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Mainzer Journal. Nr. 49. Mainz, 3. August 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 49. Donnerstag, den 3. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Jst die Gefahr "Preußen könnte in Deutschland
untergehen" begründet oder nicht?

Breslau 29. Juli. ( Bresl. Z. ) Wir sprechen es hier gleich
zu Anfang ganz unumwunden aus, daß wenn eine solche Gefahr
wirklich vorhanden wäre, und man in der That damit umginge,
die Würde Preußens herabzusetzen, wir mit allen uns zu Gebote
stehenden Kräften für das preußische Jnteresse in die Schran-
ken treten müßten und würden. Preußen hat so bedeutende ge-
schichtliche Erinnerungen, es hat sich mit einer so eminenten
Thatkraft entwickelt und eine so feste und sichere Selbstständigkeit
in dieser Entwickelung an den Tag gelegt, daß Europa und
Deutschland seine Macht und Größe stets anzuerkennen gezwun-
gen waren, und wir wollen es wahrlich nicht dahin kommen
lassen, daß es je anders würde. Die Eifersüchteleien einzelner
kleinen Staaten werden das Ansehen Preußens nicht zu unter-
graben vermögen.

Jst nun die Gefahr vorhanden, daß diese Errungenschaften
in der deutschen Einheit für Preußen verloren gehen? -- Un-
möglich. Es kann das Große nicht gebrochen werden, wenn es
befruchtend auf seine Umgebung wirkt, und vereinzelt nur
geht jede Macht zu Grunde! Wenn wir das Aufgehen Preußens
in Deutschland wollen, so leben wir der Ueberzeugung, daß
unser preußisches Vaterland erst dann in seiner ganzen würde-
vollen Größe zur Geltung kommen wird. Kein deutscher Staat
kann sich mit Preußen messen, keiner sich ihm gleichstellen, und
diese nicht zu bestreitende Superiorität Preußens gibt uns die
sicherste Garantie für seine Anerkennung Seitens des übrigen
Deutschlands. Mögen die anderen Staaten immerhin mit Neid
und Eifersucht auf die preußische Größe blicken; sie werden in
dem vereinigten Deutschland sich immer an Preußen
kehren müssen, und in seiner Stärke auch die eigene zu erkennen
genöthigt seyn. Wenn nun Preußen mit edler Selbstverleugnung
seine Kraft dem großen Ganzen hingebend weiht, wenn es seine
Größe der des großen deutschen Vaterlandes unterordnet, muß
dies nicht ein unberechenbares Gewicht in die Schale Preußens
legen, und seine Macht durch diese moralische Wirkung unendlich
erhöhen? Wird der Gewinn hier nicht größer werden als das
Opfer? Unbestreitbar. Preußen kann nie in Deutsch-
land unter gehen, weil es sein größter Staat, sein
mächtigstes Bollwerk ist.

Aber Preußen kann außer Deutschland unter-
gehen, und mit ihm Deutschland selbst.
Ein Blick
auf die Karte zeigt uns, wie ohnmächtig Preußen ist, wenn es
von Deutschland isolirt dastehen sollte. Ein nicht arrondirter
Staat, lückenhaft und zerfallen, ohne eigentliche Grenzen und
mit einer langgedehnten Küste ohne Flotte ist es zu vielen An-
griffen ausgesetzt, um nur nach einer Seite mit sicherem Erfolg
auftreten zu können. Welche Zuflucht wird Preußen nehmen
müssen, wenn es der Geschichte belieben sollte, sich wie im Jahre
1806 zu wiederholen? Es wird sich Rußland anschlie-
ßen müssen.
Und was wird dem südlichen Deutschland ohne
Preußen übrig bleiben? Es wird sich Frankreich in die
Arme werfen.
-- Soll uns die Geschichte hier keine Lehrerin
seyn? Sollen wir der Welt noch einmal das schmachvolle Schau-
spiel geben, wie wir's im Anfange des Jahrhunderts gethan?
Dann wahrlich verdienten wir unser Schicklal, und wären der
Freiheit unwerth. Brauchen wir ferner noch auf das mate-
rielle Wohl
hinzuweisen, dessen Preußen sich nur dann im
vollsten Umfange wird erfreuen können, wenn es einen Theil des
vereinigten Deutschlands ausmachen wird? -- Wenn unsere
Grenzen erweitert, wenn die Zölle und Schlagbäume gefallen
seyn werden, wenn das große Deutschland seine Schiffe in alle
Welttheile senden, wenn es mächtig im Jnneren und ehrfurcht-
gebietend nach Außen dastehen wird, dann auch wird der Wohl-
stand erblühen, und jede Thätigkeit, die kleine wie die große,
ihre Belohnung finden.

