klingendem Spiel
besucht und die herzlichste Verbrüderung mit den Offizieren und
der Mannschaft geschlossen. Es war zugleich eine entscheidende
Kundgebung gegen die Republikaner, deren Hoffnungen nun in
weite Ferne gerückt, wo nicht vernichtet sind. Man mißt diese auf-
wieglerischen Bestrebungen, außer den Polen und Jtalienern,
hauvtsächlich den Juden, um ihrer Emanzipation willen zu,
und die Erbitterung gegen dieselben ist auf drohende Weise gestie-
gen, zumal ein großer Theil der aufregenden Presse ( die Allg.
Oester. Zeitung nicht ausgenommen ) in ihren Händen oder we-
nigstens unter ihrem Einfluß ist, und man ihnen auch die
Verlegenheiten der Bank hinsichtlich des Baargeldes zumißt. Der
Sicherheitsausschuß, dessen neuerliche Uebergriffe allgemeine
Mißbilligung auch bei der Nationalgarde erregen, wird ebenfalls
hauptsächlich von Juden geleitet, und der angewachsene Sturm
der öffentlichen Meinung gegen diese anmaßliche Behörde ist be-
reits so groß, daß ihr nur eine kurze Zeit des Bestehens mehr
zugemessen ist. Oel in die Flamme gießt die heutige, höchst ehren-
hafte Erklärung des amerikanischen Geschäftsträgers hier in der
Wiener Zeitung rücksichtlich einer angeblich von den amerikani-
schen Bürgern Gebrüdern Constant im Namen ihrer Nation der
[Ende Spaltensatz]

1) Die Auffassungsweise entspricht nicht ganz der unsrigen, — es ist
indessen die Anficht eines erfahrenen Mannes, die alle Beachtung ver-
dient.. D. Red.
1 ) Die Auffassungsweise entspricht nicht ganz der unsrigen, — es ist
indessen die Anficht eines erfahrenen Mannes, die alle Beachtung ver-
dient.. D. Red.
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[0002] selbst, als den ihrem Geiste widerstrebenden Ungeist der Büreau- kratie, welcher die wohlthätige Absicht des Gesetzes nicht zur Wirklichkeit werden ließ, und, statt die Selbstständigkeit der Ge- meinde voran zu stellen und den der Regierungsgewalt zuge- wiesenen Einfluß nur in negativer und abwehrender Weise wirken zu lassen, gerade umgekehrt mittels eines bis in's Kleinlichste ge- triebenen Bevormundungssystems die Selbstständigkeit der Ge- meinden sich nicht entwickeln, den Geist der Selbstverwaltung ( Self=Government ) nicht aufkommen ließ. 2 ) Kann die Staatsadministration im Allgemeinen diesen Vorwurf durchaus nicht von sich abwenden, so erfordert es an- dererseits die Billigkeit, auch ein großes Verdienst anzu- erkennen, das sie sich in und mit dieser büreaukratischen Verwal- tung — und hier auf dem Boden des Gesetzes, der Verord- nung vom 4. Juli 1812 — um die Gemeinden erworben hat. Es ist dies die Erhaltung und Verbesserung der theilweise bedeu- tenden, im Gesammtbetrag aber sehr ansehnlichen Gemeindever- mögen. Ehre der Verwaltung, welche dies bedeutende Resultat erzielte, ohne, wo es nach Umständen und Verhältnissen räthlich war, Gemeinheitstheilungen zu Genuß oder Eigenthum ganz entgegen zu seyn. Es unterliegt schwerlich einem Zweifel, daß bei dem demokratischen Wahlsystem unserer Gemeindeord- nung ohne das Veto der Staatsregierung, und hätte man die Gemeindevorstände schalten lassen, der größte Theil des Ge- meindevermögens verschleudert worden seyn würde. Wer dies, wie der Schreiber dieses, für ein Unglück halten würde, dem wird es nicht entgehen, daß ein Veto zu dem erwähnten Zwecke auch künftighin nicht ganz entbehrt werden kann, sey es, daß man es der Staatsregierung beläßt, sey es, daß man es Orga- nen der Gemeinde selbst in der Weise zutheilt, daß der bisher erreichte Zweck ferner erreicht werde! Leider muß man anerkennen, daß trotz alles Lobgeschrei's über fortge- schrittene Volksbildung und Aufklärung weder die Einsicht, noch die patriotische Uneigennützigkeit der gewählten Gemeindebeam en überall auf der Höhe steht, daß ihnen das Gemeindevermögen zu sicheren Händen anvertraut werden könnte. 