Mainzer Journal. Nr. 43. Mainz, 28. Juli 1848.[Beginn Spaltensatz]
mit Widerwillen und Protest eingezahlt. Die Regierung bekam Goito 1. Juli. Man liest in der "Const. Z. von Böhmen:" Frankreich. * * * Paris 25. Juli. Trotz aller ausgesprengten Gerüchte Die zum Schutze der Nationalversammlung aufgestellte Trup- Die Nachrichten aus Algier lauten ziemlich befriedigend. Der eidgenössische Geschäftsträger in Paris hat dem Vorort Nach den neuesten Berichten der Gazetta de Madrid soll sich Börse vom 24. Juli. Auch an der heutigen Börse Großbritannien. London 24. Juli. Die "Times" sagt ausdrücklich, daß Auf die erhaltene Nachricht, daß 8000 Gesinnungsgenossen Aus Dublin wird unterm 22. Juli berichtet: Die heute durch Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg. [Beginn Spaltensatz]
mit Widerwillen und Protest eingezahlt. Die Regierung bekam Goito 1. Juli. Man liest in der „Const. Z. von Böhmen:“ Frankreich. * * * Paris 25. Juli. Trotz aller ausgesprengten Gerüchte Die zum Schutze der Nationalversammlung aufgestellte Trup- Die Nachrichten aus Algier lauten ziemlich befriedigend. Der eidgenössische Geschäftsträger in Paris hat dem Vorort Nach den neuesten Berichten der Gazetta de Madrid soll sich Börse vom 24. Juli. Auch an der heutigen Börse Großbritannien. London 24. Juli. Die „Times“ sagt ausdrücklich, daß Auf die erhaltene Nachricht, daß 8000 Gesinnungsgenossen Aus Dublin wird unterm 22. Juli berichtet: Die heute durch Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0004"/><cb type="start"/> mit Widerwillen und Protest eingezahlt. Die Regierung bekam<lb/> jene Hiobspost in demselben Moment, wo von der Jnsel auch<lb/> ganz unerwartet und insgeheim eine Deputation erschien, um<lb/> neue Einigungsversuche von Seiten einer gewissen Partei dort<lb/> anzubieten und zu deren Unterstützung durch drohende Kriegs-<lb/> rüstungen aufzufordern. Der Minister Bozzelli, der mit dem<lb/> wiedergewonnenen Sizilien vor die Kammer zu treten noch<lb/> immer hoffte, bekommt jetzt einen schweren Stand. Hier<lb/> ist es ruhig. <hi rendition="#g">Die Kammern</hi> machen wenig Lärm, und sind<lb/> noch meist beschäftigt, sich „häuslich“ einzurichten; ein neuer<lb/> Pairschub wird dem Oberhaus seine legale Constitution endlich<lb/> möglich machen: er enthält abermals gegen 25 sehr royalistische<lb/> Namen. — Ueber die Provinzen noch immer Lügen über Lügen,<lb/> keine Thatsachen. <hi rendition="#g">Calabrien</hi> schickt bereits seine Deputirten.<lb/> Die Revolution aber spukt jetzt in einem ihrer alten Heerde, hin-<lb/> ter Salerno, wird aber wenig ausrichten. — Das <hi rendition="#g">französi-<lb/> sche Geschwader</hi> hat heute Nacht, mit Ausnahme zweier<lb/> Dampfer, die Anker gelichtet, wahrscheinlich um nach Palermo<lb/> und Messina zu segeln. — Die <hi rendition="#g">sardinische</hi> Gesandschaft ist<lb/> noch hier.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Goito 1. Juli. Man liest in der „Const. Z. von Böhmen:“<lb/> Es wurde bereits das Abgehen der noch übrigen neapolitanischen<lb/> Truppen, die noch im Felde standen, angezeigt. König Ferdinand<lb/> erließ an seine Soldaten den Befehl, abzumarschiren, mit der<lb/> Drohung, sie als Rebellen und Ausreißer der Civilrechte verlustig<lb/> zu erklären und ihres Vermögens zu berauben. Hierauf frugen<lb/> sie bei Karl Albert an, was sie thun sollten, welcher ihnen ant-<lb/> wortete, daß sie das thun möchten, was ihnen die Ehre gebiete; sie<lb/> entschlossen sich zum Abgehen. Hier im Felde haben wir sie nicht<lb/> ungern abziehen sehen, indem sie, um die Wahrheit zu sagen, viel<lb/> zu sehr für ihren König eingenommen sind. Sie glaubten nicht<lb/> ein Jota von dem, was in den Zeitungen gegen den Bourbon ge-<lb/> druckt wurde und versichern, er sey ein guter König, geliebt vom<lb/> Volke und seinen Soldaten. Aus diesem schloß man, daß sie<lb/> wenig Sympathie für die Sache hätten, für die sie kämpften.