Die Größe Frankreichs und Englands liegt in ihrer natio-
nalen Einheit,
in ihrem nationalen Bewußtseyn.
Kann Deutschland nicht dieselbe Größe erlangen? -- Es kann
mehr, es kann, im Herzen Europa's gelegen, das Schicksal des
Ertheils von sich abhängig machen. Halten wir darum fest an
[Spaltenumbruch] dem Ausspruch unseres Königs "Preußen geht hinfort in Deutsch-
land auf," und bedenken wir, daß es ehrenvoller ist, in Ge-
meinschaft mit einem großen Ganzen groß, als in
einer vereinzelten Selbstständigkeit klein zu wirken.

Ein Berliner Oppositionsblatt, die "Nationalzeitung," sagt
über denselben Gegenstand:

Soll das königliche Wort von dem Aufgehen Preußens in
Deutschland mehr als Phrase seyn, so muß das preußische Volk
sich an den Gedanken gewöhnen, einen Theil seiner Selbstständig-
keit zum Besten des großen Zieles deutscher Einheit und Stärke
hinzugeben; es muß, um es mit einem Worte zu sagen, sich den
Anordnungen der Centralgewalt, die Preußen anerkannt hat,
sofern sie allgemeine deutsche Angelegenheiten betreffen, unterwer-
fen. Aber je mehr die Nothwendigkeit dieser Unterordnung ein-
leuchtet, um so natürlicher ist es, daß sich das preußische Volk in
Erinnerung an die welthistorische Stellung und Bestimmung, die
ihm auf jedem Blatte seiner reichen Geschichte entgegentritt, gegen
den Gedanken seiner angeblichen Vernichtung als eines besondern
Volkes sträubt. Es ist daher kaum anders zu erwarten, als daß
das Ministerium, wenn es jetzt mit einem Proteste gegen die An-
ordnungen, die ihm von Frankfurt aus zugehen, hervortreten
sollte, sich des Beifalls eines großen Theiles des preußischen
Volkes erfreuen würde.

Gleichwohl würden wir ein solches Auftreten in einer Zeit,
wo so eben erst die Anfänge der werdenden deutschen Einheit be-
gonnen, sich aber noch nicht befestigt haben, für ein großes Un-
glück halten, und zwar für ein Unglück, das nicht minder groß
für Deutschland als für Preußen wäre. Denn ohne Preußen
kein Deutschland, aber auch kein Preußen ohne Deutschland!
Wer also dem Einen entgegen ist, fügt auch dem Andern Schaden
zu; sie gehören Beide zusammen, die Größe des Einen wird be-
dingt durch die Herrlichkeit des Andern. Darüber wird bei Nie-
manden ein Zweifel seyn; der Streit ist allein über die Mittel
zum Ziele, und es fragt sich nur, auf welcher Grundbeding-
ung die deutsche Verfassung, welche alle deutschen Stämme mit
einem gemeinschaftlichen Bande umschlinge, auferbaut werden soll.



Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 2. August. Nach einer zweistündigen Debatte,
in welcher sich namentlich der Berichterstatter Beseler auszeich-
nete, wurde zur Abstimmung über die einzelnen Sätze des §. 6.
der Grundrechte geschritten. Beinahe einstimmig wurden folgende
Positionen angenommen. "Alle Deutschen sind gleich vor dem
Gesetze." "Standesprivilegien finden nicht statt." Der Antrag
auf Abschaffung des Adels, seiner Wappen und Titel wurde mit
282 gegen 167 Stimmen verworfen. "Die öffentlichen Aemter
sind für alle dazu Befähigten gleich zugängig." "Die Wehr-
pflicht ist für Alle gleich; eine Stellvertretung ist nicht gestattet,"
wurden mit sehr großer, der Antrag: "Das Waffenrecht
und die Wehrpflicht ist für Alle gleich," mit geringer Majorität
angenommen. Diesen Anträgen war noch eine große Menge
Verbesserungsvorschläge beigefügt, die nach Verdienst den Weg
alles Fleisches wandelten. Das Bedeutendste des heutigen Tages
ist, daß einestheils die Standesprivilegien abgeschafft und sonach
die Bedeutung der bloßen Herkunft beseitigt, anderntheils aber
der Adel in seiner Familiensonderthümlichkeit anerkannt und so-
nach in der Möglichkeit geschützt wurde, die Geburt durch per-
sönliches Verdienst zu adeln und im öffentlichen Leben zur Gel-
tung zu bringen.