3 ) Als eine theilweise Abweichung von dem Eingangs er- wähnten Aufsatze glauben wir aber die Meinung aussprechen zu müssen, daß die durch die Gemeindeordnung den Gemeinden ge- lassene Wahl auch der Bürgermeister — nicht in dem Systeme der wohlverstandenen Freiheit und der Ordnung liegen dürfte. Jm Kreise der gemeinheitlichen Freiheit liegt hauptsächlich, und geschieht ihr damit ein vollkommenes Genüge, wenn die Ge- meinde ihr Vermögen und ihre Ausgaben selbst verwaltet, und uber ihre Gemeindeeinrichtungen, Wasser, Weide, Wald, Wege selbstständig beschließt, und für diese Jnteressen wird durch die ganz freie Wahl eines Gemeinderaths genügend gesorgt. Dagegen entspricht es ebenso den Anforderungen monar- chischer Ordnung und staatseinheitlicher Verwaltung, daß das Organ der Polizei und oberen Staatsaufsicht, der Bürger- meister, von dem Monarchen ganz selbstständig ernannt werde und dieß schon nach dem allgemeinen Gesichtspunkte, wonach die monarchisch=constitutionelle Ordnung bereits auf der unteren Ba- sis des Staatslebens, in der Gemeinde ihre Organe finden muß. Wer die constitutionelle Monarchie aufrichtig will, darf nicht die Gemeinde auf rein=demokratischer Grundlage constru- iren, wie dieß selbst dann geschieht, wenn, wie nach unserer Gemeindeordnung, aus drei Gewählten der Landesherr den Bür- germeister nehmen muß 1). Für diese Ansicht berufe ich mich nicht auf Frankreich, weil dieß Land im Ganzen kein reelles Bild öffentlicher Freiheiten darbietet, wohl aber auf Belgien, wo man, neben den ausgedehntesten öffentlichen Freiheiten, und namentlich sehr freien Gemeindeeinrichtungen, dennoch die Wahl der Gemeindevorsteher der königlichen Gewalt gelassen, wo man hierin noch nie eine Aenderung getroffen, und sich bis jetzt wohl dabei befunden hat. Deutschland. Reichstag. # Frankfurt 20. Juni. Am Beginne der heutigen Sitzung wurde der Versammlung die Eröffnung von Seiten des Präsi- denten gemacht, daß der Erzherzog=Reichsverweser die Annahme einer Civilliste verweigert habe. Hierauf ward ohne Discussion beschlossen, daß demselben jedenfalls eine geeignete Wohnung, und zwar von Reichswegen zur Verfügung gestellt werden solle. Bei der sofortigen Wiederaufnahme der Discussion über den Ar- tikel 1. der Grundrechte verbreiteten sich noch über §. 4. die Hrn. Wulffen, Behr, Michelsen, Fuchs, Adams und Be- seler. Auch über §. 5. wurde die Erörterung zum Abschluß gebracht, indem eine nicht geringe Anzahl der eingeschriebenen Redner gar nicht zu Worte kam, was aber um so weniger zu bedauern, als die Sache selbst so ziemlich auf der flachen Hand liegt und beinahe in allen Vorträgen die Meinung des Minori- tätserachtens befürwortet wurde. Hierauf erfolgte der Anfang der Abstimmung über die fünf §§. des ersten Artikels. Die Masse der vorliegenden Verbesserungs= ( und Verschlechterungs= ) Anträge macht dieß Geschäft ungemein schwierig. Ganz erledigt wurde nur §. 1. Er lautet jetzt so: „ Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehende Rechte kann er in jedem deut- schen Lande ausüben. Ueber das Recht zur deut- schen Reichsversammlung zu wählen, verfügt das deutsche Reichswahlgesetz. “ Morgen Schluß der Abstim- mung; Debatte über das Verhältniß zu Frankreich und die Po- sensche Sache. × Frankfurt 20. Juli. Gestern Abend war eine Volksver- sammlung in der Dreikönigskirche zu Sachsenhausen, wobei die gestörten Verhältnisse mit der Behörde zur Sprache kamen, ohne daß ein erhebliches Resultat erzielt worden wäre. Großen Ein- druck machten übrigens die Vorfälle zu Wiesbaden, besonders die Thätigkeit des Reichskriegsministers. Man scheint sich endlich dahin verständigt zu haben, dem Besetzen der Wache durch das Linienmilitär nichts in den Weg legen zu wollen, und so eben, um Mittag, wird