</p> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#g">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p><hi rendition="#sup">* * *</hi> Paris 25. Juli. Trotz aller ausgesprengten Gerüchte<lb/> über seine Krankheit und den Gesandtschaftsposten in London sitzt<lb/> A. Marrast nun doch auf dem Präsidentenstuhl und hat gestern<lb/> die Kammer mit einer angemessenen Rede eröffnet. Gegenstand<lb/> der Verhandlung, womit fast die ganze Sitzung ausgefüllt wurde,<lb/> war das von uns in seinen Einzelnheiten schon entwickelte neue<lb/> fünfprozentige Anlehen zu 75. 25., das denn auch von der Kam-<lb/> mer genehmigt wurde. Herr Goudchaur ist ein Ehrenmann und<lb/> steht bei der Nationalversammlung in hohem Ansehen. Einen<lb/> sehr guten Eindruck machte es, als er erklärte, man habe Anfangs<lb/> die Absicht gehabt, das Anleihen im Auslande abzuschließen, „ al-<lb/> lein wir müssen bei der Gelegenheit der Welt zeigen, daß Frank-<lb/> reich Vertrauen zu sich selbst hat, der Credit wird dann später und<lb/> zwar auf ganz natürliche Weise schon wiederkommen.“ Niemand<lb/> wünsche so sehnlich als er die auf dem Volke ruhenden Lasten zu<lb/> lindern. allein im Augenblicke sey dies noch nicht möglich, es sey<lb/> sogar wahrscheinlich, daß er noch zu einer zweiten Anleihe schreiten<lb/> müsse. Ein neuer französischer Finanzminister tritt freilich, wenn<lb/> er unter den gegenwärtigen Verhältnissen in's Amt tritt, eine<lb/> bitterböse Erbschaft an! Ebenso wurde das Gesetz, welches den<lb/> in den Junitagen verwundeten Mobilgarden das Jnvalidenhaus<lb/> öffnet, ohne weitere Discussion angenommen. Jm Laufe der<lb/> Sitzung verzichtete auch der Bürger Louis Napoleon noch einmal<lb/> in einem Briefe auf seine Stelle in der Nationalversammlung<lb/> ( er ist nachträglich in Corsika gewählt worden ) . Sie sehen, der<lb/> Mann treibt's wie so manche andere gute „Bürger“: er wird<lb/> gesetzlich, weil Niemand mehr sich um ihn bekümmert und es eben<lb/><choice><sic>nich tanders</sic><corr>nicht anders</corr></choice> mehr geht!</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Die zum Schutze der Nationalversammlung aufgestellte Trup-<lb/> penmacht wird mit jedem Tage verringert und besteht im<lb/> Augenblicke nur noch aus drei Bataillonen Jnfanterie, einer Bat-<lb/> terie und einem Piket Dragoner, die in dem Palaste eincasernirt,<lb/> allein auf ihre Posten nicht mehr consignirt sind. Jm Saale des<lb/> Pas=Perdus geht es außerordentlich lebhaft her und die Herren<lb/> Deputirten unterhalten sich von nichts als von Jrland und<lb/> Jtalien, welche die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Die Nachrichten aus <hi rendition="#g">Algier</hi> lauten ziemlich befriedigend.<lb/> Die Hitze ist mäßig, der Gesundheitszustand gut und General<lb/> Gentil ist von seiner Expedition gegen die Kabylen, nachdem er<lb/> ihnen sechs Dörfer niedergebrannt, wieder zurückgekehrt. Dagegen<lb/> ist es im Handel sehr still und in Oran wurde ein Versuch die<lb/> Stadt zu plündern nur durch das kräftige Einschreiten der Mili-<lb/> tärbehörde vereitelt. Auch dort hatten die rothen Republikaner<lb/><cb n="2"/> die Hand wieder im Spiele, wie es denn in ganz Algerien schon<lb/> zum Voraus bekannt war, daß es in den Junitagen in Paris<lb/> losgehen würde. Ueber den künftigen Generalgouverneur ver-<lb/> lautet noch nichts, in Algier wünscht man den General Marey.