Berlin 30. Juli. ( W. Z. ) Bunsen als Reichsminister!
Das Ministerium des Auswärtigen, bisher provisorisch von Hrn.
v. Schmerling übernommen, soll, wie die "Spen. Ztg." an-
deutet und auch Londoner Blätter wissen, dem bisherigen preußi-
schen Gesandten in London, Hrn. Bunsen übertragen werden,
der dann auch zugleich als Präsident des Reichsmini-
steriums
fungiren würde. Diese Ernennung wäre offenbar
eine Concession für Preußen, wenigstens für den König von
Preußen. Es fragt sich nur, ob das Vertrauen des preußischen
und des deutschen Volks Bunsen, einem Hauptträger des ge-
stürzten christlich=germanischen Systems, in dieser einflußreichsten
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 49. Donnerstag, den 3. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Jst die Gefahr „Preußen könnte in Deutschland
untergehen“ begründet oder nicht?

Breslau 29. Juli. ( Bresl. Z. ) Wir sprechen es hier gleich
zu Anfang ganz unumwunden aus, daß wenn eine solche Gefahr
wirklich vorhanden wäre, und man in der That damit umginge,
die Würde Preußens herabzusetzen, wir mit allen uns zu Gebote
stehenden Kräften für das preußische Jnteresse in die Schran-
ken treten müßten und würden. Preußen hat so bedeutende ge-
schichtliche Erinnerungen, es hat sich mit einer so eminenten
Thatkraft entwickelt und eine so feste und sichere Selbstständigkeit
in dieser Entwickelung an den Tag gelegt, daß Europa und
Deutschland seine Macht und Größe stets anzuerkennen gezwun-
gen waren, und wir wollen es wahrlich nicht dahin kommen
lassen, daß es je anders würde. Die Eifersüchteleien einzelner
kleinen Staaten werden das Ansehen Preußens nicht zu unter-
graben vermögen.

Jst nun die Gefahr vorhanden, daß diese Errungenschaften
in der deutschen Einheit für Preußen verloren gehen? — Un-
möglich. Es kann das Große nicht gebrochen werden, wenn es
befruchtend auf seine Umgebung wirkt, und vereinzelt nur
geht jede Macht zu Grunde! Wenn wir das Aufgehen Preußens
in Deutschland wollen, so leben wir der Ueberzeugung, daß
unser preußisches Vaterland erst dann in seiner ganzen würde-
vollen Größe zur Geltung kommen wird. Kein deutscher Staat
kann sich mit Preußen messen, keiner sich ihm gleichstellen, und
diese nicht zu bestreitende Superiorität Preußens gibt uns die
sicherste Garantie für seine Anerkennung Seitens des übrigen
Deutschlands. Mögen die anderen Staaten immerhin mit Neid
und Eifersucht auf die preußische Größe blicken; sie werden in
dem vereinigten Deutschland sich immer an Preußen
kehren müssen, und in seiner Stärke auch die eigene zu erkennen
genöthigt seyn. Wenn nun Preußen mit edler Selbstverleugnung
seine Kraft dem großen Ganzen hingebend weiht, wenn es seine
Größe der des großen deutschen Vaterlandes unterordnet, muß
dies nicht ein unberechenbares Gewicht in die Schale Preußens
legen, und seine Macht durch diese moralische Wirkung unendlich
erhöhen? Wird der Gewinn hier nicht größer werden als das
Opfer? Unbestreitbar. Preußen kann nie in Deutsch-
land unter gehen, weil es sein größter Staat, sein
mächtigstes Bollwerk ist.