die Wache am Affenthor ganz in gewöhnlicher Weise durch die Linie bezogen. Der ganze Crawall war anfangs nur local; doch haben auch hier Diejenigen, welche nichts zu verlieren haben, namentlich bei den Volksversammlungen Un- ruhen zu stiften gesucht. Einer derselben wurde von den Sachsen- häusern selbst bei der Behörde denuncirt. Die in der Reichsver- sammlung gemachte Eröffnung, der Erzherzog Johann wolle sein Amt ohne Civilliste versehen, hat unter der Bevölkerung einen sehr guten Eindruck gemacht. Wien 15. Juli. ( Schw. M. ) Seit gestern hat unsere Stadt ein verändertes, weit beruhigenderes Ansehen gewonnen. Es ist nun nach den vielen Täuschungen, worein nicht nur die untern Klassen, sondern auch ein Theil der mittlern Bürgerschaft von den Feinden aller gesetzlichen Ordnuug wiederholt geführt wurden, zu erwarten, daß die bessere Ueberzeugung auch von Dauer bleiben werde. Mißtrauen zwischen dem Militär und der National- garde zu säen und zu erhalten, war vorzugsweise der Kunstgriff der republikanischen Partei, deren Hauptschlag, wie versichert wird, am heutigen Tag geführt werden sollte. Die Vorbereitun- gen dazu waren im Laufe der Woche in lügenhaften, böswilligen Ausstreuungen aller Art getroffen worden und in den geheimniß- vollen Gruppen, welche die Straßen und Plätze eingenommen, auch nicht undeutlich wahrzunehmen. Da wurde gestern zwischen den Offizieren der Besatzung und der Nationalgarde der Entschluß zu einer feierlichen Zusammenkunft im Augarten und brüderlicher Verständigung gefaßt, was gegenseitig auf die genugthuendste Weise geschah. Das Militär hat dabei die unzweideutige Erklä- rung seines Festhaltens an der jungen Freiheit abgegeben, aber zugleich sein Bedauern wegen der maßlosen Angriffe der verwor- fenen hiesigen Presse gegen die Ehrenhaftigkeit der Truppen und insbesondere auch gegen den Fürsten Windischgrätz ausge- sprochen. Die vollste Beistimmung erfolgte von Seiten der Na- tionalgarde und den Tag über wurden alle K. K. Militär= und Gardekasernen von den uniformirten Corps mit klingendem Spiel besucht und die herzlichste Verbrüderung mit den Offizieren und der Mannschaft geschlossen. Es war zugleich eine entscheidende Kundgebung gegen die Republikaner, deren Hoffnungen nun in weite Ferne gerückt, wo nicht vernichtet sind. Man mißt diese auf- wieglerischen Bestrebungen, außer den Polen und Jtalienern, hauvtsächlich den Juden, um ihrer Emanzipation willen zu, und die Erbitterung gegen dieselben ist auf drohende Weise gestie- gen, zumal ein großer Theil der aufregenden Presse ( die Allg. Oester. Zeitung nicht ausgenommen ) in ihren Händen oder we- nigstens unter ihrem Einfluß ist, und man ihnen auch die Verlegenheiten der Bank hinsichtlich des Baargeldes zumißt. Der Sicherheitsausschuß, dessen neuerliche Uebergriffe allgemeine Mißbilligung auch bei der Nationalgarde erregen, wird ebenfalls hauptsächlich von Juden geleitet, und der angewachsene Sturm der öffentlichen Meinung gegen diese anmaßliche Behörde ist be- reits so groß, daß ihr nur eine kurze Zeit des Bestehens mehr zugemessen ist. Oel in die Flamme gießt die heutige, höchst ehren- hafte Erklärung des amerikanischen Geschäftsträgers hier in der Wiener Zeitung rücksichtlich einer angeblich von den amerikani- schen Bürgern Gebrüdern Constant im Namen ihrer Nation der 1) Die Auffassungsweise entspricht nicht ganz der unsrigen, — es ist indessen die Anficht eines erfahrenen Mannes, die alle Beachtung ver- dient.. D. Red. 1 ) Die Auffassungsweise entspricht nicht ganz der unsrigen, — es ist indessen die Anficht eines erfahrenen Mannes, die alle Beachtung ver- dient.. D. Red.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 37. Mainz, 22. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal037_1848/2>, abgerufen am 23.11.2024.