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Der eidgenössische Geschäftsträger in Paris hat dem Vorort<lb/> ein Schreiben von <hi rendition="#g">Jul. Bastide</hi> mitgetheilt, das die Anzeige<lb/> seiner Ernennung zum Minister des Auswärtigen enthält, mit der<lb/> Versicherung, daß Frankreich an seinen bisher ausgesprochenen<lb/> Grundsätzen der Politik des Friedens und des guten Einverneh-<lb/> mens mit anderen Staaten festhalten werde. Die neue Ordnung<lb/> der Dinge in Paris und Frankreich befestige sich immer mehr und<lb/> auch das Vertrauen kehre wieder zurück.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Nach den neuesten Berichten der Gazetta de Madrid soll sich<lb/> die unschuldige Jsabella nun doch nicht in interessanten Umstän-<lb/> den befinden. Jn Paris dagegen ging die Rede, Herr Graf von<lb/> Montemolin ( ein Sohn des Don Carlos ) werde eine Tochter des<lb/> Herzogs von Cambridge heirathen. Hinge das Schicksal der<lb/> Völker noch von den allerhöchsten Heirathen ab, wir würden so-<lb/> gleich einen leitenden Artikel oder eine telegraphische Depesche<lb/> darüber schreiben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p><hi rendition="#g">Börse vom 24. Juli.</hi> Auch an der heutigen Börse<lb/> herrschte große Thätigkeit und haben sämmtliche Curse eine<lb/> festere Haltung angenommen. 3% Anfangs 48, schlossen <hi rendition="#aq">à</hi> 48.<lb/> 75. 5% <hi rendition="#aq">à</hi> 77. Bankactien 1650. Schatzscheine 16% Verlust.<lb/> Orleans 672. 50. Rouen 470. Bordeaux 405. Havre 224. 50.<lb/> Marseille 235. Nordbahn 375. Lyon 331. 25. Paris=Stras-<lb/> burg 357. 50. Strasburg=Basel 79. 50.</p> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>London 24. Juli. Die „Times“ sagt ausdrücklich, daß<lb/> Napier mit starker Seemacht nach der irischen Küste abgeschickt<lb/> sey, um Lord Clarendon zu unterstützen. Sie setzt hinzu, daß<lb/> alle großen Städte Jrlands und insbesondere die eben procla-<lb/> mirten an der Küste lägen; sie seyen daher eben so zugänglich für<lb/> Operationen der Flotte, als des Landheeres. Durch den elek-<lb/> trischen Telegraphen ist von Dublin die Nachricht angelangt, daß<lb/> die Stadt bis zum gestrigen Abend ruhig geblieben war. An der<lb/> Börse verhinderte der ungewisse Zustand der Dinge in Jrland<lb/> heute eine Besserung der Course.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Auf die erhaltene Nachricht, daß 8000 Gesinnungsgenossen<lb/> der irischen Repealer in Liverpool bewaffnet seyen und nur des<lb/> Aufstandes in Jrland harrten, um zu Brand und Plünderung zu<lb/> schreiten, beriefen die städtischen Behörden dieser Stadt vorgestern<lb/> Abend eine Versammlung aller friedlichen Einwohner, worin für<lb/> jeden etwa eintretenden Fall alle Vorkehrungen getroffen wurden.<lb/> Zahlreiche Truppen sind in Liverpool angelangt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Aus Dublin wird unterm 22. Juli berichtet: Die heute durch<lb/> den elektrischen Telegraphen angelangte Kunde von Lord J. Rus-<lb/> sell 's Absicht, heute das Parlament um erweiterte Vollmacht zur<lb/> Erdrückung des irischen Aufstandes zu ersuchen, hat die gutgesinnten<lb/> Bürger mit Freude, die Aufstandspartei aber mit Entrüstung<lb/> und Schrecken erfüllt. Es heißt jetzt, daß der Anfangs auf den<lb/> 8. August festgesetzte Losbruch früher, angeblich am 26. Juli,<lb/> erfolgen solle. Die „Nation“ und der „Felon“ bringen heute aus<lb/> der Feder ihrer in Newgate sitzenden Eigenthümer Duffy und J.