Aber Preußen kann außer Deutschland unter-
gehen, und mit ihm Deutschland selbst.
Ein Blick
auf die Karte zeigt uns, wie ohnmächtig Preußen ist, wenn es
von Deutschland isolirt dastehen sollte. Ein nicht arrondirter
Staat, lückenhaft und zerfallen, ohne eigentliche Grenzen und
mit einer langgedehnten Küste ohne Flotte ist es zu vielen An-
griffen ausgesetzt, um nur nach einer Seite mit sicherem Erfolg
auftreten zu können. Welche Zuflucht wird Preußen nehmen
müssen, wenn es der Geschichte belieben sollte, sich wie im Jahre
1806 zu wiederholen? Es wird sich Rußland anschlie-
ßen müssen.
Und was wird dem südlichen Deutschland ohne
Preußen übrig bleiben? Es wird sich Frankreich in die
Arme werfen.
— Soll uns die Geschichte hier keine Lehrerin
seyn? Sollen wir der Welt noch einmal das schmachvolle Schau-
spiel geben, wie wir's im Anfange des Jahrhunderts gethan?
Dann wahrlich verdienten wir unser Schicklal, und wären der
Freiheit unwerth. Brauchen wir ferner noch auf das mate-
rielle Wohl
hinzuweisen, dessen Preußen sich nur dann im
vollsten Umfange wird erfreuen können, wenn es einen Theil des
vereinigten Deutschlands ausmachen wird? — Wenn unsere
Grenzen erweitert, wenn die Zölle und Schlagbäume gefallen
seyn werden, wenn das große Deutschland seine Schiffe in alle
Welttheile senden, wenn es mächtig im Jnneren und ehrfurcht-
gebietend nach Außen dastehen wird, dann auch wird der Wohl-
stand erblühen, und jede Thätigkeit, die kleine wie die große,
ihre Belohnung finden.

Die Größe Frankreichs und Englands liegt in ihrer natio-
nalen Einheit,
in ihrem nationalen Bewußtseyn.
Kann Deutschland nicht dieselbe Größe erlangen? — Es kann
mehr, es kann, im Herzen Europa's gelegen, das Schicksal des
Ertheils von sich abhängig machen. Halten wir darum fest an
[Spaltenumbruch] dem Ausspruch unseres Königs „Preußen geht hinfort in Deutsch-
land auf,“ und bedenken wir, daß es ehrenvoller ist, in Ge-
meinschaft mit einem großen Ganzen groß, als in
einer vereinzelten Selbstständigkeit klein zu wirken.

Ein Berliner Oppositionsblatt, die „Nationalzeitung,“ sagt
über denselben Gegenstand:

Soll das königliche Wort von dem Aufgehen Preußens in
Deutschland mehr als Phrase seyn, so muß das preußische Volk
sich an den Gedanken gewöhnen, einen Theil seiner Selbstständig-
keit zum Besten des großen Zieles deutscher Einheit und Stärke
hinzugeben; es muß, um es mit einem Worte zu sagen, sich den
Anordnungen der Centralgewalt, die Preußen anerkannt hat,
sofern sie allgemeine deutsche Angelegenheiten betreffen, unterwer-
fen. Aber je mehr die Nothwendigkeit dieser Unterordnung ein-
leuchtet, um so natürlicher ist es, daß sich das preußische Volk in
Erinnerung an die welthistorische Stellung und Bestimmung, die
ihm auf jedem Blatte seiner reichen Geschichte entgegentritt, gegen
den Gedanken seiner angeblichen Vernichtung als eines besondern
Volkes sträubt. Es ist daher kaum anders zu erwarten, als daß
das Ministerium, wenn es jetzt mit einem Proteste gegen die An-
ordnungen, die ihm von Frankfurt aus zugehen, hervortreten
sollte, sich des Beifalls eines großen Theiles des preußischen
Volkes erfreuen würde.

Gleichwohl würden wir ein solches Auftreten in einer Zeit,
wo so eben erst die Anfänge der werdenden deutschen Einheit be-
gonnen, sich aber noch nicht befestigt haben, für ein großes Un-
glück halten, und zwar für ein Unglück, das nicht minder groß
für Deutschland als für Preußen wäre. Denn ohne Preußen
kein Deutschland, aber auch kein Preußen ohne Deutschland!
Wer also dem Einen entgegen ist, fügt auch dem Andern Schaden
zu; sie gehören Beide zusammen, die Größe des Einen wird be-
dingt durch die Herrlichkeit des Andern. Darüber wird bei Nie-
manden ein Zweifel seyn; der Streit ist allein über die Mittel
zum Ziele, und es fragt sich nur, auf welcher Grundbeding-
ung die deutsche Verfassung, welche alle deutschen Stämme mit
einem gemeinschaftlichen Bande umschlinge, auferbaut werden soll.



Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 2. August. Nach einer zweistündigen Debatte,
in welcher sich namentlich der Berichterstatter Beseler auszeich-
nete, wurde zur Abstimmung über die einzelnen Sätze des §. 6.
der Grundrechte geschritten. Beinahe einstimmig wurden folgende
Positionen angenommen. „Alle Deutschen sind gleich vor dem
Gesetze.“ „Standesprivilegien finden nicht statt.“ Der Antrag
auf Abschaffung des Adels, seiner Wappen und Titel wurde mit
282 gegen 167 Stimmen verworfen. „Die öffentlichen Aemter
sind für alle dazu Befähigten gleich zugängig.“ „Die Wehr-
pflicht ist für Alle gleich; eine Stellvertretung ist nicht gestattet,“
wurden mit sehr großer, der Antrag: „Das Waffenrecht
und die Wehrpflicht ist für Alle gleich,“ mit geringer Majorität
angenommen. Diesen Anträgen war noch eine große Menge
Verbesserungsvorschläge beigefügt, die nach Verdienst den Weg
alles Fleisches wandelten. Das Bedeutendste des heutigen Tages
ist, daß einestheils die Standesprivilegien abgeschafft und sonach
die Bedeutung der bloßen Herkunft beseitigt, anderntheils aber
der Adel in seiner Familiensonderthümlichkeit anerkannt und so-
nach in der Möglichkeit geschützt wurde, die Geburt durch per-
sönliches Verdienst zu adeln und im öffentlichen Leben zur Gel-
tung zu bringen.

Berlin 30. Juli. ( W. Z. ) Bunsen als Reichsminister!
Das Ministerium des Auswärtigen, bisher provisorisch von Hrn.
v. Schmerling übernommen, soll, wie die „Spen. Ztg.“ an-
deutet und auch Londoner Blätter wissen, dem bisherigen preußi-
schen Gesandten in London, Hrn. Bunsen übertragen werden,
der dann auch zugleich als Präsident des Reichsmini-
steriums
fungiren würde. Diese Ernennung wäre offenbar
eine Concession für Preußen, wenigstens für den König von
Preußen. Es fragt sich nur, ob das Vertrauen des preußischen
und des deutschen Volks Bunsen, einem Hauptträger des ge-
stürzten christlich=germanischen Systems, in dieser einflußreichsten
[Ende Spaltensatz]