<lb/> Martin Artikel, welche beweisen, daß es hohe Zeit ist, zu den<lb/> äußersten Maßregeln zu schreiten, und daß kein Augenblick verloren<lb/> werden darf. Diese Manifeste sind offene und überlegte Kriegs-<lb/> erklärungen. Duffy, Martin, Lalor und Mangnan, welche unter-<lb/> zeichnet sind, sagen darin dem Volke, daß die Stunde gekommen sey,<lb/> den Schlag zu führen; die 40,000 Soldaten der irischen Be-<lb/> satzung müßten geschlachtet werden, und das Volk verdiene ewige<lb/> Brandmarkung, wenn es die jetzige Gelegenheit zur Vernich-<lb/> tung der britischen Herrschaft unbenutzt lasse. Solche und noch<lb/> verzweifeltere Rathschläge geben die Führer der Bewegung,<lb/> so daß keine Wahl übrig ist; die Krisis steht nicht länger<lb/> abzuwenden. — Der Lordstatthalter hielt heute eine abermalige<lb/> Geheimerathssitzung, worin beschlossen wurde, noch folgende<lb/> Bezirke zu proclamiren, d. h. sie vom 25. an unter die Wirkung<lb/> der Acte zur Unterdrückung von Verbrechen zu stellen: Grafschaft<lb/> Kilkenny; Grafschaft der Stadt Kilkenny; Grafschaft Meath;<lb/> drei Baronieen der Grafschaft Waterford; zwölf Baronieen der<lb/> Grafschaft Cork. Auch sollen mehrere Verhaftungen wegen pein-<lb/> licher Vergehen oder wegen Aufruhrs beschlossen worden seyn.<lb/> Die Entwaffnung wird dahier von den Behörden eifrigst voll-<lb/> zogen. Jm Phönixpark soll nach Ankunft der Verstärkungen<lb/> aus England ein militärisches Lager von vier Regimentern<lb/> gebildet werden. — Die Provinzblätter melden leider, daß<lb/> fast überall die Kartoffeln von der Krankheit befallen sind.</p> </div> </div><lb/> <cb type="end"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> <back> <div type="imprint" n="1"> <p>Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.</p> </div><lb/> </back> </text> </TEI> [0004]
mit Widerwillen und Protest eingezahlt. Die Regierung bekam
jene Hiobspost in demselben Moment, wo von der Jnsel auch
ganz unerwartet und insgeheim eine Deputation erschien, um
neue Einigungsversuche von Seiten einer gewissen Partei dort
anzubieten und zu deren Unterstützung durch drohende Kriegs-
rüstungen aufzufordern. Der Minister Bozzelli, der mit dem
wiedergewonnenen Sizilien vor die Kammer zu treten noch
immer hoffte, bekommt jetzt einen schweren Stand. Hier
ist es ruhig. Die Kammern machen wenig Lärm, und sind
noch meist beschäftigt, sich „häuslich“ einzurichten; ein neuer
Pairschub wird dem Oberhaus seine legale Constitution endlich
möglich machen: er enthält abermals gegen 25 sehr royalistische
Namen. — Ueber die Provinzen noch immer Lügen über Lügen,
keine Thatsachen. Calabrien schickt bereits seine Deputirten.
Die Revolution aber spukt jetzt in einem ihrer alten Heerde, hin-
ter Salerno, wird aber wenig ausrichten. — Das französi-
sche Geschwader hat heute Nacht, mit Ausnahme zweier
Dampfer, die Anker gelichtet, wahrscheinlich um nach Palermo
und Messina zu segeln. — Die sardinische Gesandschaft ist
noch hier.
Goito 1. Juli. Man liest in der „Const. Z. von Böhmen:“
Es wurde bereits das Abgehen der noch übrigen neapolitanischen
Truppen, die noch im Felde standen, angezeigt. König Ferdinand
erließ an seine Soldaten den Befehl, abzumarschiren, mit der
Drohung, sie als Rebellen und Ausreißer der Civilrechte verlustig
zu erklären und ihres Vermögens zu berauben. Hierauf frugen
sie bei Karl Albert an, was sie thun sollten, welcher ihnen ant-
wortete, daß sie das thun möchten, was ihnen die Ehre gebiete; sie
entschlossen sich zum Abgehen. Hier im Felde haben wir sie nicht
ungern abziehen sehen, indem sie, um die Wahrheit zu sagen, viel
zu sehr für ihren König eingenommen sind. Sie glaubten nicht
ein Jota von dem, was in den Zeitungen gegen den Bourbon ge-
druckt wurde und versichern, er sey ein guter König, geliebt vom
Volke und seinen Soldaten. Aus diesem schloß man, daß sie
wenig Sympathie für die Sache hätten, für die sie kämpften.