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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 49. Donnerstag, den 3. August. 1848. Jst die Gefahr „Preußen könnte in Deutschland untergehen“ begründet oder nicht? Breslau 29. Juli. ( Bresl. Z. ) Wir sprechen es hier gleich zu Anfang ganz unumwunden aus, daß wenn eine solche Gefahr wirklich vorhanden wäre, und man in der That damit umginge, die Würde Preußens herabzusetzen, wir mit allen uns zu Gebote stehenden Kräften für das preußische Jnteresse in die Schran- ken treten müßten und würden. Preußen hat so bedeutende ge- schichtliche Erinnerungen, es hat sich mit einer so eminenten Thatkraft entwickelt und eine so feste und sichere Selbstständigkeit in dieser Entwickelung an den Tag gelegt, daß Europa und Deutschland seine Macht und Größe stets anzuerkennen gezwun- gen waren, und wir wollen es wahrlich nicht dahin kommen lassen, daß es je anders würde. Die Eifersüchteleien einzelner kleinen Staaten werden das Ansehen Preußens nicht zu unter- graben vermögen. Jst nun die Gefahr vorhanden, daß diese Errungenschaften in der deutschen Einheit für Preußen verloren gehen? — Un- möglich. Es kann das Große nicht gebrochen werden, wenn es befruchtend auf seine Umgebung wirkt, und vereinzelt nur geht jede Macht zu Grunde! Wenn wir das Aufgehen Preußens in Deutschland wollen, so leben wir der Ueberzeugung, daß unser preußisches Vaterland erst dann in seiner ganzen würde- vollen Größe zur Geltung kommen wird. Kein deutscher Staat kann sich mit Preußen messen, keiner sich ihm gleichstellen, und diese nicht zu bestreitende Superiorität Preußens gibt uns die sicherste Garantie für seine Anerkennung Seitens des übrigen Deutschlands. Mögen die anderen Staaten immerhin mit Neid und Eifersucht auf die preußische Größe blicken; sie werden in dem vereinigten Deutschland sich immer an Preußen kehren müssen, und in seiner Stärke auch die eigene zu erkennen genöthigt seyn. Wenn nun Preußen mit edler Selbstverleugnung seine Kraft dem großen Ganzen hingebend weiht, wenn es seine Größe der des großen deutschen Vaterlandes unterordnet, muß dies nicht ein unberechenbares Gewicht in die Schale Preußens legen, und seine Macht durch diese moralische Wirkung unendlich erhöhen? Wird der Gewinn hier nicht größer werden als das Opfer? Unbestreitbar. Preußen kann nie in Deutsch- land unter gehen, weil es sein größter Staat, sein mächtigstes Bollwerk ist. Aber Preußen kann außer Deutschland unter- gehen, und mit ihm Deutschland selbst. Ein Blick auf die Karte zeigt uns, wie ohnmächtig Preußen ist, wenn es von Deutschland isolirt dastehen sollte. Ein nicht arrondirter Staat, lückenhaft und zerfallen, ohne eigentliche Grenzen und mit einer langgedehnten Küste ohne Flotte ist es zu vielen An- griffen ausgesetzt, um nur nach einer Seite mit sicherem Erfolg auftreten zu können. Welche Zuflucht wird Preußen nehmen müssen, wenn es der Geschichte belieben sollte, sich wie im Jahre 1806 zu wiederholen? Es wird sich Rußland anschlie- ßen müssen. Und was wird dem südlichen Deutschland ohne Preußen übrig bleiben? Es wird sich Frankreich in die Arme werfen. — Soll uns die Geschichte hier keine Lehrerin seyn? Sollen wir der Welt noch einmal das schmachvolle Schau- spiel geben, wie wir's im Anfange des Jahrhunderts gethan? Dann wahrlich verdienten wir unser Schicklal, und wären der Freiheit unwerth. Brauchen wir ferner noch auf das mate- rielle Wohl hinzuweisen, dessen Preußen sich nur dann im vollsten Umfange wird erfreuen können, wenn es einen Theil des vereinigten Deutschlands ausmachen wird? — Wenn unsere Grenzen erweitert, wenn die Zölle und Schlagbäume gefallen seyn werden, wenn das große Deutschland seine Schiffe in alle Welttheile senden, wenn es mächtig im Jnneren und ehrfurcht- gebietend nach Außen dastehen wird, dann auch wird der Wohl- stand erblühen, und jede Thätigkeit, die kleine wie die große, ihre Belohnung finden. Die Größe Frankreichs und Englands liegt in ihrer natio- nalen Einheit, in ihrem nationalen Bewußtseyn. Kann Deutschland nicht dieselbe Größe erlangen? — Es kann mehr, es kann, im Herzen Europa's gelegen, das Schicksal des Ertheils von sich abhängig machen. Halten wir darum fest an dem Ausspruch unseres Königs „Preußen geht hinfort in Deutsch- land auf,“ und bedenken wir, daß es ehrenvoller ist, in Ge- meinschaft mit einem großen Ganzen groß, als in einer vereinzelten Selbstständigkeit klein zu wirken. Ein Berliner Oppositionsblatt, die „Nationalzeitung,“ sagt über denselben Gegenstand: Soll das königliche Wort von dem Aufgehen Preußens in Deutschland mehr als Phrase seyn, so muß das preußische Volk sich an den Gedanken gewöhnen, einen Theil seiner Selbstständig- keit zum Besten des großen Zieles deutscher Einheit und Stärke hinzugeben; es muß, um es mit einem Worte zu sagen, sich den Anordnungen der Centralgewalt, die Preußen anerkannt hat, sofern sie allgemeine deutsche Angelegenheiten betreffen, unterwer- fen. Aber je mehr die Nothwendigkeit dieser Unterordnung ein- leuchtet, um so natürlicher ist es, daß sich das preußische Volk in Erinnerung an die welthistorische Stellung und Bestimmung, die ihm auf jedem Blatte seiner reichen Geschichte entgegentritt, gegen den Gedanken seiner angeblichen Vernichtung als eines besondern Volkes sträubt. Es ist daher kaum anders zu erwarten, als daß das Ministerium, wenn es jetzt mit einem Proteste gegen die An- ordnungen, die ihm von Frankfurt aus zugehen, hervortreten sollte, sich des Beifalls eines großen Theiles des preußischen Volkes erfreuen würde. Gleichwohl würden wir ein solches Auftreten in einer Zeit, wo so eben erst die Anfänge der werdenden deutschen Einheit be- gonnen, sich aber noch nicht befestigt haben, für ein großes Un- glück halten, und zwar für ein Unglück, das nicht minder groß für Deutschland als für Preußen wäre. Denn ohne Preußen kein Deutschland, aber auch kein Preußen ohne Deutschland! Wer also dem Einen entgegen ist, fügt auch dem Andern Schaden zu; sie gehören Beide zusammen, die Größe des Einen wird be- dingt durch die Herrlichkeit des Andern. Darüber wird bei Nie- manden ein Zweifel seyn; der Streit ist allein über die Mittel zum Ziele, und es fragt sich nur, auf welcher Grundbeding- ung die deutsche Verfassung, welche alle deutschen Stämme mit einem gemeinschaftlichen Bande umschlinge, auferbaut werden soll. Deutschland. Reichstag. # Frankfurt 2. August. Nach einer zweistündigen Debatte, in welcher sich namentlich der Berichterstatter Beseler auszeich- nete, wurde zur Abstimmung über die einzelnen Sätze des §. 6. der Grundrechte geschritten. Beinahe einstimmig wurden folgende Positionen angenommen. „Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetze.“ „Standesprivilegien finden nicht statt.“ Der Antrag auf Abschaffung des Adels, seiner Wappen und Titel wurde mit 282 gegen 167 Stimmen verworfen. „Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu Befähigten gleich zugängig.“ „Die Wehr- pflicht ist für Alle gleich; eine Stellvertretung ist nicht gestattet,“ wurden mit sehr großer, der Antrag: „Das Waffenrecht und die Wehrpflicht ist für Alle gleich,“ mit geringer Majorität angenommen. Diesen Anträgen war noch eine große Menge Verbesserungsvorschläge beigefügt, die nach Verdienst den Weg alles Fleisches wandelten. Das Bedeutendste des heutigen Tages ist, daß einestheils die Standesprivilegien abgeschafft und sonach die Bedeutung der bloßen Herkunft beseitigt, anderntheils aber der Adel in seiner Familiensonderthümlichkeit anerkannt und so- nach in der Möglichkeit geschützt wurde, die Geburt durch per- sönliches Verdienst zu adeln und im öffentlichen Leben zur Gel- tung zu bringen. Berlin 30. Juli. ( W. Z. ) Bunsen als Reichsminister! Das Ministerium des Auswärtigen, bisher provisorisch von Hrn. v. Schmerling übernommen, soll, wie die „Spen. Ztg.“ an- deutet und auch Londoner Blätter wissen, dem bisherigen preußi- schen Gesandten in London, Hrn. Bunsen übertragen werden, der dann auch zugleich als Präsident des Reichsmini- steriums fungiren würde. Diese Ernennung wäre offenbar eine Concession für Preußen, wenigstens für den König von Preußen. Es fragt sich nur, ob das Vertrauen des preußischen und des deutschen Volks Bunsen, einem Hauptträger des ge- stürzten christlich=germanischen Systems, in dieser einflußreichsten

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 49. Mainz, 3. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal049_1848/5>, abgerufen am 17.06.2024.