Frankreich.
* * * Paris 25. Juli. Trotz aller ausgesprengten Gerüchte
über seine Krankheit und den Gesandtschaftsposten in London sitzt
A. Marrast nun doch auf dem Präsidentenstuhl und hat gestern
die Kammer mit einer angemessenen Rede eröffnet. Gegenstand
der Verhandlung, womit fast die ganze Sitzung ausgefüllt wurde,
war das von uns in seinen Einzelnheiten schon entwickelte neue
fünfprozentige Anlehen zu 75. 25., das denn auch von der Kam-
mer genehmigt wurde. Herr Goudchaur ist ein Ehrenmann und
steht bei der Nationalversammlung in hohem Ansehen. Einen
sehr guten Eindruck machte es, als er erklärte, man habe Anfangs
die Absicht gehabt, das Anleihen im Auslande abzuschließen, „ al-
lein wir müssen bei der Gelegenheit der Welt zeigen, daß Frank-
reich Vertrauen zu sich selbst hat, der Credit wird dann später und
zwar auf ganz natürliche Weise schon wiederkommen.“ Niemand
wünsche so sehnlich als er die auf dem Volke ruhenden Lasten zu
lindern. allein im Augenblicke sey dies noch nicht möglich, es sey
sogar wahrscheinlich, daß er noch zu einer zweiten Anleihe schreiten
müsse. Ein neuer französischer Finanzminister tritt freilich, wenn
er unter den gegenwärtigen Verhältnissen in's Amt tritt, eine
bitterböse Erbschaft an! Ebenso wurde das Gesetz, welches den
in den Junitagen verwundeten Mobilgarden das Jnvalidenhaus
öffnet, ohne weitere Discussion angenommen. Jm Laufe der
Sitzung verzichtete auch der Bürger Louis Napoleon noch einmal
in einem Briefe auf seine Stelle in der Nationalversammlung
( er ist nachträglich in Corsika gewählt worden ) . Sie sehen, der
Mann treibt's wie so manche andere gute „Bürger“: er wird
gesetzlich, weil Niemand mehr sich um ihn bekümmert und es eben
nicht anders mehr geht!
Die zum Schutze der Nationalversammlung aufgestellte Trup-
penmacht wird mit jedem Tage verringert und besteht im
Augenblicke nur noch aus drei Bataillonen Jnfanterie, einer Bat-
terie und einem Piket Dragoner, die in dem Palaste eincasernirt,
allein auf ihre Posten nicht mehr consignirt sind. Jm Saale des
Pas=Perdus geht es außerordentlich lebhaft her und die Herren
Deputirten unterhalten sich von nichts als von Jrland und
Jtalien, welche die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Die Nachrichten aus Algier lauten ziemlich befriedigend.
Die Hitze ist mäßig, der Gesundheitszustand gut und General
Gentil ist von seiner Expedition gegen die Kabylen, nachdem er
ihnen sechs Dörfer niedergebrannt, wieder zurückgekehrt. Dagegen
ist es im Handel sehr still und in Oran wurde ein Versuch die
Stadt zu plündern nur durch das kräftige Einschreiten der Mili-
tärbehörde vereitelt. Auch dort hatten die rothen Republikaner
die Hand wieder im Spiele, wie es denn in ganz Algerien schon
zum Voraus bekannt war, daß es in den Junitagen in Paris
losgehen würde. Ueber den künftigen Generalgouverneur ver-
lautet noch nichts, in Algier wünscht man den General Marey.
Der eidgenössische Geschäftsträger in Paris hat dem Vorort
ein Schreiben von Jul. Bastide mitgetheilt, das die Anzeige
seiner Ernennung zum Minister des Auswärtigen enthält, mit der
Versicherung, daß Frankreich an seinen bisher ausgesprochenen
Grundsätzen der Politik des Friedens und des guten Einverneh-
mens mit anderen Staaten festhalten werde. Die neue Ordnung
der Dinge in Paris und Frankreich befestige sich immer mehr und
auch das Vertrauen kehre wieder zurück.
Nach den neuesten Berichten der Gazetta de Madrid soll sich
die unschuldige Jsabella nun doch nicht in interessanten Umstän-
den befinden. Jn Paris dagegen ging die Rede, Herr Graf von
Montemolin ( ein Sohn des Don Carlos ) werde eine Tochter des
Herzogs von Cambridge heirathen. Hinge das Schicksal der
Völker noch von den allerhöchsten Heirathen ab, wir würden so-
gleich einen leitenden Artikel oder eine telegraphische Depesche
darüber schreiben.
Börse vom 24. Juli. Auch an der heutigen Börse
herrschte große Thätigkeit und haben sämmtliche Curse eine
festere Haltung angenommen. 3% Anfangs 48, schlossen à 48.
75. 5% à 77. Bankactien 1650. Schatzscheine 16% Verlust.
Orleans 672. 50. Rouen 470. Bordeaux 405. Havre 224. 50.
Marseille 235. Nordbahn 375. Lyon 331. 25. Paris=Stras-
burg 357. 50. Strasburg=Basel 79. 50.
Großbritannien.
London 24. Juli. Die „Times“ sagt ausdrücklich, daß
Napier mit starker Seemacht nach der irischen Küste abgeschickt
sey, um Lord Clarendon zu unterstützen. Sie setzt hinzu, daß
alle großen Städte Jrlands und insbesondere die eben procla-
mirten an der Küste lägen; sie seyen daher eben so zugänglich für
Operationen der Flotte, als des Landheeres. Durch den elek-
trischen Telegraphen ist von Dublin die Nachricht angelangt, daß
die Stadt bis zum gestrigen Abend ruhig geblieben war. An der
Börse verhinderte der ungewisse Zustand der Dinge in Jrland
heute eine Besserung der Course.
Auf die erhaltene Nachricht, daß 8000 Gesinnungsgenossen
der irischen Repealer in Liverpool bewaffnet seyen und nur des
Aufstandes in Jrland harrten, um zu Brand und Plünderung zu
schreiten, beriefen die städtischen Behörden dieser Stadt vorgestern
Abend eine Versammlung aller friedlichen Einwohner, worin für
jeden etwa eintretenden Fall alle Vorkehrungen getroffen wurden.
Zahlreiche Truppen sind in Liverpool angelangt.
Aus Dublin wird unterm 22. Juli berichtet: Die heute durch
den elektrischen Telegraphen angelangte Kunde von Lord J. Rus-
sell 's Absicht, heute das Parlament um erweiterte Vollmacht zur
Erdrückung des irischen Aufstandes zu ersuchen, hat die gutgesinnten
Bürger mit Freude, die Aufstandspartei aber mit Entrüstung
und Schrecken erfüllt. Es heißt jetzt, daß der Anfangs auf den
8. August festgesetzte Losbruch früher, angeblich am 26. Juli,
erfolgen solle. Die „Nation“ und der „Felon“ bringen heute aus
der Feder ihrer in Newgate sitzenden Eigenthümer Duffy und J.
Martin Artikel, welche beweisen, daß es hohe Zeit ist, zu den
äußersten Maßregeln zu schreiten, und daß kein Augenblick verloren
werden darf. Diese Manifeste sind offene und überlegte Kriegs-
erklärungen. Duffy, Martin, Lalor und Mangnan, welche unter-
zeichnet sind, sagen darin dem Volke, daß die Stunde gekommen sey,
den Schlag zu führen; die 40,000 Soldaten der irischen Be-
satzung müßten geschlachtet werden, und das Volk verdiene ewige
Brandmarkung, wenn es die jetzige Gelegenheit zur Vernich-
tung der britischen Herrschaft unbenutzt lasse. Solche und noch
verzweifeltere Rathschläge geben die Führer der Bewegung,
so daß keine Wahl übrig ist; die Krisis steht nicht länger
abzuwenden. — Der Lordstatthalter hielt heute eine abermalige
Geheimerathssitzung, worin beschlossen wurde, noch folgende
Bezirke zu proclamiren, d. h. sie vom 25. an unter die Wirkung
der Acte zur Unterdrückung von Verbrechen zu stellen: Grafschaft
Kilkenny; Grafschaft der Stadt Kilkenny; Grafschaft Meath;
drei Baronieen der Grafschaft Waterford; zwölf Baronieen der
Grafschaft Cork. Auch sollen mehrere Verhaftungen wegen pein-
licher Vergehen oder wegen Aufruhrs beschlossen worden seyn.
Die Entwaffnung wird dahier von den Behörden eifrigst voll-
zogen. Jm Phönixpark soll nach Ankunft der Verstärkungen
aus England ein militärisches Lager von vier Regimentern
gebildet werden. — Die Provinzblätter melden leider, daß
fast überall die Kartoffeln von der Krankheit befallen sind.
Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung
Weitere Informationen:Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |